Kapitel 10

Es fühlte sich gut an, wieder dort zu sein, wo sie sich auskannte. Rowenna stand vor dem Haus ihrer Eltern. Geistesgegenwärtig stieg sie aus dem Blumenbeet, in dem sie irrtümlich gelandet war, und versuchte dabei, möglichst nicht noch mehr Schaden anzurichten.

Jetzt bin ich hier, wo ich herkomme, und ich weiß nicht, was ich tun soll.

Zögernd ging sie den kurzen Weg zur Haustür und drückte auf die Klingel, was noch dazu beitrug, dass sie sich beinahe als Fremde, als Eindringling, fühlte. Es dauerte einen Augenblick, bis sich die Tür öffnete und sie das Gesicht ihrer Mutter erkannte.

„Mama...", flüsterte sie und schluckte, denn in ihrem Hals hatte sich ein Kloß gebildet, der ihre Stimme seltsam heiser klingen ließ.

„Kind! Oh mein Gott, komm rein!"Die Ältere zog ihre Tochter hastig ins Haus und schlug die Tür hinter ihr zu, als fürchte sie, jemand könne sie ihr im letzten Moment noch wegnehmen.

Rowenna staunte nicht schlecht, als sie ins Wohnzimmer gezerrt und in den Sessel gedrückt wurde, der am weitesten vom Fenster entfernt stand. „Was...?", wollte sie protestieren, wurde aber sofort wieder unterbrochen.

„Ruh dich einen Augenblick aus, ich mache dir einen Tee."

„Kaffee wäre mir eigentlich lieber, ich habe schon so lange..."

„Dann mache ich dir halt einen Kaffee. Bleib einfach sitzen, ich bin gleich wieder da."

Damit verschwand die Mutter und Rowenna konnte das leise Zischen der Kaffeemaschine in der Küche hören. Unruhig stand sie auf und tigerte durchs Zimmer. Alles war noch genau so, wie sie es in Erinnerung hatte, natürlich, denn sie war ja nur ein paar Tage fort gewesen... und doch kam es ihr vor wie eine Ewigkeit.

„Geh sofort vom Fenster weg!", befahl ihr plötzlich ihre Mutter, die unbemerkt zurück ins Zimmer gekommen war und eine große Tasse dampfenden Kaffees auf dem Couchtisch abstellte.

„Warum denn dass? Kannst du mir bitte erklären, was hier gespielt wird?"

„Kind, ich denke, wir müssen uns unterhalten."

Rowenna folgte ihrer Mutter mit recht gemischten Gefühlen ins Schlafzimmer. Warum benahm sie sich so seltsam und warum erklärte sie es ihr nicht einfach?

„Was ist los? Warum benimmst du dich so seltsam?", fragte sie dann auch.

„Warte einen Moment, ich habe gleich... hier müsste es doch... ah ja!" Die ältere Frau hatte eine Weile in ihrem Nachtschränkchen gekramt und hielt nun etwas hoch, dass aussah wie ein altes Stück Papier. „Setz dich mal zu mir her", bat sie dann und ließ sich auf dem großen Ehebett nieder, welches mit einer geblümten Wäsche bezogen war.

„Das hier ist schon sehr alt. Es ist in Sindarin geschrieben, der Sprache der Elben, also wirst du es vermutlich nicht lesen können..."

Sindarin? Elben? Moment, jetzt bin ich schon so verrückt, jetzt verstehe ich schon alles falsch...

„Was hast du gesagt, in welcher Sprache das geschrieben ist? Ich habe grade einen Augenblick nicht richtig hingehört."

„Ich sagte, es ist in Elbisch geschrieben. Hier, nimm das und halt es kurz. Ich muss hier noch etwas haben... Komisch, wo hab ich es denn nur? Nun gut, dann widmen wir uns zuerst der Prophezeiung."

„Prophezeiung? Tut mir Leid, aber ich komme nicht ganz mit. Das hier ist also eine elbische Prophezeiung?"

„Das habe ich nicht gesagt. Sie ist lediglich in Elbisch geschrieben, doch von wem sie stammt, das weiß niemand mehr so genau."

Verwirrt entrollte Rowenna das Stück Pergament, immer in der Angst, es könnte in ihren Händen zu Staub zerfallen, wenn sie nicht vorsichtig genug damit umginge.

Es stand nicht sehr viel auf dem vergilbten Blatt, das sich aufgrund der langen Lagerung als Rolle nur widerwillig entfalten ließ, als wolle es sein Geheimnis so lange wie möglich für sich behalten.

Die Schrift war seltsam geschwungen, und selbst wenn Rowenna die Sprache verstanden hätte wäre es nicht leicht gewesen, das Geschriebene zu entziffern, denn die Tinte war im Laufe der Jahre arg ausgeblichen.

Min magor,

onnen na cuia

a estel anna,

na bartha

gwaith a lhîw

am uireb

mi donn

sen amar.

„Was heißt das?", fragte sie, ohne den Blick abzuwenden.

„Ich habe eine Übersetzung davon. Hier ist sie. Am besten, du ließt es selber."

