Kaptitel 5 Plötzlich verschwand der Nebel und Rowenna spürte wieder die Luft um sie herum, etwas das ihr sonst nie aufgefallen wäre. Sie atmete bewusst und tief einige Züge, bis sich auch die letzten ihrer Gedanken geklärt hatten. Erst jetzt nahm sie ihre Hand wahr, die noch immer auf Legolas' Brust lag. Da war... Wie von alleine öffneten sich ihre Augen. Hatte sie sich getäuscht? Vorsichtig legte sie ihre Hand, die sie unwillkürlich weggezogen hatte, wieder auf ihren vorherigen Platz. Es stimmte. Sein Brustkorb senkte und hob sich im gleichmäßigen Rhythmus, als wäre nie etwas passiert.

„Oh mein Gott...", flüsterte sie mit rauer Stimme. Immer wieder musste sie seine Atmung kontrollieren, um sich sicher zu sein, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Sie merkte gar nicht, wie schnell ihr eigenes Herz schlug, und es war ihr auch nicht wichtig. Aber er war doch tot! Das kann doch alles nicht wahr sein. Oder können in dieser Welt die Toten wieder auferstehen? Aber dann hätte doch niemand um ihn getrauert. Vielleicht habe ich das nur geträumt, vielleicht ging es ihm nie schlecht, vielleicht... Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als er sich unter ihrer Hand regte. Sofort richteten sich ihre Augen auf sein Gesicht und sahen, wie er die seinen langsam aufschlug. Als er sie sah, lächelte er, stöhnte dann aber, weil ihm die Wunde im Gesicht Schmerzen bereitete. Er fuhr mit der Hand über seine Wange und zuckte leicht zusammen.

„Was ist passiert?", fragte er, immer bemüht möglichst wenige Muskeln zu bewegen, um seine geschundene Haut nicht noch mehr zu strapazieren. „Woran erinnerst du dich?", gab Rowenna die Frage vorsichtig zurück. Wenn er nichts mehr von seinem Tod wusste, wollte sie nicht diejenige sein, die es ihm sagte. „Wir haben gekämpft...gegen die Orks, unten in der Halle. Mehr weiß ich nicht mehr, tut mir Leid." Sie wusste nicht, ob sie sich darüber freuen sollte, entschied sich dann aber dafür. Sicher war der eigene Tod nicht unbedingt die beste Erinnerung.

„Himmel, was ist denn das?"Entsetzt zeigte der Elb auf seine halb zerrissene Tunika, als er den riesigen Blutflecken erblickte. „Das... ist gar nichts. Nicht dein Blut, sonder das der... Orks", beeilte sich Rowenna zu sagen, bekam jedoch nur eine misstrauische Antwort zu hören. „Das Blut der Orks ist schwarz, nicht wie dieses hier. Also sag mir schon, wessen Blut ist das? Niemand, der so viel Blut verliert, kann den Kampf überlebt haben. Aber warum klebt es an meiner Tunika? Sag es mir, bitte!" Die Angst, dass einer seiner Freunde ums Leben gekommen sein könnte, war deutlich in seinen Augen zu sehen.

„Vielleicht ist es besser, wenn ich zuerst deine Wunde im Gesicht versorge?"Es war mehr eine Frage und sie sagte es auch nur, um ihn vom Thema abzubringen. Durch die großen Risse in seiner Tunika konnte sie erkennen, dass seine Haut von der tödlichen Verletzung nicht einmal eine kleine Narbe zurück behalten hatte. Er wollte gerade zu einer Entgegnung ansetzen, als sich die Tür mit einem Schwung öffnete und Gimli herein trat. Er bemerkte erst nicht, dass er nicht allein im Zimmer war, abgesehen von der Leiche seines besten Freundes, die er erwartete zu sehen. Leise vor sich hinmurmelnd setzte er seinen Weg zum Bett fort ohne auch nur einmal aufzuschauen. In seiner Stimme schwand große Trauer mit und wer genau hinsah konnte hin und wieder eine dicke Träne in seinem Bart versickern sehen.

Wie vom Blitz getroffen blieb er schließlich stehen und starrte den Elb an. Der wusste gar nicht, wie ihm geschah, als der Zwerg plötzlich zu ihm aufs Bett sprang und ihn umarmte. Bei seinem verdutzten Blick musste Rowenna fast lachen, schwächte es aber gerade noch zu einem Lächeln ab. „Also jetzt will ich aber wirklich eine Erklärung!", forderte Legolas, als er sich endlich von der nicht gerade sanften Umklammerung seines Freundes befreit hatte.

