Ich habe keine Ahnung, was jetzt mit meiner Betaleserin los ist, deswegen veröffentliche ich vorerst mal alles ungebetat. Wenn jemand diesen Job für die letzten Kapitel übernehmen möchte, bitte melden! Es folgen vielleicht noch 2-3 Kapitel.
Kapitel 16
Eine unübersehbare Spur zog sich von der Tür zum Bett: Schuhe, Socken, aber auch ein Hemd lagen schon dort, und wie es aussah, würden bald weitere Stücke folgen. Rowennas Kleid war mittlerweile bis zu den Hüften heruntergerutscht. Sie befand sich wie in einem Traum, hielt die Augen geschlossen und spürte nur zu deutlich Legolas' Hände überall auf ihrem Körper. Ihr Rücken lehnte gegen einen der vier Pfosten ihres Himmelbettes, doch nun trat sie einen Schritt zur Seite, um sich rücklings auf die weiche Matratze fallen zu lassen. De Arme um den Hals des Elben zog sie diesen einfach mit, sodass er schwer auf sie fiel. Seine Liebkosungen endeten schlagartig.
„He!". protestierte Rowenna mit noch immer geschlossenen Augen. Als er keine Regung zeigte, stupste sie ihn an und wälzte ihn schließlich mit aller Kraft von sich herunter. Sie stand auf und zog schwer atmend ihr Kleid soweit zurecht, wie es ihr gelang. Legolas rührte sich nicht mehr, wie sie ärgerlich bemerkte. Und der soll ein Kriegsheld sein, wo er nicht einmal eine Frau verführen kann, dachte sie spöttisch. Aber was soll's – schließlich ist er ja nicht der einzige Mann auf Erden. Die breiten Träger ihres Kleides begannen von neuem zu rutschen, doch sie störte sich nicht weiter daran. Sie ließ ihre Schuhe liegen wo sie waren und verließ barfuss das Zimmer.
Gelangweilt wandelte Nûemyn durch den Park. Vielleicht war es doch nicht so spannend, nichts zu tun, wie sie immer geglaubt hatte. Sie war es ihr Leben lang gewohnt gewesen zu arbeiten, dass sie nun gar nichts mit ihrer vielen Zeit anzufangen wusste. Sonst traf sie sich in ihren Pausen immer mit Freundinnen, doch um diese Zeit waren alle beschäftigt. Sie setzte sich auf eine der vielen Bänke und trippelte unruhig mit ihren Füßen auf dem Boden herum. Es war schon eine Weile her, dass sie sich mit Rowenna unterhalten hatte, und so beschloss sie, im Palast nachzusehen, ob die Freundin vielleicht Zeit für sie hatte. Wie immer betrat sie das riesige Gebäude durch eine der zahlreichen Hintertüren.
Schnellen Schrittes bewegte sich Rowenna durch die Gänge. Die Steinplatten unter ihren bloßen Füßen waren eiskalt, doch sie spürte es kaum. Die Schnürung ihres Kleides hatte sie nicht geschlossen, weshalb die Träger mit jedem Schritt mehr gen Ellbogen rutschten. Doch auch das störte sie nicht im Geringsten. Sie wusste, wohin sie wollte, wusste aber nicht genau, wie sie dorthin kam. Natürlich wusste sie, dass alle Gäste in diesem Flügel des Gebäudes untergebracht waren. Doch dieser hatte mehrere Etagen und war weitläufiger als manch ein komplettes Gebäude. Der Zufall kam ihr zu Hilfe, als sie gerade über eine der schmalen Verbindungstreppen nach oben gestiegen war. Sie hörte Stimmen, doch dann verabschiedeten sich die sich unterhaltenden Personen und Schritte näherten sich ihr.
„Elladan!", rief sie, als sie den Elben erkannte, der um die Ecke bog und auf sie zukam.
„Nein nein", wehrte der ab. „Ich bin Elrohir. Elladan ist nach dort gegangen. Wenn Ihr Euch beeilt, könnt ihr ihn noch einholen. Aber vielleicht solltet Ihr zuerst Euer Kleid schnüren, es sieht aus, als würde es jeden Moment herunterrutschen."
„Währet Ihr mir dabei vielleicht behilflich?", fragte Rowenna freundlich. „Ich kann unmöglich allein…"
„Natürlich, wenn Ihr Euch umdrehen möchtet. Dann kann ich mir das mal ansehen."
Rowenna überlegte. „Aber doch nicht hier. Was würde denn ein zufällig Vorbeikommender von uns denken, wenn Ihr Euch mitten im Gang an meinem Kleid zu schaffen macht."
Elrohir nickte bedächtig. „Nun denn, mein Zimmer befindet sich hier gleich an der Ecke. Kommt doch kurz mit herein."
Sie nickte dankend und folgte dem Elben, der ihr galant eine der Türen auf der linken Seite des Flures aufhielt.
„So, dann werde ich mal sehen, was ich tun kann", meinte er, als er sie hinter sich geschlossen hatte.
Mit einer schnellen Bewegung riss Rowenna an ihrem Kleid, noch bevor er irgendetwas tun konnte. Die Träger rutschten nun vollends herunter und das Oberteil blieb auf der Hüfte hängen.