Rowenna nahm ein weiteres Blatt in Empfang, welches jedoch eher neu aussah, besonders im Gegensatz zu dem anderen. Darauf stand in ordentlicher Schrift:

Ein Kämpfer,

geboren zu leben

und Hoffnung zu geben,

zu verdammen

Schatten und Leid

auf ewig

ins Dunkel

dieser Welt.

„Hör mir jetzt bitte zu", ergriff ihre Mutter nach einigen Augenblicken wieder das Wort. Ohne abzuwarten fuhr sie fort: „Ich war ungefähr so alt wie du, als mir etwas sehr Seltsames passiert ist. Ich denke, du kannst dir schon vorstellen, wovon ich spreche. Niemand hat mir damals geglaubt, und ich habe es auch nur wenigen erzählt. Meine Mutter, also deine Großmutter, hätte mich am liebsten zum Psychiater geschickt. Und als du dann so plötzlich verschwunden bist...

Diese Prophezeiung wurde mir übergeben, weil ich sie erfüllen sollte."

Sie machte eine Pause, um ihre Worte wirken zu lassen und gleichzeitig, um nach neuen zu suchen.

„Man holte mich nach Mittelerde und dort lebte ich über zwei Wochen, bis man herausfand, dass ich nicht die Richtige war. Damals war ich enttäuscht, als man mich einfach so wieder hierher zurück schickte, doch mittlerweile denke ich, dass es so das Beste war. Ich war nicht stark genug dafür. Irgendwann habe ich das alles verdrängt, habe geheiratet und Kinder bekommen. Ich habe nicht mehr daran gedacht, bis... Ja, eigentlich bis zu diesem Unfall, als man dich nicht finden konnte. Die Rettungskräfte haben mir gesagt, dass du wahrscheinlich verbrannt wärest, doch es wurden keine Überreste gefunden."

„Dann hast du mich auch die ganze Zeit betrogen...", flüsterte Rowenna leise und sah noch immer nicht von der Papierrolle auf, die sie die ganze Zeit angestarrt hatte. Die Gedanken schwirrten in ihrem Kopf, doch sie alle bedeuteten das Gleiche: belogen, belogen, belogen...

„Aber... es... ich wusste doch nicht, dass es auf dich zurückfallen würde. Ich dachte nicht, dass jemals wieder auch nur ein Wort darüber gesprochen würde. Sie hatten die Falsche. Ich hätte nie gedacht, dass sie nur die falsche Generation hatten..."

Erst Sarah... dann meine eigene Mutter... ich will gar nicht wissen, wer sonst noch nicht derjenige ist, für den ich ihn halte...

„Aber warum heißt es ‚Krieger' und nicht ‚Kriegerin'? Schließlich schienen sie sich doch sehr sicher, dass es eine Frau ist, sonst hätten sie dich nicht hergeholt."

„Du hast wohl schon selbst gemerkt, dass Mittelerde im Gegensatz zu unserer Welt... na ja, ein bisschen veraltet ist. Noch dazu ist sie schon einige tausend Jahre alt... Aber weißt du was? Das war genau meine erste Frage, als ich diese Prophezeiung das erste Mal gelesen habe."

Stille setzte ein, niemand wollte etwas Falsches sagen. Nur mit Mühe hielt Rowenna ihre Tränen zurück. Es war alles wahr. Sie hatte sich sosehr gewünscht, einfach nach Hause zurückzukehren und so tun können, als wäre alles nicht passiert. Niemand hätte sie zwingen können weiter zu machen und sie hätte ganz normal weitergelebt.

„Ich will das alles nicht", stieß sie hervor, „ich will es einfach nicht."

„Das verstehe ich ja. Aber du musst auch verstehen, dass eine große Verantwortung auf dir lastet. Bei Gott, ich würde nichts lieber tun als dich hier zu behalten. Aber es wäre falsch. Man kann seiner Bestimmung nicht entgehen, das habe ich mittlerweile gelernt. Sie wird dich immer einholen. Würdest du damit leben können, wenn wegen deiner Angst tausende oder millionen von Leben zerstört würden?"

Wortlos schüttelte dir Jüngere den Kopf. „Ich werde es schaffen", schluchzte sie wenig überzeugend, „ich werde es schaffen und dann werde ich zurückkehren und alles hinter mir lassen."

„Ja, das wirst du, da bin ich mir ganz sicher. Jetzt komm mit und pack dir einige Sachen zusammen, ich weiß selbst am Besten, wie unbequem auf Dauer diese Kleider sein können. Du musst nur aufpassen, was du in der Öffentlichkeit trägst. Wie gesagt, diese Leute sind da sehr... konservativ. Also hüte dich und erscheine im Mini zu einem Ball!"

Diese Vorstellung zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht.

„Bestimmt nicht! Aber was meintest du eben? Du hast etwas gesucht, es aber nicht gefunden."

„Ja, das war eine Kette, die ich in Mittelerde bekommen habe. Ich dachte dass es jetzt an der Zeit wäre, sie dir zu übergeben."

