Kapitel 20

Cilia kritzelte mit ihrer Feder auf einem Stück Pergament, das vor ihr lag, herum.

Den Unterricht bekam sie überhaupt nicht mit. Zum Frühstück war sie gar nicht erst gegangen.

Sie konnte es selbst nicht glauben, dass sie es überhaupt bis zum Klassenzimmer geschafft hatte.

Ohne wirklich darauf zu achten, was sie da eigentlich vor sich her zeichnete, dachte sie über den vergangenen Abend nach.

Zwischen die Bilder von Sirius, der sie an sich zog und küsste schoben sich immer wieder andere dazwischen.

Ihr Vater saß an ihrem großen ebenholzfarbenen Esstisch.

Die Flasche Feuerwhiskey vor ihm war nur noch zur Hälfte gefüllt. Abwesend stierte er auf den Tisch.

Cilia kam in den Raum. Sie war gerade mal 5 Jahre alt gewesen.

„Daddy! Was ist los mit dir?"

Mit traurigen Kinderaugen blickte sie zu ihrem Vater empor, der sonst immer fröhlich war. Er hatte immer mit ihr gespielt und gelacht. Er war doch immer glücklich gewesen.

„Daddy! Wo ist Mumy?"

Cilia verstand nicht, was hier vor sich gegangen war. Ihre Mutter hatte vor einer Stunde das Haus verlassen. Ihre Koffer waren gepackt gewesen.

Sie konnte ihre Schwester im Nebenzimmer schreien hören.

„Daddy! Wo ist Mumy hingegangen? Warum hat sie uns nicht mitgenommen?"

Ihr Vater blickte zu ihr herab, als würde er sie gerade erst bemerken.

„Mumy ist in den Urlaub gefahren, Schätzchen."

„Aber wieso hat sie uns nicht mitgenommen? Wann kommt sie wieder?"

„Sie kommt nicht mehr wieder…"

Tränen stiegen ihrem Vater in die Augen und er leerte ein weiteres Glas Whiskey.

Cilia fing an zu weinen. Sie hatte immer noch nicht wirklich verstanden, wo ihre Mutter war, aber als ihr Vater anfing zu weinen konnte sie nicht anders.

In ihren unschuldigen Kindergedanken begriff sie nicht, was hier vor sich ging.

„Aber warum kommt sie nicht wieder, Daddy? Hat sie uns nicht mehr lieb?"

Ihr Vater blickte sie traurig an.

„Ich weiß es nicht, Schätzchen."

Cilia begann wieder zu weinen.

„Aber sie kann uns doch nicht einfach nicht mehr lieb haben."

Schluchzte das Kind.

Ihr Vater nahm sie in den Arm.

Cilia presste ihre Augen fest zusammen um die Tränen zu unterdrücken, die in ihr aufstiegen. Sie sah Sirius vor ihr stehen. Ein verführerisches Lächeln auf den Lippen.

Sie sah ihren Vater, wie er weinte.

An diesem Abend hatte sie ihre Mutter das letzte Mal gesehen.

Diese hatte ihren Vater betrogen und war mit ihrem Liebhaber davongelaufen.

Das alles hatte sie erst viele Jahre später von ihrem Vater erklärt bekommen und verstanden. Sie hatte sie einfach verlassen. War untreu gewesen.

Sie wusste, dass ihre Mutter eine echte Schönheit gewesen war. Sie war sehr beliebt gewesen, vor allem bei den Jungs.

Warum sie sich entschlossen hatte, ihren Vater zu heiraten wusste Cilia nicht.

Wenn man jemanden liebt betrügt man ihn doch nicht.

Eine einzelne Träne tropfte auf das Pergament vor ihr.

Sie blickte darauf.

Die Träne hatte die Tinte darauf gelöst und das Herz, das vor ihr lag verschwamm.

Wie sie die restlichen Stunden ausgehalten hatte, bleib ihr unbegreiflich. Aber schließlich machte sie sich auf den Weg in die große Halle um zu Mittag zu essen.

Plötzlich packte sie jemand von hinten und drängte sie in ein leeres Klassenzimmer.

„Du erklärst mir jetzt, was mit dir los ist. Keine Widerrede!"

Lily drehte sie zu sich herum.

Sie sah ihre verweinten Augen und zog Cilia in ihre Arme. „Was ist nur los mit dir, Süße?" Cilia Schultern zitterten unter den Schluchzern, die sie von sich gab. Die Fürsorge Lilys hatte nur einen weiteren Heulkrampf bei ihr ausgelöst.

Beruhigend strich Lily ihrer Freundin über die Haare.

„Scht…erzähl mir, was passiert ist, Cil."

Lily löste sich wieder von ihr.

Cilia ließ sich auf das Pult nieder. Lily setzte sich neben sie.