„Aber… was tut Ihr denn da?", stammelte Elrohir erschrocken.
„Warum solltet Ihr es erst zumachen, wenn Ihr es doch wieder öffnen müsstet?"
Verwirrt hob Legolas den Kopf. Er lag auf einem Bett, doch das Zimmer war nicht das seine, soviel konnte er schon mit einem schnellen Blick feststellen. Sein Hemd war geöffnet; seine Schuhe lagen irgendwo, wo er sie nicht sehen konnte. Er setzte sich auf. Sein Kopf fühlte sich seltsam leer an, doch er tat nicht weh, wie er es erwartet hatte. Durch die beiden Fenster strömte noch ein Rest Tageslicht herein, doch es war nicht zu übersehen, dass sich der Tag schon langsam dem Ende entgegen neigte. Wie lange hatte er wohl hier gelegen? Er konnte sich nicht erinnern. Und was machte er überhaupt… Sein Blick fiel auf das Paar Damenschuhe, das auf dem Boden unweit von seinem lag. Rowenna, natürlich. Das war ihr Zimmer. Doch wo war sie und warum hatte sie ihn hier allein gelassen? Nachdenklich schloss er sein Hemd und sammelte seine Schuhe auf.
Es klopfte und gewohnheitsmäßig antwortete er mit einem ‚Herein'. Die Tür öffnete sich und Nûemyn steckte den Kopf herein. „Ist Rowenna nicht da?", fragte sie, als sie Legolas alleine auf dem Bett sitzen sah, wo er sich gerade seine Schuhe zu Ende schnürte.
„Nein. Ich weiß auch nicht, was passiert ist. Ich bin gerade aufgewacht, und…", gab er zu, und Nûemyn setzte ein wissendes Grinsen auf. „Aha…", meinte sie lächelnd. „Ich hatte meine Kleidung noch an", erwiderte Legolas in einem etwas schärferen Ton. „Irdenetwas muss geschehen sein…"
„Wieso muss immer gleich etwas geschehen sein, wenn Ihr mit einer Frau in einem Raum seid und die Kleidung anbehaltet?", konterte sie mutig und trat dann endlich ganz ein als es ihr zu unbequem wurde, sich die ganze Zeit über die Schwelle zu lehnen.
„Sehr witzig. Aber nach allem… Wir sollten sie lieber suchen. Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl. Sie war irgendwie… Ich weiß auch nicht. Und sie ist ohnmächtig geworden, ungefähr so wie…" Er sprach nicht weiter. „So wie Ihr eben", ergänzte Nûemyn für ihn. Es war offensichtlich, dass es ihm unangenehm war, weshalb sie es besonders gerne aussprach. Er nickte nur, wenn auch widerwillig. „Mach die Tür zu", bestimmte er dann nach einem Moment der Stille. Er wusste, dass sie in einiges eingeweiht war, da sie so gut mit Rowenna befreundet war, und so beschloss er, dass sie auch alles wissen konnte, was sie bisher herausgefunden hatten.
Nach einer guten Viertelstunde seufzte Nûemyn auf. „Also sehe ich das richtig, Rowenna hat herausgefunden, dass wir es mit den sieben Todsünden zu tun haben. Und wir wissen weiterhin, dass diese Sünden nicht zusammenkommen dürfen, weil dann die Welt untergeht? Es tut mir Leid, das so aussprechen zu müssen, aber Ihr klammert Euch an ein Ammenmärchen. Sam und Elrond sind befallen, sagt Ihr? Nun, habt Ihr mehr Beweise als eine Magenverstimmung und ein belauschtes Gespräch? Gerade Ihr als erfahrener Krieger solltet es doch besser wissen, meint Ihr nicht?"
Sie machte sich eindeutig über ihn lustig. Er spürte Zorn in sich hochkochen. Sie war ein einfaches Zimmermädchen in Dienste seines Vaters, und sie wagte es, sich über ihn, den Prinz und zudem noch Thronfolger Düsterwaldes lustig zu machen? Er stand von dem Stuhl auf, auf dem er bis jetzt gesessen hatte und tigerte unruhig auf dem bunt gemusterten Läufer hin und her.
„Dann sage ich dir jetzt einmal etwas: Ich weite deinen vorläufigen Urlaub noch ein wenig aus. Ab jetzt verdienst du dir dien Brot außerhalb des Palastes, ach sagen wir gleich: außerhalb Düsterwaldes. Ich verbanne dich des Landes, jawohl!" Er kam zurück zum Tisch und schlug mit der Faust so kräftig darauf, dass dieser bedrohlich wackelte. Nûemyn blieb still sitzen und wartete ab. Sie wusste, dass er es nicht so meinte. Die Sorge und Angst brachte ihn durcheinander, doch sie hütete sich, das zu sagen. Sie wollte ihn nicht noch weiter reizen und verharrte deshalb fast unbeweglich. Ihre Geduld wurde belohnt.
„Tut mir Leid", meinte Legolas nach einer Weile. „Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist."
„Zorn ist auch eine der Sünden", wagte sie zu bemerken, bereute es aber sofort wieder. Es war einfach eine Bemerkung gewesen, die ihr gerade in den Sinn gekommen war und sie hatte nicht daran gedacht, dass sie den Prinzen zurzeit besser nicht reizen sollte. Seine Bewegung erstarrte und er schien ernstlich nachzudenken.