Noch immer lächelnd zog Rowenna ihre Kette unter dem Kleid hervor, wo sie sie bis jetzt verborgen gehalten hatte. „Meinst du die? Ich glaube, sie hat den Weg zu mir schon gefunden!"

Langsam wurde Nûemyn unruhig. Rowenna hatte zwar einige Zeit wegbleiben wollen, aber jetzt war sie schon mehrere Stunden verschwunden. Vielleicht war sie irgendwo eingeschlafen, aber trotzdem machte sich die Bedienstete Sorgen. Sosehr ihr die Streiterei mit dem Prinzen auch Spaß gemacht hatte, jetzt wünschte sie sich beinahe, sie hätte ihrer Freundin nicht geholfen.

Nachdem Legolas das Zimmer verlassen hatte, hatte sie den letzten Staub weggewischt, den sie eigentlich nur als Attrappe hatte liegen lassen. Anschließend hatte sie schon drei weitere Zimmer aufgeräumt und geputzt und zwischendurch eine kleine Mittagspause eingelegt.

Jetzt befand sie sich gerade auf dem Weg zum letzten noch ungeputzten Zimmer auf ihrer Liste, als sie plötzlich aufgehalten wurde.

„Nûemyn, warte!"

Erschrocken drehte sie sich um, sie war sosehr in Gedanken vertieft gewesen, dass sie beim Klang ihres Namens unwillkürlich zusammenzuckte.

Legolas kam durch den langen Gang auf sie zugestürmt und sie wusste einen Augenblick lang nicht, ob sie nicht lieber wegrennen sollte. Sofort rief sie sich selbst innerlich zur Ordnung und versuchte, ein möglichst gleichgültiges Gesicht zu machen.

„Ja bitte, eure Hoheit? Ich war gerade auf dem Weg, um Euer Zimmer zu putzen, wenn ihr mich jetzt aufhaltet, dürft Ihr Euch anschließend nicht beschweren, wenn es nicht rechtzeitig fertig wird."Das stimmte, bis auf den kleinen Punkt, dass es schon vor über einer halben Stunde hätte fertig sein sollen. Aber das musste sie ja nicht unbedingt erwähnen.

„Dann schlage ich vor, wir setzen unsere Unterhaltung dort fort, damit du deinen Zeitplan auch einhalten kannst."Bei diesen Worten grinste er leicht und Nûemyn war sich nicht sicher, ob er damit auf ihre Verspätung anspielen wollte. Seufzend nahm sie den Eimer, den sie abgestellt hatte, wieder auf und ging weiter. Sie hatte schon gehofft, eine weitere uneingeplante Pause einlegen zu können, doch daraus wurde wohl doch nichts.

In Legolas' Zimmer, das eigentlich aus drei Räumen bestand, die miteinander durch große Bögen verbunden waren, machte sie sich sofort ans Staubwischen, obwohl nirgendwo auch nur ein Körnchen zu finden war. Schließlich wurden die Zimmer jeden Tag auf die gleiche Art und Weise geputzt, und mittlerweile hatte sie sich mit der nutzlosen Wischerei abgefunden. Sie musste nur aufpassen, dass dadurch nicht Streifen entstanden und das Zimmer hinterher dreckiger aussah als vorher.

„Schluss jetzt mit den Spielchen, Nûemyn", hörte sie seine Stimme hinter sich, und die klang längst nicht mehr so freundlich wie zuvor. „Ich mache mir langsam richtige Sorgen, und jetzt tu nicht wieder so, als wüsstest du nichts."

„Aber ich..."Sie überlegte einen Moment und entschloss sich dann, ihm zumundest einen Teil der Wahrheit zu sagen. „Sie wollte Euch nicht sehen und hat einen kleinen Spaziergang gemacht."Wohin sie gegangen war und was sie dort vorher schon erlebt hatte, verschwieg sie absichtlich, es würde ihn nur unnötig aufregen. Selbst wenn er es wüsste, er würde sie eh nicht finden.

„Na also! War das denn so schwer? Jetzt brauchst du mir nur noch zu sagen, wohin sie gegangen ist."

Nûemyn tat, als hätte sie nichts gehört und griff zum Besen.

„Nûemyn, ich bin wieder da!", rief Rowenna, als sie durch die große Tür ins Zimmer gestürmt kam. „Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, aber ich war noch..."Erst jetzt bemerkte sie Legolas. „Was machst du denn hier?"

Dessen Gesichtsausdruck schwankte irgendwo zwischen froh und ärgerlich, als könne er sich nicht entscheiden. „Das ist mein Zimmer", gab er dann in relativ neutralem Ton zurück. „Darf ich auch fragen, was du hier machst?"

„Ich habe Nûemyns Stimme auf dem Gang gehört. Schickes Zimmer übrigens!"

Ihr unbekümmerter Ton machte ihn verrückt. „Sag mal weißt du eigentlich, dass ich mir Sorgen gemacht habe? Und warum läufst du einfach vor mir weg?"

