Kapitel 4
In der Bibliothek „Sie ist also wieder da", stellte Gandalf mit ruhiger Stimme fest, während er nachdenklich im Zimmer auf und ab ging. Er hatte nicht so schnell damit gerechnet, aber auf eine gewisse Weise hatte er gewusst, dass sie wiederkommen würde. Sie sah nicht aus wie eine böse Hexe, sondern vielmehr wie ein verwirrtes Mädchen, das ihre neu gewonnenen Kräfte nicht unter Kontrolle halten konnte. Und jetzt war sie wirklich wieder aufgetaucht. Er war nicht dabei gewesen, als es passiert war, und so konnte er nur versuchen, aus den vielen Geschichten den wahren Kern herauszusuchen. Das war bei weitem nicht einfach, da sich viele Aussagen unterschieden wie Tag und Nacht. Gimli behauptete steif und fest, sie sei von Grund aus böse und sie habe ihn verzaubert, als er sie nur berührt hatte, Legolas vertrat das strikte Gegenteil. Er war zwar erst dazu gekommen, nachdem sich schon eine kleine Masse versammelt hatte, glaubte aber dennoch sagen zu können, dass sie ängstlich und verletzt ausgesehen habe. „Jawohl, sie ist wieder da, also überlegen wir uns am besten eine gute Strategie, wie wir sie schnellst möglichst wieder loswerden, bevor sie noch andere verzaubert und uns alle ins Unglück stürzt. Dass diesmal nichts passiert ist lag nur daran, dass Zwerge besonders stark und..."
Er wurde unterbrochen, als sich die Tür öffnete und Aragorn eintrat. Sein Haar stand etwas unordentlich vom Kopf ab und seine Hose war nur halb geschlossen. Trotz der Lage musste Legolas grinsen. „Na, wie war deine ‚wichtige Verabredung'?", zog er seinen Freund auf. Doch der ging gar nicht auf den Scherz ein sondern fragte nur ärgerlich: „Was ist so wichtiges geschehen, dass ich so schnell herbeieilen musste? Das Mädchen sagte mir, es ginge um Leben oder Tod!" „Wer war denn das Mädchen?", wagte Legolas zu fragen, obwohl er sich die Antwort schon denken konnte. „Sie hat ihren Namen gesagt. Gerit oder so ähnlich." „Merit. Die hatten wir doch heute Morgen noch diskret entfernt, erinnerst du dich? Die Wache scheint nicht besonders zuverlässig gewesen zu sein. Aber jetzt wo du schon einmal da bist, kannst du dich auch setzen und an unserer kleinen Versammlung teilnehmen. Wir waren gerade dabei, Gimli seine Eindrücke schildern zu lassen, also wäre es wohl das Beste, ihn fortfahren zu lassen." „Wohin fährt er denn", murmelte Pippin leise vor sich hin, war aber still, als Frodo ihn anstubste und nahm sich lieber noch etwas von dem Kuchen. „Ja, also."Gimli räusperte sich gewichtig und streckte sich ein bisschen, was ihm aber trotzdem nicht entscheidend mehr Größe einbrachte. „Ich kam da so den Gang entlang, und plötzlich leuchtet ein grelles Licht auf, ich dachte schon, ich werde blind oder so etwas. Aber zum Glück haben Zwerge... ist ja gut, ich hör ja schon auf, obwohl es wirklich wert wäre zu sagen, dass Zwerge tatsächlich besser... Jetzt guck nicht so, Legolas, ich bin ja schon still. Na ja, jedenfalls war da plötzlich dieses Mädchen und ich habe natürlich sofort erkannt, dass es diese Hexe von heute Morgen war, Zwerge haben nämlich ein sehr gutes Gedächtnis."Er sah kurz triumphierend in die Runde, als er aber nur ungeduldigen Blicken begegnete, sprach er schnell weiter: „Ich wollte sie hochheben... ja, Herr Elb, trotz meiner geringeren Körpergröße heißt dass nicht, dass ich auch zu schwach bin, ein Mädchen zu tragen, da braucht ihr gar nicht so unverschämt zu grinsen. Und wie ich sie da so berühre, wirft sie einen bösen Zauber über mich, und dann..." Er unterbrach sich und schien auch nicht gewillt, noch etwas zu sagen. „Was war dann? Sag's ihm ruhig!", forderte Legolas ihn schadenfroh auf. „Ist ja auch nicht so wichtig", brummte der Zwerg ein wenig griesgrämig. „Er ist ohnmächtig geworden!", krähte Pippin fröhlich von seinem Platz am hinteren Ende der Bibliothek.
„Sei doch still!", presste Gimli zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor. Offensichtlich war es ihm mehr als peinlich, dass er, ein Zwerg, deren Stärke er immer in den höchsten Tönen gepriesen hatte, sich so leicht von einem Mädchen hatte besiegen lassen. „Sie ist eine sehr gefährliche Hexe", wandte er ein, doch jeder konnte sehen, dass er das nicht wirklich glaubte sondern nur versuchte, nicht als Schwächling da zu stehen. „Nun, ich glaube nicht, dass dieses Mädchen eine wirkliche Bedrohung für uns darstellen wird. Du hast selbst gesagt, Herr Zwerg", sagte Gandalf von Fenster aus, wo er stehen geblieben war und hinaus sah, „dass sie in einem hellen Licht geleuchtet hat. Das widerspricht schon deiner Behauptung, denn böse Hexen leuchten nicht. Von ihnen geht eine Dunkelheit aus. Also warten wir wohl besser, bis sie aufwacht, dann können wir ihr immer noch genug Fragen stellen. Einen schönen und geruhsamen Tag wünsche ich euch allen noch, bis wir uns heute Abend auf dem Fest wieder sehen."Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ das Zimmer. Gimli blieb beschämt, Legolas grinsend und die Hobbits mampfend zurück, und Aragorn schien sich zu ärgern, dass er für diese Angelegenheit seine „Verabredung"mit Arwen hatte unterbrechen müssen.
In einem Gästezimmer des Schlosses Rowenna spürte einen leichten Windhauch, der sie aufwachen ließ. Halb war sie erstaunt, halb hatte sie schon mit dem Anblick der steinernen Wände gerechnet. Aber sie war sich sicher, zu Hause gewesen zu sein. Oder habe ich das alles nur geträumt? Doch es war so real, dass es kein Traum gewesen sein konnte. Seltsamerweise fühlte sie sich frisch und ausgeruht, viel zu lebendig um noch länger im Bett liegen zu bleiben. Dabei hatte sie das Gefühl, als hätte sie eigentlich sehr müde sein müssen...
Noch bevor sie dazu kam, die Decke zurück zu schlagen, klopfte es leise an der Tür. Anschließend wurde sie vorsichtig aufgeschoben, dass nur ein Kopf hindurch passte, dessen Augen zu ihr herüber schweiften und sahen dass sie wach war. Es war Nûemyn, die eine Schale mit herrlich aussehenden, reifen Früchten und eine Karaffe mit Wein hereinbrachte. „Es ist schön zu sehen, dass es euch wieder gut geht", sagte sie und stellte das Mitgebrachte auf dem kleinen Frisiertisch ab. „Esst erst einmal etwas, und dann helfe ich euch in ein Kleid. Noch ist es schön warm draußen. Wenn ihr euch beeilt, zeige ich euch gerne den Schlossgarten." Rowenna war froh über Nûemyns Anwesenheit, denn so musste sie wenigstens nicht immerzu an das denken, was geschehen war. Denn dass sie nicht geträumt hatte stand ohne Zweifel fest. Immerhin bemerkte sie beim Aufstehen, dass sie nicht in einem feinen Nachthemd steckte wie am Morgen sondern in ihrer Jeans und einem T-Shirt, die sie nur zu Hause hatte anziehen können.
Auch das Dienstmädchen schien überrascht über ihre Garderobe, die bis jetzt von der Bettdecke verhüllt worden war. „Aber Herrin", meinte sie ein wenig vorwurfsvoll, „wie kommt ihr denn in diese Männerhosen? Und was ihr da anhabt... es bedeckt ja nicht einmal den ganzen Bauch! Seid froh, dass euch der König nicht so gesehen hat!"Sie half ihr in ein Kleid. Dies Mal war es in einer blassen Naturfarbe gehalten und nur mit wenigen dunklen Bändern verziert. Wie viele Kleider sie hier wohl haben? Schließlich habe ich bis jetzt immer ein anderes angehabt und der ganze Schrank ist noch voll. Wahrscheinlich kostet schon die Hälfte mehr, als ich je in meinem Leben verdient hätte.