„Kann das sein?", meinte er dann leise. „Dass ich auch, nun, befallen bin? Ich weiß, du glaubst nicht daran. Aber dieser Kampf ist keiner, wie wir ihn kennen und wir müssen versuchen, komplett anders zu denken. Also, ist es möglich?"
„Nun, ich würde sagen, königliches Blut schützt nicht vor Sünden."
„Verdammt! Du glaubst also…"
„Ich habe nur einen Gedanken geäußert, mehr nicht."
„Versuch dich nicht herauszureden, verflucht! Ich habe dich…" Er hielt inne. Dann atmete er einige Male tief ein und aus. „Du fühlst dich aber normal, nicht wahr? Du musst mir helfen, ruhig zu bleiben. Und dann müssen wir versuchen herauszufinden, was wir unternehmen können. So sehr ich mir auch das Gegenteil wünsche, ich glaube nicht, dass wir noch auf Rowenna zählen können."
Nûemyn überlegte kurz. „Gut, die Lage scheint wirklich ernster zu sein, als ich gedacht habe", gab sie zu. Dann fangen wir am Besten damit an, alle Sünden aufzuzählen. Also, wir haben Zorn, Völlerei und Geiz. Ich kenne mich nicht besonders gut aus. Welche gibt es noch?" „Eitelkeit, Trägheit und Neid." „Das sind dann aber erst sechs. Welche ist die siebte?" „Ich weiß nicht, wir hatten nur diese aufgezählt."
„Dann lassen wir die letzte zuerst außer Acht, vielleicht fällt sie uns später noch ein. Was ist es, das wir tun müssen? Wenn ich es richtig verstanden habe müssen wir verhindern, dass alle Betroffenen zusammentreffen, richtig?" Legolas nickte zögernd und Nûemyn fuhr fort: „Dann sollten wir zuerst herausfinden, wer das ist. Euren Erzählungen nach fehlen nur noch Eitelkeit, Trägheit und die letzte, die wir nicht kennen."
„Vielleicht sollte ich hier bleiben und die Tür verschließen. Ohne mich können die anderen nichts anrichten, zumindest glaube ich das. Also ich meine, wenn eine der Sünden fehlt, dürfte doch eigentlich nicht viel passieren."
„Ich weiß nicht, ob das etwas nützt. Unser Gegner scheint Gedanken verändern oder kontrollieren zu können. Wenn es soweit ist, werdet Ihr von selbst gehen wollen."
Wieder lief Legolas unruhig auf und ab und Nûemyn konnte an seinem Gesicht erkennen, dass er damit seinen Zorn zu bekämpfen versuchte.
„Wir dürfen nicht noch mehr Zeit verlieren", presste er schließlich hervor. „Gehen wir!"
Nûemyn und Legolas hatten sich getrennt, auch wenn sie dabei kein gutes Gefühl hatte. Sie hätte lieber noch auf den Prinzen Acht gegeben, doch nachdem sie schon eine ganze Weile erfolglos geblieben waren, hatten sie sich für diesen Weg entschieden. Vor den Türen des Thronsaals blieb sie zögernd stehen. Normalerweise durfte sie ihn nicht betreten, es sei denn, sie hatte dort eine feste Aufgabe zu verrichten. Nun, überlegte sie, eigentlich war das ja der Fall. Und immerhin war es Legolas gewesen, der ihr diese Aufgabe übertragen hatte. Trotzdem war sie unsicher, denn aus dem Inneren des Saals schallten Stimmen zu ihr heraus was bedeutete, dass gerade eine wichtige Versammlung im Gange sein musste. Schließlich schlich sie zu einer der versteckten Dienstbotentüren und hoffte, dass niemand sie bemerken würde.
„Was tust du da?", krähte eine Stimme hinter ihr und ließ sie zusammenzucken. „Du weißt doch, dass du da jetzt nicht reingehen darfst!"
Nûemyn atmete erleichtert aus, als sie die Stimme erkannte. „Kârimà! Du hast mich zu Tode erschreckt!"
„Aber du stehst ja noch und siehst auch ganz lebendig aus. Auch wenn du ein bisschen blass bist", erklärte das kleine Mädchen, ließ sich jedoch nicht ablenken. „Was willst du denn da drinnen? Darf ich mitkommen?"
„Nein, Kârimà." Nûemyn suchte fieberhaft nach einer Ausrede. „Du kannst nicht mitkommen, weil… Ich wollte mich nur kurz reinschleichen und einen Armreifen suchen, den ich dort verloren habe. Du darfst also niemandem ein Wort davon sagen, sonst bekomme ich ganz schlimmen Ärger, hörst du? Ich muss mich beeilen, und allein bin ich schneller. Aber das nächste Mal darfst du bestimmt mit. Du wirst mich doch nicht verraten?"
