Und wieder nach einer sehr langen Zeit. Weiß auch nicht warum ich mir so lange Zeit lasse mit dem posten, das sollte ich mir wohl abgewöhnen! :D
In Port Royal blieb alles ruhig. Die Schiffe lagen friedlich im Hafen. Um die Mittagszeit war es still geworden. Ein einzelnes Huhn wackelte durch eine kleine Gasse. Oben aus dem Fenster eines Dachbodens starrte ein Mädchen die See an. Keine Piraten in Sicht.
Jenny wurde durch lautes Gackern aus ihren Gedanken gerissen. Ein Streunender Köter hatte sich das Huhn geholt und verschwand nun mit seiner Beute in einem kleinen Hof.
Jenny hatte wieder geträumt und war dadurch fast eingeschlafen. Das Gackern riss sie wieder in die ganz andere Wirklichkeit zurück. Einmal mehr hatte sich Jenny ein paar Argumente gegen Port Royal ausgedacht. Aber es war hoffnungslos. Ihre Mutter war nicht mehr von hier wegzubewegen. Jenny hatte ihr Kleid an. Seit der Auseinandersetzung mit dem Schmied, hatte sie ihre Piratenkleidung nicht mehr angehabt. Das Loch hatte sie notdürftig geflickt aber sie hatte das Gefühl, dass diese Kleidung nicht hier her passte. Obwohl sie Kleider auch jetzt noch nicht ausstehen konnte und immer Probleme beim Laufen hatte, zog sie sie an. Ihre Mutter hatte ihr schon wieder Manieren beibringen wollen, dass man als Mädchen von dreizehn Jahren nicht durch die Straßen läuft. Entweder man arbeitete oder... da gab es kein "oder". Die Gesetze waren festgelegt und jeder schien sich daran zu halten. Jenny hielt sich selten daran.
In letzer Zeit zwar öfters, aber mit wenig viel Zufriedenheit.
Jenny hatte die "Interceptor" im Hafen genug bewundert, und Mat hatte angefangen immer die selben Geschichten zu erzählen Es kam keine Nachricht von Piraten und was Jenny noch mehr langweilte es gab auch keine anderen Neuigkeiten. Nichts schien der kleinen Kolonie in der Karibik etwas anhaben zu wollen. Als Jenny es nicht mehr vor Langeweile aushielt, spazierte sie hinunter auf die Straße. Sie hatte ein wenig außerhalb des Städtchens ein schönes Plätzchen gefunden, von wo aus man gut das Meer sehen konnte. Aber zu sehen war dort trotzdem nicht viel. Die gewöhnlichen Handelsschiffe, die langsam dahin glitten und die Fischerkähne. Jenny langweilte sich zu Tode!
Ihre Piratenkleidung lag zu Hause in dem einzigen Kleiderkasten und hier saß sie unter ein paar Palmen in einem Kleid, in dem man nicht einmal ordentlich auf Bäume klettern konnte. Es ging schon, aber man bleib an allen Ecken und Enden hängen. Der Stoff des Kleides war einfaches Leinen, aber doch dementsprechend modisch, fest geschnürt. Jenny fragte sich immer wieder woher ihre Mutter wohl dieses Kleid haben könnte. Es war von heute auf morgen einfach da gewesen. Mutter hatte ihr nie gesagt, woher sie es hatte.
Als Jenny die anscheinend ewig anhaltende Langeweile zu viel wurde, rannte sie, so schnell es ging wieder nach Hause. Schnell war sie nicht, denn das Kleid störte sie enorm, aber immerhin schnell genug, dass ihr Leute verwundert nachschauten.
Zu Hause schmiss sie sich auf ihr Bett und begutachtete ihr Wertvollen Sachen. Als das Armband ihres Vater durch ihre Finger glitt, legte sie es sich kurzerhand um. Es war sehr zart und fast unscheinbar an ihrem Arm. Zufrieden begutachtete sie ihr Schmuckstück. Nachdem sie alles wieder unter ihrem Kopfkissen versorgt hatte, schlüpfte sie aus dem Kleid heraus. Nein sie wollte wieder Pirat sein! Eine Woche, so tun, als ob es anders wäre, war genug! In den weiten Kleidern gefiel es ihr besser, es passte besser und man konnte auch besser nachdenken. In einem Kleid, wie ihrem konnte man nicht einmal über Abenteuer nachdenken!
Leise schlich sie sich wieder hinaus. Die ärgste Hitze war vorbei und Port Royal stand vom Mittagsschläfchen wieder auf. Türen gingen auf und zu. Schritte wurden laut, am Hafen unten begannen sich wieder Menschen zu tummeln. Doch Jenny hatte etwas anderes vor. Der Schmied, machte gerade seine Mittagspause und sie konnte ungestört wieder einmal auf ihren Balken im Dach. Oben in der Schmiede war es noch heißer. Kein Wunder, unten war ja das offene Feuer. Will Turner kam von seiner Mittagspause zurück und der alte Schmied lag wie gewöhnlich noch immer betrunken und schlafend in einer Ecke.