Nervös kaute Rowenna auf ihrer Unterlippe. Was sollte sie nun sagen? Sie konnte ja nicht immer noch darauf beruhen, dass gar nichts geschehen war, nicht nach dieser Reaktion. „Ja also...äh...", fing sie zögerlich an und wand sich unter dem langsam ärgerlich werdenden Blick des Elben. Vielleicht sollte ich ihm einfach die Wahrheit sagen. Er wird sie eh irgendwann einmal erfahren. Aber dass dieses irgendwann ausgerechnet jetzt sein musste... Schließlich holte sie noch einmal tief Luft und bemühte sich dann ihm in die Augen zu sehen als sie erzählte: „Du kannst dich ja noch an den Kampf erinnern."Als er nickte, fuhr sie mit etwas sichererer Stimme fort: „Na ja, du hattest nur diesen dünnen Stoff zu deinem Schutz, und er hat nicht gereicht..."

„Was soll das heißen, er hat nicht gereicht? Aber ich habe doch außer dieser Schramme im Gesicht keine Verletzungen davon getragen. Oder wollst du mir etwa sagen, dass ein Dolch mein Herz durchbohrt hat und sich die Wunde auf seltsame Weise wieder verschlossen hat?" Er lachte, blickte dann aber verwirrt auf die junge Frau, die unruhig aber ernst auf der Bettkante hin und her rutschte und noch immer ihre Unterlippe mit den Zähnen bearbeitete. „Komm schon, das kann doch nicht dein Ernst sein, oder? Du... du machst Scherze. So groß ist nicht einmal die Heilkraft der Elben! Sag du doch auch mal was!", wandte er sich an Gimli.

Doch der hatte gar nicht zugehört, er war viel zu beschäftigt damit, seinen auferstandenen Freund selig anzustarren. Jetzt zuckte er leicht zusammen. „Was ist los?", murrte er, offensichtlich entrüstet, dass man ihn von seiner momentanen Lieblingsbeschäftigung abhalten wollte. „Du sollst mir nur bestätigen, dass ich keinen Dolch im Herz hatte", wiederholte der Elb seine Aufforderung. „Aber wenn es doch stimmt!", versetzte Gimli. „Aber... Ihr beide wollt mich doch... Jetzt lass endlich meinen Arm los und nimm dir endlich eine Frau, wenn du immerzu knuddeln willst! Ich muss jetzt erst einmal aus diesen schrecklich verklebten Sachen heraus, dieser Blutgeruch ist einfach widerlich. Danach können wir weiterreden!"Damit stand er auf und verließ den Raum.

Gimli sah ihm etwas enttäuscht hinterher, als befürchtete er, dass dies alles nur ein Traum war der sich verflüchtigte, sobald er Legolas nur aus den Augen verlor. Dann jedoch wandte er sich an Rowenna. „Wie ist das möglich? Du, ich darf doch du sagen, also du hast ihn wieder ins Leben zurückgeholt!" Ohne Vorwarnung stürzte er sich nun auch auf die total überraschte Rowenna und drückte sie so fest er konnte an seine kleine stämmige Zwergenbrust. Alle Feindseligkeit war vergessen, als die beiden schließlich den Raum verließen und zum Thronsaal gingen, wo sie schon erwartet wurden.

Auf dem Gang war es still, als Legolas heraustrat. Totenstill. Er musste sich kurz schütteln. Noch immer konnte er nicht glauben, was er gerade gehört hatte. Er. Wieder auferstanden. Nein, das war einfach zu absurd. Bestimmt hatten die beiden das ausgeheckt, um ihn vorzuführen. Aber sie hatten sich doch gar nicht gemocht, sich im Gegenteil immer nur beschimpft. Es war nicht wahrscheinlich, dass sie zusammen etwas geplant hatten. Aber immer noch wahrscheinlicher, als von den Toten zurückzukehren. Grübelnd und in Gedanken versunken machte er sich auf den Weg zu seinen Gemächern, um sich umzuziehen und vor allem den Schmutz und das viele Blut abzuwaschen.

„Aaaaaahhhhhh!"