„Hm… nein!", strahlte das Kind. „Ich kann ein Geheimnis für mich behalten! Ich weiß ein Geheimnis, ein Geheimnis!", sang sie leise vor sich hin und hüpfte davon. „…ein Geheimnis!", hallte es leise von den Mauern wider. Nûemyn lächelte unwillkürlich, doch dann zwang sie sich, ihre Gedanken wieder auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Denn wenn sie das nicht tat, würde es das nächste Mal, das sie Kârimà versprochen hatte, vielleicht niemals geben. Vorsichtshalber suchte sie den Korridor noch einmal mit den Augen nach möglichen Beobachtern ab und verschwand, als sie niemanden erkennen konnte, durch die kleine Tür.
Der Saal war hell mit Kerzen erleuchtet, obwohl noch ein guter Rest des Tageslichtes durch die großen Fenster hereinschien. König Thranduil saß auf dem Thron, zu dessen Fuße zwei riesige Tischreihen aufgebaut waren. Nicht alle der Stühle waren besetzt, doch trotzdem war das Stimmengewirr der Anwesenden relativ laut.
„Ruhe, meine Lieben!", rief der König gerade, als Nûemyn die Tür hinter sich schloss und sich hinter einer breiten Säule versteckte. Sie hatte beschlossen, einfach eine Weile zuzuschauen. Vielleicht konnte sie auf diese Weise etwas Ungewöhnliches erkennen.
Die Gespräche brachen ab und die Köpfe wanden sich dem Thron zu. Nûemyn befand sich ein Stück neben daneben, weshalb sie zwar guten Blick auf die Gäste, aber keinen auf den König hatte. Doch dessen Stimme war laut und volltönend genug, dass sie jedes Wort klar und deutlich verstehen konnte.
„Wir sind nun heute hier zusammengekommen, um gemeinsam die gewaltigen Schätze des Königshauses von Düsterwald zu bestaunen. Diener, tragt die Schätze herein!"
Einige Bedienstete schleppte jeweils zu mehreren riesige Truhen heran und hievten sie mit aller aufwendbaren Kraft auf die Tische. Dort entleerten sie sie und trugen die leeren Behältnisse wieder fort. Die breiten Tische wurden von Gold, Juwelen und Diamanten überflutet. Keiner der Anwesenden sagte ein Wort, und ihre Münder öffneten sich vor Erstaunen.
„Ja, meine Freunde, all diese Juwelen gehören Düsterwald, ach was sage ich, all diese Juwelen gehören mir!"
Nûemyn starrte genauso entgeistert wie alle anderen auf die Tische. Was passierte hier? Dann fiel ihr wieder ein, warum sie überhaupt hergekommen war. Es scheint, als hätte ich einen gefunden, dachte sie und wusste nicht, ob sie deshalb froh sein sollte oder nicht. Natürlich war es gut, denn so waren sie ihrem Ziel wieder einen Schritt näher gekommen. Aber trotzdem… ein ungutes Gefühl breitete sich in ihr aus. Sie wollte sich abwenden und nach Legolas suchen, als die große Flügeltür aufschwang und dieser hereintrat.
„Mein Sohn, was ist denn?", fragte Thranduil erstaunt. Er erhob sich von seinem Thron und ging ein paar Schritte, sodass er endlich in Nûemyns Blickfeld kam. Er hatte einen kostbaren Umhang umgelegt und überall an seinem Körper glitzerte es. An einem Finger trug er gar vier Ringe zugleich. Wahrscheinlich waren es nur aus dem Grunde nicht mehr, da ein weiterer keinen Halt gehabt hätte.
Legolas, der zuerst herrisch und, natürlich, wütend hereingekommen war, verlangsamte nun seinen Schritt. Er schien verwirrt angesichts der Schmucks und all der anderen Schätze, die sich auf den Tischen stapelten.
„Setz dich zu uns, mein Sohn, und bestaune mit uns meine Reichtümer! Und ganz nebenbei, wie findest du meinen Mantel? Ich denke, er passt ganz vorzüglich zu der Farbe meiner Augen, meinst du nicht?"
Nachdem der Augenblick der Verwirrung vorübergegangen war, blitzte es erneut in den Augen den Prinzen auf. „Es ist mir egal, was zu deinen Augen passt oder nicht!", schrie er. „Ich will nur diese verdammte Putzfrau finden, diese…" Er brach ab und setzte neu an. „Was glaubst du, was du hier tust? Du breitest all unseren Reichtum hier aus, damit diese Langfinger hier ihn uns stehlen können? Sieh dir Lord Elrond an, er hat seine Taschen schon so vollgestopft, dass er kaum noch gehen kann. Und jetzt…"
Alle Augen flogen zu Elrond, der am oberen Ende des vom Thron aus linken Tisches saß. Seine Taschen beulten sich verdächtig aus und an seinen Finger funkelten Ringe, die vor einigen Minuten sicher noch nicht dort gewesen waren.
Nûemyn hatte fast die ganze Zeit lang vor Anspannung die Luft angehalten und atmete nun geräuschvoll aus. Sie musste etwas tun, bevor der Prinz noch den letzten Rest Beherrschung verlor. Hastig trat sie aus ihrem Versteck hervor und lief zu ihm herüber. In seiner Aufregung bemerkte er sie nicht, bis sie ihn am Arm berührte.
„Wir sollten gehen", meinte sie ruhig, da sie hoffte, damit auch sein Gemüt etwas zu beruhigen. Doch er starrte sie nur wütend an. „Da bist du ja! Für wen hältst du dich eigentlich, dass du glaubst, mich einfach stehen lassen zu können?"
