So, hier also das 9. kap.
Jetzt will ich mal etwas tun, das ich mir schon sooo lange vorgenommen, aber immer wieder vergessen habe: herzlichen dank an alle meine reviewer und leser, die nich reviewn (bitte tuts demnächst mal! :-)), vor allem shiva!! schmatz
Kapitel 9
„Da seid Ihr ja wieder. Ich hatte mich schon gefragt, ob ich Euch so sehr verschreckt habe, dass Ihr euch nicht mehr blicken lasst."
Rowenna schwenkte den Wein in ihrem Glas hin und her und ignorierte ihr Gegenüber. Sie wusste nicht, das wievielte Mal sie sich in der letzten Stunde schon hatte nachschenken lassen, aber so langsam merkte sie die Wirkung.
Na gut, dann muss ich wenigstens nicht die ganze Zeit über Dinge nachdenken, die ich nicht ändern kann.
Sie leerte auch dieses Glas und ließ sich sogleich ein neues geben.
„Sprecht Ihr nicht mehr mit mir? Habe ich irgendetwas gesagt, dass Euch verärgert hat? In diesem Fall tut es mir Leid, auch wenn ich mir dessen nicht bewusst war."
Elladan rührte sich nicht vom Fleck, sondern versuchte weiter, sie in ein Gespräch zu verwickeln.
Na toll. Jetzt steht der die ganze Zeit hier. Merkt er eigentlich nicht, dass ich mich nur betrinken will?
„Lass mich in Ruhe!"Hoppla, hab ich das jetzt laut gesagt? Mist, Mist, Mist!
„Ich meine natürlich... äh..."Was wollte ich da grad noch gleich sagen? Das Alter macht sich bemerkbar...
„Ist schon gut, ich nehme Euch das nicht übel. Ihr habt einfach ein wenig zu tief ins Glas geschaut. Vielleicht treffen wir uns später einmal wieder, wenn ihr nüchtern seid."
Endlich, er geht!
Noch zwei weitere Gläser wurden ihres Inhaltes beraubt, dann ein drittes und ein viertes.
Rowenna wollte sich gerade noch eines bringen lassen, als jemand ihren Arm festhielt.
„Das ist ja nicht mehr mit anzusehen! Wie viel Wein habt Ihr in den letzten Minuten getrunken, seit ich gegangen bin? Habt Ihr Kummer? So redet mit mir darüber und ertränkt ihn nicht."
„Was geht disch das an?"
„Vielleicht geht es mich nichts an. Trotzdem hört Ihr jetzt sofort auf damit!"
„Kannscht mir gar nix befehlen, Rapunschel, dasch dasch ma klar is. Un außadem wollt isch eh grad gehn. Gudde Nacht noch du Spassverderba!"
Das Glas rutschte ihr aus der Hand, aber das war ja eh leer gewesen. Die Splitter verteilten sich sofort einige Meter weit und einige Umstehende sprangen erschrocken zur Seite. Ein Bediensteter eilte mit einem Kehrblech herbei und fegte so gut es ging um die Füße der Anwesenden herum. Rowenna bekam davon gar nichts mit, sie stolperte schon Richtung Tür. Sie hatte sich vorsichtshalber nahe der Tür aufgehalten, um schnell den Weg zurück zu finden, falls das in ihrem Zustand überhaupt noch möglich war, egal ob schnell oder langsam. Gerade noch konnte sie sich am Türrahmen abstützen, bevor sie zu Boden gefallen wäre.
„Weissu was?", drehte sie sich zu Elladan um, der immer noch hinter ihr stand. „Du kannscht mir jetscht mal den Weg zu meinem Simmer seigen, was hältscht davon?"
„Wenn Ihr mir verraten würdet, wo sich euer Zimmer befindet, würde ich Euch gerne behilflich sein."
„Äh, ja."Der Kerl ist vielleicht lustig. Woher soll ich das denn wissen? Ach ja – ist ja mein Zimmer. Mist, wo war das noch gleich?
„Das is gleich... hoch un dann irgenwo linksch un rechts wieder. Wirscht scho findn."
Sie hakte sich bei Elladan unter, der zwar ein wenig verwundert war über ihre plötzliche Anhänglichkeit, da sie ihn doch vorher nur hatte loswerden wollen, sie aber nach Kräften stützte.
Wie es abzusehen war, hatten sie sich schon nach kürzester Zeit verlaufen.
„Ich hab doch gesagt links! Ist ja klar, dass wir so nie ankommen!"
„Aber wir sind links gegangen! Ich habe all Eure Anweisungen genau befolgt, Ihr könnt mir also nichts vorwerfen. Wenn wir..."
„Ich weiß, wo wir sind!", kreischte Rowenna plötzlich aufgeregt, so dass Elladans empfindliche Ohren schmerzhaft klingelten.
„Hier geht's lang zur Küche! Na, wenn dass mal keine Bestimmung ist, mein Magen grummelt schon. Kein Wunder, ich weiß gar nicht, wie viele Mahlzeiten ich schon ausgelassen habe."
Sie löste sich von dem verdutzten Elben und lief schon vor.