Er zuckte zusammen, als er den Schrei hörte und sah sich instinktiv nach allen Seiten um. Als er eine Frau in Küchenkleidung sah, wollte er zu ihr hingehen und ihr helfen, was auch immer ihr passiert war. Doch bevor er sich ihr nähern konnte, rannte sie kreischend davon und rief immer wieder: „Das kann nicht sein, dass kann nicht sein, ein Geist! Hilfe!"Dann verschwand sie aus seinem Blickfeld, doch ihre Schreie konnte er noch eine Weile später hören.

Es dauerte nicht lange, da wurde es unruhig auf den Gängen. Jeder versuchte, dem Lärm auf den Grund zu gehen und verursachte dabei von eben diesem so viel, dass er noch zehn weitere anlockte. Einige wollten die verwirrte Frau beruhigen, doch die meisten rannten einfach nur herum und versuchten in Erfahrung zu bringen, was geschehen war. Legolas machte sich so schnell er konnte auf den Weg zu seinen Gemächern und schaffte es sogar sie zu erreichen, bevor ihn jemand zu Gesicht bekam. Hastig schloss er die Tür hinter sich und lehnte sich mit geschlossenen Augen dagegen. Sollte es am Ende doch die Wahrheit sein, was Rowenna und Gimli ihm erzählt hatten? Aber das kann einfach nicht sein. Das ist unmöglich! Immer wieder zog er diese Möglichkeit in Betracht und genauso oft wischte er den Gedanken unwirsch beiseite. Zuerst entledigte er sich seines Hemdes, welches sogar ein wenig an seinem Körper festgetrocknet war. Eigentlich bestand nicht aus mehr als einigen Fetzen, und was nicht zerrissen war, war besudelt vom vielen Blut. Jetzt erkannte er auch, dass es fast ausschließlich rotes Blut war. Nur hin und wieder verätzte ein schwarzer Spritzer den ehemals hellen Stoff.

Es ist also kein Orkblut. Aber ist es denn möglich, dass es das meine ist? War ich wirklich... „Nein!", sagte er entschlossen zu sich und zuckte ein wenig zusammen vom Klang seiner eigenen Stimme, die nicht so fest klang wie sonst, sondern sogar leicht zitterte. Er warf das Hemd auf den Boden und drehte sich um.

„Was..."

Im Thronsaal herrschte drückendes Schweigen. Niemand getraute sich etwas zu sagen, jeder atmete scheinbar bemüht leise oder hing einfach nur seinen Gedanken nach. Die Trauer war hier fast greifbar, die Luft zum Schneiden dick. Wahrscheinlich war dies alles der Grund, weshalb es so konfus, so komplett unwirklich wirkte, als Gimli und Rowenna herein traten. Der Zwerg summte fröhlich vor sich hin, das Mädchen hielt sich vorsichtshalber einige Schritte hinter ihm. Ihr wurde sehr unwohl zumute, als sich ihnen mit einem mal alle Gesichter zudrehten und sie angestarrt wurden, als wären sie nicht von Gang hereingekommen sondern auf direktem Wege vom Mars angereist.

Wie auf Kommando fingen viele der Anwesenden an zu Tuscheln und allgemeine Unruhe machte sich breit. „Ruhe!", donnerte Thranduil von seinem Platz auf dem Thron herunter. Seine Stimme zitterte zwar hörbar, verfehlte jedoch trotzdem nicht ihre Wirkung. Die Stille dröhnte fast lauter als ein Paukenschlag, denn das Gefühl, das sie verbreitete, war schier unerträglich. „Habt ihr denn keinerlei Anstand in Leib und Seele", beschuldigte sie der König, als sie näher traten. „Mein ältester Sohn und Thronfolger ist soeben verstorben, und ihr macht Späße, vermutlich noch auf seine Kosten!"

Gimlis Grinsen wurde noch breiter. Ihm schien die ganze Situation nicht das Geringste auszumachen, er stand einfach nur da und blickte selbstbewusst in die Runde. Schließlich wandte er sich wieder dem König zu. „Es tut mir Leid, euch in eurer Trauer enttäuschen zu müssen, mein König." Er verbeugte sich überhöflich, was Thranduil entrüstet nach Lust schnappen ließ. Doch bevor er noch zum sprechen ansetzen konnte, fuhr der Zwerg schon fort. „Aber ich muss euch mitteilen, dass sich euer Sohn bester Gesundheit erfreut." Sofort wurde es wieder laut im Saal. Diesmal sagte der König jedoch nichts dagegen, zu groß war seine Verwirrung.

