Kapitel 23
Der letzte Schultag vor dem Winterball verlief recht ereignislos.
Cilia und Sirius machten einen äußerst unausgeschlafenen Eindruck. Das die beiden ein Paar geworden sind, hatte sich schon innerhalb eines Tages in den Mauern Hogwarts' herumgesprochen. Cilia bekam so manchen neidischen oder sogar auch wütenden Blick zu spüren. Aber sie störte sich nicht daran, sie war sehr glücklich mit Sirius.
Als sie zum Abendessen ging traf sie auf Greg.
„Hi Greg! Wie geht's dir? Wann treffen wir uns morgen abends?"
„Hey Cilia! Ich weiß nicht. Willst du wirklich noch mit mir hingehen? Du bist doch jetzt mit Sirius zusammen."
„Na und? Ich möchte trotzdem mit dir hingehen." Sie lächelte.
Greg kannte ihre wahren Beweggründe natürlich nicht und konnte sie deshalb nicht wirklich verstehen.
Zweifelnd blickte er sie an. „Na gut. Aber du musst schwören, dass er mich am leben lässt. Wie man hört ist er recht schnell ziemlich eifersüchtig."
Greg grinste gezwungen.
Cilia lachte. „Kein Problem. Also, wir treffen uns um 18Uhr vor der großen Halle, ja?"
„Alles klar! Bis dann. Ich freu mich!" Er winkte ihr noch zu und machte sich dann auf den Weg zum Gryffindortisch. Cilia begrüßte Sirius schnell mit einem Kuss und setzte sich dann an den Ravenclaw Tisch zu ein paar ihrer Klassenkameraden.
Am Gryffindortisch unterhielt sich Remus gerade mit James. „Sag mal James, mit wem gehst du morgen Abend zum Ball?"
James blickte ihn an. Seine Augen wirkten traurig. „Ich gehe alleine."
Remus runzelte die Stirn. „An mangelnder Interesse auf weiblicher Seite kann das aber wohl nicht liegen, oder!"
James schüttelte den Kopf. „Nein, aber Lily will immer noch mit diesem Schleimbolzen gehen. Er zieht mich schon die ganze Zeit auf. Ständig reibt er mir unter die Nase, dass er mit Lily zum Ball geht. Nur weil er es nicht verträgt, beim Quidditch zu verlieren." James klang immer zorniger. „Und wenn ich ihm, berechtigterweise, die Nase brechen würde, wäre Lily tierisch sauer auf mich." Er seufzte.
Remus blickte seinen Freund verständnisvoll an. James tat ihm mittlerweile sogar richtig leid. Zuerst fand er das eine gerechte Strafe für diese doofe Wette, aber mittlerweile musste auch Remus einsehen, dass es James mit Lily tatsächlich sehr ernst war. Er hoffte, dass Lily das auch erkannt hatte.
Sein Blick schweifte zu ihr herüber. Sie saß etwas abseits von den Rumtreibern mit einer Freundin von ihr. Als sie seinen Blick bemerkte grinste sie und winkte ihm zu. Remus erwiderte ihr Lächeln und wandte sich dann wieder seinem Essen zu.
Am Samstagmorgen schien das ganze Schloss wie ein Bienenstock zu brummen. Die meisten Schüler waren unüblicherweise schon sehr früh auf den Beinen.
In den Mädchenschlafsälen herrschte schon kurz nach dem Frühstück wildes Aufhebens um Kleider, Frisuren und natürlich Jungs.
Lily war gerade im Nebenzimmer ihres Schlafsaals, um sich ungestört umzuziehen, als sie hörte, wie zwei andere Mädchen aus ihrer Stufe hereinkamen. Sie wollte gerade heraustreten um sie zu bitten, ihr den Reißverschluss zu zumachen, als sie ihren Namen hörte.
Vorsichtig blieb sie stehen und trat näher an die Tür, die nur angelehnt war.
„… hat er zu mir gesagt. Ich meine sie ist ja auch wirklich nicht unbedingt attraktiv, oder?" „Ja, ich frage mich, was James nur an ihr findet, dass er ihr die ganze Zeit hinterher läuft." „Wahrscheinlich hat sie ihm einen Liebestrank verabreicht. Sie ist doch ganz gut in Zaubertränke, oder?"