Er holte sie ohne Probleme ein und hielt sie fest. „Erlaubt mir eine Frage. Warum macht es Euch plötzlich keine Probleme mehr, alleine zu laufen, wenn ich Euch eben noch bei jedem Schritt vor einem Sturz bewahren musste? Und Ihr scheint auch wieder richtig sprechen zu können – habt Ihr mir Euren Rausch vielleicht nur vorgespielt, aus welchen Gründen auch immer?"
Was redet er denn da? Moment – ich kann klar denken, gerade gehen – und die hier üblichen Umgangsformen vergessen? Ich bin total nüchtern! Aber wie kann das sein, nach... na ja, nach sehr viel Wein. Das ist doch nicht... hm, normal ist hier eh nichts... vielleicht hat der Wein hier kaum Alkohol?
Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte.
Du warst gar nicht betrunken.
Da war sie schon wieder, diese Stimme in ihrem Kopf. Am liebsten hätte sich Rowenna in Luft aufgelöst oder in einem Mauseloch verkrochen, alles, um dieser Situation zu entfliehen.
Was soll ich denn jetzt sagen? Tut mir Leid, aber ich habe gesoffen wie ein Loch, bis vor einer Minute war mein Gehirn noch im Nimmerland und jetzt bin ich plötzlich, ohne zu wissen wie, wieder voll auf der Höhe? Das dürfte schwierig werden, weil dieser Elb bestimmt nicht weiß, was Nimmerland ist.
„Da vorn ist schon die Küche – ich sehe mal schnell nach, ob sie mir dort etwas zu essen geben, das dauert bestimmt nicht lange!", erprobte sie die Flucht nach vorn und stürzte davon.
In der Küche waren die Herde kalt – das Fest neigte sich dem Ende zu, und es wurde mehr getrunken als gegessen. Trotzdem war noch die ganze Dienerschaft auf den Beinen und räumte die leeren Platten weg.
„Seht mal hier, von diesen Broten ist so viel übrig geblieben, dass jeder von uns eine bekommen kann!", rief gerade ein junger Küchenbursche und schob sich sogleich eines in den Mund. Dann sah er Rowenna, die in ihrem edlen Kleid wahrlich auffiel, und sofort verschwand das dicke Grinsen aus seinem Gesicht.
„Dârla, sieh doch mal!"Er zupfte einer älteren Tellerwäscherin am Ärmel, die sich daraufhin umdrehte und ebenso überrascht aussah.
„Was treibt Euch denn in hierher? Habt Ihr irgendeinen Wunsch, den wir erfüllen können?", fragte sie dienstbeflissen.
„Ja, also... ich wäre schon glücklich, wenn ich ein Stück Brot bekommen könnte, und vielleicht ein kleines Eck von diesem wunderbaren Käse... Achtung!"
Doch es war bereits zu spät: Ein Mädchen, das gerade eine reich mit Speisen beladene Platte trug, blieb mit dem linken Fuß an einem herumstehenden Korb hängen und stürzte zu Boden.
Starr vor Schreck und in Erwartung des folgenden Aufpralls riss Rowenna die Hände hoch und kniff die Augen zu, als könne sie damit das Unglück abwenden.
Als der Aufprall nicht kam und mit einem Mal alle Unterhaltungen abbrachen, öffnete sie die Augen wieder – und wünschte sogleich, sie hätte es nicht getan.
Das Mädchen und das Tablett schwebten fast zwei Meter über dem Küchenfußboden in der Luft, und alle Köpfe hatten sich ihnen zugewandt. Eine seltsame Stille lag über allem, denn niemand wusste genau, ob er träumte oder wachte.
„Das... das ist Hexerei!", keuchte eine Köchin leise, als ihre Stimmer vor Verwunderung und Staunen nicht mehr hergab.
Schlagartig flogen alle Köpfe zu Rowenna und unzählige Augenpaare starrten sie an.
Ein Schluchzen drang durch die Küche, gefolgt von der Bitte: „Lasst mich wieder herunter!"Das arme Mädchen paddelte hilflos mit Armen und Beinen in der Luft herum, bewegte sich jedoch keinen Zentimeter vom Fleck.
Was habe ich jetzt schon wieder angestellt? Ständig passiert mir so was, was soll ich denn jetzt machen? Ich will, dass sie wieder herunterkommt!
Und als ob ihre Gedanken Gesetz wären, landete das Mädchen unsanft auf dem Boden, die Gläser zerschellten einen Meter neben ihr und verspritzten ihre Splitter über die Hälfte der Küche.
Rowenna nutzte die allgemeine Aufregung, um leise durch die Tür wieder zu verschwinden, denn sämtliche Anwesenden kümmerten sich um das verstörte Mädchen und achteten nicht mehr auf sie. Als sich der Erste nach ihr umdrehte, war es bereits zu spät und er sah nur noch, wie die Tür von außen ins Schloss gezogen wurde.
„Was ist denn geschehen?", empfing Elladan sie auf dem Flur, kaum dass sie auch nur einen Atemzug getan hatte.