„Es tut mir ja leid, dir das sagen zu müssen, aber ich bin nicht dein Eigentum. Ich kann immer noch hingehen, wo ich will und wann ich will. Ich kann auf mich selbst aufpassen, zumindest besser als du!"

Nûemyn war froh, dass nichts passiert war, schüttelte noch kurz das Bett aus und kehrte den Boden zu Ende. „Wir sehen uns dann später. Und viel Spaß noch, jetzt weiß ich, warum du immer so gerne mit ihm streitest."Damit verließ sie das Zimmer und zog die Tür hinter sich ins Schloss.

„Also, das ist ja...", empörte sich Legolas, doch Rowenna lachte nur. „Es ist doch schön, wenn nicht alle immer so unterwürfig sind, meinst du nicht auch? Sei nicht mehr sauer! Mir ist doch nichts passiert!"Sie kannte ihre plötzliche gute Laune nicht erklären, vor allem nach dem, was sie gerade alles erfahren hatte. Vielleicht hatte es ihr aber auch einfach gut getan, ihre Mutter einmal wieder zu sehen, vor allem weil sie nicht wusste, ob das jemals wieder der Fall sein würde.

„Aber es hätte etwas passieren können. Wo warst du überhaupt?"

„Habe ich dir nicht grade gesagt, das geht dich nichts an? Ich weiß jetzt, dass du dir Sorgen gemacht hast, in Ordnung? Also lass mich damit in Ruhe. Du willst wissen, wo ich war? Ich war in meiner Welt, und ich finde, das steht mir zu. Immerhin weiß ich noch nicht, wie das alles ausgeht und ob ich jemals wieder die Gelegenheit haben werde, dorthin zu kommen."

Sie verließ das Zimmer und ließ den verdutzten Prinzen einfach stehen.

Wenige Minuten später stand Rowenna zögernd vor den beiden großen Reisetaschen, die sie von zu Hause mitgebracht hatte. Zuerst hatte sie ihre Bedenken gehabt, ob sie es schaffen würde, auch noch zusätzliche Gegenstände durch die Welten zu transportieren, doch wie schon der Hinweg, so war ihr auch die Rückkehr problemlos gelungen.

Doch wohin sollte sie jetzt die Sachen räumen? Im Schrank war kein Platz, denn in seinem Innern türmten sich schon genug Kleider und Schuhe, um eine kleine Boutique damit auszurüsten.

Andererseits konnte sie die Taschen auch nicht einfach auf dem Boden stehen lassen, denn ihr Aussehen hätte wohl doch einige unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Unter das Bett konnte sie sie nicht schieben, dafür waren sie zu groß. Blieb also nur noch die Kommode, und bis auf die Tatsache, dass sie voll war mit Kerzen, Seife, Parfümfläschchen, Unterwäsche und Büchern, war sie auch fast perfekt. Schnell fand die Hälfte dieser Gegenstände einen anderen Platz, bis die Taschen hineinpassten und die Türen sich schließen ließen.

Hoffentlich kommt niemand auf die Idee, hier mal hineinzusehen. Das würde ein schönes Durcheinander geben, wenn die meine Sachen finden.

Sie hatte keine Ahnung, wie spät es war – die eine oder andere elektrische Uhr wäre an dieser Stelle natürlich hilfreich gewesen. Aus dem Stand der Sonne schloss sie, dass es früher Nachmittag war. Sie beschloss, ein wenig nach draußen zu gehen und den Tag zu genießen, schließlich konnte sie nicht wissen, wie lange sie noch Ruhe haben würde. Jeden Moment konnte wieder ein neues Chaos losbrechen... Doch daran dachte sie lieber nicht, als sie sich schon recht zielsicher den Weg durch die Gänge nach draußen suchte.

Die Natur empfing sie mit schillernden Farben und betörenden Düften, und langsam verstand sie, dass die Elben keine großen, massiven Häuser bauten, sondern lieber in den Baumkronen lebten.

Diesmal schlug Rowenna jedoch nicht den Weg durch den Park ein, sondern schlenderte gemütlich in die entgegengesetzte Richtung. Im Park hielten sich bestimmt viele der hohen Herrschaften auf und sie hatte keine große Lust, sich über völlig belanglose Dinge unterhalten zu müssen.

Sie hatte den Palast halb umrundet, als sie zu einem Hinterhof kam, dessen Boden aus unzähligen kleinen, spitzen Steinchen bestand. Eine kleine Gruppe junger Elben übten mit stumpfen Schwertern und versuchten, die geschickten Schläge eines Lehrers nachzumachen, der sie ihnen geduldig wieder und wieder zeigte. In einer anderen Ecke des Hofes stand eine hölzerne Zielscheibe, die schon einige Pfeile hatte abfangen müssen, wie die vielen kleinen Löcher verrieten. Momentan wurde sie von einem Elben unter Beschuss genommen, der ein wenig abseits stand und versuchte, sein Ziel aus einer Entfernung von fast einhundert Metern zu treffen.