„Wir haben uns getrennt, um weniger Zeit zu verlieren", erwiderte sie noch immer mir erzwungener Ruhe. „Es war Eure Idee."
„Jetzt wagst du es auch noch, mich zu beschuldigen! Vater, ich bitte um Erlaubnis, diese respektlose Person noch heute auspeitschen zu lassen, um ihr Manieren beizubringen!"
„Aber mein Junge", antwortete der Angesprochene und drehte an einem der Ringe, die er trug. „Setz dich lieber zu uns und betrachte eine Weile meine Schätze. Oder noch besser, betrachte mich!"
Bevor Legolas noch etwas tun konnte, packte Nûemyn ihn am Ärmel und zerrte ihn aus dem Saal in den Gang. Sie zwang sich dazu, ruhig ein und aus zu atmen. Der Prinz konnte nichts dafür, wie er sich verhielt, und sie durfte seine Wut auf gar keinen Fall noch weiter anstacheln. Sie musste versuchen, ihn zu beruhigen, egal, auf welche Weise. Also hielt sie ihn weiter fest und begann, ein altes Wiegenlied zu singen, dass ihr einst beim Einschlafen geholfen hatte. Sie begann zögerlich, doch dann festigte sich ihre Stimme. In ihrer Erinnerung hatte sie dieses Lied sie immer beruhigt und sie hoffte, dass es auch diesmal seine Wirkung nicht verfehlte. „Hör auf mit dieser Heulerei", zischte Legolas, doch seine Stimme hörte sich schon längst nicht mehr so streng an wie noch kurz zuvor.
„Wir müssen weiter machen", sagte Nûemyn, nachdem sie das Lied beendet hatte. „Es fehlen nur noch zwei Sünden. Haltet durch und kämpft dagegen an. Es kann Euch nicht überwältigen, wenn Ihr es nicht zulasst." Sie war sich nicht halb so sicher, wie sie ihre Stimme klingen ließ und sie betete, dass er es nicht bemerkte. Wenigstens beruhigte sich sein Atem einigermaßen. „Du hast Recht. Welche fehlen uns noch?"
„Trägheit und eine weitere. Ist Euch mittlerweile eingefallen, welche es ist?"
„Ja. Das war der Grund, weshalb ich dich gesucht habe. Ich habe in sämtlichen Büchern nachgesehen. Die noch fehlende Sünde ist die Wolllust. Aber wie ich höre, hast du eine weitere entdeckt? Immerhin hast du…" Er überlegte kurz. „…hast du die Eitelkeit nicht aufgezählt. Wo hast du… oh. Tut mir leid, mein Kopf ist wie vernebelt. Mein Vater hat sich nicht gerade normal verhalten, nicht war?"
„Nein", bestätigte Nûemyn bedauernd. „Aber wir müssen jetzt weitermachen. Wolllust, sagt Ihr? Dann sollten wir vielleicht zuerst in sämtlichen Schlafzimmern nachsehen. Es gibt einen Schlüssel, der in alle Türen hier passt, doch ich habe keinen Zugang dazu. Er hängt unten in dem Raum hinter der Küche. Ich werde wohl hinuntergehen und versuchen, ihn unbemerkt einzustecken. Wenn ich Glück habe sind alle so beschäftigt, dass es niemand bemerkt."
Legolas nickte erst, schüttelte dann jedoch den Kopf. „Nein, das ist doch Schwachsinn. Ich werde gehen, den Prinzen werden sie den Schlüssel bestimmt nicht verweigern."
„Gut, aber ich komme mit. So kann ich ein wenig besser auf Euch Acht geben." Legolas nickte. Man sah ihm an, wie unwohl er sich fühlte. Er hatte die Situation nicht unter Kontrolle, und das war etwas, an das er nicht gewöhnt war.
In der Küche herrschte Hektik. Anscheinend hatte der König größere Mengen Essen geordert, um seine Gäste noch mehr zu beeindrucken. Da man darauf nicht vorbereitet gewesen war, musste nun in aller Eile ein Menü zusammengestellt und die Zutaten besorgt werden. In diesem riesigen Durcheinander schafften Nûemyn und Legolas es, unbemerkt in den Nebenraum zu gelangen. Dort war es zwar wie immer ruhiger, doch an dem groben Holztisch saßen zwei Mägde und schnitten Möhren und anderes Gemüse; anscheinend hatten sie in der Küche keinen Platz mehr gefunden. Der Schlüssel hing an seinem Haken neben dem Durchbruch. „Das ist er", flüsterte Nûemyn, und Legolas nahm ihn einfach vom Haken. Die beiden Mädchen hatten nichts gesehen. Natürlich wäre es auch kein größeres Problem gewesen wenn es so gewesen wäre, doch so war es unkomplizierter und schneller. Nun mussten sie zusammenbleiben, da sie ja nur den einen Schlüssel hatte und Nûemyn war es auch lieber so. Immerhin konnte man nie wissen, was der Prinz anstellte, wenn er alleine unterwegs war. Sie einigten sich darauf, sich von unten nach oben vorzuarbeiten und begannen auf der Etage, die über der Küche lag.