„Nichts, gar nichts", log sie hastig und zog ihn dann weg von der Küche, bevor noch jemand auf die Idee kommen konnte, sie zurückholen zu wollen.
„Ich denke, ich werde den Weg zu meinem Zimmer jetzt auch allein finden, ich danke Euch für Eure Hilfe."
„Warum plötzlich so förmlich? Habt Ihr mich nicht die ganze Zeit geduzt in Eurem unechten Rausch? Ich glaube nicht, dass es zuviel verlangt ist, wenn ich Euch nach einer Erklärung frage."
Oje. Und jetzt?
„Äh... das... ich bin wirklich müde und ich denke, ich sollte jetzt gehen."
Damit ließ sie ihn stehen und lief die schlichte Treppe hinauf, die zu den Gemächern oder zumindest in deren ungefähre Richtung führte. Innerlich betete sie, dass er ihr nicht folgen möge, denn es war nicht sehr amüsant, ständig in Erklärungsnot zu geraten. Sie hatte Glück – der Flur hinter ihr blieb still und sie hatte auch keine großen Probleme mehr, zu ihrem Zimmer zu finden. Anscheinend gewöhnte sie sich langsam an die Gänge und fing an, sich die wichtigsten Wege, wie zum Beispiel den vom Zimmer zur Küche, merken zu können.
Im Inneren brannten einige Kerzen in einem mit Schnörkeln und Gold reichlich verzierten Ständer, der auf der großen Kommode stand. Rowenna schmunzelte, als sie sah, dass Legolas noch immer in ihrem Bett lag und schlief.
Eigentlich schade, dass ich ihn jetzt wecken muss, aber das ist immerhin mein Bett. Gut, wenn man es genau betrachtet doch eher seins, schließlich bin ich hier ja nur zu Gast. Aber das tue ich nicht, und außerdem muss ich ja auch irgendwo schlafen. Und es würde wohl massenhaft Gerede geben, wenn man ihn morgen früh aus meinem Zimmer kommen sähe.
„Legolas?", fragte sie zuerst leise, doch als keine Reaktion von ihm kam, setzte sie sich auf die Bettkante und rüttelte ihn leicht an der Schulter. Das einfachste wäre wohl gewesen, ihm die Bettdecke wegzuziehen, doch er hatte sich einfach auf das Bett fallen lassen und diese demzufolge einfach unter sich begraben. Mittlerweile schien er sich auch einige Male gedreht zu haben, denn sie war so um seinen Körper verschlungen, dass man sie unmöglich ohne Flaschenzug oder ähnlichen Hilfsmitteln wegziehen konnte, denn dieser Prinz war bestimmt nicht ganz leicht.
„Legolas!" Noch immer keine Reaktion.
Was soll ich denn jetzt machen? Ich kann ja schlecht den halben Palast zusammenschreien, nur damit er hier aufwacht. Ah ja, ich weiß...
Sie bewegte ihren Mund ganz nah an sein Ohr heran und rief dann: „Orks sind im Palast einmarschiert!"
Keine Reaktion.
„Du musst heute heiraten!"
Wieder keine Reaktion.
„Frühstück ist fertig!"
Sofort schnellte sein Kopf in so einer Geschwindigkeit empor, dass Rowenna keine Zeit mehr hatte, ihren in Sicherheit zu bringen.
„Wo?"
„Was wo?"Vorsichtig rieb Rowenna sich ihre schmerzende Nase, die der genau frontal erwischt hatte.
„Na, wo gibt es das Früh..."Erst jetzt warf er einen Blick zum Fenster. „Sag mal, was soll denn das? Es ist ja noch dunkel draußen, da gibt es doch noch gar kein Frühstück!"
„Stimmt. Aber dafür darfst du jetzt mein Bett räumen. Es ist ja wirklich nett von dir, dass du es vorgewärmt hast, aber jetzt möchte ich mich auch gerne mal hineinlegen."
Er schien in seinen Gedanken zu kramen. „Was mache ich überhaupt hier?", fragte er dann. „Ach ja... haben wir dich nicht hier hoch getragen? Da hört die Erinnerung irgendwie auf..."
„Kein Wunder, du warst ja auch total blau."
„Ich war blau? Was willst du damit sagen, habe ich mich mit Farbe bekleckert, oder wie meinst du das?"
„Nein, das ist nur ein Ausdruck dafür, wenn man zu viel Wein getrunken hat und jetzt raus aus meinem Bett!"
„Aber es ist doch grade soo schön warm!", murrte der Prinz und bewegte sich keinen Zentimeter. Demonstrativ schloss er die Augen und kuschelte sich noch tiefer in die Decke hinein, falls das möglich war.
„Jetzt mach schon, ich warte hier nicht ewig! Wenn du jetzt nicht sofort aufstehst, dann..."
„Was ist dann? Krabbelst du dann zu mir und klaust mir die ganze Decke?", fragte er mit einem Grinsen lupfte diese ein Stück.
„Nein, dann hole ich einen Eimer Wasser und kippe ihn dir über dein königliches Haupt!"