Interessiert blieb Rowenna stehen und sah einige Zeit lang einfach nur zu, mal den angehenden Schwertkämpfern und mal dem Schützen, der diese Übung wohl nicht mehr nötig hatte, denn die spitzen Pfeile trafen jedes Mal in den ausgeblichenen schwarzen Kreis in der Mitte der Scheibe. Nach jedem fünften oder sechsten Pfeil musste der Elb herbeigelaufen kommen, um diese herauszuziehen, denn er trainierte allein und es gab niemanden, der ihm diese Aufgabe abgenommen hätte.

Vorsichtig lief sie an der Mauer des Palastes entlang, um nicht versehentlich von einem herumgewirbelten Schwert getroffen zu werden. In der Zielscheibe steckten bereits sechs Pfeile, und der fremde Elb machte sich auf den Weg sie zurückzuholen, um sie aufs Neue abzufeuern. Schnell machte sie ihm ein Zeichen, stehen zu bleiben, zog die langen Hölzer heraus und kam damit in seine Richtung. Erst auf dem Weg wurde ihr klar, auf welch eine weite Distanz der Fremde einen Fleck von gut zehn Zentimetern Durchmesser getroffen hatte.

Wortlos überreichte sie die Pfeile und sah zu, wie der erste schon wieder durch die Luft schwirrte.

„Darf ich das vielleicht auch mal versuchen?", fragte sie plötzlich, nachdem sie erst nur zugesehen hatte. „Ich meine, nicht aus dieser Entfernung natürlich...", fügte sie sofort hinzu, halb schon bereuend, überhaupt gefragt zu haben.

„Nein", war die einzige, schroffe Antwort. Keine Erklärung, kein Versuch, höflich zu sein.

Ein Benehmen hat der... Und ich hatte schon gedacht, hier wären alle freundlich, aber anscheinend wird doch nicht so viel Wert auf die Umgangsformen gelegt. Aber wie sagt man so schön, wie du mir, so ich dir, und was der kann, kann ich schon lange.

„Also hör mir mal zu, du toller Hecht. Ich hatte vielleicht keine Ausbildung im Bogenschiessen, und ich würden diese verdammte Scheibe wahrscheinlich nicht einmal annähernd treffen, aber trotzdem könntest du mir wenigstens eine Chance geben, ganz einfach aus Freundlichkeit. Ach, schieb dir doch deinen Bogen sonst wohin!"Sie ließ absichtlich jede Förmlichkeit weg, denn sie wollte nicht auch nur das kleinste Bisschen Achtung zeigen.

Am meisten regte sie gar nicht das Verhalten des Elben auf, sonder vielmehr die schlichte Tatsache, dass sich dadurch ihre gute Laune in Rauch aufgelöst hatte.

Ohne noch eine Antwort, die sie wahrscheinlich sowieso nicht bekommen hätte, abzuwarten, stolzierte sie davon und hoffte, dass ihre Worte ihn wenigstens ein wenig getroffen hatten. Als wieder ein Pfeil neben ihr vorbei gezischt kam, hob sie ohne Überlegen die Hand und veränderte damit die Luftströmungen so, dass er gut zwei Meter von der Zielscheibe entfernt auf die Palastwand traf und mit einem leisen Splittern zu Boden fiel.

Was habe ich denn jetzt schon wieder angestellt? Gut, ich weiß, was ich gemacht habe, aber wie habe ich das gemacht? Ich wollte ihn zur Seite bewegen, und schon ist genau das passiert... Ich sollte mich langsam wirklich an diese Geschehnisse gewöhnen...

Unbekümmert legte sie das letzte Stück zum Palast zurück und ließ sich dort auf einer einfachen Holzbank nieder, die an der Wand stand. Sie tat so, als würde sie interessiert die Schwertkampfübungen beobachten, doch in Wirklichkeit leitete sie jeden einzelnen Pfeil aus seiner Bahn, und empfand dabei eine grimmige Schadenfreude. Endlich einmal hatte sie ihre Kräfte unter Kontrolle, auch wenn sie sie sicher nicht sehr nützlich einsetzte, gab es ihr doch ein gutes Gefühl. Nach kurzer Zeit brauchte sie nicht einmal mehr ihre Hand zu bewegen, sondern schaffte alles allein mit ihren Gedanken.

Sie musste sich ein Lachen verkneifen als sie sah, dass sich das Gesicht das Elben ärgerlich verzog und er wütend mit dem Fuß auf den Boden stampfte. Ihre gute Laune war zurückgekehrt.

„Was tust du denn hier?"

Erschrocken wandte Rowenna das Gesicht dem Sprecher dieser Worte zu, auch wenn sie es bedauerte, den Spaß unterbrechen zu müssen.

„Legolas! Was ich hier tue? Ich amüsiere mich wunderbar."

„Das habe ich mir schon gedacht, genauso wie wohl jeder hier es bemerkt haben dürfte. Dein Gesicht sieht aus, als wäre es das Schönste auf der Welt, auf einer alten, heruntergekommenen Bank zu sitzen und jungen Elben zuzusehen, wie sie sich gegenseitig die Knochen einschlagen..."