„Wir klopfen besser nicht", meinte Legolas, als sie vor der ersten Tür zum Stehen kamen. „So haben wir mehr Chancen, jemanden bei… irgendetwas zu erwischen."
„Gut, dann also los", machte sich Nûemyn selbst Mut, bevor sie die Klinke herunterdrückte. Die Tür war nicht verschlossen, und so konnte sie einfach eintreten. Sie sah niemanden und stellte fest, dass das Zimmer zurzeit gar nicht bewohnt war. Ebenso das nächste und das übernächste. Doch das darauf folgende war verriegelt. Nûemyn schloss es auf und steckte vorsichtig den Kopf durch die Tür. Anscheinend war der Bewohner gerade im Bad, denn von dort aus drangen Geräusche herüber. Sie schlich mit schlechtem Gewissen zur Badtür, die halb offen stand, und schielte hindurch. Aus der Badewanne stieg heißer Wasserdampf auf und ein ihr unbekannter Mann saß darin, wusch sich mit einem Schwamm und summte ein Lied. Alles wirkte sehr normal und erleichtert, nicht entdeckt worden zu sein, wandte sich Nûemyn wieder ab und huschte zurück auf den Flur, wo Legolas schon ungeduldig auf sie wartete. „Und?", fragte er harsch. „Nichts, weiter."
Auf diese Weise durchforsteten sie alle Zimmer, die an diesem Gang lagen. Einige Male traf Nûemyn Personen auf den Zimmern an. Dann erkundigte sie sich dienstbeflissen, ob alles zur Zufriedenheit sei und ob sie irgendwelche Wünsche erfüllen könne. Es war schon eine große Hilfe, dass sich die meisten der Gäste im Thronsaal eingefunden hatten, denn so begegneten sie fast niemandem.
Schließlich kamen sie zu der Etage, in der sich auch Rowennas Zimmer befand. Auch hier gab es keine Zwischenfälle. Sie gingen sogar in das Zimmer der Hobbits, sahen kurz nach dem Rechten und gingen dann schnell wieder. Vor der letzten Tür des Ganges blieb Nûemyn unentschlossen stehen. „Was ist los?", murrte Legolas ungehalten. „Mach schon! Wir haben nicht ewig Zeit!"
„Ich weiß nicht", murmelte sie verwirrt. „Irgendetwas stimmt hier nicht."
„Das ist ja ein Grund mehr, herein zu gehen. Also los!"
Nûemyn schüttelte dann noch einmal den Kopf und nahm den Schlüssel zur Hand. Sie wollte ihn in das Schlüsselloch stecken, hielt jedoch kurz davor inne. Legolas holte Luft, um wieder seinen Unmut herauszuposaunen, doch sie würgte ihn mit einer schnellen Handbewegung ab.
„Hier stimmt wirklich etwas nicht", flüsterte sie. „Versucht selbst, die Tür zu öffnen!"
Er riss ihr den Schlüssel aus der Hand und wollte aufsperren, doch auch er hielt kurz vor dem Schloss inne und verharrte unbeweglich. „Das kann doch nicht sein!", meinte er und versuchte es noch einmal. Doch dann gab er es auf und schüttelte den Kopf. „So etwas habe ich schon einmal erlebt. In der Bibliothek. Ich wollte nach einem Buch greifen, konnte es aber nicht. Rowenna konnte es zwar, doch sie schwor, dass der Platz leer war. Es muss irgendein Zauber darüber liegen. Ich nehme nicht an, dass du ihn beheben kannst?"
„Nein", bedauerte die junge Elbe. „Aber vielleicht sollten wir versuchen, Rowenna zu finden, wenn sie einen solchen Zauber schon einmal umgehen konnte. Sie wird es wieder tun können."
„Gut, also machen wir mit der nächsten Etage weiter und hoffen, dass sie uns unterwegs über den Weg läuft. Merk dir, welches Zimmer es war."
Über eine der schmalen, gewundenen Verbindungstreppen gelangten sie in das nächste Stockwerk. Schweigend arbeiteten sie sich durch die zumeist leeren Zimmer vor. Schließlich hörten sie aus einem seltsame Geräusche und Nûemyn beeilte sich, die betreffende Tür aufzusperren. Dabei glitt ihr der Schlüssel aus den Händen und fiel mit einem leisen Klirren zu Boden. Legolas wollte spontan zu einer Schimpftirade ansetzen, verstummte jedoch, als Nûemyn ihn anfunkelte. Mittlerweile schaffte sie es recht gut, den Prinzen zu lenken, doch sie war nicht in der Situation, sich darüber zu freuen. Mit klammen Fingern hob sie den Schlüsselbund von Boden auf und wollte die Tür ausschließen. Doch noch bevor sie ihn im Schloss herumdrehen konnte, öffnete sie sich schon von alleine und ein verzweifelt wirkender Elrohir schaute heraus. „Gott sei dank!", stieß er aus. „Sie ist durchgedreht!"
Legolas und Nûemyn warfen sich einen verständnislosen Blick zu, traten dann aber schnell in das Zimmer und schlossen die Tür hinter sich, um nicht mehr Aufmerksamkeit als irgend nötig auf sich zu ziehen.