„Dann ist dein Bettchen aber nass und dann willst du auch nicht mehr drin schlafen."
„Sag lieber nicht, ich würde das nicht machen. Ich habe wirklich keine Lust mehr, also steh lieber auf!"
Sie stand auf und ging ins Bad. Am liebsten hätte sie jetzt noch ein Bad genommen, aber sie wollte um diese Uhrzeit wirklich niemanden mehr mit ihren Wünschen belästigen. Also wusch sie sich nur kurz das Gesicht mit kaltem Wasser aus einer weißen Porzellanschüssel und überlegte dabei, was sie mit Legolas anstellen sollte. Das Schlimmste war, dass sie selbst nicht wusste, ob sie ihn lieber noch eine Weile dabehalten wollte oder nicht. Einerseits war ihr Mitteilungsbedürfnis nach dem merkwürdigen Vorfall in der Küche um das Doppelte gestiegen, aber andererseits wusste sie nicht, ob sie es wirklich ihm erzählen sollte.
Es war ja nicht so, dass sie ihm nicht vertraute, aber sie war sich einfach nicht sicher, ob er sie überhaupt verstand. Genauer gesagt war sie sich sogar recht sicher, dass er es nicht tat. Warum sollte sie ihn also dann mit ihren Sorgen und Gedanken langweilen, wenn er ihr sowieso nicht helfen konnte? Ich wünschte, Nûemyn wäre hier. Vielleicht hat sie keine Ahnung von solchen Dingen, aber bei ihr wüsste ich, dass sie sich dafür interessiert und dass sie zumindest versuchen würde, mich zu verstehen.
Nûemyn war aber nun einmal nicht da, sie schlief bestimmt schon. Rowenna hatte zwar keine Uhr, aber es musste schon weit nach Mitternacht sein.
Legolas hatte sich dafür entschieden, doch lieber aufzustehen, auch wenn er so viel lieber einfach liegen geblieben wäre. Wer weiß, vielleicht wäre Rowenna ja doch noch dazugekommen... Nein, das wäre sie bestimmt nicht, hätte sie es gewollt, dann hätte sie es eben bereits getan.
Er setzte sich auf die Bettkante und wartete, dass sie wieder aus dem Bad kam, doch erfahrungsgemäß wusste er, dass es noch etwas länger dauern konnte.
Der Alkohol in seinem Blut hatte sich bereits weitgehend verflüchtigt und einmal mehr war er dankbar darum, ein Elb zu sein. Er konnte es sich gar nicht vorstellen wie es sein musste, am Morgen nach einem Fest mit grauenhaften Kopfschmerzen aufzuwachen, wie er es von einigen menschlichen Freunden her kannte. Bei ihm ließ die Wirkung des Alkohols schon nach wenigen Stunden nach, ein Privileg, um das ihn besonders Aragorn und Gimli sehr beneideten.
Er sah verwundert auf, als es leise an der Tür klopfte und diese sich nach einer Weile einen Spalt breit öffnete.
„Rowenna?", erkundigte sich eine Stimme, die ihm sehr bekannt vorkam.
„Elladan? Was tust du denn hier so spät noch?", fragte er verwundert, worauf dieser die Tür ganz öffnete und herein trat. „Dasselbe könnte ich dich auch fragen, Legolas. Ich wollte nach Rowenna sehen, es schien ihr nicht besonders gut zu gehen und sie hat sich so seltsam benommen. Und was tust du hier? Ich will ja mich ja nicht einmischen, aber du siehst ein wenig... zerzaust aus."
„Das ist eine längere Geschichte, und zwar nicht so, wie du glaubst. Rowenna ist gerade im Bad, es kann nicht mehr lange dauern. Setz dich doch zu mir und erzähl mir, was es Neues gibt in Bruchtal. Wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen."
„Das ist wahr, ich habe dich auf dem Fest vergeblich gesucht. Dein Vater wollte mir auch nicht so recht Auskunft geben, und ich habe nicht weiter nachgehakt, denn er schien sehr verärgert zu sein. Er hat nur etwas von ‚Hochzeit' und ‚wieder nicht' gemurmelt. Er war wohl nicht glücklich darüber, dass du noch immer keine Frau gefunden hast. Ich glaube, seine genauen Worte waren: ‚Als ich in dem Alter war, war ich schon fünfhundert Jahre lang verheiratet'."
„Das ist gut möglich", seufzte Legolas, „das sind genau die Worte, die ich jedes Mal zu hören bekomme, wenn er das Thema anschneidet. Und langsam scheint er sich ja nicht mehr damit zu begnügen, sie nur mir zu erzählen. Aber jetzt erzähl mir von Bruchtal. Du könntest mich übrigens mal wieder zu euch einladen, ich war schon so lange nicht mehr dort."
„Als ob du nicht sowieso immer dann kommen würdest, wenn es dir beliebt. Du weißt doch, du bist immer willkommen."
Sie tauschten alle Neuigkeiten aus und redeten einige Minuten über völlig belanglose Dinge, bis Elladan schließlich fragte: „Hattest du nicht gesagt, Rowenna sei nur kurz im Bad? Wo bleibt sie denn?"
