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Das Schwert der Macht
Von dem Moment an, als Severus den Plan des Schwarzen Lords durchschaut hatte, hatte er diesen Augenblick gefürchtet.
Den Zeitpunkt, zu dem er, seines eigenen Willens beraubt, dessen Launen ausgeliefert sein würde. Zu dem er ihn zwingen würde, die Menschen anzugreifen, mit denen ihn mehr verband, als mit jedem anderen zuvor ... Willow, die ihn aus ihren Haselnuss-Augen entsetzt und hilflos ansah, ohne es über sich zu bringen, ihn wenigstens mit ihrem Zauberstab zu bedrohen, Amanda, deren Furcht sich in ihren völlig identischen Augen deutlich widerspiegelte, Hermine Granger, die sich in der Bibliothek wochenlang die Nächte um die Ohren geschlagen hatte, um einen Ausweg für ihn zu finden ... Shacklebolt, Black und Lupin, deren Zauberstäbe jetzt drohend auf ihn gerichtet waren, Sarah, die gerade versuchte, den widerstrebenden Potter ganz nach hinten zu ziehen, so dass auch sie und Amanda ihn mit ihren Körpern decken konnten und die ihm noch vor wenigen Tagen vertrauensvoll ihren neugeborenen Sohn in die Arme gelegt hatte ...
Elf Augenpaare waren auf ihn gerichtet, zehn Münder zu festen, entschlossenen Strichen zusammengepresst, nur Willows Lippen bewegten sich, weil sie etwas zu rufen schien, was er aber über das Rauschen in seinen Ohren hinweg nicht einmal hören konnte.
Das war nur dieses leichte schwebende Gefühl in seinen Gliedern. Und ein einziges Geräusch in seinem Kopf, nämlich die hohe, kalte Stimme Voldemorts. „Was hast du denn erwartet, Schlammblut?", höhnte er gerade an Willow gewandt. „Dass er in der Lage wäre, euch zu helfen? Nein, das ist er nicht! Er hat hier eine Aufgabe zu erledigen. Nicht wahr, Severus, mein treuer Anhänger? Das ist das Schöne am Imperius-Fluch. Er kann dich nicht einmal hören, Schlammblut. Er kann jetzt niemanden mehr hören außer mir! Und jetzt wird er seinen Unbrechbaren Schwur erfüllen und Harry Potter töten! Tu es!", brüllte Voldemort plötzlich in einer Lautstärke, die sich vervielfacht zu haben schien. „Töte Potter! Töte ihn und erfülle deinen Schwur!"
Snapes Körper spannte sich an und seine Beine bewegten sich und trugen ihn einen Schritt nach vorn. Sein Zauberstabarm hob sich. Weil er wie besessen gegen das Rauschen in seinem Schädel und die Stimme ankämpfte, wurden seine Bewegungen starr und eckig. Mit aller Willenskraft, die er aufbringen konnte, presste er die Lippen aufeinander, um sich selbst daran zu hindern, den tödlichen Fluch auszusprechen und doch – der Zwang des dunklen Magiers war einfach zu stark. Er spürte, wie seine Kiefermuskulatur sich gegen seinen Willen löste, wie sein Mund sich öffnete...
„Stupor!"
Sirius' Schockzauber riss ihn gerade noch rechtzeitig von den Füßen und warf ihn rückwärts gegen Avery und Nott, die gemeinsam mit ihm zu Boden gingen. Noch im Fallen sah er, wie das zornige, hasserfüllte Blitzen in Blacks Augen dem Ausdruck unsäglicher Qual wich, als Voldemort den Auroren augenblicklich mit dem Cruciatus belegte. Dennoch brach er nicht zusammen, sondern verharrte stur auf seinem Platz in der Mauer menschlicher Leiber und Severus erinnerte sich an das Gemunkel und Getuschel aus ihrer gemeinsamen Schulzeit, dem zufolge Blacks Vater ihn regelmäßig mit dem Cruciatus bestrafte, wenn er mit dem Verhalten seines ältesten Sohnes nicht zufrieden war. Offenbar hatten diese Gerüchte gestimmt, weil Black den Fluch mit einer gewissen störrischen Routine hinzunehmen schien. Allerdings zitterte seine Hand, mit der er seinen Zauberstab umkrampfte, unter der schrecklichen Schmerzattacke derart, dass er vermutlich keinen vernünftigen Zauber mehr zustande bringen würde...
„Expelliarmus!", riefen die Lupins und Shacklebolt wie aus einem Mund und Voldemort kam unter ihrem gemeinsamen Entwaffnungszauber tatsächlich ins Wanken, auch wenn er seinen Zauberstab trotzdem nicht verlor. Aber seine Konzentration musste wohl einen Moment lang nachgelassen haben...
... denn es passierte etwas, womit Severus nie im Leben gerechnet hätte. Plötzlich brüllte die Stimme Maximilian Prices in seinem Kopf wütend auf: „NEIN! NEIN, ER GEHÖRT MIR!"
Das Rauschen in seinem Schädel schwoll kurz an und verflüchtigte sich dann und er konnte die Geräusche um sich her wieder wahrnehmen, auch wenn sein Onkel das gewohnte Kreischkonzert inzwischen wieder aufgenommen hatte und von ihm nun erneut die Erfüllung seines Schwurs verlangte.