Rowenna beobachtete das ganze Geschehen aus sicherer Entfernung. Noch immer wusste sie nicht genau, was sie denken sollte, es waren zu viele Eindrücke, die sie in der letzten Zeit gewonnen hatte. Plötzlich durchfuhr ein Schmerz ihren Kopf und zwang sie in die Knie. Es war, als würde ein Beil in ihren Schädel getrieben, immer wieder flaute der Schmerz ab, nur um anschließend noch heftiger zurück zu kehren. Ihre eigenen Schreie hörte sie nicht mehr, alles in ihr konzentrierte sich auf den Schmerz. Es fühlte sich an, als würde etwas mit Gewalt in sie hinein gepresst, jedoch nichts physischer Natur, vielmehr wie Gedanken.

Dann sah sie Bilder. Ein Zimmer, das sie noch nie betreten hatte, erschien nun in einer Klarheit, als hätte sie dort ihr ganzes Leben verbracht. Es war ein Zimmer, das ihrem hier im Palast sehr ähnlich sah, nur viel größer und schmuckvoller möbliert. Als sie ihren Blick herumschweifen ließ, sah sie...

Es war eines dieser hässlichen schwarzen Wesen, die den Palast angegriffen hatten. In seiner Rechten hielt es ein Beil, dass in der herein scheinenden Abendsonne blutrot und Unheil verkündend glänzte. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, und das Beil schwang hoch in der Luft, nur wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht. Aber Moment, das war doch gar nicht ihr Gesicht, das war...

Ohne zu wissen was sie tat, tauchte Rowenna tiefer in das Bild hinein, das sie so scharf vor Augen hatte. Sie ging weiter und weiter und weiter... Bis sie schließlich den weichen Untergrund des dicken Teppichs unter ihren Füßen spüren konnte. Ihr blieb keine Zeit mehr, denn schon schoss das Beil auf sie herab. Es würde sie treffen, erschlagen, vielleicht sogar durchtrennen. Schützend riss sie ihre Hände hoch, wissend, dass es nichts nützte. In Erwartung des Schmerzes harrte sie so mehrere Sekunden aus, und als er nicht kam, öffnete sie zögernd ihre bis dahin krampfhaft zugekniffenen Augen.

Nur gut einen Zentimeter vor ihr in der Luft hing das Beil – und rührte sich nicht um einen Millimeter! Sie nahm sich nicht die Zeit, sich erst umzusehen, sondern beeilte sich, zwei Schritte zur Seite zu gehen. Dann sah sie endlich richtig auf und konnte es nicht glauben: Dieses schwarze Wesen stand unbeweglich, fast wie eingefroren da, ebenso Legolas, den sie jetzt auch erblickte. Die Augen des Elben waren vor Entsetzten geweitet und starrten auf den Angreifer. Was soll ich jetzt tun? War ich das? Habe ich diese beiden zu Statuen verwandelt? Oh mein Gott, was soll ich denn jetzt tun? Sie versuchte ansatzweise, Legolas beiseite zu schieben um ihn notfalls, falls dieses Monster wieder zum Leben erwachte, auch dessen Reichweite zu haben. Erst jetzt merkte sie, dass er sein Hemd nicht mehr trug und entdeckte es dann zusammengeknüllt am Boden. Aus viel hatte es ja eh nicht mehr bestanden.

Sie zögerte einen Augenblick, aber dann fiel ihr wieder ein, dass sie nicht wusste, wie lange das hier noch hielt. Also legte sie vorsichtig ihre Hände auf den Oberkörper des Elben und drückte erst sachte, dann mit all ihrer Kraft gegen ihn. Nichts! So sehr sie sich auch anstrengte, er bewegte sich nicht einmal einen halben Millimeter. Das kann doch wohl nicht wahr sein! Was soll ich denn jetzt machen, wenn ich ihn nicht wegschieben kann?

Dann fiel ihr etwas ein: Wenn der Elb nicht vom Ork weg will, dann muss der Ork halt vom Elben weg! Doch auch der rührte sich nicht, als sie sich endlich dazu durchgerungen hatte, dessen dreckige, stinkende Kleidung zu berühren. Erschöpft ließ sie sich aufs Bett fallen und schloss die Augen. Ork weg, Ork weg, Ork weg!, dachte sie, wütend auf sich selbst. Verschwinde doch einfach, du dämlicher Ork! Sie atmete noch einmal tief durch. Sie wusste, dass ihr alles Grübeln nichts bringen würde, denn ihr Verstand war wie weggepustet. Egal wie sehr sie sich auch zu konzentrieren versuchte, es kam nur Verzweiflung und schwarze Leere dabei heraus.