„Ja, das ist wohl am wahrscheinlichsten. Aber ich habe auch gehört, dass Travis nur mit ihr hingeht um James eins auszuwischen. Schließlich wollte er doch eigentlich mit mir hingehen. Er hat mir versprochen, sie nach den ersten beiden Tänzen oder so, stehen zu lassen und mit mir zu tanzen."
„Verständlich. Aber die Taktik von Travis ist wirklich nicht ungeschickt. Du, ich muss noch mal in die Bibliothek. Ich komm gleich wieder."
„Alles klar. Ich schau schon mal, was ich heute Abend mit meinen Haaren anstelle."
Lily war mittlerweile auf den Boden gesunken. Ihr Kleid stand halb offen. Sie konnte es nicht fassen, wie gemein ihre Mitschülerinnen von ihr dachten.
Sie hörte das Mädchen auf der anderen Seite durchs Zimmer laufen. Mit einer schnellen Bewegung stand Lily auf, zog sich ihr Kleid aus und rasch ein paar Jeans und ein T-Shirt an. Sie musste hier raus.
Sie stürmte aus dem Raum durch ihren Schlafsaal. Aus den Augenwinkeln erkannte sie noch, dass das Mädchen Sarah war, mit der sie sich eigentlich immer gut verstanden hatte. Diese schlug sich die Hand vor den Mund, als sie Lily erkannt, die an ihr vorbeistürmte.
Lily verließ den Gryffindorturm und rannte aus dem Schloss.
Als ihr die Puste wegblieb blieb sie stehen. Eine einzelne Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel.
Warum sagten sie so was?
Lily hatte sich zwar nie der Illusion hingegeben, dass sie zu den Schönheiten der Schule zählte, doch sie fand sich eigentlich ganz passabel, auf jeden Fall nicht unattraktiv.
Sie stand noch eine Weile da und betrachtete das Schloss von ihrem Standpunkt aus.
Sie fragte sich, was sie nur falsch gemacht hatte. Sie hatte James immer wieder abblitzen lassen. Er hatte sie primitiv angemacht und wirklich genervt. Da war es doch verständlich gewesen, dass sie sich nie mit ihm verabredet hatte, oder?
Schließlich dachte sie, er würde sie nur in seinen großen Mädchenverschleiß mit einbeziehen wollen. Aber sie musste zugeben, dass James sich in letzter Zeit wirklich verändert hatte. Und sie vertraute ihm.
Sie wusste nicht wieso sie sich auf einmal so sicher war, aber sie glaubte, dass sie mit ihm wirklich glücklich werden konnte.
Doch wollte er sie wirklich?
Schließlich hatte sie gerade selbst mitbekommen, wie sie von anderen gesehen wurde. Vielleicht wusste James selber noch nicht, dass er eigentlich kein Interesse mehr an ihr hatte. Er hatte sich vielleicht einfach nur daran gewohnt, sie um ein Date zu fragen.
Aber was ist mit dem Gespräch in Hogsmead?
Und dem Gedicht?
Aber woher sollte sie eigentlich wissen, dass das Gedicht wirklich für sie gewesen war? Vielleicht hatte er es für eine Andere geschrieben. Deswegen hatte er es ihr auch nicht zeigen wollen.
Hatte sie von Anfang an alles falsch gemacht?
Lily fröstelte.
Erst jetzt merkte sie, dass ein eisiger Wind ihre Ohren umpfiff. Sie hatte außer der Jeans und dem T-Shirt nichts an. Sich die Arme reibend machte sie sich wieder auf den Weg zum Schloss.
Sie wischte sich energisch die Tränen aus dem Gesicht. Nein, so geht das nicht weiter.
Eine Lily Evans ließ sich nicht von ein paar Beleidigungen irgendwelcher Ziegen niedermachen.
Eine Lily Evans kuschte nicht, nur weil jemand versuchte sie zu verletzen.
Eine Lily Evans ließ so etwas nicht zu.
Mit hoch erhobener Nase und eisigem Blick betrat sie den Mädchenschlafsaal. Das Einstimmige Geschnatter ihrer Mitbewohnerinnen verstummte augenblicklich.
Ohne diesen auch nur einen Blick zu gönnen verschwand Lily im Nebenzimmer, in dem immer noch ihr Kleid lag.
Als sie wieder in dieses stieg, dachte sie noch einmal über die genauen Worte, die sie belauscht hatte, nach.