Derweil hatte Rowenna mit ganz anderen Problemen kämpfen.
Sie wollte gerade zurück in ihr Zimmer gehen, als sie hinter sich ein Gurgeln hörte.
Bitte bitte, lass das nicht schon wieder so etwas übersinnliches sein, ich habe wirklich keine Lust mehr darauf!
Sie musste den Drang ignorieren, einfach das Bad zu verlassen. Sie drehte sich zögernd um, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches entdecken.
Zum Glück – ich würde durchdrehen, wenn jetzt schon wieder...
In diesem Moment sah sie etwas in der Badewanne verräterisch glitzern. Sie ging darauf zu und sah, dass sie halb mit Wasser gefüllt war.
Haben sie die nach meinem letzten Bad nicht ausgeleert? Na ja, bei dem Aufruhr wegen dem Fest kann man das ja auch verstehen...
Die Wanne füllte sich immer mehr und das Wasser darin begann leicht zu dampfen. Ein leichter Rosenduft lag plötzlich in der Luft und verteilte sich im ganzen Zimmer.
Was soll das denn jetzt schon wieder? Ich wünsche mir ein Bad und schon füllt sich die Badewanne? Ich muss sagen, das ist endlich mal eine Seite meiner seltsamen neuen Fähigkeiten, die mir wirklich gefällt.
Sie überlegte gerade, das Kleid abzulegen, als die erste Blase zur Wasseroberfläche stieg. Immer mehr folgten und nach weniger als einer halben Minute siedete das Wasser wie in einem Kochtopf auf dem Herd, wenn man eine Suppe kochen wollte. Erschrocken wich Rowenna zurück und starrte auf den Wasserdampf, der nun in Massen aufstieg und die Luft sowohl vernebelte als auch erhitzte. Sie begann in ihrem Kleid zu schwitzen, doch sie musste zugeben, dass dies nicht alleine der plötzlichen Wärme zuzuschreiben war.
Ich habe doch gar nichts gemacht! Hör auf damit, sofort!
Sie lief zum Fenster und öffnete es, damit die kühle Nachtluft hereinströmen und ihr erhitztes Gesicht kühlen konnte. Das Wasser hörte auf zu kochen und erst jetzt bemerkte Rowenna, dass sie am ganzen Körper zitterte. Erschöpft setzte sie sich auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand, den Kopf auf den Knien.
Ich will, dass das alles aufhört. Ich will, dass ich zu Hause aufwache und alles nur ein Traum war. Warum geschieht das nie, wenn ich es mir wünsche?
Ihr fiel Legolas wieder ein, der wahrscheinlich noch immer in ihrem Zimmer saß und auf sie wartete. Vielleicht war er sogar wieder eingeschlafen und sie mussten das ganze Theater noch einmal von vorne durchspielen. Sie beschloss, ihn wegzuschicken und sich dann ins Bett zu legen. Sie glaubte zwar nicht, dass sie würde schlafen können, dazu ging ihr zu viel im Kopf herum, aber vielleicht würde sie wenigstens ein bisschen Ruhe finden.
Sie ließ das Fenster auf, um auch den letzten Rest dieser schrecklichen Wärme zu vertreiben, und ging zur Tür. Bevor sie sie öffnete, legte sie sich schon ein paar Worte zurecht, die sie sagen wollte.
„Legolas, ich bin wirklich müde und hätte jetzt gerne..."Sie stockte, als sie sah, dass Elladan neben Legolas auf ihrem Bett saß und die beiden sich fröhlich unterhielten. Jeder Anflug von Müdigkeit im Gesicht des Prinzen war spurlos verschwunden und auch der andere Elb schien wacher zu sein, als man es um diese Uhrzeit vielleicht sein sollte.
Beide drehten sofort ihre Köpfe in Rowennas Richtung und unterbrachen ihr Gespräch.
„Schön, dass du dich doch noch dazu durchgerungen hast, deinen Badaufenthalt zu beenden und uns Gesellschaft zu leisten", witzelte Legolas und bedeutete ihr, sich zu ihnen auf das Bett zu setzen.
Sie versuchte ein Lächeln und keinem fiel auf, dass sie sich in Wirklichkeit ganz schrecklich fühlte. „Es tut mir Leid, meine Herren, aber ich fürchte, ihr müsst eure Unterhaltung an einem anderen Ort weiterführen. Im Gegensatz zu euch bin ich müde und würde wirklich gerne schlafen gehen."
„Willst du dich wirklich nicht noch einen Moment mit uns zusammensetzen? Wir haben so lange auf dich gewartet, und jetzt willst du uns hinauswerfen", schaltete Elladan sich ein, doch Rowenna blieb energisch.
„Es ist schon sehr spät, also lasst mich alleine und redet meinetwegen noch bis zum Morgengrauen, solange ihr es nur woanders tut."
Sie ging demonstrativ zur Tür und öffnete sie weit, sodass man auf den schwach beleuchteten Flur sehen konnte. Endlich erhoben sich die beiden Elben von ihrem Bett und wünschten beim Hinausgehen eine gute Nacht. Legolas wollte noch etwas sagen, doch dann schluckte er es hinunter und beschränkte sich auf ein „Wir sprechen morgen, schlaf gut.", bevor auch er im Gang verschwand.