Sie sah auf, als sie ein Geräusch hörte. Es klang wie das Flimmern eines Fernsehers, aber das war ja absurd, denn in dieser Welt gab es definitiv keinen Fernseher. Es dauerte auch nur wenige Sekunden und Rowenna fragte sich gerade, ob sie sich nicht vielleicht verhört hatte, als sie die Augen öffnete und... Er war weg! Dieser hässliche, stinkende Ork war einfach verschwunden! Sie musste erst einige Male zwinkern, bevor sie sich sicher sein konnte, dass ihre Augen ihr keinen Streich spielten oder ihr Wünschträume vorgaukelten. Einem Moment lang war sie einfach glücklich, aber dann fiel ihr wieder ein, dass Legolas sich noch immer nicht rührte. Sie wandte sich wieder ihm zu. Also, unter seinen komischen Gewändern konnte man aber von dem Körper gar nichts sehen. Vielleicht sollte ich noch ein bisschen hier bleiben und die Aussicht... Aber nein, was denke ich da. Ich muss natürlich so schnell wie möglich irgendwas tun, auch auf die Gefahr hin, dass er sich dann wieder was überzieht... Sie zuckte zusammen, als sie ein Geräusch hörte und stellte dann fest, dass es ein unbewusstes, bedauerndes Seufzen ihrer selbst gewesen war. Sie schloss die Augen und versuchte, sich zu konzentrieren...

Er war verschwunden! Verwirrt starrte Legolas an die Stelle, an der noch vor einer Sekunde, ach was, vor einer tausendstel Sekunde, der Ork gestanden und sein Beil durch die Luft geschwungen hatte. Er hätte ihn genau getroffen, denn der Elb war noch immer etwas benommen von den Geschehnissen und hatte einiges seiner schnellen Reaktionsfähigkeit eingebüßt.

Vorsichtig bewegte er nacheinander alle seine Gliedmaßen und stellte zufrieden fest, dass alles in Ordnung war. Natürlich musste es so sein, denn der Ork war ja weg, aber trotzdem... Alles am heutigen Tag war seltsam, und er wollte sich bei allem sicher sein.

Als er sich umsah, entdeckte er Rowenna, die mit zusammengekniffenen Augen auf dem Bett saß und leise Worte vor sich hinmurmelte. Dank seiner ausgezeichneten Elbenohren konnte er einiges verstehen. „...wieder normal... komm schon, sei wieder normal und beweg dich..." Er wollte gerade zu ihr hingehen und sie fragen, was sie sich von diesen unzusammenhängenden Phrasen erhoffte, als er seine Ohren noch ein bisschen mehr spitzte als sonst. (Achtung, Elbenwitz!! Hahaha... g) „... das wäre doch schade um ihn wenn er nur noch dasteht wie eine Litfasssäule, obwohl ich mir dann den ganzen Tag lang diesen Körper angucken könnte... ach nein, doch lieber lebendig, bitte bitte!"

„Rowenna?" Er fragte nur ganz leise und vorsichtig, erreichte damit aber maximale Wirkung. Ihr Kopf schoss hoch und sie starrte ihn erst glücklich, dann ärgerlich an. „Wie lange stehst du schon da?", argwöhnte sie und sah ihn prüfend an. „Ähm, sag du es mir. Was ist passiert?" Hoffentlich hat er mir grad nicht zugehört. Gott, bitte lass ihn mir nicht zugehört haben. Aber Hauptsache, er ist wieder normal. Aber trotzdem wäre es so peinlich! „Ich weiß es nicht. Am Besten, du ziehst dich jetzt um und gehst dann zu den anderen, die erwarten dich schon sehnsüchtig. Ich warte dann vor der Tür auf dich..." Ihre Stimme zitterte ein bisschen, doch sie merkte es nicht einmal. Plötzlich wurde ihr erst klar, was da überhaupt gerade geschehen war. Sie hatte die Zeit angehalten!! Denn sie war es doch wirklich gewesen, niemand anders war hier. Sie schüttelte den Gedanken ab und wandte sich zur Tür, als sie eine Hand an ihrem Arm spürte.