Will bemerkte auch diesmal nicht, dass jemand anderer außer ihm da war, aber Jenny wollte, dass er es schon bald bemerkte. Und aus diesem Grund hatte sie einen der Säbel mit zu sich hinaufgenommen. Doch entweder wollte Will den leeren Platz nicht sehen oder er war zu müde oder sonst etwas. Auf jeden Fall tat er nicht so, als ob ihm irgendetwas aufgefallen wäre. Jenny dachte bei sich, er habe vielleicht Verdacht geschöpft, dass sie hier war. Aber dem war vorerst noch nicht so.
Will begann seine eintönige Schmiedearbeit wieder und Jenny konnte sich diesmal oben in der Schmiede auch nur langweilen. Eigentlich hatte sie vorgehabt, wenn Will das Fehlen des Säbels bemerken würde herunterzuspringen, aber da Will keinerlei Anstalten machte, auch nur irgendetwas komisch zu finden, blieb sie oben sitzen. Eigentlich kam es ihr schon komisch vor, dass Will noch immer nichts bemerkt, als er zu den Säbelrohlinge griff und einen von ihnen ins Feuer legte. Nichts, keine Bewegung, nichts deutete darauf hin, dass er etwas bemerkte. Oder wusste er vielleicht schon, dass sie hier oben saß? Jenny kam sich ziemlich dumm vor. Um dem Ganzen auf den Grund zu gehen, wollte sie schon...
Doch was auch immer ihr Plan gewesen war, Will achte ihn zu Nichte. Denn jetzt griff er wieder zu einem neuen Säbel... – und stutze! Erst beim zweiten Mal hatte er das Fehlen bemerkt und schaute hinauf. Zwischen den Dachbalken starrte zwei schwarze Augen zurück. Und als Jenny sich so entdeckt sah, sprang sie herunter.
"Na, endlich. Ich hätte gedacht, du merkst gar nichts!"
Leicht vorwurfsvoll schaute Jenny Will an. Der schüttelte nur den Kopf.
"Ich hätte es wissen müssen. Und warum bist du diesmal hier? Ich hab dir schon gesagt, ich möchte keinerlei Besuche aus dem Dachboden haben!"
"Ach ja, und wohin soll ich sonst, wenn Herr Schmied nicht da ist?"
"Warten bis ich komme!"
"Danke, und wenn ich nicht warten kann?"
Doch sein Blick war auf Jenny Säbel gefallen.
"Und wozu hast du den weggenommen?"
"Weil ich wollte, dass du merkst, dass jemand da ist. Aber bei dir hat es ja eine Weile gedauert! Ach und falls du denkst ich schlag jetzt drein wie beim ersten Mal, dann irrst du dich. Ich bin aus der Übung!"
"Aus der Übung?"
"Ja, genau. Wenn du ein paar Monate keinen Säbel in der Hand hast, dann vergisst du die Schnelligkeit. Das ist alles. Und ich habe hier nun nichts womit ich üben könnte. Mit normalen Holzstecken geht das nämlich nicht!"
"Aber mit halbfertigen Säbeln geht das schon, oder wie seh' ich das?"
Nun war er es, der sie herausfordernd ansah. Jenny nahm den Säbel an der Klinge und hielt ihn Will hin, der ihn wieder zu den anderen legte.
"Nun, besser mit einem halben Säbel als ohne. Und am Liebsten ist mir für einen Kampf noch immer die Pistole. Da macht man kurzen Prozess."
Noch während sie das sagte, merkte Jenny, dass ihr Piraten-Ich mit ihr durchging. Aber es war schon zu spät. Will wunderte sich, woher das Mädchen wirklich kam. Das letzte Mal hatte sie Tortuga angesprochen, aber dann nichts weiter gesagt. War es möglich, dass er ein Piratenkind vor sich hatte? Oder nur ein Kind, dass seinen Phantasien nachhing?
"Was hast du gesagt, von wegen Übung?"
"Dass ich schon einmal sehr gut war mit dem Säbel, es jetzt aber vergessen oder verlernt habe. Das hab ich gemeint und das ist alles."
"Sei wann kannst du kämpfen?"
Will klang neugierig. Er hoffte mehr aus dem Mädchen herausholen zu können. Aber Jenny achtete jetzt mehr auf das was sie sagte und wollte vermeiden, dass ihr Tortuga noch einmal herausrutschte. Hier in Port Royal sollte das besser nicht mehr passieren. Und wie weit man diesem Will trauen konnte wusste sie auch nicht.