„Es gibt Frühstück!"
„Lass mich! Außerdem ist das meine Masche und ich will schlafen!", murrte Rowenna undeutlich in ihr Kopfkissen. Sie war noch nicht ganz wach und hatte auch nicht vor, das innerhalb der nächsten Stunden zu ändern.
„He! Aufwachen jetzt!"Eine Hand rüttelte sie unsanft an der Schulter.
„Lass. Mich. In. Ruhe."
Kann man denn hier nicht einmal ausschlafen? Moment mal, wie war das gerade?
„Hast du ‚Frühstück' gesagt?"Unendlich langsam hob sie ihren Kopf, von dem die Haare in alle Richtungen abstanden, vom Kissen und blinzelte gegen das Licht.
„Na endlich. Ja, ich habe ‚Frühstück' gesagt, aber wenn du keinen Hunger hast, dann nehme ich es wieder mit. Mich stört es gar nicht, wenn es in meinem statt in deinem Magen landet."
„Ist ja schon gut! Was machst du eigentlich hier?"
Legolas deutete ungeduldig auf das Tablett, das er neben dem Bett abgestellt hatte. „Dir Frühstück bringen, wie du siehst."
„Jetzt tu doch nicht so. Ich bin vielleicht nicht zu sonderlich viel zu gebrauchen, wenn ich müde bin, aber auch ich weiß, dass Nûemyn mir auch etwas gebracht hätte. Also, was ist los?"
„Wir müssen reden", gab er frei heraus zu, „aber jetzt isst du erst einmal etwas."
„Ich kann essen, während du mir sagst, was los ist. Gib mir mal das Tablett!"
Sie schob sich ihr Kopfkissen so in den Rücken, dass sie sich bequem anlehnen konnte. Legolas stellte ihr das Tablett in den Schoß und sie stellte erfreut fest, dass auch ein großes Stück von dem leckeren Käse darauf lag.
„Leg los", forderte sie ihn mit vollem Mund auf und pickte einen Krümel von der Bettdecke.
„Ich wollte dich fragen, was gestern geschehen ist. Nûemyn hat mir etwas von einer Vision erzählt, Elladan sagte etwas über einen seltsamen Vorfall in der Küche, bei dem sich ein Mädchen den Arm gebrochen haben soll, und als du aus dem Bad kamst hast du ausgesehen, als hätte dich ein Gespenst geküsst. Außerdem mussten wir dich in dein Zimmer tragen, weil du plötzlich bewusstlos geworden bist, aus was für Gründen auch immer. Also sag mir jetzt bitte nicht, ich soll mir keine Sorgen machen und alles sei in Ordnung, weil sogar ein Blinder sehen könnte, dass es nicht so ist."
Rowennas anfängliche gute Laune schwand dahin. Wieder sah sie sich in einem Zwiespalt: sollte sie es ihm erzählen und riskieren, dass er ihr nicht glaubte oder sie nicht verstand, oder sollte sie schweigen und sich vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt Nûemyn anvertrauen?
„Es war nichts. Ich habe mich nur ein wenig unwohl gefühlt, das muss an der... an der Umstellung gelegen haben", presste sie dann heraus. „Bitte lass mich jetzt alleine, ich will mich waschen und anziehen."
„Wenn ich das tue, wirst du mir den Rest des Tages aus dem Weg gehen und nie mit mir reden. Ich kann dir aber nicht helfen, wenn du nicht mit mir sprichst."
„Ich werde mit dir sprechen, wenn ich mich angezogen habe, und keinen Moment früher. Glaubst du, ich kann mich hier wohl fühlen wenn ich nur ein durchscheinendes dünnes Nachthemd trage, während du in voller Montur daneben sitzt und versuchst, mich auszufragen?", fügte sie dann hinzu und versuchte zu lächeln, doch es misslang ihr und glich eher dem Ausdruck völliger Verzweiflung. „Bitte", sagte sie leise und wich seinem Blick aus. Nach einigen Sekunden stand er auf und verließ das Zimmer ohne ein weiteres Wort.
Rowenna stand unentschlossen am Fenster und sah hinaus. Wieder einmal war es ein wunderschöner Tag, jedoch zogen von Osten ein paar Wolken heran, die den Himmel leicht in wenigen Stunden bedecken konnten.
„Jetzt sag mir doch endlich, was ich tun soll!", sagte sie zu Nûemyn, die das Bett machte und den Boden fegte. Sie letzte halbe Stunde hatte sie damit zugebracht, die Bedienstete von ihrer Arbeit abzuhalten, indem sie ihr alles genau erzählt hatte, angefangen von dem Streit mit Legolas bis hin zum Frühstück.