Augenblicklich begann auch sein gebrochener Arm wieder zu schmerzen. Etwas, das ihn unwillkürlich zum Grinsen brachte. Sollte der verdammte Arm doch Schockwellen des Schmerzes durch seinen Körper jagen, Severus war es egal, solange nur der Imperius-Fluch gebrochen war!
Und dann hörte er Willows schmerzerfüllten Aufschrei, als ein Fluch, den Avery gerade an ihm vorbei geschleudert hatte, sie an der Schulter traf und ihr den Zauberstab aus den plötzlich tauben Fingern gleiten ließ.
Mit einem wütenden Aufbrüllen warf er sich herum und jagte dem Todesser aus nächster Nähe einen Schocker in die Brust.
Über sich hörte er das wütende Kreischen Narcissa Malfoys, die gemeinsam mir Nott Fluch um Fluch auf das zusammengedrängte Grüppchen schleuderte, welche aber von Harry, Hermine, Ron und Ginny ausnahmslos geblockt wurden, während die Lupins, Shacklebolt und Willow, die ihren Zauberstab nun wieder in der Hand hatte, versuchten, den vor Wut und Hass rasenden Voldemort genug zu schwächen, um Sirius endlich aus dem Cruciatus-Bann zu lösen, bevor seine Kräfte versagten.
Vermutlich gab es nur einen einzigen Weg, um ihnen das zu ermöglichen...
Taumelnd kam er auf die Füße und jagte ebenfalls einen Schocker auf den Schwarzmagier.
Voldemort wirbelte prompt mit hassverzerrtem Gesicht zu ihm herum und richtete den Zauberstab auf ihn. Er hasste nichts mehr, als unangenehme Überraschungen und Zauberer, die sich ihm unerwartet widersetzten. Und er hatte geglaubt, Snape durch den Imperius-Fluch sicher auf seine Seite gebracht zu haben.
In den vor Wut rot glühenden Augen konnte Severus seinen Tod lesen.
Mit zusammengebissenen Zähnen blieb er stehen und wartete darauf, dass der tödliche Fluch ihn treffen würde.
Voldemort grinste jetzt, ein unmenschliches, dämonisches Grinsen, während die Flüche der Lehrer und Auroren weiterhin beinahe wirkungslos von ihm abprallten. Und dann donnerte er: „Avada Kedavra!"
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Willow sah, wie Severus unter Sirius' Schockzauber zu Boden ging und die zwei Todesser mit sich riss, und schluchzte trocken auf. Alles in ihr drängte sie, zu ihm hinzulaufen, aber sie musste auf ihrem Posten bleiben. Sie durfte nicht zulassen, dass ihre verworrenen Gefühle die Oberhand über ihre Vernunft bekamen.
Mit Tränen der Verzweiflung in den Augen parierte sie einen Fluch Narcissas, aber ein schmerzhafter Schocker, den nur Avery geschleudert haben konnte, streifte ihre Schulter und ließ ihre Finger sofort taub werden. Vor Überraschung und Schmerz schrie sie auf. Ihr Zauberstab fiel zu Boden.
Sofort tauchte sie ihm hinterher. Über ihren Kopf hinweg parierten jetzt die Schüler die Flüche der beiden Todesser.
Das wütende Brüllen Severus' ließ sie überrascht aufsehen. Er hatte gerade Avery betäubt. Für den Bruchteil einer Sekunde begegneten sich ihre Blicke...
Ein weiterer Fluch wurde über ihren Kopf hinweg abgeblockt und sie verlagerte, da die Schüler mit den beiden verbliebenen Todessern offenbar gut fertig wurden, ihre Angriffe auf den Dunklen Lord persönlich, auch wenn die Zauber Shacklebolts und der Lupins noch immer nicht besonders viel Wirkung zeigten. Er wirkte kaum geschwächt, wie er so dastand und Sirius mit dem Cruciatus verfluchte. Die Tatsache, dass sein Opfer sich nicht schreiend und winselnd am Boden wand, schien ihn zu immer größerer Wut anzustacheln...
Und dann stand Severus auf und schleuderte einen Schocker auf Voldemort, der jeden anderen Zauber mit Sicherheit von den Beinen geholt hätte. Und dieser ließ tatsächlich von Sirius ab, wirbelte herum ... sein Zauberstab richtete sich drohend auf Snape...
Nein!, schrie etwas in ihr auf, als eisiges Entsetzen sie durchströmte und die plötzliche Kälte in ihrem Innern ihr geradezu den Atem nahm. Nein! NEIN! Nicht Severus!
Sie wirbelte auf dem Absatz herum, schob sich zwischen Hermine und Ginny hindurch bis zu dem Stein, aus dem die bläuliche Flamme schlug. Hinter sich hörte sie Voldemort den tödlichen Fluch aussprechen. Und noch währenddessen griff ihre Hand in die Flamme, umschloss das Heft des Schwertes und riss es mit einer einzigen Bewegung aus dem Stein.
In derselben Sekunde erlosch die ewige Flamme und undurchdringliche Finsternis senkte sich hinab.
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Kommentar meiner Beta-Leserin BineBlack: Bitte, lass Voldy einen ganz miesen Schützen sein! Bitte! Und hör auf mit diesen furchtbaren Cliffs! Doch nicht jetzt!
Was hat sie denn bloß? Okay, ein Versprechen: Das nächste Kapitel wird kein Cliff! Einverstanden?