Es war wirklich noch herrlich warm, als Rowenna und Nûemyn endlich das Schloss verließen, doch es wehte auch schon eine leichte Brise, die den hereinbrechenden Abend verkündete. Rowenna schaute sich aufmerksam überall um, denn dies war das erste Mal, dass sie sich im Schlossgarten aufhielt. Sie war umgeben von wundervollen Pflanzen, von allen Seiten blühten Bäume und Blumen und reckten ihre Triebe der Sonne entgegen. Die kleinen Wege, die sich zwischen all den Pflanzen hindurch schlängelten, passten perfekt in das Bild. Sie schlängelten sich fast ein wenig verspielt um viele Ecken, als wären sie von Kindern angelegt worden, die sich nicht um Symmetrie und ähnliches scherte. Nichts war vorhersehbar, und immer, wenn sie erneut um eine Ecke Bogen konnte sich die junge Menschenfrau gar nicht satt sehen an dieser Vielfalt, dieser Schönheit und der Leichtigkeit, auf der dieses Leben zu beruhen schien.
„Das ist ja wirklich wundervoll!"
Sie konnte einfach nicht anders als zu sagen, was sie empfand. Doch sie war erstaunt, als sie ihr eigenes Sprechen nur als leises Flüstern hörte, als wäre sie zu gebannt um ihrer Stimme mehr Volumen zu verleihen. Nûemyn trottete hinter ihr her und ließ sie gewähren, denn die Dienerin sah, dass ihre Worte nur gestört hätten.
„...und ich sage dir, das ist doch alles Quatsch! Du hast doch gar keine Ahnung, wovon du überhaupt sprichst! Also ich..."
Rowennas Traumwelt wurde empfindlich gestört, als sie die polternde Stimme vernahm. Die darauf folgende passte mit ihrem feinerem Klang schon besser in diese Umgebung. Obwohl auch sie ärgerlich klang, trommelte sie nicht so unangenehm im Ohr.
„Also, wenn hier jemand keine Ahnung hat, dann bist du das! Du hast sie nur berührt und behauptest, sie sei böse. Das ich nicht lache! Als ob Zwerge überhaupt sensibel genug wären, irgendwelche magischen Ströme zu spüren bis sie sie umhauen! Aber immer am meckern. Ich sage dir..."
„Aber hallo, schau mal, wen wir da haben!"
Gimli zeigte unverhohlen auf Rowenna und ihre Begleiterin, als diese in sein Sichtfeld kam. „Jetzt kannst du sie gleich selber fragen, ob sie böse ist", konterte Legolas auch sogleich in nun einigermaßen heiterem Ton. „Das meint er nicht so", sagte Gimli ärgerlich. Ihm war die Situation offensichtlich peinlich zuzugeben, dass er dieses Menschenmädchen für gefährlich hielt. Noch dazu, wo sie vor ihnen stand und so freundlich aussah. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. „Meint er wohl so!", ließ sich nun wieder Legolas vernehmen, dem die Situation immer mehr zu gefallen schien.
„Ich denke, ich kann euch beruhigen, Herr... Zwerg", sagte Rowenna und war bemüht, nicht zu lachen. Es war aber auch zu komisch, diesen Zwerg mit seiner leicht säuerlichen Miene vor sich stehen zu haben und dann auch noch dem Gespräch der beiden so ungleichen Freunde zuzuhören. „Wenn ich böse wäre, so ist mir dies nicht bewusst. Das glaubt ihr mir doch?"
Gimli war sichtlich hin und her gerissen, doch dann rang er sich zu einem Zugeständnis durch. Denn schließlich wurde auch ihm langsam klar, wie absurd seine Vermutung gewesen sein musste, denn immerhin war er der einzige, der sie so lange aufrechterhalten hatte. „Also gut, Lady Rowenna. So wollen wir diese... Sache denn begraben." Er reichte ihr seine Hand und sie schlug ohne große Überlegung ein.
Sofort durchflutete sie ein Gefühl. Zum Teil bestand es aus Misstrauen, aber auch aus Scham und Zuversicht. Geschockt ließ sie die Hand des Zwerges los, und in diesem Augenblick ebbten auch die Gefühle ab. „Aber...", brachte sie heraus, „was..." Sie brach ab, als sie merkte, dass sie zum einen nicht wusste, was sie sagen sollte und zum anderen, da sie bemerkte, wie die anderen sie anstarrten. „Was ist?", fragte Legolas und sah sie erstaunt an. „Das... nichts!", beeilte sie sich zu sagen. „Ich glaube, ich sollte auch langsam wieder mein Zimmer aufsuchen, es wird ein wenig kühl." In Wahrheit erwärmte die Sonne noch ihre Haut, obwohl so schon so schräg am Himmel stand, und Rowenna verspürte auch nicht den Wunsch, sich schon wieder in die schützenden Gemäuer des Palastes zurückzuziehen. Sie wollte einfach nur allein sein und nachdenken.
„Ja, findet ihr denn den Weg zurück?", meldete sich der Zwerg zu Wort, und es klang mehr als nur ein wenig belustigt. „Wieso? Nûemyn kennt sich doch genug aus, um mich zurück zum Palast zu führen. Nicht wahr, Nû..." Doch als sie sich umdrehte, war hinter ihr nichts zu sehen als das prächtige Grün der Blätter und das Bunt der Blüten. Der Weg beschrieb eine enge Kurve, weshalb man kaum weiter als zehn Meter sehen konnte. „Sie scheint wohl nicht halb so interessiert an dieser Gartenschau zu sein, wie ihr es seid, werte Lady", meinte Gimli mit leichtem Hohn in der Stimme. „Sonst wäre sie wohl nicht bei der ersten Gelegenheit abgehauen, die sich ihr bot. Aber nun denn, ihr werdet den Weg doch sicher auch alleine finden, schließlich ist dieser Garten ja nur... halb so groß wie die Mienen von Moria."Er lachte kurz, dafür aber um so lauter und ging an der jungen Frau vorbei. „Ich habe auch noch wichtige Dinge zu erledigen. Bis zum heutigen Abend, Herr Elb!"
Als Gimli hinter der Biegung verschwunden war, sah Rowenna wieder Legolas an. Dieser kleine Gartenzwerg wollte doch nur, dass ich mich verlaufe. Aber Legolas ist ja auch noch da, und der wird jetzt ja wohl nicht einfach so verschwinden. „Du musst ihm einiges nachsehen", sagte dieser gerade, „er erlaubt sich hin und wieder einen Scherz, und der Zwergenhumor ist nicht immer für alle verständlich." „Warum mag er mich eigentlich nicht?", fragte Rowenna plötzlich. „Also ich meine, warum hat er mich so böse angesehen? Ich habe ihm doch nichts getan", verbesserte sie sich, als sie merkte, wie sich ihre Frage angehört haben musste.
Legolas überlegte. Schließlich sagte er: „Ich glaube nicht, dass er dich als Person nicht mag. Er nimmt es dir nur etwas übel, dass du ihn heute... ich weiß nicht, was es war, was du da gemacht hast, aber deswegen ist er noch ein wenig..." Rowenna merkte erst, dass sie ein Stück den Weg hinunter gegangen waren, als sie abrupt stehen blieb. „Bitte was habe ich gemacht?"Sie verstand nicht im Geringsten, wovon der Elb sprach. „Ich meinte... ach, du weißt schon, was ich meine. Heute auf dem Gang, als er dich berührte und dann..." Doch noch immer verstand sie nicht. Was sollte sie auf dem Gang getan haben? „Was soll ich auf dem Gang getan haben?", fragte sie dann auch, und versuchte, seine Antwort zu verstehen.
„Ich weiß es doch auch nicht. Ich habe nur gesehen, dass Gimli... bewusstlos geworden ist, und das war im so sehr peinlich, dass er fast zwei Stunden lang das feine rot aus seinem Gesicht nicht verbannen konnte." „Aber..."Das war kein Traum, fuhr es ihr durch den Kopf. Das, wovon sie gedacht hatte zu träumen, war Wirklichkeit gewesen. Sie setzte sich auf einen großen Stein am Wegrand und stützte ihren Kopf in die Hände. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, warum ihr Leben eine solche Wendung vollführt hatte.
„Ich... ich war zu Hause", erzählte sie mit stockender Stimme, als sie bemerkte, dass er sich neben ihr auf dem Stein niederließ. Es wurde etwas eng, und so rutschte sie ein Stück, um ihm mehr Platz zu gewähren. Sie wusste nicht, ob es richtig war, ihm alles zu erzählen, aber er war der einzige, den sie hier wenigstens ein bisschen kannte und er erschien ihr absolut vertrauenswürdig. Außerdem wusste sie nicht, ob sie jemals wieder zurück nach Hause kommen würde, auch wenn es dieses eine Mal funktioniert hatte. Sie musste einfach mit jemandem über das Erlebte sprechen, sonst würde sie daran ersticken.
