Baal, Herr der Zerstörung

Baal, Herr der Zerstörung, beging nicht den Fehler, den Barbaren mit seiner Amazone zu unterschätzen. Er wusste, dass die Barbaren aus den Ebenen vor dem Berge Arreat, in welchem er sich befand, ihn hassten und ihn vernichten wollten. Nun, sie waren recht erfolglos in ihren Bemühungen, die meisten Barbarenkrieger wurden spätestens von einem seiner Diener, einem Dämonen namens Schenk, der Aufseher, beseitigt.

Einige wenige schafften es ein wenig weiter, ein besonders mutiger hatte es vor vielen Jahren bis zum Weg der Urahnen geschafft. Hätte er es geschafft, den Weg zu Ende zu gehen, hätte er den Gipfel des Arreat erreicht. Als einheimischer Barbar hätte er sich noch nicht einmal der Prüfung durch die Urahnen stellen müssen, er hätte direkt zum Turm des Weltsteines gehen können. Dummerweise war dieser Barbar einer Frostgeißel zum Opfer gefallen, noch bevor er auch nur in die Nähe des Ausganges gelangt war.

Wirklich zu bedauerlich.

Doch dieser Barbar war anders. Mochte es daran liegen, dass die Amazone außergewöhnlich stark war oder auch daran, dass dieses Exemplar eines typischen Sterblichen außergewöhnliches Glück gehabt hatte, jedenfalls hatten die beiden bereits die tieferen Ebenen des Weltsteinturms erreicht. Sie hatten nicht nur die Prüfung durch die Urahnen bestanden – welche einfach ein Kampf gegen drei der mächtigsten Krieger der Sterblichen war -, sie hatten bisher auch jeden seiner Diener besiegt. Ein Spur des Todes zog sich hinter ihnen her, sie hatten vor keinem seiner niederen Dämonen Halt gemacht.

Ihr Ziel war offensichtlich. Sie wollten seine Vernichtung – und zeigten damit mal wieder die typische Überheblichkeit der Sterblichen. Sie hielten sich für unverwundbar, nur weil der Erzengel Tyrael mit ihnen war. Dabei hatte Tyrael die Drei Großen Übel – Baal fand den Namen, den die Sterblichen ihm und seinen Brüdern verliehen hatten außerordentlich amüsant – schon vor Ewigkeiten nicht aufhalten können als Izual ihm noch zur Seite stand. Er hatte lediglich Baals jüngeren Bruder in die Verbannung schicken können – eine Verbannung, die nicht ewig hielt.

Und nun war Tyrael allein. Allein gegen Baal, den Mächtigsten der Drei. Die Menschen wussten gar nicht, wie schwach ihre Stellung war. Oh ja, sie hatten zwei Schlachten gewonnen, als die Seelensteine des Herrn des Hasses und des Herrn des Schreckens vernichtet und seine Brüder Mephisto und Diablo somit auf immer in einer fremden Dimension gefangengesetzt worden waren. Und dennoch – der Krieg war noch lange nicht vorbei. Der Schmerz über die Vernichtung seiner Brüder war inzwischen verblasst, er konnte sich nun vollkommen auf seine Rache konzentrieren.

Der Barbar war inzwischen in den Räumen des Thrones der Zerstörung, Baals Thrones, angekommen, Baal konnte sein Misstrauen trotz der räumlichen Entfernung riechen. Höhnisch lachend schickte der Herr der Zerstörung dem Menschen seine mächtigsten Diener entgegen. Der unvorsichtige Krieger würde sich nun mit seinen axtschwingenden, schwer gepanzerten Todesfürsten sowie mit den als Stygische Wut bezeichneten mächtigen Dämonen herumschlagen. Sollte die Gruppe wider Erwarten überleben, würde Baal sich des Barbaren persönlich annehmen.

Die ausgezeichnete Akustik der Räume trug Baal die Schmerzensschreie des Barbaren entgegen. Er genoss die Aussicht auf einen weiteren besiegten Krieger der Menschen, wieder ein Krieger mehr für seine Reihen. Doch etwas störte die angenehmen Schreie – das laute Kreischen sterbender Dämonen. Dieser verfluchte Barbar war doch tatsächlich in der Lage gegen seine Elite-Dämonen zu bestehen. Wirklich erstaunlich. Vielleicht würde der Tag ja noch einen entspannenden Kampf bringen, in Folge dessen Baal dem Menschen ein wenig Respekt vor seinen Dienern einhämmern könnte.

Nun konnte Baal nur noch warten. Warten auf den unverschämten Krieger, der es wagte, den Herrn der Zerstörung, Mächtigster der Drei Großen Übel, höchstpersönlich herauszufordern.

Keinen Tag später standen sie sich gegenüber, Baal blockierte mit seinem massigen Dämonenkörper den Eingang zur Kammer des Weltsteines. Der Weltstein war seiner, mit dessen Magie würde Baal seine Brüder aus der fremden Dimension zurückrufen und den Widerstand der Sterblichen ein für alle mal brechen können. Nicht einmal Tyrael selbst konnte ihn aufhalten.

Doch bevor Baal persönlich mit dem Barbaren und seiner Söldnerin kämpfen würde, musste er noch die Prüfungen des Herrn der Zerstörung überleben.

Zum Einstieg schickte Baal dem Krieger seine eher als schwächlich zu bezeichnenden kleinen Dämonen entgegen, er wollte sehen, wie dieser Mensch kämpfte.