„Ich kann dir wirklich nichts raten, es tut mir leid", bedauerte Nûemyn und schüttelte das Kopfkissen aus. „Vielleicht solltest du dir erst einmal in aller Ruhe darüber klar werden, was gestern alles passiert ist. Soviel wie gestern an nur einem Tag hast du wahrscheinlich in deinem ganzen Leben zusammen noch nicht erlebt. Nimm dir die Zeit und sortiere deine Gedanken ein wenig. Du hast doch von diesem See und der kleinen Insel erzählt, vielleicht solltest du einen kleinen Spaziergang dorthin unternehmen. Wenn Legolas kommt und mit dir sprechen will sage ich ihm, dass du gerade ebenfalls auf der Suche nach ihm bist. Ihr verpasst euch einfach zufällig immer wieder, das wird ihm vielleicht seltsam vorkommen, aber du hast ein paar Stunden Zeit."
„Danke. Ich weiß nicht, was ich machen würde, wenn ich dich nicht hätte."Rowenna nahm Nûemyn in den Arm und drückte sie leicht. „Ich bin in ein paar Stunden wieder da. Und verstrick dich nicht in Lügengeschichten, das ist es nicht wert. Wenn er erfährt, dass ich nicht mit ihm reden will, ist das auch nicht so schlimm, denn dann wird er mich trotzdem nicht finden können bis ich wiederkomme."
Sie zog sich ihre Schuhe an und verließ den Raum. Verdammt, ich hasse diese Mode hier. Zum einen werde ich verrückt, wenn ich nicht bald wieder normale Unterwäsche bekomme, denn diese riesigen, unförmigen Teile machen mich noch verrückt. Und zum anderen, wie kann man nur draußen solche Pantöffelchen tragen, da kann man ebenso gut barfuss gehen. Wenigstens machen sie keinen Lärm auf dem Flur.
Sie verließ den Palast wieder durch den Kücheneingang, weil das noch immer der einzige war, zu dem sie alleine fand.
Der Weg zum See war doch weiter, als sie ihn in Erinnerung gehabt hatte. Erschwerend kam noch hinzu, dass sie sich nur die ungefähre Richtung gemerkt hatte, und so brauchte sie doppelt so lange, wie sie gedacht hatte. Als sie ihn doch endlich fand, sah sie sich wieder vor einem neuen Problem, das sie völlig vergessen hatte: Es gab keine Brücke.
Natürlich, wie konnte ich das nur vergessen. Jetzt kann ich entweder hier am Ufer bleiben oder wieder einmal hinüber schwimmen.
Sie entschied sich gegen das Schwimmen, als sie an das nasse Kleid dachte, dass ihr beim letzten Mal noch Stunden später wie fest gesogen am Körper geklebt hatte.
Sie setzte sich auf einen mit Moos bewachsenen Felsen und dachte nicht über die grünen Abdrücke nach, die das wahrscheinlich verursachen würde.
So, jetzt bin ich hier. Aber ich habe nicht die geringste Lust, über das alles nachzudenken.
Ohne darüber nachzudenken drehte sie das Band der Kette um ihren Finger, nur um erst daraufhin festzustellen, dass sie sie überhaupt trug. Sie machte sich keine weiteren Gedanken mehr darüber, wie sie dieses Mal schon wieder an ihren Hals gekommen war, dafür war sie schon zu oft aus dem Nichts erschienen.
Dies ist keine gewöhnliche Kette, das weiß ich. Aber was ist ihre Kraft? Das letzte Mal, als ich sie trug, bin ich Körperlos über den Wald geschwebt. Vielleicht sollte ich auch jetzt wieder versuchen, ihre Magie zu benutzen. Ich weiß nicht, wie sie genau wirkt, aber es ist wohl langsam an der Zeit, das herauszufinden.
Wie am Vortag hielt sie den Anhänger fest in ihrer Rechten umschlossen und machte die Augen zu. Sie versuchte, sich zu konzentrieren und alle Geräusche aus ihrem Kopf zu verbannen. Alles, was ihr sonst gar nicht auffiel, schloss sie jetzt ganz bewusst aus. Das Hämmern eines Spechtes einige Meter entfernt, das leise Summen der vorbeifliegenden Insekten, das Rauschen des Windes und das Geräusch ihres eigenen Atems. Alles entfernte sich mehr und mehr, quälend langsam, doch sie zwang sich zur Geduld. Nach einer Weile hörte sie auf, ihren Körper zu spüren und wusste, dass es bald soweit war. Das Schwarz vor ihren Augen verschwand, als sich endlich ihr Geist löste und in die geheimnisvolle Zwischenwelt eintauchte.
„Wo ist sie? Und ich will keine weiteren Ausreden hören!"
„Aber mein Prinz, ich kann Euch doch nur das sagen, was ich weiß", säuselte Nûemyn und schüttelte zum dritten Mal an diesem Tag demonstrativ das Kopfkissen aus. Es gefiel ihr, den Prinzen des Düsterwaldes, dem sie sonst immer untertänigst dienen musste, so an der Nase herumzuführen, ohne dass man ihr etwas anhängen konnte.