„Ich finde es wirklich spannend", log sie und ließ unauffällig einen erneuten Pfeil von seinem Kurs abkommen. „Ich habe mir überlegt, vielleicht auch kämpfen zu lernen. Aber dieser nette Herr dort drüben", sie deutete auf den wieder lauthals vor sich hinschimpfenden Bogenschützen, „war nicht bereit, mir seinen Bogen einen Augenblick zum Üben auszuleihen."

„Wie mir scheint, braucht er selbst noch einige Übungsstunden. Er trifft ja nicht einmal annähernd sein Ziel, und diese Scheibe ist wirklich groß genug", kommentierte der Prinz und lächelte.

Auch Rowenna musste jetzt wieder grinsen, egal, wie sehr sie es auch zu unterdrücken versuchte.

„Oh, er hat ja immer getroffen, sogar jedes Mal ins Schwarze. Er hätte mich einfach nicht ärgern sollen..."

„Soll das heißen, du bist daran schuld, dass der Arme nicht mehr zielen kann? Wie auch immer du das gemacht hast, ich halte mittlerweile nichts mehr für unmöglich..."

„Nun ja, er war wirklich sehr unhöflich zu mir, und er kann ja auch noch zielen. Er trifft halt nur nicht mehr, und das finde ich, ich würde sagen, amüsierend. Und außerdem hat er es verdient."

„Trotzdem, weißt du, wie frustrierend so etwas sein kann? Ich finde, du hast deinen Spaß gehabt. Jett lass ihn wieder in Frieden."

„Ja, Papa", maulte sie, „du bist ein richtiger Spielverderber. Du bist ja nur neidisch, weil du so etwas nicht kannst."

„Vielleicht, aber nur ein ganz kleines bisschen", lächelte er und zog sie dann in die Höhe.

„Lass uns ein paar Schritte gehen."Als sie ihn unwillig ansah, fügte er verführerisch hinzu: „Wir können auch bei deinem neuen Freund vorbei gehen und ein paar Bemerkungen über seine Künste machen."

Das überzeugte sie und gemächlich schlenderten sie in dessen Richtung.

„Rowenna?"

„Ja?"

„Habe ich da etwa gerade einen Pfeil im rechten Winkel nach links fliegen sehen, obwohl er perfekt abgeschossen wurde?"

„Es war kein rechter Winkel, höchstens siebzig Grad, oder fünfzig. Eigentlich ist er ganz gerade nach vorne geflogen", schmollte sie, konnte jedoch das Grinsen nicht ganz verbergen.

„Na gut, es war ein fast rechter Winkel. Aber nur fast!", gab sie schließlich zu, als sie den Schützen schon fast erreicht hatten.

„Machst du jetzt ein paar Kommentare? Bitte bitte!", fügte sie dann hoffnungsvoll hinzu.

„So habe ich das nie gesagt. Wenn du welche haben willst, dann mach sie selber."

„Nichts lieber als das, ich wollte dir nur auch ein bisschen Spaß gönnen, aber wenn du nicht willst..."

Der dunkelhaarige Elb spanne gerade zum wiederholten Mal den Boden und zielte konzentriert auf den kleinen schwarzen Kreis, als ihm plötzlich der Bogen aus den Händen fiel und neben ihm im Gras landete.

„Wie ungeschickt!", kommentierte Rowenna gnadenlos. „Wie konnte das einem so begnadeten Schützen wie Euch", sie betonte die förmliche genauso absichtlich, wie sie sie vorhin weggelassen hatte, „nur passieren?"

Der Elb bückte sich nach dem Bogen und murmelte dabei einige Worte vor sich hin, die sie nicht verstehen konnte. Vermutlich ist das auch besser so, dachte sie bei sich.

„Vielleicht könnt Ihr denn Herrn dort drüben fragen, ich glaube, er erteilt Unterricht", fuhr sie schamlos fort, hörte jedoch mit ihrer Stichelei auf, als sie von Legolas fortgezogen wurde.

„Wie Ihr seht, habe ich leider keine Zeit mehr, mir Eure Fortschritte anzusehen, aber ich glaube fest daran, dass Ihr noch einiges dazulernen werdet."... wie du dich zum Beispiel mir gegenüber zu verhalten hast, fügte sie in Gedanken an. Als sie an der Seite von Legolas davonging, gratulierte sie sich selbst. Oh mein Gott, wie würde ich mich selbst hassen, wenn ich mir gerade begegnet wäre. Ich glaube, so etwas mache ich demnächst öfter. Warum können nicht alle so herrlich unhöflich zu mir sein?

„Du warst grauenhaft", bestätigte Legolas ihre Gedanken. „Musste das denn sein?"

„Ja", erwiderte sie einzig und hakte sich bei ihm unter.

„Aus dir werde mal einer schlau...", hörte sie ihn murmeln, ging jedoch nicht darauf ein.

„Was machen wir jetzt?", fragte sie dann voller Unternehmungslust. „Willst du mir vielleicht ein wenig kämpfen beibringen?"

