Diablo, Herr des Schreckens

Ungeduldig schlich Diablo, Herr des Schreckens, in seiner Dimension auf und ab. Die Zeit seiner Rückkehr in die Welt der Sterblichen war nahe, dies konnte er genauso deutlich spüren wie die zahllosen Todesschreie seiner Diener.

Izual, gefallener Erzengel und Informant des Mittleren der Großen Übel, war vernichtet. Sein Schrei hallte noch immer in Diablos Kopf nach, doch sein Opfer sollte nicht vergebens sein. Jener, der seine Diener tötete, würde auch ihn aus dieser trostlosen Dimension befreien.

Er hatte auch die Vernichtung des Seelensteines seines jüngeren Bruders Mephisto gespürt. Der Herr des Hasses war damit zu immerwährender Isolation in einer fremden Dimension verurteilt, der Weg in die Welt der Sterblichen war für ihn für immer versperrt worden. Diablo würde ihn rächen, der Mörder seines Bruders würde nicht ungestraft davonkommen. Nicht, solange er lebte.

Schon konnte er spüren, wie das erste der fünf Siegel der Erzengel brach. Die Siegel waren von unzähligen Jahren von den Erzengeln Tyrael und Izual erschaffen worden, um den Herrn des Schreckens von der Welt der Sterblichen zu verbannen. Und heute würde mit Izuals Opfer und der Unverfrorenheit dieses Kriegers die Verbannung endlich enden.

Das zweite und das dritte Siegel brachen, ließen den Riss in der Realität immer größer werden. Schon bald konnte er den Übergang wagen.

Das vierte Siegel wurde geöffnet.

Diablo fühlte die Ungeduld in sich brennen, er wollte endlich wieder die Herrschaft übernehmen, wollte endlich die lästigen Sterblichen vom Antlitz der Welt fegen.

Das fünfte Siegel blieb geschlossen.

Der Herr des Schreckens brüllte enttäuscht auf, als die Tage verstrichen, ohne dass der Riss sich erweiterte. Seine drachenähnliche Gestalt mit den zahllosen blutroten Schuppen spannte sich an, als er fauchend vor Wut gegen den Riss anrannte. Das einzige Ergebnis waren lange Risse in den Panzerplatten, als die uralte Erzengelmagie ihn zurückstieß und ihm den Zutritt verweigerte. Aggressiv ließ Diablo die Krallen seiner Pfoten aus- und einfahren, er wollte hier endlich raus.

Und endlich – nach zahllosen Tagen des Wartens brach auch das fünfte Siegel, ermöglichte dem Herrn des Schreckens den Übergang.

Wie im Blutrausch sprang Diablo durch den Übergang zwischen den Dimensionen, nur um sich in einer festungsähnlichen Kathedrale wiederzufinden. Allerdings waren hier schon lange keine Götter der Sterblichen mehr angebetet worden, riesige Blutlachen sowie zahllose Leichen von Dämonen und Untoten aller Art zeigten, dass die Kathedrale anderweitig besetzt worden war. Und sie zeigten auch, dass jemand – oder etwas – einen ungeheuren Hass gegen seine Diener hatte.

Wut erhitzte das Blut in Diablos Adern, ließ ihn schneller und stärker werden. Wer auch immer für das Gemetzel verantwortlich war, würde dafür büßen. Lange. Qualvoll. Und er würde es genießen. Für sich und seinen Bruder Mephisto.

Langsam drehte er sich um die eigene Achse, nahm das Grauen in der Kathedrale mit allen Sinnen auf. Oh ja, seine Rache würde schrecklich sein – wie es sich für den Herrn des Schreckens geziemte.

Er hatte seine Runde fast vollendet, als er sich plötzlich einer Amazone mit gespanntem Bogen gegenübersah. Sie war überströmt vom Blut seiner Diener, der strenge Odem des Todes verpestete die Luft in ihrer Umgebung. Sie war die Ursache. Sie hatte alle seine Diener ermordet.

Für einen Moment war Diablo verblüfft. Wie sollte eine Frau erreicht haben, woran zahllose Krieger gescheitert waren?

Doch dies war nicht wichtig, von Bedeutung war jetzt allein ihre Bestrafung. Er würde sich etwas ganz Besonderes für sie einfallen lassen.

Er atmete tief durch, sammelte Luft für seinen stärksten Zauber, einer Abwandlung der Feuergarbe. Dieses Mädchen war bereits besiegt, sie wusste es nur noch nicht.

Doch bevor er die Glut auf sie loslassen konnte, sah er etwas Silbernes auf sich zufliegen. Ein Pfeil steckte knapp oberhalb seines Seelensteines. Er wippte leicht auf und ab, erweckte den Anschein unnormaler Lebendigkeit. Verblüfft sah Diablo die Amazone an – sie hatte es tatsächlich gewagt, ihn, den Herrn des Schreckens anzugreifen?

Dafür würde sie sterben. Wütend schickte er die Feuergarbe los, doch irgendwas war nicht in Ordnung. Die Glut richtete sich nicht auf die Amazone, stattdessen verbrannte sie sein Inneres, verbrannte alles, was an Lebendigkeit an ihm war. Langsam sank Diablo in die Knie, er spürte, dass er verloren hatte. Sein Leben in dieser Dimension war ebenso kurz wie schmerzhaft gewesen.

„Du hast verloren.", röchelte er mit letzter Kraft. Nun war er wieder mit seinem Bruder Mephisto, dem Herrn des Hasses vereint. Gemeinsam würden sie auf die Seele der Amazone warten, um sie dann ihrer gerechten Bestrafung zuzuführen.

Sein Bruder würde ihn rächen.