Sie hatte die Tür gerade erreicht, und als sie sich zu Legolas umdrehte, konnte sie sich mit dem Rücken dagegen lehnen. Sein Griff war kräftig, doch das schien ihm gar nicht aufzufallen. „Sag mir erst, was wirklich passiert ist", verlangte er, „erst das eben und jetzt das. Und beide Male warst du da. Das kann doch kein Zufall sein!" Seine Stimme wurde zum Ende hin immer rauer. „Also ich denke, wir können später darüber..." „Nein!"Er wurde langsam ein weinig ärgerlich und vor allem ungeduldig. Er musste es jetzt einfach wissen! Schon so oft hatte er sich Gedanken über Rowenna gemacht, aber diese Ereignisse ließen alles in einem ganz anderen Licht dastehen. „Könntest du vielleicht bitte erst mal meine Hand loslassen? Wir können ganz in Ruhe..." „Nein! Du sagst mir jetzt auf der Stelle wer du bist, vorher lass eich bestimmt nicht los. Sonst läufst du nur wieder vor einer Antwort davon." Wie um seine Worte noch bestätigen nahm er nun auch ihre andere Hand, die versucht hatte, ihre eine, die er sowieso schon festhielt, zu befreien und hielt sie mit eisernem Griff umklammert.

Er wollte sie eigentlich gar nicht so fest halten, doch er war auch nicht gewillt, seinen Griff zu lockern, bevor sie ihm die erhoffte Antwort gab. Ihr Gesicht war nur wenige Zentimeter vom seinem entfernt und er konnte noch ihren warmen Atem auf seiner Haut spüren. Sie sah ihn sichtlich unentschlossen an und wand sich ein wenig. Vielleicht war sein Griff doch etwas zu hart, aber er wollte jetzt unbedingt eine Antwort. Wer war sie wirklich? Sie behauptete, von einer fremden Welt zu sein, aber von Magie hatte sie nichts erwähnt!

Als er nichts mehr sagte und sie nur abwartend ansah wurde sie langsam unruhig. Warum lässt er mich nicht einfach los? Ich weiß es doch nicht, verdammt! Seine Augen blickten starr in ihr Gesicht und machten sie nervös, bis sie sich zu winden begann. Sie versuchte, ihren Körper seitlich an seinem vorbeizuschieben. Sie hätte so vieles gemacht, nur um dieser Frage zu entgehen! Sie wollte sich einfach nicht damit befassen, es machte ihr Angst. Vor lauter Angespanntheit wurden ihre Lippen ganz trocken und sie feuchtete sie kurz mit ihrer Zungenspitze ein wenig an. Es brachte nicht viel, aber was sollte sie sonst tun? Sie hätte so gerne ein Glas Wasser gehabt!

Seine Sinne waren geschärft und er nahm jede ihrer Reaktionen wahr. Dann, ohne Vorwarnung, fing sie plötzlich an, ihren Körper an seinem zu reiben! Er brauchte einen Augenblick bis er merkte, dass sie nur versuchte, sich zu befreien. Er musste sich bemühen, keine Miene zu verziehen und weiter starr in ihre Augen zu sehen. Er merkte, dass sie das nervös machte. Sein Blick wanderte zu ihren Lippen, über die sie gerade mit der Zungenspitze fuhr. Er spürte immer noch ihren Körper und er musste kurz die Augen schließen, sonst hätte er den Blick wohl nicht mehr von ihrem Gesicht nehmen können. Doch dadurch nahm er jede kleine Berührung noch intensiver wahr und er öffnete die Augen schnell wieder.

Was war nur an dieser Menschenfrau, das ihn so anzog? Er hätte es nicht sagen könne, wenn man ihn gefragt hätte. Wahrscheinlich wäre er im Augenblick ohnehin nicht imstande, eine solche Frage überhaupt zu verstehen, denn alle seine Wahrnehmungen konzentrierten sich ohne sein Zutun auf diese Frau vor ihm... Er stieß ein halb knurrendes, halb brummendes Geräusch aus und merkte erst einige Sekunden später, dass es wirklich von ihm aufgegangen war. Ihre Augen sahen ihn fragend an. Es wurde alles zu viel für ihn, er merkte gar nicht, dass sie jede Bewegung eingestellt hatte und sich nun so gut wie gar nicht mehr bewegte. Er sah einfach nur noch ihre Lippen, die ein wenig geöffnet waren, und er konnte gar nicht anders als sie zu küssen.