Obwohl er nichts sagte wusste sie, dass ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit zuteil wurde, und so fuhr sie fort: „Plötzlich... habe ich geschwebt... irgendwo. Und dann war ich im Haus meiner Eltern. Ich war wirklich da, und jetzt bin ich wieder hier. Ich... weiß nicht, was passiert ist. Es war so ein seltsames Gefühl... es war so schrecklich, und so schön, so dunkel und so leuchtend. Es... es hat mich fast zerrissen. Verstehst du das? Es war so... Ich habe so eine Angst. Was war das? Verdammt, was war das??" Sie bemerkte nicht, dass ihre Stimme an Lautstärke zunahm, und auch nicht, dass einige Tränen ihren Augen entflohen waren und auf ihr Kleid tropften. Ihre Fingernägel bohrten sich tief in die Haut ihrer Hände.
„Ich... ich..."Die Stimme versagte ihr, als Legolas sie in seine Arme zog und sie sanft hin und her wiegte. Ihre Tränen versickerten in seiner Tunika, doch keiner von beiden kümmerte sich darum.
„Also deswegen wolltet ihr mich loswerden!", polterte eine laute Stimme belustigt hinter Legolas' Rücken. Rowenna wollte sich von ihm lösen, doch er hielt sie einfach weiter fest. „Wir wollten dich nicht loswerden, sondern du bist einfach verschwunden. Und außerdem, urteile nicht vorschnell über Situationen, die du nicht verstehst, mein Freund", sagte er mit fester Stimme. „Aber ja doch", zog Gimli ihn weiter auf, es ist ja nie..." Rowenna löste sich nun doch aus den Armen des Elben und der Anblick ihres tränenverschmierten Gesichtes ließ den Zwerg augenblicklich verstummen. Sie lächelte ein weinig gezwungen, wischte ihre Tränen notdürftig mit einer Hand ab und erhob sich. „Ich denke, es ist dann auch wieder Zeit, dass ich zurückkehre zum Palast. Bis später einmal, Legolas, Herr Gimli."Sie überlegt Kurz und entschied sich dann für eine Richtung, die sie einschlug. Sie ging ein Stück, bis sie am einem kleinen Bach ankam, über den an einer Stelle eine kleine Brücke führte. Hier war sie definitiv noch nie gewesen. Jetzt habe ich mich auch noch verlaufen! Es konnte ja auch gar nicht anders kommen, immer wenn ich ein Fettnäpfchen finde, trete ich auch hinein!
Sie zuckte zusammen, als sie hinter sich ein Räuspern wahrnahm. „Ich dachte mir, wenn du schon in die falsche Richtung gehst, brauchst du bestimmt jemanden, der dir den richtigen Weg zeigt und bin dir gefolgt." „Und der Zwerg?", fragte sie, ohne sich umzudrehen, „ist der mal wieder abgehauen?" „Du magst ihn nicht besonders."Es war mehr eine Feststellung, keine Frage. „Stimmt", gab sie unumwunden zu, denn sie hatte das Gefühl, als würde er eh alles durchschauen, was sie dachte. „Er war mir gegenüber nicht besonders fair." „Aber das kannst du ihm doch nicht die ganze Zeit vorwerfen. Er kann nur einfach nicht zugeben, dass er sich geirrt hat. Versuch doch bitte wenigstens ein bisschen, besser mit ihm auszukommen." Rowenna bückte sich und fasste mit einer Hand ins Wasser. Es war zwar kühl, jedoch nicht zu kalt, und so setzte sie sich auf die geländerlose Brücke, entledigte sich ihrer Schuhe und streckte die Füße hinein. Dabei murmelte sie etwas, dass man als Zustimmung oder auch als Ablehnung deuten konnte. Legolas begnügte sich vorerst damit und ließ sich neben ihr nieder. Seine Füße behielt er jedoch bei sich auf der Brücke.
„Es ist wohl am Besten, wenn wir so bald wie möglich zu Gandalf gehen", schlug er vor, „er wird wissen, was zu tun ist." „Aber...", wand Rowenna sich, „was soll ich ihm denn erzählen? Dass ich ganz zufällig zwischen zwei Welten hin und her gereist bin und keine Ahnung habe, wie? Es kommt doch bestimmt nicht häufig vor, dass so etwas passiert, oder?" „Ich habe noch nie davon gehört", musste er zugeben, „aber das bedeutet ja nicht, dass er es nicht glaubt. Er hat schon so viel gesehen in seinem Leben, er wird auch in deinem Fall eine Antwort wissen. Am Besten, wir gehen jetzt gleich, denn heute Abend auf dem Fest ist die Zeit etwas ungünstig gewählt, und du willst doch bestimmt so schnell wie möglich seinen Rat hören." Wenn sie ehrlich sein sollte, so wollte Rowenna im Augenblick gar nichts hören, als den lieblichen Klang der Vögel, die in den Baumkronen saßen und ihr Lied sangen, und das leise Rauschen des Baches. Aber sie wusste auch, dass sie Hilfe brauchte, weil sie nicht wusste, was sie machen sollte, wenn es wieder geschah. „Nun gut", sagte sie deshalb unverbindlich und murrte erstaunt auf, als er sich daraufhin erhob und ihr ebenfall bedeutete aufzustehen. So gerne hätte sie noch den frühen Abend genossen, aber er hatte ja Recht. Sie sollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen, und genau das hatte sie jetzt vor.
In der Bibliothek „Aber es ist keine ernste Angelegenheit?" Thranduil nahm eine der sehr zerbrechlich aussehenden Teetassen von Tisch, trank einen Schluck und stellte sie anschließend wieder ab. Gandalf, der ihm gegenüber saß, lächelte nur versonnen. „Ich habe sehr widersprüchliche Aussagen gehört, und manche wären vielleicht etwas beunruhigend gewesen, wären sie nicht von einem aufgeschreckten Dienstmädchen und einem sichtlich peinlich berührten, wütenden Zwerg gemacht worden. Dein Sohn selbst behauptet das genaue Gegenteil, und Aragorn hält sich so weit es geht neutral. Es ist wirklich nicht notwenig, sich Sorgen zu machen. Ich denke... Nanu, Legolas! Was lässt dich denn wie ein kleines Kind das Anklopfen vergessen, wenn du einen Raum betrittst?", schalt er Thranduils Sohn scherzhaft, als dieser hereinkam.
„Können wir dich einen Augenblick alleine sprechen?", fragte er den Zauberer. „Wir?" „Ja, Rowenna und ich, wir haben da ein kleines Problem..." „Rowenna?", mischte sich Thranduil ein, „Ist sie das?" Legolas wusste natürlich genau, was er meinte, schließlich sprach der ganze Palast von fast nichts anderem mehr. Sogar die Anwesenheit des Königs von Gondor wurde schlicht Nebensache, als die Gerüchteküche zu brodeln begann. Von seinem Lieblingsplatz in der Küche hatte er einige Gesprächsfetzen aufgefangen und musste erkennen, dass von „gefährliche Hexe"bis zu „heilige Retterin"alles vertreten war, je nachdem was die verschiedenen Leute glauben wollten. „Ja", sagte er deswegen nur knapp und wandte sich dann wieder Gandalf zu. „Also, hast du jetzt ein wenig Zeit für uns?", wiederholte er ungeduldig.
„Warum so eilig, Herr Elb?", lächelte der alte Mann, wurde dann aber wider ernst. „Natürlich habe ich Zeit für euch, und es scheint ja auch sehr dringend zu sein. Wo ist sie denn?" Er hatte es kaum ausgesprochen, da trat sie durch die Tür. „Ähm... Vater? Könntest du uns bitte einen Augenblick allein lassen?", versuchte Legolas vorsichtig, Thranduil loszuwerden. Man konnte nie genau wissen, wie der König darauf reagierte, doch zur allgemeinen Erleichterung nickte er nur gutmütig und verließ dann den Raum mit seiner Teetasse in der Hand.
Rowenna schob die Tür hinter ihm mit einem leisen „Klick"ins Schloss und setzte sich dann in den Sessel, der ihr am nächsten stand. „So, was kann ich für euch tun?", fragte Gandalf, der auf seinen Stab gestützt durch das Zimmer wanderte. Legolas drehte sich von Fenster weg zur Raummitte und beschrieb so gut er konnte ihr „Problem": „Du hast ja sicher, mitbekommen, wie Rowenna verschwunden ist, schließlich warst du ja dabei. Nun, sie war... sie hat eine kleine Reise in eine andere Welt unternommen und weiß selber nicht, wie." „Hm..."Gandalf setzte sich nun doch und zwirbelte mit einer Hand nachdenklich an seinem Bart. „Was ist nun?" „Sei doch etwas geduldiger bitte, Legolas, und lass mich in Ruhe nachdenken. Ich..."