"Seit langem. Keine Ahnung wann ich das gelernt habe!"
"Und wo lernt ein Mädchen, wie du, kämpfen?"
Da hatte Jenny die Frage, die sie nicht hören wollte. Wenn sie jetzt antwortete, konnte sie gleich ihre ganze Geschichte erzählen.
"Und warum willst du das wissen?"
"Nur so, in Port Royal kenne ich kein Mädchen, dass einen Säbel hält wie du!"
"Und was soll das heißen?"
"Dass du gut kämpfst. Und wenn du dich erinnerst, hast du einmal Tortuga erwähnt. Und diese Schildkröteninsel wäre wohl auf keiner Karte verzeichnet, wenn nicht ein paar Piraten sich dort niedergelassen hätten. Also gibt es dort hauptsächlich Piraten. Und wenn von dort herkommst, ist es kein Wunder, dass du kämpfen kannst, Jenny."
Jenny starrte zu Boden. Warum auch hatte sie einmal Tortuga gesagt. Sie war zwar sonst gut im Lügen, aber diesmal wollte sie nicht. Er hatte Recht und er hatte sie durchschaut. Und jetzt war sie da, wo sie nicht sein sollte oder wollte. Ihr Geburtsort sollte geheim gehalten werden und im Moment hatte Jenny keine Ahnung, wie sie sich da wiederherausziehen konnte. Doch das erledigte Will für sie.
"Ist das etwa so schlimm, dass ich dich da jetzt erwischt habe? Wenn du kein Pirat bist, dann stört es ja nicht woher du kommst!"
Jenny sah ihn an und ihre Augen schossen Blitze. Er wagte es ihr zu sagen, dass sie keine Piratin war. Und bevor sie sich selber warnen konnte, legte sie los. In ihrer Stimme schwang eine unterdrückte Aggression mit.
"Da irrst du dich aber! Ich bin eine Piratin und wenn du eh schon alles weißt, ist auch das egal. Und um genau zu sein, bin ich gern Piratin gewesen. Auf Tortuga war eindeutig mehr los, als hier in Port Royal. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie das ist, wenn man von heute auf morgen aus der gewohnten Atmosphäre gerissen wird und plötzlich nicht einmal mehr Hosen tragen darfst, sondern Kleider. Weißt du wie das ist, wenn man alles verliert, was man einmal gehabt hat. Alle Freunde! Weißt du, wie das ist, wenn man dann alles vergessen soll, was man früher gebraucht hat um zu überleben?"
Will hörte dem plötzlichen Gefühlsausbruch Jenny's erstaunt zu. Das war es also, was die Kleine so frech werden ließ. Wenn sie wirklich aus Tortuga kam, womöglich Piraten als Eltern hatte, war das kein Wunder. Aber er selbst hatte schon erfahren, wie es ist, wenn man alles verliert. Aber das war schon ungefähr zehn Jahre her.
"Jenny, ich weiß, wie das ist. Ich habe das auch erlebt!"
Jenny, die bis jetzt stur auf den Boden gestarrt hatte, schaute Will wieder an.
"Was? Du bist doch nicht auch ein Pirat gewesen?"
"Pirat? Nein, das nicht. Aber als ich zwölf Jahre alt war habe ich auch alles verloren, aber so, dass ich nicht mehr dahin zurückkehren konnte. Meine Mutter starb in England und ich machte mich auf meinen Vater zu suchen. Aber das Schiff auf dem ich mich befand, wurde von Piraten angegriffen und sank. Ich kann mich daran noch erinnern. Ich muss bewusstlos geworden sein, denn als ich wieder aufwachte, befand ich mich auf dem Schiff des Gouverneurs von Port Royal. Seine Tochter Elizabeth hat mich entdeckt. Dann wurde ich nach Port Royal gebrach und dort von einer Familie aufgezogen bis ich fünfzehn war und dann habe ich hier zu arbeiten angefangen. Und hier bin ich noch immer."
Jenny schwieg. Sie hatte bis jetzt immer nur die Seite der Piraten von einem ihrer Angriffe gehört, nie von einem Opfer, aber tief ging es ihr nicht, dass Will's Suche ein vorzeitiges Ende gefunden hatte.
"Und was war mit deinem Vater?"
"Ich habe meinen Vater nie kennen gelernt. Wie schon gesagt, ich wollte ihn suchen. Meine Mutter sagte, dass sie ihn verlassen hatte, als ich klein war. Sie meinte, es sei besser so gewesen."
Jenny war erstaunt. Irgendwie konnte sie immer mehr Parallelen in ihrem und Wills Leben sehen.
"Ich habe meinen Vater auch nicht gekannt. Das Schiff, auf dem er war, wurde von er Marine versenkt! - Was war denn dein Vater?"