„Bitte, sag mir doch, wo sie ist. Ich weiß ganz genau, dass du es weißt, und ich mache mir wirklich Sorgen um sie", verlegte Legolas sich nun auf eine andere Schiene und sah sie bettelnd an. Dabei setzte er sich auf das Bett und bekam sofort ein „Runter da, das ist frisch gemacht!"zu hören.
Innerlich lachte Nûemyn sich halb tot, äußerlich behielt sie den kühlen Ton, auch wenn es ihr zusehends schwerer fiel. „Ihr wird doch nichts geschehen, wenn sie ein wenig spazieren geht. Schließlich sind keine dunklen Mächte hinter ihr her", sagte sie und machte sich damit zu nutze, dass man ihr Rowennas wahre Identität bewusst vorenthalten hatte. Jetzt beobachtete sie amüsiert, wie Legolas leicht unter ihren Worten zusammenzuckte, tat aber weiterhin so, als würde sie das Bettlaken glatt streichen.
„Trotzdem. Ich werde auch deine Beförderung veranlassen", spielte er seinen letzten Trumpf aus.
„Zu was denn?"
„Ähm... das ist doch auch egal. Überhaupt, ich bin hier der Prinz und du bist eine einfache Angestellte. Ich könnte dir einfach befehlen, es mir zu verraten. Ich weiß wirklich nicht, warum mir das nicht schon früher eingefallen ist."
„Und warum tut Ihr es dann nicht?", fragte sie frech. Ihr machte dieses Spielchen immer mehr Spaß. Sie dachte nicht über mögliche Folgen nach, weil sie nicht glaubte, dass es welche gab.
Als er nichts erwiderte, zog sie ihn weiter auf: „Natürlich, Ihr seid der Prinz, Ihr seid hier der Herr im Haus. Sagt einer einfachen Arbeiterin wie mir, wo es langgeht!"
„Ich glaube langsam, man sollte dir einen anderen Aufgabenbereich zuteilen. Dieser ständige Kontakt mit Rowenna bekommt dir überhaupt nicht", konterte er mit einem Grinsen.
„Kann ich gar nicht behaupten."Sie ließ endlich von Bett ab als sie merkte, dass es auffallen würde, wenn sie es zum vierten Mal ausschütteln würde. Stattdessen griff sie nach ihrem mitgebrachten Besen und kehrte fein säuberlich den Fußboden, wo dieser nicht von Teppichen bedeckt wurde.
„Du hast den Boden schon gefegt", bemerkte Legolas trocken.
„Ihr seid aber gerade durch den Schmutzhaufen getrampelt und habt alles wieder verteilt", gab sie betont liebenswürdig zurück, ohne auch nur aufzusehen.
Ein Blick zeigte ihm, dass sie Recht hatte, und so ging er nicht mehr näher auf dieses Thema ein.
Eine Weile herrschte Ruhe und nur das Kratzen des Besens war zu hören. Unbekümmert fegte die Angestellte dem Prinzen über die Füße, als dieser ihr im Weg stand und hinterließ damit eine leichte Staubspur auf seinen Schuhen. Entnervt drehte er sich um und verließ das Zimmer.
Rowenna fand sich in der gleichen Welt wieder, durch die sie schon so oft gereist war. Jetzt war sie wieder so, wie sie sein sollte, voller Licht, nicht dunkel und unheimlich wie am gestrigen Abend. Trotz aller anderen Aussagen war sie sich nämlich wirklich sicher, das alles erlebt und nicht nur geträumt zu haben.
Wie durch einen Nebel schimmerten die Ausgänge zu den Welten, sie waren rundherum und doch nicht sichtbar, denn immer, wenn sie sich auf eine konzentrieren wollte, entglitt sie ihren Augen. Zu ihrer Linken sah sie einen Wald und sie wusste, von dort war sie gekommen. Unter einem der zahllosen Bäume musste ihr Körper gelegen haben, bevor er aufgelöst oder emporgehoben wurde, weg von allem Realen und Bekannten.
Plötzlich wurde ihr so vieles klar: zum ersten Mal sah sie wirklich, wo sie sich befand. Ihre Augen stoppten nicht bei den Schleiern, die scheinbar alles verbargen und umhüllten, die sahen durch sie hindurch. Die Bilder um sie veränderten sich und blieben gleich und sie wusste, dass dies der natürliche Lauf war, denn es war friedlich, auch dort, wo sie Krieg und Tod sah, über allem lag der dicke Schleier des Friedens und der Vergänglichkeit. Irgendwo, sie konnte selbst nicht sagen, an welcher Seite, erblickte sie ihr zuhause. Vielleicht war es nur in ihrer Erinnerung, doch es wuchs und nahm ihr ganzes Sichtfeld ein, bis sie glaubte, nur die Hand ausstrecken zu müssen, um es zu berühren.
Beherzt streckte sie ihr Bein aus und stieg durch das, was sie noch davon trennte und merkte, dass dort kein Widerstand war. Sie konnte hindurch steigen und wieder zurückkehren, ohne dass etwas sie aufhielt. Zum ersten Mal seit langem fühlte sie sich wirklich gut, denn sie hatte einen großen Teil der Kontrolle wiedererlangt, die ihr verloren gegangen war.