„Orks!"Der Schrei hallte durch den Gang und drang nur gedämpft durch die dicke Tür. Er sorgte dafür, dass Legolas sofort aufsprang und hinausrannte, ebenso Gandalf, mit dem Unterschied, dass dieser eher langsam ging. Ein wenig verstört blieb Rowenna zurück und wusste nicht ganz, was sie tun sollte. Sie entschied sich dafür, einfach vorsichtig hinaus zu sehen, denn der Reaktion von Legolas nach zu urteilen, waren diese Orks nicht gerade ungefährlich.
Auf dem Gang war es gespenstisch still, nur von fern klangen die aufgeregten Rufe der Schlossbewohner und Bediensteten, irgendwo schrie eine Frau. Rowenna ging erst zögerlich ein paar Schritte auf dem kalten Steinfußboden, der hier nicht von dicken Teppichen belegt war, und fing dann an zu laufen. Sie wusste nicht genau, ob sie die richtigen Abzweigungen fand, doch der Lärm drang nun verstärkt an ihr Ohr und leitete sie durch die dunklen Gänge. Es dauerte nicht lange, und sie begegnete den ersten Wachen, die, beladen mit Waffen, zur Eingangshalle strebten. In der allgemeinen Aufregung unbemerkt folgte sie ihnen und erhielt nach kurzer Zeit ihren ersten Blick auf die Orks. Anscheinend hatten diese grässlichen, schwarzen Wesen versucht, unbemerkt in den Palast zu schleichen, denn die Wachen zu beiden Seiten der großen Tür lagen mit durchgeschnittenen Kehlen auf dem Boden.
Es war nicht einfach, in dem Gewühl aus kämpfenden Elben und Orks überhaupt etwas zu erkennen. Jeder schien auf jeden einzuschlagen, ohne Rücksicht auf die eigenen Leute. Nachdem Rowenna eine Weile zugeschaut hatte, musste sie ihre Ansicht jedoch korrigieren, denn die Elben kämpften, nachdem sie den ersten Schock überwunden hatten, sehr geschickt. Die Orks hingegen fanden es nicht tragisch, wenn die in ihrer unendlichen Zerstörungswut auch einmal einen Kämpfer aus den eigenen Reihen erwischten. So trugen sie in einem nicht unwesentlichen Maße selbst dazu bei, dass sich ihre Anzahl rasch verringerte, bis sie schließlich alle tot am Boden lagen. Ihre schrecklichen Grimassen waren verzerrt, und ihre leeren Augen blickten starr an die Decke. Erst jetzt bemerkte die junge Frau, wie nahe sie die ganze Zeit am Kampf gestanden hatte. Doch zu ihrer eigenen Verwunderung verspürte sie keine Angst. Sie fand diese Wesen, die den Palast angegriffen hatten trotz ihrer unbeschreiblichen Hässlichkeit und dem ekelerregenden Geruch, den sie verströmten und der schon von ihrer Mordlust ahnen ließ, nicht als bedrohlich. Sie wirkten in ihren Augen so dumm. Wie konnten sie nur glauben, mit einem Überfall bei Tag auf einen Palast, in dem es von ausgebildeten Kriegern nur so wimmelte, Erfolg zu haben? Nein, das konnte nicht der Sinn gewesen sein, oder?
Sie brach ihre Überlegungen ab, als sich unruhiges Gemurmel erhob. Alle Elbenkrieger versammelten sich an einer Ecke der Halle und starrten betreten zu Boden. Schließlich rief eine klagende Stimme: „Der Prinz von Düsterwald ist schwer verletzt! Schnell, holt einen Heiler und tragt ihn auf ein Zimmer!" Einige der Männer rannten geschäftig los und riefen durch die Gänge nach einem Heiler. Andere brachten eine Trage, hoben den Prinzen darauf und trugen ihn, so schnell dessen Verletzungen es zuließen, fort. Rowenna konnte ihnen nur hinterher starren. Sie wusste nicht, wohin sie gehen sollte. Legolas ist schwer verletzt. Er ist mein einziger Vertrauter hier, er darf nicht sterben. Er darf mich hier nicht allein lassen! Sie lief ziellos durch ein paar Gänge, bis sie von einer Ansammlung von Elben vor einer Tür angelockt wurde. Schon einige Meter bevor sie sie erreichte, konnte sie die aufgebrachte Stimme Gimlis hören. „So eine Frechheit, mich nicht zu ihm zu lassen! Ich sage euch, lasst mich sofort..." Die Tür öffnete sich und Aragorn trat mit Gandalf an seiner Seite heraus. Beide sahen sehr betreten aus und in den Augen des Königs von Gondor sammelten sich sogar einige Tränen. Gandalf hatte sich besser unter Kontrolle, doch auch seine Trauer war unübersehbar, als er mit leiser Stimme verkündete: „Es gab keine Rettung für ihn. Ein Dolch durchbohrte ihm das Herz. Nehmt Abschied von eurem Prinzen."
Sofort trat eine unangenehme Stille ein, die sich erst nach einiger Zeit auflöste. Viele Frauen und sogar einige Männer kämpften mit den Tränen, sie alle hatten ihren Prinzen wirklich geliebt. Rowenna wartete, bis die Menge sich zerstreute. Nach einigen Minuten öffnete sich die Tür noch einmal und König Thranduil trat heraus. Niemand bemerkte sie, bis der Gang komplett leer war. Sie überlegte nur kurz und betrat dann das Zimmer.
Die Vorhänge waren zugezogen und tauchten alles in ein gespenstisches Dunkel. An den Wänden hingen kostbare Behänge und den Boden zierte ein riesiger, bunter Teppich. Doch nichts von dem war es, dass Rowenna wahrnahm, auch nicht den geschnitzten Sekretär in einer Ecke oder den goldenen Kronleuchter. Sie sah nur das Bett, doch der Blick darauf wurde von gestickten Vorhängen aufgehalten. Fast ehrfürchtig setzte sie einen Fuß vor den anderen und zog mit der linken Hand vorsichtig den Vorhang zurück.
Beinahe hätte sie nicht glauben können, dass er nicht einfach nur schlief. Zwar reichte eine Narbe vom rechten Auge hinunter bis zum Kinn, doch sie schaffte es nicht, seine friedvollen Züge zu verunstalten. Ein großer brauner Fleck, der seine Tunika verunreinigte, zeugte von der schweren Verletzung, die den Elben das Leben gekostet hatte. Nein! Warum musste das geschehen? Wach wieder auf, wach einfach wieder auf und sag, dass es dir gut geht!, flehte sie im Geheimen.
Sie schloss ihre Augen und ließ die Tränen ihr Gesicht herunter rinnen, bis sie auf die seidene Bettdecke tropften. Wie von selbst hoben sich ihre Hände in die Höhe und legten sich auf seinen Brustkorb. Es schien ihr nicht real, Bilder erschienen in ihrem Kopf, die noch vor weniger als einer Stunde Wirklichkeit gewesen waren. Legolas und sie im Garten. Er hatte sie getröstet, als es ihr schlecht ging, aber nun war er weg. Jetzt konnte er sie nicht trösten.
Die Welt um sie herum schwand immer mehr und machte wieder der Traumwelt platz, durch die sie schon am Morgen gewandelt war. Nein, es war anders. Es gab keine Schatten, die versuchten das Licht einzuhüllen. Alles war hell, alles war einladend und freundlich. Und doch wusste sie, dass sie hier nicht bleiben konnte, selbst wenn sie es gewollte hätte. Vielleicht wollte sie das sogar, nach allem, was ihr widerfahren war.
Aber sie war nur hier, um etwas zu suchen. Das war das einzige, dessen sie sich sicher war, auch wenn sie nicht wusste, was. Doch das wurde ihr klar, als vor ihr etwas Helles auftauchte. Jemand. Legolas, sagte sie, obwohl sie ihren Mund um keinen Millimeter öffnete. Und doch war sich sicher, dass er sie genau verstehen konnte. Was tust du hier? Hallte seine Stimme in ihrem Kopf wider. Du gehörst hier nicht her. Geh wieder zurück, bevor es zu spät ist und lebe dein Leben.
Aber du auch. Ich bin hier, um dich wieder zu holen. Deine Zeit ist noch nicht gekommen. Gib mir deine Hand und folge mir zurück! Doch sie entlockte ihm nur ein müdes Lächeln. Du kannst mich nicht zurückholen. Niemand kann das. Obwohl ein seltsamer, einlullender Zauber alles umhüllte, fingen Rowennas Gehirnzellen plötzlich wieder an zu arbeiten. Sie war wegen ihm hier und sie würde nicht ohne ihn wieder gehen! Ohne noch weitere Zeit oder auch nur noch einen Gedanken zu verschwenden griff sie seine Hand. Sie war erleichtert als sie spürte, dass sie sie festhalten konnte. Beinahe hatte sie geglaubt, ihre Finger würden einfach durch seine hindurch gleiten und nichts als Luft zu fassen bekommen. Sie hielt sie so fest wie es ihr nur möglich war, drehte sich einfach um und zog ihn mit sich.