Der Kampf war eine glatte Enttäuschung. Der Mensch kämpfte ganz klassisch und wie es typisch für die dummen Barbaren war, persönlich gegen die Dämonen, während seine Amazone aus dem Hintergrund heraus die Feinde mit Pfeilen eindeckte. Und auf diese Art und Weise hatten die beiden es bis hierher geschafft? Sie mussten wirklich unverschämtes Glück gehabt haben...

De nächsten drei Wellen an Dämonen vernichtete der Barbar auf die gleiche Art und Weise, nichts ließ darauf schließen, dass etwas ihn von seinen zahllosen dummen und somit auch toten Brüdern unterschied, die es gewagt hatten, seine Diener herauszufordern. Aber irgendwas musste anders sein, sonst wäre er nicht bis zu Baal gekommen.

Baal war verwirrt, so etwas war ihm noch nie begegnet. Er entschied sich, seine stärksten Dämonen zu beschwören, bereits der Name „Diener der Zerstörung" gab Aufschluss über ihren Tätigkeitsbereich. Niemand hatte es bisher geschafft, ihnen auch nur ansatzweise gefährlich zu werden. Sie stießen ihre Opfer mit ihren massiven Schädeln, ließen sie halb bewusstlos werden, bevor sie mit ihren starken Kiefern ihre Feinde vernichteten.

Auch der Barbar hatte dieser Taktik nichts entgegenzusetzen, Baal sah mit Genugtuung, wie der Mensch zusammensackte und blutüberströmt liegen blieb.

Doch seine Söldnerin schien nicht ganz so hirnlos zu sein, wie Baal es im Allgemeinen von Menschen ihres Berufes gewohnt war, anstatt ihr Leben ebenfalls fortzuwerfen, beschwor sie ein Stadtportal und flüchtete mit ihrem bewusstlosen Arbeitgeber. Kluges Mädchen, sie hätte noch weniger Möglichkeiten der Gegenwehr besessen.

Nun, Baal war gespannt, ob der Barbar es wagen würde, zurück zu kehren...

Er tat es. Vier Tage später, die Diener der Zerstörung hatten sich inzwischen sorglos in einer Ecke getummelt, kamen die beiden zurück und begannen sofort die Dämonen zu vernichten, die sich ihnen entgegenstellten.

Baal konnte nicht anders als die Taktik der beiden zu bewundern, sie schienen ein perfektes Team zu sein. Schon bald war auch Lister, der Anführer seiner Diener, vernichtet. Es schien an den Pfeilen der Söldnerin zu liegen, einige schwache Magieentladungen umspielte die zahllosen Pfeile im Körper Listers. Dumpf fühlte Baal Bedauern über den Verlust seines besten Dämonen in sich, doch schon bald wurde dieses schwache Gefühl von brodelnder Wut überdeckt.

Sie wollten ihn also besiegen? Nun, sollten sie es versuchen, sie würden schon sehen, was sie davon haben würden.

Mit einem zynischen Lachen durchquerte Baal das Tor zur Kammer des Weltsteins. Wenn sie es wirklich auf ihn abgesehen hatten, würden sie ihm folgen und dann hieß es ein unwürdiger Mensch gegen den Herrn der Zerstörung.

Baal wartete drei Tage, bis der Mensch ebenfalls durch das Tor trat. Noch immer misstrauisch sah er sich um, konnte Baal hinter der zahllosen Pfeilern, welche die Decke stützten, jedoch nicht entdecken. Der Mensch bekam Angst, Baal konnte den Gestand der Furcht riechen. Nun, er würde ihn von seinem Leiden befreien...

Höhnisch lachend sprang Baal aus seiner Deckung hervor und stieß dem Barbaren eine Eiswelle entgegen. Sofort gefror alles Blut im Körper der Sterblichen, eine anschließende Feuersbrunst gab ihm endgültig den Rest. Der Barbar zerfiel klirrend in tausend kleine Eiswürfel, welche unter der Hitze des Feuers schnell schmolzen.

Baal lachte. Der Mensch hatte sich wirklich überschätzt. Er hörte erst auf zu lachen, als er einen dumpfen Schmerz direkt über seinem Seelenstein spürte. Überrascht sah er auf seine Brust, genau in der schmalen Lücke zwischen zwei Panzerplatten steckte bohrend ein magiesprühender Pfeil, bohrte sich immer tiefer zu seinem dunklen Herzen. Nichts würde diesen Pfeil aufhalten, bevor er sein Ziel erreicht hatte.

Verflucht. Die Amazone hatte er vollkommen vergessen, er war der Meinung gewesen, dass sie sich geweigert hätte, ihrem Arbeitgeber weiter zu folgen.

Offenbar hatte er sich geirrt. Verwirrt sah Baal zu der kleinen Pfütze Wasser, welche vor kurzer Zeit noch ein Mensch gewesen war. Kalt glänzend schwamm in der Lache jenes charakteristische Lederbändchen, welches alle Söldnerbarbaren dieses Landes trugen.

Erst jetzt wurde Baal sein entsetzlicher Denkfehler bewusst. Er war automatisch davon ausgegangen, dass die Frau lediglich eine Söldnerin war, doch das Gegenteil war der Fall. Sie war die Auftraggeberin. Sie war diejenige, die nicht nur ihn, sondern auch seine beiden Brüder vernichtet hatte

Voller Hass und Wut schrie Baal auf, ein Laut voll Zerstörung, ein Laut, den kein Sterblicher je hören sollte.

Doch die Amazone sah ihn lediglich an, wartete auf seinen Tod.