Das letzte, das sie sah, war, dass sich seine Augen plötzlich um einige Nuancen verdunkelten. Sie hatte es aufgegeben, sich an ihm vorbeischieben zu wollen, denn sie hatte gemerkt, dass es zum einen nichts brachte und zum anderen ein Gefühl in ihr auslöste, mit dem sie sich im Moment nicht näher beschäftigen wollte. Dann spürte sie nur noch seine Lippen, die ihre sanft streichelte und seine Zunge, die erst die Konturen ihrer Lippen nachfuhr und dann langsam in ihren Mund hineinglitt. Immer noch konnte sie ihre Arme nicht bewegen, da er ihre Handgelenke noch stärker als vorher an die Tür in ihrem Rücken presste.

Sie ließ es einfach geschehen, schloss die Augen und fühlte nur noch. Seinen Körper, der sich an sie drückte und ihr kaum genug Platz zum Atmen ließ, seine Lippen auf ihren und seine Zunge, die immer mutiger wurde und versuchte, jeden Ort zu erkunden, den sie erreichen konnte. Vorsichtig begann Rowenna, seine Zärtlichkeiten zu erwidern. Ihre Muskeln spannten sich an und sie schob sich ihm noch ein Stück entgegen, bis die letzten Millimeter überbrückt waren. Seine Lippen wanderten weiter bis zu ihrem Hals. „Lass los... bitte", flüsterte sie heiser mit geschlossenen Augen. „Bitte..." Er schien sie nicht zu hören, doch als sie ihre Hände bewegte stellte sie fest, dass sich sein Griff so sehr gelockert hatte, dass sie ihn abstreifen konnte. Sofort legte sie ihre Arme um seinen Hals und krallte ihre Finger in sein Haar. Es war so weich, fast wie Seide, und glitt durch ihre Fingerspitzen. Als er sich kurz von ihrem Hals gelöst hatte, ging sie zum Angriff über. Sie küsste ihn auf die Lippen und zog ihn noch näher an sich, falls das überhaupt möglich war. Ihre Hand berührte seine Ohrmuschel, was ihm ein leises Stöhnen entlockte. Kurz darauf ließ sie ihre Lippe folgen und brachte ihn damit fast um den Verstand.

Quälend langsam fuhr sie über den äußersten Rand seines linken Ohres, leicht wie eine Feder strich sie hier und da darüber und wagte sich immer weiter vor. Als sie auch noch ihre Zähne einsetzte war für ihn ein Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gab. „Rowenna...", stöhnte er unterdrückt, „weißt du eigentlich, was du da..."Er kam nicht weiter, schon diese wenigen Wörter hatten seine ganze Beherrschung gekostet.

Nun ließ er seinen Händen freien Lauf, sie bewegten sich fast wie von alleine ihren Körper hinunter und streichelten unaufhörlich alle Stellen, die sie finden konnten.

„Legolas! Bist du hier drin? Wir warten alle auf dich!"

Doch der Elb reagierte nicht. Rowenna war sich sicher, dass er den Ruf Gimlis gehört hatte. Laut genug war er jedenfalls gewesen, um damit eine Horde Faultiere auf zwei Kilometer aufzuwecken, und der Zwerg stand immerhin nur wenige Meter von ihnen entfernt auf der anderen Seite der Tür. „Legolas!"Sie bemühte sich um eine möglichst feste Stimme, doch trotz allem zitterte sie noch bedenklich. „Hör auf! Hörst du nicht?" Endlich nahm er seine Hände von ihr und sah sie bedauernd an.

Wo soll das alles bloß noch hinführen? Was habe ich denn da nur getan? Ich muss weg! Ihr kam wieder der Abend in den Sinn, an dem er sie schon einmal geküsste hatte, in einer ähnlichen Situation wie dieser.

Nach weinigen Augenblicken hatten sich ihre Gedanken wieder genügend geklärt. „Ich gehe dann besser, damit du dich endlich umziehen kannst. Ich will dich wirklich nicht länger aufhalten, wenn alle auf dich warten", brachte sie hervor. Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen rauschte sie zur Tür hinaus uns an einem verwunderten Zwerg vorbei zu ihrem Zimmer.