In der Bibliothek „Sie ist also wieder da", stellte Gandalf mit ruhiger Stimme fest, während er nachdenklich im Zimmer auf und ab ging. Er hatte nicht so schnell damit gerechnet, aber auf eine gewisse Weise hatte er gewusst, dass sie wiederkommen würde. Sie sah nicht aus wie eine böse Hexe, sondern vielmehr wie ein verwirrtes Mädchen, das ihre neu gewonnenen Kräfte nicht unter Kontrolle halten konnte. Und jetzt war sie wirklich wieder aufgetaucht. Er war nicht dabei gewesen, als es passiert war, und so konnte er nur versuchen, aus den vielen Geschichten den wahren Kern herauszusuchen. Das war bei weitem nicht einfach, da sich viele Aussagen unterschieden wie Tag und Nacht. Gimli behauptete steif und fest, sie sei von Grund aus böse und sie habe ihn verzaubert, als er sie nur berührt hatte, Legolas vertrat das strikte Gegenteil. Er war zwar erst dazu gekommen, nachdem sich schon eine kleine Masse versammelt hatte, glaubte aber dennoch sagen zu können, dass sie ängstlich und verletzt ausgesehen habe. „Jawohl, sie ist wieder da, also überlegen wir uns am besten eine gute Strategie, wie wir sie schnellst möglichst wieder loswerden, bevor sie noch andere verzaubert und uns alle ins Unglück stürzt. Dass diesmal nichts passiert ist lag nur daran, dass Zwerge besonders stark und..."
Er wurde unterbrochen, als sich die Tür öffnete und Aragorn eintrat. Sein Haar stand etwas unordentlich vom Kopf ab und seine Hose war nur halb geschlossen. Trotz der Lage musste Legolas grinsen. „Na, wie war deine ‚wichtige Verabredung'?", zog er seinen Freund auf. Doch der ging gar nicht auf den Scherz ein sondern fragte nur ärgerlich: „Was ist so wichtiges geschehen, dass ich so schnell herbeieilen musste? Das Mädchen sagte mir, es ginge um Leben oder Tod!" „Wer war denn das Mädchen?", wagte Legolas zu fragen, obwohl er sich die Antwort schon denken konnte. „Sie hat ihren Namen gesagt. Gerit oder so ähnlich." „Merit. Die hatten wir doch heute Morgen noch diskret entfernt, erinnerst du dich? Die Wache scheint nicht besonders zuverlässig gewesen zu sein. Aber jetzt wo du schon einmal da bist, kannst du dich auch setzen und an unserer kleinen Versammlung teilnehmen. Wir waren gerade dabei, Gimli seine Eindrücke schildern zu lassen, also wäre es wohl das Beste, ihn fortfahren zu lassen." „Wohin fährt er denn", murmelte Pippin leise vor sich hin, war aber still, als Frodo ihn anstubste und nahm sich lieber noch etwas von dem Kuchen. „Ja, also."Gimli räusperte sich gewichtig und streckte sich ein bisschen, was ihm aber trotzdem nicht entscheidend mehr Größe einbrachte. „Ich kam da so den Gang entlang, und plötzlich leuchtet ein grelles Licht auf, ich dachte schon, ich werde blind oder so etwas. Aber zum Glück haben Zwerge... ist ja gut, ich hör ja schon auf, obwohl es wirklich wert wäre zu sagen, dass Zwerge tatsächlich besser... Jetzt guck nicht so, Legolas, ich bin ja schon still. Na ja, jedenfalls war da plötzlich dieses Mädchen und ich habe natürlich sofort erkannt, dass es diese Hexe von heute Morgen war, Zwerge haben nämlich ein sehr gutes Gedächtnis."Er sah kurz triumphierend in die Runde, als er aber nur ungeduldigen Blicken begegnete, sprach er schnell weiter: „Ich wollte sie hochheben... ja, Herr Elb, trotz meiner geringeren Körpergröße heißt dass nicht, dass ich auch zu schwach bin, ein Mädchen zu tragen, da braucht ihr gar nicht so unverschämt zu grinsen. Und wie ich sie da so berühre, wirft sie einen bösen Zauber über mich, und dann..." Er unterbrach sich und schien auch nicht gewillt, noch etwas zu sagen. „Was war dann? Sag's ihm ruhig!", forderte Legolas ihn schadenfroh auf. „Ist ja auch nicht so wichtig", brummte der Zwerg ein wenig griesgrämig. „Er ist ohnmächtig geworden!", krähte Pippin fröhlich von seinem Platz am hinteren Ende der Bibliothek.
„Sei doch still!", presste Gimli zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor. Offensichtlich war es ihm mehr als peinlich, dass er, ein Zwerg, deren Stärke er immer in den höchsten Tönen gepriesen hatte, sich so leicht von einem Mädchen hatte besiegen lassen. „Sie ist eine sehr gefährliche Hexe", wandte er ein, doch jeder konnte sehen, dass er das nicht wirklich glaubte sondern nur versuchte, nicht als Schwächling da zu stehen. „Nun, ich glaube nicht, dass dieses Mädchen eine wirkliche Bedrohung für uns darstellen wird. Du hast selbst gesagt, Herr Zwerg", sagte Gandalf von Fenster aus, wo er stehen geblieben war und hinaus sah, „dass sie in einem hellen Licht geleuchtet hat. Das widerspricht schon deiner Behauptung, denn böse Hexen leuchten nicht. Von ihnen geht eine Dunkelheit aus. Also warten wir wohl besser, bis sie aufwacht, dann können wir ihr immer noch genug Fragen stellen. Einen schönen und geruhsamen Tag wünsche ich euch allen noch, bis wir uns heute Abend auf dem Fest wieder sehen."Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ das Zimmer. Gimli blieb beschämt, Legolas grinsend und die Hobbits mampfend zurück, und Aragorn schien sich zu ärgern, dass er für diese Angelegenheit seine „Verabredung"mit Arwen hatte unterbrechen müssen.
In einem Gästezimmer des Schlosses Rowenna spürte einen leichten Windhauch, der sie aufwachen ließ. Halb war sie erstaunt, halb hatte sie schon mit dem Anblick der steinernen Wände gerechnet. Aber sie war sich sicher, zu Hause gewesen zu sein. Oder habe ich das alles nur geträumt? Doch es war so real, dass es kein Traum gewesen sein konnte. Seltsamerweise fühlte sie sich frisch und ausgeruht, viel zu lebendig um noch länger im Bett liegen zu bleiben. Dabei hatte sie das Gefühl, als hätte sie eigentlich sehr müde sein müssen...
Noch bevor sie dazu kam, die Decke zurück zu schlagen, klopfte es leise an der Tür. Anschließend wurde sie vorsichtig aufgeschoben, dass nur ein Kopf hindurch passte, dessen Augen zu ihr herüber schweiften und sahen dass sie wach war. Es war Nûemyn, die eine Schale mit herrlich aussehenden, reifen Früchten und eine Karaffe mit Wein hereinbrachte. „Es ist schön zu sehen, dass es euch wieder gut geht", sagte sie und stellte das Mitgebrachte auf dem kleinen Frisiertisch ab. „Esst erst einmal etwas, und dann helfe ich euch in ein Kleid. Noch ist es schön warm draußen. Wenn ihr euch beeilt, zeige ich euch gerne den Schlossgarten." Rowenna war froh über Nûemyns Anwesenheit, denn so musste sie wenigstens nicht immerzu an das denken, was geschehen war. Denn dass sie nicht geträumt hatte stand ohne Zweifel fest. Immerhin bemerkte sie beim Aufstehen, dass sie nicht in einem feinen Nachthemd steckte wie am Morgen sondern in ihrer Jeans und einem T-Shirt, die sie nur zu Hause hatte anziehen können.
Auch das Dienstmädchen schien überrascht über ihre Garderobe, die bis jetzt von der Bettdecke verhüllt worden war. „Aber Herrin", meinte sie ein wenig vorwurfsvoll, „wie kommt ihr denn in diese Männerhosen? Und was ihr da anhabt... es bedeckt ja nicht einmal den ganzen Bauch! Seid froh, dass euch der König nicht so gesehen hat!"Sie half ihr in ein Kleid. Dies Mal war es in einer blassen Naturfarbe gehalten und nur mit wenigen dunklen Bändern verziert. Wie viele Kleider sie hier wohl haben? Schließlich habe ich bis jetzt immer ein anderes angehabt und der ganze Schrank ist noch voll. Wahrscheinlich kostet schon die Hälfte mehr, als ich je in meinem Leben verdient hätte.