Elrohir's Hemd war halb zerrissen, und seine Haare ähnelten ein wenig einem Vogelnest. „Was ist denn geschehen?", fragte Legolas geschockt und sah sich um. Erst jetzt bemerkte er die Gestalt, die sich auf dem Bett zusammenkrümmte und einen ganzen Schwall von undefinierbaren Lauten ausstieß.
„Sie ist verrückt geworden!", betonte Elrohir noch einmal. „Ich weiß nicht, was ich tun soll, sie kam einfach herein und…"
Nûemyn war an das Bett herangetreten und erkannte zu ihrem Entsetzen Rowenna. Auch ihre Haare waren zerzaust, jedoch noch um einiges schlimmer als die Elrohirs. Ihre Augen irrten wild umher und ihr Kopf drehte sich von einer Seite zur anderen als sie verbissen versuchte, den in ihrem Mund festgebundenen Knebel auszuspucken. Mit ruckartigen Bewegungen versuchte sie auch, die Fesseln loszuwerden, dir ihre Handgelenke zusammenhielten, doch dies war ebenso sinnlos, denn sowohl das Tuch als auch der Knoten sahen durchaus fest aus.
„Was ist passiert?", unterbrach Legolas die gestammelten Erklärungsversuche Elrohirs.
„Nun, wie ich schon sagte, sie kam einfach herein, und na ja…" Als er gleich zwei ärgerliche Blicke auf sich spürte, fuhr er schneller fort: „… nun, sie hat mich praktisch angefallen." Er deutete auf sein zerrissenes Hemd. „Ich weiß wirklich nicht, was das zu bedeuten hat, immerhin kenne ich die Dame gar nicht. Natürlich bin ich ihr schon das ein oder andere Mal zufällig begegnet, aber wir haben uns noch nicht einmal unterhalten. Sie kam mir auf dem Flur entgegen und hat mich zunächst für Elladan gehalten. Und…" Er überlegte einen Augenblick, als müsse er sich die Szene erst wieder ins Gedächtnis rufen, um sie originalgetreu wiedergeben zu können. „… ihr Kleid war offen. Das war es, warum ich sie hereingebeten habe. Ich wollte ihr helfen, es zu schnüren. Wirklich!", beteuerte er, als er Nûemyns skeptischem Blick begegnete. „Hätte ich etwas anderes im Sinn gehabt, wäre ich ja wohl auf ihre Versuche eingegangen."
„Ihr meint…"
„Da haben wir wohl unsere Wolllust", warf Legolas ein. „Was machen wir jetzt? Können wir irgendetwas unternehmen oder vermerken wir sie nur auf unserer Liste und suchen weiter?"
„Ich weiß es nicht. Vielleicht sollten wir sie gefesselt lassen, nur für den Fall, dass sie… Nun ja, dass sie sich ein neues Opfer sucht, könnte man wohl sagen. Das erscheint mir das Beste."
„Gut, dann machen wir es so." Er wandte sich an den nun noch mehr verwirrten Elrohir, der ihrer Unterhaltung verdattert gefolgt war. Man sah ihm deutlich an, dass er kein Wort verstanden hatte. „Du bleibst hier", bestimmte Legolas kurzerhand, „und passt auf sie auf. Sie darf das Zimmer unter keinen Umständen verlassen."
„Aber…"
„Kein Aber." Aus Legolas' Stimme war schon wieder ein Unterton herauszuhören, der Nûemyn gar nicht gefiel. Sie musste es schaffen, ihn so lange wie eben möglich ruhig zu halten. Sie wusste, wenn die Wut überhand gewinnen würde, könnte sie rein gar nichts dagegen tun. Sie kannte keine Zaubersprüche, und körperlich war sie ihm in jedem Fall unterlegen. „Gehen wir", entschied sie schnell, bevor die Situation eskalieren konnte. Damit schob sie den Prinzen einfach aus dem Zimmer und ließ Elrohir mit seiner Verwirrung und einer erstickt schreienden Rowenna zurück.
„Warum machen wir eigentlich weiter? Wir haben doch unsere Wolllust schon gefunden", meckerte Legolas, kaum dass sie ein paar Schritte gegangen waren. Nûemyn fragte sich allmählich, ob sie es nicht zufällig mit einem miesepetrigen kleinen Kind zu tun hatte.
„Und jetzt haben wir auch noch herausgefunden, dass wir mit Rowenna nicht mehr rechnen können. Was ist jetzt mit der Tür unten, die wir nicht aufbekommen haben?"
Nûemyn stöhnte. „Die hatte ich schon ganz vergessen. Vielleicht sollten wir zurückgehen und versuchen, Rowenna doch noch zur Vernunft zu bringen. Ich meine, Ihr haltet Euch doch auch noch recht gut."
Legolas' Miene hellte sich ein wenig auf. „Na gut", beschloss er. „Ich glaube zwar nicht, dass es besonders viel bringt, aber gut. Sie hat sich schon zu weit hineingesteigert."
Sie waren noch nicht weit gekommen, seit sie Elrohir's Zimmer verlassen hatten, und so brauchten sie auch nicht lange, um dorthin zurückzukehren. Sie traten diesmal ohne zu klopfen ein. Elrohir stand mitten im Raum und hatte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Augenscheinlich war er mit der ihm gestellten Aufgabe maßgeblich überfordert. Dazu kam auch noch, dass er noch immer nicht wusste, worum es überhaupt ging.