"Kaufmann, das hat mir meine Mutter gesagt. So Jenny, ich muss jetzt weiterarbeiten..."
"Ach ja, eine Frage. Warum trainierst du eigentlich jeden Tag drei Stunden lang mit deinen Säbeln?"
"Um nicht aus der Übung zu kommen!"
"Und was soll ich machen..."
"Keine Ahnung, du kannst ja da bleiben..."
Will zuckte mit den Schultern. Jenny nickte und machte sich auf den Weg hinter ihren Balken ins Dach hinauf.
"Nein, Jenny, du kannst auch herunten bleiben."
Aber Jenny schüttelte den Kopf und kletterte hinauf. Kurz darauf ertönte von unten das Klopfen von Wills gleichmäßigen Schlägen auf den Amboss. Jenny dachte über das vorige Gespräch nach. Irgendwie gefiel es ihr nicht, dass sie Will alles gesagt hatte und wenn sie die Vergangenheit hätte ändern können, dann hätte sie es sicher getan. Aber da sie keine besonderen Kräfte hatte, auf jeden Fall, keine von denen sie wusste, blieb alles wie es war.
Aber die Frage, die sie am meisten quälte, ging Will an. Wer war er wirklich? Seinen Vater hatte er nicht gekannt. Dem Gesetzt schien er nicht besonders treu zu sein, sonst hätte er sie längt angezeigt oder sonstwa. Kämpfen konnte er gut. Und seine Mutter hatte gesagt, dass sein Vater ein Händler gewesen war. Aber ob er das wirklich gewesen war? Jenny fühlte sich eher an einen Piraten erinnert, als an einen Kaufmann wenn sie sich Will genauer ansah. Sein gepflegtes Äußeres konnte da nichts verbergen.
Jenny schaute erste wieder auf, als unten das Geklopfe aufhörte. Und jetzt sah sie Will bei einem Training, wie er das nannte.
Jenny hatte sich schon öfters gedacht, wie es wäre, wenn mit ihm zu üben, also ließ sie sich jetzt lautlos hinuntergleiten. Will stand in einem kleinen Freiraum und vollführte einige Stiche in die Luft, die Jenny höchst lächerlich vorkamen. Er hatte ihr den Rücken zugewandt und Jenny griff einen von den Säbeln und trat zu Will. Genau in dem Augenblick, als er sich umdrehte, riss sie ihren Säbel in die Luft und die Waffen krachten zusammen. Will, etwas überrascht, hätte beinahe den Säbel zurückgezogen, doch als er Jennys lachendes Gesicht sah, grinste er auch.
Jenny gab kurz mit dem Säbel nach und Will, der das nicht erwartetet hatte, ging darauf ein. Jenny, die genau das vorausgesehen hatte, drückte nun mit doppelter Wucht zurück. Beinahe hätte sie Will den Säbel aus der Hand geschlagen.
"Ich habe gedacht, allein üben ist nicht so lustig. Und ich hab nichts dagegen wieder mal eine ordentlich Waffe in der Hand zu haben."
Jenny hatte ihre Selbstsicherheit nun voll und ganz zurückbekommen.
"Meinetwegen!"
Und Will holte zum nächsten Schlag aus, den Jenny tadellos auffing. Und Jenny merkte, dass sie gar nicht so viel vergessen hatte, eigentlich überhaupt nichts. Will hingegen fand, dass Jenny eine ausgezeichnete Kämpferin war und er hatte manchmal Mühe, nicht in eine ihrer Finten und Tricks hineinzufallen.
Insgesamt dauerte der freundschaftliche Kampf beinahe mehr als zwei Stunden.
Dann war Jenny so erschöpft wie schon lange nicht mehr. Sie hatte sich in den letzen Stunden mehr bewegt, als in der letzen Woche, wenn man alle Tage zusammenzählte. Müde verabschiedetete sie sich und Will, der auch keuchte, ging zurück an sein Klopfarbeit. Jenny war froh. Will hatte sie nicht besiegt, so wie beim ersten Mal. Sie war zufrieden mit ihrem Können.
Als Jenny an diesem Abend im Bett lag dachte sie darüber nach, ob Will sie nun für eine Piratin hielt, oder nur für jemanden, der gerne ein Pirat sein wollte. Beides war vielleicht nicht angenehm, wenn es herauskam. Hier war sie nicht in Tortuga, obwohl sich das gut vergessen ließ, wenn man einen Säbel in der Hand hatte. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie ein. Nein, jetzt würde sie ihr Kleid nicht mehr anziehen. Sie war eine Piratin, auch wenn das unangenehm werden konnte. Jenny war sich nicht im Klaren, dass das sogar sehr unangenehm
werden konnte.
Bitte bitte reviewt!