Es war wirklich noch herrlich warm, als Rowenna und Nûemyn endlich das Schloss verließen, doch es wehte auch schon eine leichte Brise, die den hereinbrechenden Abend verkündete. Rowenna schaute sich aufmerksam überall um, denn dies war das erste Mal, dass sie sich im Schlossgarten aufhielt. Sie war umgeben von wundervollen Pflanzen, von allen Seiten blühten Bäume und Blumen und reckten ihre Triebe der Sonne entgegen. Die kleinen Wege, die sich zwischen all den Pflanzen hindurch schlängelten, passten perfekt in das Bild. Sie schlängelten sich fast ein wenig verspielt um viele Ecken, als wären sie von Kindern angelegt worden, die sich nicht um Symmetrie und ähnliches scherte. Nichts war vorhersehbar, und immer, wenn sie erneut um eine Ecke Bogen konnte sich die junge Menschenfrau gar nicht satt sehen an dieser Vielfalt, dieser Schönheit und der Leichtigkeit, auf der dieses Leben zu beruhen schien.
„Das ist ja wirklich wundervoll!"
Sie konnte einfach nicht anders als zu sagen, was sie empfand. Doch sie war erstaunt, als sie ihr eigenes Sprechen nur als leises Flüstern hörte, als wäre sie zu gebannt um ihrer Stimme mehr Volumen zu verleihen. Nûemyn trottete hinter ihr her und ließ sie gewähren, denn die Dienerin sah, dass ihre Worte nur gestört hätten.
„...und ich sage dir, das ist doch alles Quatsch! Du hast doch gar keine Ahnung, wovon du überhaupt sprichst! Also ich..."
Rowennas Traumwelt wurde empfindlich gestört, als sie die polternde Stimme vernahm. Die darauf folgende passte mit ihrem feinerem Klang schon besser in diese Umgebung. Obwohl auch sie ärgerlich klang, trommelte sie nicht so unangenehm im Ohr.
„Also, wenn hier jemand keine Ahnung hat, dann bist du das! Du hast sie nur berührt und behauptest, sie sei böse. Das ich nicht lache! Als ob Zwerge überhaupt sensibel genug wären, irgendwelche magischen Ströme zu spüren bis sie sie umhauen! Aber immer am meckern. Ich sage dir..."
„Aber hallo, schau mal, wen wir da haben!"
Gimli zeigte unverhohlen auf Rowenna und ihre Begleiterin, als diese in sein Sichtfeld kam. „Jetzt kannst du sie gleich selber fragen, ob sie böse ist", konterte Legolas auch sogleich in nun einigermaßen heiterem Ton. „Das meint er nicht so", sagte Gimli ärgerlich. Ihm war die Situation offensichtlich peinlich zuzugeben, dass er dieses Menschenmädchen für gefährlich hielt. Noch dazu, wo sie vor ihnen stand und so freundlich aussah. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. „Meint er wohl so!", ließ sich nun wieder Legolas vernehmen, dem die Situation immer mehr zu gefallen schien.
„Ich denke, ich kann euch beruhigen, Herr... Zwerg", sagte Rowenna und war bemüht, nicht zu lachen. Es war aber auch zu komisch, diesen Zwerg mit seiner leicht säuerlichen Miene vor sich stehen zu haben und dann auch noch dem Gespräch der beiden so ungleichen Freunde zuzuhören. „Wenn ich böse wäre, so ist mir dies nicht bewusst. Das glaubt ihr mir doch?"
Gimli war sichtlich hin und her gerissen, doch dann rang er sich zu einem Zugeständnis durch. Denn schließlich wurde auch ihm langsam klar, wie absurd seine Vermutung gewesen sein musste, denn immerhin war er der einzige, der sie so lange aufrechterhalten hatte. „Also gut, Lady Rowenna. So wollen wir diese... Sache denn begraben." Er reichte ihr seine Hand und sie schlug ohne große Überlegung ein.
Sofort durchflutete sie ein Gefühl. Zum Teil bestand es aus Misstrauen, aber auch aus Scham und Zuversicht. Geschockt ließ sie die Hand des Zwerges los, und in diesem Augenblick ebbten auch die Gefühle ab. „Aber...", brachte sie heraus, „was..." Sie brach ab, als sie merkte, dass sie zum einen nicht wusste, was sie sagen sollte und zum anderen, da sie bemerkte, wie die anderen sie anstarrten. „Was ist?", fragte Legolas und sah sie erstaunt an. „Das... nichts!", beeilte sie sich zu sagen. „Ich glaube, ich sollte auch langsam wieder mein Zimmer aufsuchen, es wird ein wenig kühl." In Wahrheit erwärmte die Sonne noch ihre Haut, obwohl so schon so schräg am Himmel stand, und Rowenna verspürte auch nicht den Wunsch, sich schon wieder in die schützenden Gemäuer des Palastes zurückzuziehen. Sie wollte einfach nur allein sein und nachdenken.
„Ja, findet ihr denn den Weg zurück?", meldete sich der Zwerg zu Wort, und es klang mehr als nur ein wenig belustigt. „Wieso? Nûemyn kennt sich doch genug aus, um mich zurück zum Palast zu führen. Nicht wahr, Nû..." Doch als sie sich umdrehte, war hinter ihr nichts zu sehen als das prächtige Grün der Blätter und das Bunt der Blüten. Der Weg beschrieb eine enge Kurve, weshalb man kaum weiter als zehn Meter sehen konnte. „Sie scheint wohl nicht halb so interessiert an dieser Gartenschau zu sein, wie ihr es seid, werte Lady", meinte Gimli mit leichtem Hohn in der Stimme. „Sonst wäre sie wohl nicht bei der ersten Gelegenheit abgehauen, die sich ihr bot. Aber nun denn, ihr werdet den Weg doch sicher auch alleine finden, schließlich ist dieser Garten ja nur... halb so groß wie die Mienen von Moria."Er lachte kurz, dafür aber um so lauter und ging an der jungen Frau vorbei. „Ich habe auch noch wichtige Dinge zu erledigen. Bis zum heutigen Abend, Herr Elb!"
Als Gimli hinter der Biegung verschwunden war, sah Rowenna wieder Legolas an. Dieser kleine Gartenzwerg wollte doch nur, dass ich mich verlaufe. Aber Legolas ist ja auch noch da, und der wird jetzt ja wohl nicht einfach so verschwinden. „Du musst ihm einiges nachsehen", sagte dieser gerade, „er erlaubt sich hin und wieder einen Scherz, und der Zwergenhumor ist nicht immer für alle verständlich." „Warum mag er mich eigentlich nicht?", fragte Rowenna plötzlich. „Also ich meine, warum hat er mich so böse angesehen? Ich habe ihm doch nichts getan", verbesserte sie sich, als sie merkte, wie sich ihre Frage angehört haben musste.
Legolas überlegte. Schließlich sagte er: „Ich glaube nicht, dass er dich als Person nicht mag. Er nimmt es dir nur etwas übel, dass du ihn heute... ich weiß nicht, was es war, was du da gemacht hast, aber deswegen ist er noch ein wenig..." Rowenna merkte erst, dass sie ein Stück den Weg hinunter gegangen waren, als sie abrupt stehen blieb. „Bitte was habe ich gemacht?"Sie verstand nicht im Geringsten, wovon der Elb sprach. „Ich meinte... ach, du weißt schon, was ich meine. Heute auf dem Gang, als er dich berührte und dann..." Doch noch immer verstand sie nicht. Was sollte sie auf dem Gang getan haben? „Was soll ich auf dem Gang getan haben?", fragte sie dann auch, und versuchte, seine Antwort zu verstehen.
„Ich weiß es doch auch nicht. Ich habe nur gesehen, dass Gimli... bewusstlos geworden ist, und das war im so sehr peinlich, dass er fast zwei Stunden lang das feine rot aus seinem Gesicht nicht verbannen konnte." „Aber..."Das war kein Traum, fuhr es ihr durch den Kopf. Das, wovon sie gedacht hatte zu träumen, war Wirklichkeit gewesen. Sie setzte sich auf einen großen Stein am Wegrand und stützte ihren Kopf in die Hände. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, warum ihr Leben eine solche Wendung vollführt hatte.
„Ich... ich war zu Hause", erzählte sie mit stockender Stimme, als sie bemerkte, dass er sich neben ihr auf dem Stein niederließ. Es wurde etwas eng, und so rutschte sie ein Stück, um ihm mehr Platz zu gewähren. Sie wusste nicht, ob es richtig war, ihm alles zu erzählen, aber er war der einzige, den sie hier wenigstens ein bisschen kannte und er erschien ihr absolut vertrauenswürdig. Außerdem wusste sie nicht, ob sie jemals wieder zurück nach Hause kommen würde, auch wenn es dieses eine Mal funktioniert hatte. Sie musste einfach mit jemandem über das Erlebte sprechen, sonst würde sie daran ersticken.