„Sirius… er.. wir haben… gestern…"

„Ja, ich weiß. James hat es mir erzählt. Aber warum bist du weggelaufen?"

Cilia blickte ihre Freundin unendlich traurig an.

„Ich habe so angst, Lily." Flüsterte sie.

Erneut liefen ihr zwei Tränen die Wangen herab.

„Wovor hast du Angst?"

„Davor, dass er mir weh tut. Mich alleine lässt. Mit zwei Kindern. Obwohl er doch seine Kinder lieben sollte, Lily! Die Kinder brauchen die Liebe doch!"

Cilia war sich gar nicht bewusst, dass sie Unsinn redete.

Lily schaute ihre Freundin fürsorglich an.

„Jetzt mal ganz langsam. Du hast Angst davor, dass er dir weh tut? Dass er dich verlässt?" „Ja" schniefte Cilia, „er darf mich nicht betrügen…"

Lily's Gesichtsausdruck entglitt ihr kurzfristig.

„Cilia… Es tut mir leid, wenn ich dafür verantwortlich bin. Wirklich! Ich weiß, ich hab dir all die schlimmen Dinge von Sirius erzählt. Und vielleicht mag es auch wahr sein, dass er schon die eine oder andere Freundin hatte, aber im Grunde ist er wirklich ein feiner Kerl. Glaub mir. Ich habe schon mit ihm geredet. Und auch mit James!"

Cilia nickte. „Ich weiß ja… Weißt du… ich liebe ihn doch! Aber mein Vater hat meine Mutter auch geliebt. Aber sie hat ihn trotzdem betrogen."

Lily begann langsam zu verstehen.

„Das wusste ich ja gar nicht Cilia. Was ist denn passiert?"

Cilia musste sich zusammenreisen um nicht erneut anzufangen zu weinen.

„Ich war erst 5, als meine Mutter ausgezogen ist. Sie hatte einen Liebhaber. Sie hat uns einfach verlassen. Meinen Vater, meine Schwester und mich. Ich hab sie seitdem nie wieder gesehen. Sie hat sich nie darum gekümmert, was aus ihren Töchtern geworden ist. Es war ihr einfach egal."

Cilia stierte an irgendeinen Fleck an der Wand.

„Sie hat ihm so wehgetan Und er hat sie auch geliebt."

„Und du hast es nie geschafft einem Jungen wirklich zu vertrauen?"

Lily strich Cilia sanft und beruhigend über den Rücken.

Sie konnte es sich nicht vorstellen, wie es war, ohne Mutter aufzuwachsen. Ihre Eltern waren ein glückliches Paar. Sie schauderte kurz, als sie sich vorstellte, wie es wäre… ohne ihre Mum.

„Nein. Ich musste immer daran denken, was passiert, wenn er mich verlässt."

Lily nickte. Sie konnte soweit es ging nachvollziehen, das Cilia Angst vor einer festen Bindung hatte, aber so konnte das doch nicht weiter gehen.

„Weißt du, das ist ganz normal, dass man zu Beginn eine Zeit lang braucht, um dem Anderen wirklich vertrauen zu können. So was muss sich erst entwickeln. Aber glaub mir, Sirius meint es wirklich ernst mit dir. Er ist heute Morgen auch schon total fertig gewesen. Er denkt ständig darüber nach, was er falsch gemacht hat. Und ehrlich gesagt, ich habe mir auch schon große Vorwürfe gemacht, weil ich dir ja noch dazu so viele Geschichten über ihn erzählt habe."

Cilia blickte Lily hoffnungsvoll an. „Meinst du wirklich?"

Lily nickte und lächelte ihre Freundin ermunternd an.

„Ja das meine ich. Red mit ihm! Erzähl ihm das, was du mir gesagt hast. Er wird das verstehen. Glaub mir."

Lily zog Cilia zu sich und gab ihr einen Schmatzer auf die Wange.

„Und jetzt wird aufgehört zu weinen! Das stellte schreckliche Dinge mit deinem Gesicht an." Missbilligend schüttelte sie den Kopf und zog ein Taschentuch hervor.

Cilia musste schief grinsen. „So schlimm?" fragte sie Lily.

Diese grinste. „Nein, dich kann fast gar nichts entstellen, Süße!" Sie wischte ihrer Freundin ein paar Mal über die Augen und gab ihr das Taschentuch dann, damit Cilia sich die Nase putzen konnte.

Die beiden standen auf. Das Mittagessen hatten sie wohl verpasst und der Unterricht begann in ein paar Minuten.

Cilia hielt Lily kurz zurück. „Danke, Lily!" Flüsterte sie ihr zu. „Kein Problem. Dazu bin ich doch da." Sie lächelte aufmunternd und Cilia lächelte zurück.

„Ich werde heut Abend mit ihm reden." Versprach sie.

Dann trennten sie sich und jede machte sich wieder auf den Weg zum Unterricht.