„Das geht leider nicht", bedauerte er, „wir haben gleich eine Sitzung."

Wir?"

„Ja. Mittlerweile kommt immer mehr über dich ans Tageslicht, und wir alle sind der Meinung, du sollst ab jetzt bei allem dabei sein. Der erste Versuch vor ein paar Tagen, mit dir zu sprechen, ist ja etwas schief gelaufen... Vor allem Gandalf hat einige Fragen an dich und ich glaube, es wird nicht allzu angenehm für dich werden. Also genieße die Zeit bis dorthin."

Ohne Vorwarnung drehte sie sich ihm zu und küsste ihn auf den Mund. Als sie sich wieder von ihm löste, fragte er verwundert: „Und was war das jetzt?"

„Ich genieße meine Zeit", antwortete sie leichthin.

„Na, wenn das so ist..."Er beugte sich die wenigen Zentimeter zu ihr herunter und wollte sie auch küssen, doch sie entzog sich ihm.

„Warum tust du das? Du darfst mich küssen, aber ich dich nicht?"

„Ich darf alles", tirilierte sie fröhlich und drehte sich mit ausgestreckten Armen einmal um die eigene Achse, „denn wenn ich das richtig verstanden habe, seid ihr alle total von mir abhängig. Wenn ihr mich nicht bei Laune haltet und ich verschwinde, seid ihr alle verloren."

„Du bist verrückt!"

„Vielleicht. Aber es macht einen höllischen Spaß, verrückt zu sein! Aber sei lieber nett zu mir, sonst darfst du gleich vor versammelter Mannschaft erklären, warum ich nicht anwesend bin bei dieser Sitzung."Sie sprach das Wort aus, als würde es sich dabei um das Lächerlichste auf der Welt handeln.

„Du bist wirklich verrückt geworden. Weißt du, wie viele Leben von dir abhängen? Ich bezweifle, dass das irgendjemand weiß. Ich glaube nicht, dass das der richtige Zeitpunkt für Albernheiten ist", versuchte er sie zur Vernunft zu bringen.

Doch sie lachte nur, schlang ihm die Arme um den Hals und zog seinen Kopf zu sich herunter. „Manchmal ist ein bisschen Spaß die bessere Kriegsführung", meinte sie, bevor sie ihn diesmal inniger als zuvor küsste. Sie drängte ihren Körper näher an seinen und drückte ihn damit ein Stück nach hinten. Er erwiderte den Kuss erst vorsichtig, aus Angst, sie könnte sich wieder zurückziehen. Dann jedoch hielt er sich nicht mehr zurück und ein leises Stöhnen entrang sich seiner Kehle.

Als hätte sie auf nichts anderes gewartet, lächelte sie in seinen Mund hinein und trat plötzlich einen großen Schritt zurück.

„Wie wollen ja schließlich nicht die Sitzung verpassen, nicht wahr?", hauchte sie und blickte demonstrativ zum Palast hinüber, der durch die Bäume sichtbar war.

„Wir müssen vernünftig sein, Legolas. Es liegt mir fern, irgendjemanden verrückt machen zu wollen."Wieder lächelte sie wissend, als sie in seine Augen schaute. „Los jetzt, mein Prinz, Ihr dürft natürlich nicht zu spät kommen!"

Es machte ihr einen höllischen Spaß. Umso mehr, weil er recht hatte: sie sollte wirklich ihre letzte freie Zeit genießen, und genau das war es, was sie tat. Sie liebte es, Leute mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, und ihre neuen Fähigkeiten luden ja geradezu dazu ein.

Legolas folgte ihr in einigen Metern Entfernung, und da sie den Weg nicht kannte, musste sie wohl oder übel am Eingang auf ihn warten.

„Das war gemein", flüsterte er ihr zu, als er sie überholte, um ihr den Weg zur Bibliothek zu zeigen, den sie natürlich schon kannte, aber schon längst wieder vergessen hatte. Kein Wunder, bei den vielen Abzweigungen. Sie kamen an mindestens drei Kreuzungen vorbei, an denen sich Rowenna für einen völlig anderen Gang entschieden hätte.

Schließlich kamen sie aber doch an, doch außer einem Mädchen, das schon den Tee servierte, war noch niemand da. Die Bedienstete stellte die letzten Tassen ab und verschwand dann unauffällig wieder durch eine Tür in der Holzvertäfelung, die mit bloßem Auge kaum zu erkennen war.

„Na sieh mal einer an, jetzt sind wir viel zu früh. Du immer mit deiner Vernunft!", zog Rowenna Legolas auf, als sie allein waren.

„Ich könnte genauso gut sagen, du mit deiner Verrücktheit. So jemanden wie dich habe ich wirklich in meinem ganzen Leben noch nicht getroffen, und ich weile nun wirklich schon seit einigen Jahren auf dieser Welt."

Ich weiß gar nicht, wie alt er ist... Das mir das nicht früher eingefallen ist, normalerweise fragte man neue Bekanntschaften doch immer schnell nach dem Alter...