Obwohl er nichts sagte wusste sie, dass ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit zuteil wurde, und so fuhr sie fort: „Plötzlich... habe ich geschwebt... irgendwo. Und dann war ich im Haus meiner Eltern. Ich war wirklich da, und jetzt bin ich wieder hier. Ich... weiß nicht, was passiert ist. Es war so ein seltsames Gefühl... es war so schrecklich, und so schön, so dunkel und so leuchtend. Es... es hat mich fast zerrissen. Verstehst du das? Es war so... Ich habe so eine Angst. Was war das? Verdammt, was war das??" Sie bemerkte nicht, dass ihre Stimme an Lautstärke zunahm, und auch nicht, dass einige Tränen ihren Augen entflohen waren und auf ihr Kleid tropften. Ihre Fingernägel bohrten sich tief in die Haut ihrer Hände.
„Ich... ich..."Die Stimme versagte ihr, als Legolas sie in seine Arme zog und sie sanft hin und her wiegte. Ihre Tränen versickerten in seiner Tunika, doch keiner von beiden kümmerte sich darum.
„Also deswegen wolltet ihr mich loswerden!", polterte eine laute Stimme belustigt hinter Legolas' Rücken. Rowenna wollte sich von ihm lösen, doch er hielt sie einfach weiter fest. „Wir wollten dich nicht loswerden, sondern du bist einfach verschwunden. Und außerdem, urteile nicht vorschnell über Situationen, die du nicht verstehst, mein Freund", sagte er mit fester Stimme. „Aber ja doch", zog Gimli ihn weiter auf, es ist ja nie..." Rowenna löste sich nun doch aus den Armen des Elben und der Anblick ihres tränenverschmierten Gesichtes ließ den Zwerg augenblicklich verstummen. Sie lächelte ein weinig gezwungen, wischte ihre Tränen notdürftig mit einer Hand ab und erhob sich. „Ich denke, es ist dann auch wieder Zeit, dass ich zurückkehre zum Palast. Bis später einmal, Legolas, Herr Gimli."Sie überlegt Kurz und entschied sich dann für eine Richtung, die sie einschlug. Sie ging ein Stück, bis sie am einem kleinen Bach ankam, über den an einer Stelle eine kleine Brücke führte. Hier war sie definitiv noch nie gewesen. Jetzt habe ich mich auch noch verlaufen! Es konnte ja auch gar nicht anders kommen, immer wenn ich ein Fettnäpfchen finde, trete ich auch hinein!
Sie zuckte zusammen, als sie hinter sich ein Räuspern wahrnahm. „Ich dachte mir, wenn du schon in die falsche Richtung gehst, brauchst du bestimmt jemanden, der dir den richtigen Weg zeigt und bin dir gefolgt." „Und der Zwerg?", fragte sie, ohne sich umzudrehen, „ist der mal wieder abgehauen?" „Du magst ihn nicht besonders."Es war mehr eine Feststellung, keine Frage. „Stimmt", gab sie unumwunden zu, denn sie hatte das Gefühl, als würde er eh alles durchschauen, was sie dachte. „Er war mir gegenüber nicht besonders fair." „Aber das kannst du ihm doch nicht die ganze Zeit vorwerfen. Er kann nur einfach nicht zugeben, dass er sich geirrt hat. Versuch doch bitte wenigstens ein bisschen, besser mit ihm auszukommen." Rowenna bückte sich und fasste mit einer Hand ins Wasser. Es war zwar kühl, jedoch nicht zu kalt, und so setzte sie sich auf die geländerlose Brücke, entledigte sich ihrer Schuhe und streckte die Füße hinein. Dabei murmelte sie etwas, dass man als Zustimmung oder auch als Ablehnung deuten konnte. Legolas begnügte sich vorerst damit und ließ sich neben ihr nieder. Seine Füße behielt er jedoch bei sich auf der Brücke.
„Es ist wohl am Besten, wenn wir so bald wie möglich zu Gandalf gehen", schlug er vor, „er wird wissen, was zu tun ist." „Aber...", wand Rowenna sich, „was soll ich ihm denn erzählen? Dass ich ganz zufällig zwischen zwei Welten hin und her gereist bin und keine Ahnung habe, wie? Es kommt doch bestimmt nicht häufig vor, dass so etwas passiert, oder?" „Ich habe noch nie davon gehört", musste er zugeben, „aber das bedeutet ja nicht, dass er es nicht glaubt. Er hat schon so viel gesehen in seinem Leben, er wird auch in deinem Fall eine Antwort wissen. Am Besten, wir gehen jetzt gleich, denn heute Abend auf dem Fest ist die Zeit etwas ungünstig gewählt, und du willst doch bestimmt so schnell wie möglich seinen Rat hören." Wenn sie ehrlich sein sollte, so wollte Rowenna im Augenblick gar nichts hören, als den lieblichen Klang der Vögel, die in den Baumkronen saßen und ihr Lied sangen, und das leise Rauschen des Baches. Aber sie wusste auch, dass sie Hilfe brauchte, weil sie nicht wusste, was sie machen sollte, wenn es wieder geschah. „Nun gut", sagte sie deshalb unverbindlich und murrte erstaunt auf, als er sich daraufhin erhob und ihr ebenfall bedeutete aufzustehen. So gerne hätte sie noch den frühen Abend genossen, aber er hatte ja Recht. Sie sollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen, und genau das hatte sie jetzt vor.
In der Bibliothek „Aber es ist keine ernste Angelegenheit?" Thranduil nahm eine der sehr zerbrechlich aussehenden Teetassen von Tisch, trank einen Schluck und stellte sie anschließend wieder ab. Gandalf, der ihm gegenüber saß, lächelte nur versonnen. „Ich habe sehr widersprüchliche Aussagen gehört, und manche wären vielleicht etwas beunruhigend gewesen, wären sie nicht von einem aufgeschreckten Dienstmädchen und einem sichtlich peinlich berührten, wütenden Zwerg gemacht worden. Dein Sohn selbst behauptet das genaue Gegenteil, und Aragorn hält sich so weit es geht neutral. Es ist wirklich nicht notwenig, sich Sorgen zu machen. Ich denke... Nanu, Legolas! Was lässt dich denn wie ein kleines Kind das Anklopfen vergessen, wenn du einen Raum betrittst?", schalt er Thranduils Sohn scherzhaft, als dieser hereinkam.
„Können wir dich einen Augenblick alleine sprechen?", fragte er den Zauberer. „Wir?" „Ja, Rowenna und ich, wir haben da ein kleines Problem..." „Rowenna?", mischte sich Thranduil ein, „Ist sie das?" Legolas wusste natürlich genau, was er meinte, schließlich sprach der ganze Palast von fast nichts anderem mehr. Sogar die Anwesenheit des Königs von Gondor wurde schlicht Nebensache, als die Gerüchteküche zu brodeln begann. Von seinem Lieblingsplatz in der Küche hatte er einige Gesprächsfetzen aufgefangen und musste erkennen, dass von „gefährliche Hexe"bis zu „heilige Retterin"alles vertreten war, je nachdem was die verschiedenen Leute glauben wollten. „Ja", sagte er deswegen nur knapp und wandte sich dann wieder Gandalf zu. „Also, hast du jetzt ein wenig Zeit für uns?", wiederholte er ungeduldig.
„Warum so eilig, Herr Elb?", lächelte der alte Mann, wurde dann aber wider ernst. „Natürlich habe ich Zeit für euch, und es scheint ja auch sehr dringend zu sein. Wo ist sie denn?" Er hatte es kaum ausgesprochen, da trat sie durch die Tür. „Ähm... Vater? Könntest du uns bitte einen Augenblick allein lassen?", versuchte Legolas vorsichtig, Thranduil loszuwerden. Man konnte nie genau wissen, wie der König darauf reagierte, doch zur allgemeinen Erleichterung nickte er nur gutmütig und verließ dann den Raum mit seiner Teetasse in der Hand.
Rowenna schob die Tür hinter ihm mit einem leisen „Klick"ins Schloss und setzte sich dann in den Sessel, der ihr am nächsten stand. „So, was kann ich für euch tun?", fragte Gandalf, der auf seinen Stab gestützt durch das Zimmer wanderte. Legolas drehte sich von Fenster weg zur Raummitte und beschrieb so gut er konnte ihr „Problem": „Du hast ja sicher, mitbekommen, wie Rowenna verschwunden ist, schließlich warst du ja dabei. Nun, sie war... sie hat eine kleine Reise in eine andere Welt unternommen und weiß selber nicht, wie." „Hm..."Gandalf setzte sich nun doch und zwirbelte mit einer Hand nachdenklich an seinem Bart. „Was ist nun?" „Sei doch etwas geduldiger bitte, Legolas, und lass mich in Ruhe nachdenken. Ich..."