Was hatten sie über Travis gesagt?
Er würde nur mit ihr ausgehen, um James eins auszuwischen?
Na warte! Das lässt eine Lily Evans ebenfalls nicht mit sich machen.
Lily betrachtete sich im Spiegel. Sie sah eher unauffällig aus. Das einzig wirklich schöne an ihr waren ihre Haare und ihre ausdrucksvollen grünen Augen. Sie hatte nicht vorgehabt ihren Grundsatz, sich selbst durch Schminke nicht künstlich zu verschönern, zu brechen, doch sie beschloss, dass es ihr nur helfen würde, Travis eins auszuwischen.
Von wegen nicht attraktiv.
Sie grinste verschlagen in den Spiegel. Der wird sich noch umschauen.
Ihr Kleid alleine fand sie schon einen Traum. Sie hatte es mit ihrer Mutter in einem Muggelgeschäft gekauft. Es war in einem wunderschönen grünton und hatte lange flügelähnliche Ärmel, die aber nicht geschlossen waren sondern ihre Arme nur umflossen. Es ging bis auf den Boden und Lily zog selbst wenn sie ihre Tanzschuhe mit dem kleinen Absatz anzog, eine kleine Schleppe hinter sich her. Der Ausschnitt war für ihre Verhältnisse durchaus sehr gewagt.
Lily betrachtete sich kritisch.
Sie hatte keine schlechte Figur. Sie war zwar nicht so dünn wie zum Beispiel Sarah, aber bei ihr konnte man auch zählen, wie viele Rippen sie besaß.
Lily drehte sich ein wenig. Nein, sie war nicht dick. Sie hatte eine schöne Taille und war auch Obenrum nicht schlecht gebaut.
Sie war mit sich eigentlich mehr als zufrieden. Sie betrachtete ihr Gesicht. Mit einem Schwenker ihres Zauberstabes hatte sie etwas Make-up im Gesicht, das kleine Unreinheiten und die etwas dunkleren Partien unter ihren Augen verdeckte.
Sie schminkte sich zwar so gut wie nie, dennoch kannte sie, wie jedes andere Mädchen auch, die Schminkzauber auswendig. Sie hatte früher immer ihre Mutter beobachtet, wie sie sich mit Kajal, Wimperntusche und ähnlichem abmühte und beschlossen sich so etwas niemals selbst anzutun.
Ihre Haut sah nun auch viel feiner und ebenmäßiger aus.
Sie lächelte zufrieden. Mit einem zweiten Schwenker waren ihre Augen dünn schwarz umrandet und die Wimpern getuscht, sodass sie viel voller und größer aussahen.
Lily betrachtete sich staunend. Sie hätte nicht gedacht, dass sie mit so wenig Schminke schon so viel aus sich machen konnte.
Ihre grünen Augen strahlten nun noch mehr aus der schwarzen Umrandung heraus. Lily entschied sich für einen dezenten silbrig schimmernden Lidschatten, den man nur bei genauem hinsehen erkennen konnte, der aber dennoch verführerisch glitzerte.
Zufrieden betrachtete sie sich.
Sie sah ganz verwandelt aus.
Sie hatte sich noch nie so hübsch gesehen.
Nun musste sie noch etwas mit ihren Haaren anstellen. Sie hatte leider ganz glatte Haare, völlig ohne auch nur geringste Anzeichen von Locken.
Sie beschloss, sich eine Hochsteckfrisur zu zaubern. Nach dem dritten Anlauf war sie äußerst zufrieden. Ihre Haare waren so am Kopf festgesteckt, dass viele kleine Strähnchen um ihren Kopf herum herunterhingen. Einige fielen ihr ein bisschen ins Gesicht und nachdem sie vorne die Haarsträhnen um einige Zentimeter gekürzt hatte, hatte sie so etwas wie einen kleinen Pony.
Sie war stolz auf sich.
Sie drehte sich noch einmal komplett und grinste sich an. Sie sah zwar ganz anders aus, aber selbst sie war beeindruckt von sich.
Um das ganze Bild zu perfektionieren zog sie noch Ellenbogen lange Handschuhe an und legte sich eine Kette um, an der viele schwarze Steine hingen.
Sie blickte auf die Uhr. Sie konnte sich schon langsam auf den Weg zur großen Halle machen.