„Wie alt bist du denn", fragte sie deshalb. Innerlich versuchte sie sein Alter zu erraten, doch sie wusste nicht, ob Elben schneller oder langsamer alterten als Menschen.

„Wie alt schätzt du mich denn?", kam auch sofort die Frage, auf die es nur falsche Antworten gab. Rowenna entschloss sich, nach Menschenmaßstäben zu rechnen und tippte vorsichtig: „Fünfundzwanzig?"

Als er in Lachen ausbrach, fragte sie: „Älter"und riet auf sein Nicken hin: „Dreißig?"

Als er immer noch lachte, wurde sie langsam ärgerlich. Woher sollte sie wissen, wie hier gerechnet wurde? Vielleicht war hier ein Jahr nur so lang wie zu Hause ein Monat, oder vielleicht zählten sie ihr Alter in völlig anderen Einheiten...

„Sag es mir, wenn meine Antworten so lustig sind", murrte sie und stieß ihn ärgerlich an.

Endlich beruhigte er sich. „Ich weiß es nicht genau", gab er ehrlich zu und erhielt dafür einen zweifelnden Blick von Rowenna. „Du weißt nicht, wie alt du bist? Das kannst du deinem Großvater erzählen, aber nicht..."

Er unterbrach sie: „Bei zweitausend habe ich aufgehört zu zählen. Das ist jetzt aber schon ein Weilchen her. Innerhalb der nächsten einhundert bis einhundertfünfzig Jahre müsste ich dreitausend Jahre alt werden."

„Drei... dreitausend? Du willst mich hereinlegen. Das erzählst du mir, um dich bei mir zu rächen. Du willst sehen, ob ich es dir glaube und dich dann darüber lustig machen."

Doch er blieb ernst und schüttelte den Kopf.

„Also... das muss ich erst mal verdauen...", sagte sie leise und setzte sich in einen der vielen gepolsterten Sessel. „Mir war ja klar, dass du ein bisschen älter bist als ich, aber dreitausend..."

„Nicht ganz", berichtigte er sie.

„Das macht doch bei der Menge auch nichts mehr. Wie... wie hoch ist denn die Lebenserwartung bei Elben im Durchschnitt?"

Wieder einmal brachte sie ihn mit ihrer Frage zum Lächeln.

„Unsterblich."

Wo bin ich da nur hineingeraten? Oh mein Gott, er ist unsterblich

„Dann... dann wirst du mich ja altern und sterben sehen und dabei genauso jung bleiben wie jetzt...", flüsterte sie und vertrieb damit sein Lächeln endgültig.

Er zögerte kurz, rang sich dann aber doch dazu durch, es ihr zu sagen: „Das ist nicht wahr, Rowenna."Sie sah ihn verwirrt an, doch er fuhr ohne Pause fort: „Du weißt vermutlich noch nicht viel über deine Kräfte. Das ist ein Teil von dem, über das wir heute mit dir sprechen wollten. Vielleicht bist du als Mensch geboren und aufgewachsen, doch deine Kräfte sind sehr ... stark. Sie sind weit mehr als nur übermenschlich wenn man bedenkt, dass Menschen schon seit Ewigkeiten keine Magie mehr besitzen, falls das überhaupt jemals in der Geschichte der Fall war. Sie sind unsterblich, und sie werden dich mit ihnen am Leben erhalten, denn ohne ihren Träger sind sie nichts. Nicht du hast dir die Kräfte ausgesucht, sie haben sich dich ausgesucht. Und sie geben normalerweise keinen Träger auf, für den sie sich selbst entschieden haben."

„Soll das heißen, ich bin unsterblich? Willst du das damit sagen? Aber was ist, wenn ich das gar nicht sein will? Verdammt, das ist echt mehr, als ich im Moment verstehen kann. Schließlich bekommt man nicht alle Tage zu hören, dass man plötzlich unsterblich ist."

„Ich denke, ich kann dich verstehen, auch wenn ich seit meiner Geburt weiß, dass ich unsterblich bin. Die Ewigkeit ist eine sehr lange Zeit. Aber jetzt wollen wir nicht weiter darüber reden, die anderen werden gleich eintreffen. Ich kann schon Aragorns Schritte auf dem Flur hören. Ich mag ihn wirklich gerne, aber anschleichen ist wohl nicht seine herausragendste Stärke."

Kurze Zeit später hatte sich die Bibliothek mit all denen gefüllt, die an der Sitzung teilnehmen sollten. Doch Thranduil verließ das Zimmer noch einmal, um es einen Augenblick später mit einem anderen Elben erneut zu betreten.

„Das ist Donvan. Ich habe ihn rufen lassen, weil ich denke, dass er uns bei unseren Beratungen zur Seite stehen kann."

Der Elb wurde von allen freundlich begrüßt, nur Rowenna sackte in ihrem Sessel immer weiter in sich zusammen und auch Legolas schien sich sichtlich unwohler zu fühlen.

Das war der Elb, dessen Pfeile Rowenna absichtlich in andere Richtungen hatte fliegen lassen und den sie mit Freuden so sehr beschimpft hatte.