„Orks!"Der Schrei hallte durch den Gang und drang nur gedämpft durch die dicke Tür. Er sorgte dafür, dass Legolas sofort aufsprang und hinausrannte, ebenso Gandalf, mit dem Unterschied, dass dieser eher langsam ging. Ein wenig verstört blieb Rowenna zurück und wusste nicht ganz, was sie tun sollte. Sie entschied sich dafür, einfach vorsichtig hinaus zu sehen, denn der Reaktion von Legolas nach zu urteilen, waren diese Orks nicht gerade ungefährlich.
Auf dem Gang war es gespenstisch still, nur von fern klangen die aufgeregten Rufe der Schlossbewohner und Bediensteten, irgendwo schrie eine Frau. Rowenna ging erst zögerlich ein paar Schritte auf dem kalten Steinfußboden, der hier nicht von dicken Teppichen belegt war, und fing dann an zu laufen. Sie wusste nicht genau, ob sie die richtigen Abzweigungen fand, doch der Lärm drang nun verstärkt an ihr Ohr und leitete sie durch die dunklen Gänge. Es dauerte nicht lange, und sie begegnete den ersten Wachen, die, beladen mit Waffen, zur Eingangshalle strebten. In der allgemeinen Aufregung unbemerkt folgte sie ihnen und erhielt nach kurzer Zeit ihren ersten Blick auf die Orks. Anscheinend hatten diese grässlichen, schwarzen Wesen versucht, unbemerkt in den Palast zu schleichen, denn die Wachen zu beiden Seiten der großen Tür lagen mit durchgeschnittenen Kehlen auf dem Boden.
Es war nicht einfach, in dem Gewühl aus kämpfenden Elben und Orks überhaupt etwas zu erkennen. Jeder schien auf jeden einzuschlagen, ohne Rücksicht auf die eigenen Leute. Nachdem Rowenna eine Weile zugeschaut hatte, musste sie ihre Ansicht jedoch korrigieren, denn die Elben kämpften, nachdem sie den ersten Schock überwunden hatten, sehr geschickt. Die Orks hingegen fanden es nicht tragisch, wenn die in ihrer unendlichen Zerstörungswut auch einmal einen Kämpfer aus den eigenen Reihen erwischten. So trugen sie in einem nicht unwesentlichen Maße selbst dazu bei, dass sich ihre Anzahl rasch verringerte, bis sie schließlich alle tot am Boden lagen. Ihre schrecklichen Grimassen waren verzerrt, und ihre leeren Augen blickten starr an die Decke. Erst jetzt bemerkte die junge Frau, wie nahe sie die ganze Zeit am Kampf gestanden hatte. Doch zu ihrer eigenen Verwunderung verspürte sie keine Angst. Sie fand diese Wesen, die den Palast angegriffen hatten trotz ihrer unbeschreiblichen Hässlichkeit und dem ekelerregenden Geruch, den sie verströmten und der schon von ihrer Mordlust ahnen ließ, nicht als bedrohlich. Sie wirkten in ihren Augen so dumm. Wie konnten sie nur glauben, mit einem Überfall bei Tag auf einen Palast, in dem es von ausgebildeten Kriegern nur so wimmelte, Erfolg zu haben? Nein, das konnte nicht der Sinn gewesen sein, oder?
Sie brach ihre Überlegungen ab, als sich unruhiges Gemurmel erhob. Alle Elbenkrieger versammelten sich an einer Ecke der Halle und starrten betreten zu Boden. Schließlich rief eine klagende Stimme: „Der Prinz von Düsterwald ist schwer verletzt! Schnell, holt einen Heiler und tragt ihn auf ein Zimmer!" Einige der Männer rannten geschäftig los und riefen durch die Gänge nach einem Heiler. Andere brachten eine Trage, hoben den Prinzen darauf und trugen ihn, so schnell dessen Verletzungen es zuließen, fort. Rowenna konnte ihnen nur hinterher starren. Sie wusste nicht, wohin sie gehen sollte. Legolas ist schwer verletzt. Er ist mein einziger Vertrauter hier, er darf nicht sterben. Er darf mich hier nicht allein lassen! Sie lief ziellos durch ein paar Gänge, bis sie von einer Ansammlung von Elben vor einer Tür angelockt wurde. Schon einige Meter bevor sie sie erreichte, konnte sie die aufgebrachte Stimme Gimlis hören. „So eine Frechheit, mich nicht zu ihm zu lassen! Ich sage euch, lasst mich sofort..." Die Tür öffnete sich und Aragorn trat mit Gandalf an seiner Seite heraus. Beide sahen sehr betreten aus und in den Augen des Königs von Gondor sammelten sich sogar einige Tränen. Gandalf hatte sich besser unter Kontrolle, doch auch seine Trauer war unübersehbar, als er mit leiser Stimme verkündete: „Es gab keine Rettung für ihn. Ein Dolch durchbohrte ihm das Herz. Nehmt Abschied von eurem Prinzen."
Sofort trat eine unangenehme Stille ein, die sich erst nach einiger Zeit auflöste. Viele Frauen und sogar einige Männer kämpften mit den Tränen, sie alle hatten ihren Prinzen wirklich geliebt. Rowenna wartete, bis die Menge sich zerstreute. Nach einigen Minuten öffnete sich die Tür noch einmal und König Thranduil trat heraus. Niemand bemerkte sie, bis der Gang komplett leer war. Sie überlegte nur kurz und betrat dann das Zimmer.
Die Vorhänge waren zugezogen und tauchten alles in ein gespenstisches Dunkel. An den Wänden hingen kostbare Behänge und den Boden zierte ein riesiger, bunter Teppich. Doch nichts von dem war es, dass Rowenna wahrnahm, auch nicht den geschnitzten Sekretär in einer Ecke oder den goldenen Kronleuchter. Sie sah nur das Bett, doch der Blick darauf wurde von gestickten Vorhängen aufgehalten. Fast ehrfürchtig setzte sie einen Fuß vor den anderen und zog mit der linken Hand vorsichtig den Vorhang zurück.
Beinahe hätte sie nicht glauben können, dass er nicht einfach nur schlief. Zwar reichte eine Narbe vom rechten Auge hinunter bis zum Kinn, doch sie schaffte es nicht, seine friedvollen Züge zu verunstalten. Ein großer brauner Fleck, der seine Tunika verunreinigte, zeugte von der schweren Verletzung, die den Elben das Leben gekostet hatte. Nein! Warum musste das geschehen? Wach wieder auf, wach einfach wieder auf und sag, dass es dir gut geht!, flehte sie im Geheimen.
Sie schloss ihre Augen und ließ die Tränen ihr Gesicht herunter rinnen, bis sie auf die seidene Bettdecke tropften. Wie von selbst hoben sich ihre Hände in die Höhe und legten sich auf seinen Brustkorb. Es schien ihr nicht real, Bilder erschienen in ihrem Kopf, die noch vor weniger als einer Stunde Wirklichkeit gewesen waren. Legolas und sie im Garten. Er hatte sie getröstet, als es ihr schlecht ging, aber nun war er weg. Jetzt konnte er sie nicht trösten.
Die Welt um sie herum schwand immer mehr und machte wieder der Traumwelt platz, durch die sie schon am Morgen gewandelt war. Nein, es war anders. Es gab keine Schatten, die versuchten das Licht einzuhüllen. Alles war hell, alles war einladend und freundlich. Und doch wusste sie, dass sie hier nicht bleiben konnte, selbst wenn sie es gewollte hätte. Vielleicht wollte sie das sogar, nach allem, was ihr widerfahren war.
Aber sie war nur hier, um etwas zu suchen. Das war das einzige, dessen sie sich sicher war, auch wenn sie nicht wusste, was. Doch das wurde ihr klar, als vor ihr etwas Helles auftauchte. Jemand. Legolas, sagte sie, obwohl sie ihren Mund um keinen Millimeter öffnete. Und doch war sich sicher, dass er sie genau verstehen konnte. Was tust du hier? Hallte seine Stimme in ihrem Kopf wider. Du gehörst hier nicht her. Geh wieder zurück, bevor es zu spät ist und lebe dein Leben.
Aber du auch. Ich bin hier, um dich wieder zu holen. Deine Zeit ist noch nicht gekommen. Gib mir deine Hand und folge mir zurück! Doch sie entlockte ihm nur ein müdes Lächeln. Du kannst mich nicht zurückholen. Niemand kann das. Obwohl ein seltsamer, einlullender Zauber alles umhüllte, fingen Rowennas Gehirnzellen plötzlich wieder an zu arbeiten. Sie war wegen ihm hier und sie würde nicht ohne ihn wieder gehen! Ohne noch weitere Zeit oder auch nur noch einen Gedanken zu verschwenden griff sie seine Hand. Sie war erleichtert als sie spürte, dass sie sie festhalten konnte. Beinahe hatte sie geglaubt, ihre Finger würden einfach durch seine hindurch gleiten und nichts als Luft zu fassen bekommen. Sie hielt sie so fest wie es ihr nur möglich war, drehte sich einfach um und zog ihn mit sich.