Als er das Geräusch der sich öffnenden Tür hinter sich hörte, drehte er sich zu den Ankömmlingen um. „Gut, dass ihr wieder da seid", stieß er erleichtert aus.
„Ich werde versuchen, sie zur Vernunft zu bringen", entschied Nûemyn spontan. „Ihr geht besser und versucht noch etwas herauszufinden."
Als Legolas protestieren wollte, hob sie abwehrend den Arm. „Ich glaube nicht, dass es förderlich ist, wenn noch männliche Wesen irgendeiner Art im Raum sind. Ihr könnt woanders mehr bewirken." Sie winkte sich Elrohir heran und sprach leise mit ihm: „Versucht auf jeden Fall, ihn ruhig zu halten", instruierte sie ihn. „Das mag Euch alles sehr seltsam vorkommen, doch es bleibt nicht die Zeit, alles zu erklären. Eure Aufgabe ist es nur, auf den Prinzen Acht zu geben und ihm dabei zu unterstützen, was er für richtig hält. Weicht ihm nicht von der Seite und tut wirklich alles, damit er nicht wütend wird. Viel Glück."
Damit ließ sie ihn stehen und ging zu Rowenna hinüber, die immer noch an der gleichen Stelle lag wie bei ihrem ersten Besuch wenige Minuten zuvor. Sie hatte die ganze Zeit erstickte Schreie ausgestoßen, die jedoch durch den Knebel so stark gedämpft wurden, dass man sie auf dem Gang nicht mehr hörte. Zumindest hatte Nûemyn keine gehört, als sie wiedergekommen waren, und als Elbe hatte sie von Natur aus sehr gute Ohren. Sie schenkte den beiden Elben keine weitere Beachtung mehr und hörte kurz darauf, wie sie die Tür hinter sich ins Schloss zogen. Prüfend legte sie Rowenna eine Hand auf die Stirn, doch die war nicht wie erwartet fiebrig warm, sondern im Gegenteil eiskalt.
„Also hör zu", begann sie zögerlich. In ihrem Kopf suchte sie verzweifelt nach einer Strategie, um sich Gehör zu verschaffen. Sie konnte es mit beruhigendem Einreden versuchen. Das war immerhin auch bei Legolas mehr oder weniger erfolgreich gewesen. Doch hier hatte sie es mit einem komplett anderen Fall zu tun und sie bezweifelte, dass sie damit so weit kam. Trotzdem, eine andere Idee kam ihr gerade nicht.
„Hör mir bitte zu", wiederholte sie und bemühte sich, ihre Stimme ruhig zu halten. „Wir sind weiter gekommen. Du erinnerst dich doch noch an das Problem, oder? Die sieben Sünden. Du und Legolas, ihr habt schon angefangen, zu suchen. Doch dann hast du…" Sie stockte kurz. „Dann hast du… aufgehört. Aber wir brauchen dich. Legolas geht es auch schlecht, und ich alleine kann das nicht. Wirst du… wirst du mir helfen?"
Rowenna hatte zwar aufgehört zu schreien, doch trotzdem schien sie die Stimme nicht zu hören, die dringlich auf sie einsprach. Ihr Blick wirrte umher und ihre Hände versuchten noch immer, die Fesseln zu lösen. Trotzdem wollte Nûemyn noch nicht aufgeben. Schließlich hatte sie gerade erst angefangen. Doch sie wusste auch, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb.
„Es ist sehr wichtig. Es geht nicht nur um mich oder dich, es geht um Millionen Unschuldiger. Um Leute, die ihr Leben lang gut waren und es nicht verdient haben zu sterben. Und die es vor allem nicht verdient haben, auf diese Art zu sterben. Willst du deine eigenen Wünsche so weit in den Vordergrund drängen, dass du alle anderen vergisst? Ist es dir mehr wert, einen Augenblick glücklich zu sein, als dafür zu sorgen, dass all diese Leute glücklich weiterleben können? Und vor allem, könntest du damit leben, wenn du weißt, dass es deine Schuld ist, nur weil du nichts getan hast?"
Nûemyn wurde immer verzweifelter, als würde ihr das Ausmaß erst jetzt bewusst, da sie es aussprach. Konnten sie es überhaupt noch rechtzeitig schaffen? Oder war bereits alles verloren und sie konnten nur noch auf ihr Ende warten?
Sie sah hinunter zu Rowenna, die ihren Kopf jetzt still hielt und sie anstarrte. „Könntest du das?", flüsterte Nûemyn noch einmal wie im Traum. Sie sah in die Augen ihrer Freundin, um dort irgendein Zeichen zu erkennen. Doch sie waren ausdruckslos und leer, als verstünden sie nicht, was vor sich ging. Vielleicht taten sie das wirklich nicht. Doch dann registrierte sie eine Bewegung. Leicht, ganz leicht, doch sie war da. Rowenna schwenkte vorsichtig ihren Kopf hin und her. Und kaum merklich bildete sich eine winzig Träne in ihrem Auge, als wolle sie die Leere und das Unverständnis hinfort waschen.
