Am nächsten Tag hatte Seth Sandy und Kirsten die ganze Geschichte erzählt, als Ryan in die Küche kam. Er hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Kirsten schenkte ihm einen Kaffee in eine Tasse ein und reichte sie ihm.
„Ich habe in der Schule angerufen und erzählt, was passiert ist und gesagt, dass ihr heute nicht in die Schule kommt", sagte sie zu den beiden Jungs. Ryan nickte nur erleichtert. Schule war das Letzte, an das er denken wollte und konnte.
Es verging eine Woche, in der Ryan jeden Tag zu Marissa ins Krankenhaus fuhr. Er durfte sie nicht sehen, aber er wartete vor ihrem Zimmer.
Dann klingelte morgens das Telefon bei den Cohens. Kirsten schaute verdutzt.
Es war Julie, die ihnen Bescheid sagen wollte, dass Marissa über den Berg wäre, dass es ihr besser ginge und dass man sie besuchen könne.
Kirsten lächelte erleichtert und sah Ryan an. Ihr Adoptivsohn sah sehr schlecht aus. Er hatte große Ringe unter den Augen, da er wahrscheinlich keine Nacht geschlafen hatte. Sie war froh, ihm eine gute Nachricht überbringen zu können, nachdem er die ganze letzte Woche kein einziges Mal gelächelt hatte.
„Es war Julie." Ryan sah zu ihr auf und in seinem Gesicht stand pure Angst geschrieben.
„Ich kann dich beruhigen, Ryan. Es geht ihr besser und man kann sie besuchen."
Er sah sie ungläubig an. Dann sprang er auf und umarmte Kirsten. Diese war völlig überrascht, denn Gefühle zu zeigen, war sonst nicht Ryans Art.
„Aber es geht heute trotzdem in die Schule."
„Oh, Dad, das kannst du doch nicht machen!" rief Seth entrüstet.
„Wir haben eine Woche ausgemacht. Länger kann ich euch nicht hier lassen. Ihr werdet heute gehen. Nach der Schule könnt ihr dann zu Marissa gehen und sie besuchen."
Ryan war es egal, er war nur froh, dass es Marissa besser ging.
Doch an diesem Tag konnte er nicht wirklich aufpassen.
Sie gingen zu dritt ins Krankenhaus. Dort sagte man ihnen, dass immer nur einer sie besuchen dürfe.
Summer ging als Erste.
Seth wollte Ryan dann den Vortritt lassen, aber der winkte ab. Jetzt wo sie wieder wach war, was sollte er da zu ihr sagen? Würde sie ihn überhaupt sehen wollen?
Er kam gar nicht dazu weiter darüber nachzudenken, denn da kam auch schon Seth wieder aus ihrem Zimmer.
Langsam öffnete Ryan die Tür. Er erschrak, als er Marissa liegen sah. Sie war dünn geworden und es hingen immer noch ein paar Schläuche herum. Außerdem hatte sie einen Gips am Arm.
Er kam näher, da schaute sie ihn an. Ihre Haare waren zerzaust.
Ryan setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett. Marissa schaute ihn immer noch an.
„Hey", sagte er mit weicher Stimme.
„Hey", begrüßte sie ihn.
Es entstand eine kleine Pause, denn er wusste nicht, was er sagen sollte.
„Es tut mir so leid", begann er. Doch Marissa legte ihm ihre Finger auf seinen Mund und schüttelte leicht den Kopf.
„Lass es gut sein Ryan."
„Nein, das kann ich nicht. Es ist meine Schuld, dass du hier liegst. Hätte ich nicht den Streit angefangen, wärst du nicht gefahren. Oder ich hätte dich einfach aufhalten müssen." Er schaute zu Boden.
„ Ich hätte nicht gewusst, was ich getan hätte, wenn du…." Er brach ab.
Marissa nahm seine Hand und drückte sie fest.
„Lass uns von etwas anderen reden. Denn es geht mir wieder besser."
Ryan lächelte sie an:" Und darüber bin ich sehr froh."
„Was gibt es Neues?" fragte sie.
„Ich kann dir dazu gar nichts sagen, denn ich hab mich eigentlich die ganze Woche hier aufgehalten."
„Hier? Du warst hier?"
„Naja, ich musste draußen bleiben. Aber ja, ich war jeden Tag da."
Marissa wurde es warm ums Herz. Als sie bemerkte, dass sie immer noch seine Hand hielt, nahm sie sie ruckartig weg.
„Und wie geht es Lindsay?" fragte sie.
Etwas verlegen schaute er sie an:" Ich habe sie die ganze Woche nicht gesehen."
Marissa begriff, dass er Lindsay nicht gesehen hatte, weil er hier bei ihr gesessen hatte.
Und als sie ihn ansah, wusste sie auch, was sie tun musste.
„Ryan, geh heute noch zu ihr hin und entschuldige dich. Sie ist deine Freundin. Was glaubst du wie es ihr dabei geht? Du musst dich um sie kümmern."
„Du musst zu ihr gehen. Sie liebt dich. Und du liebst sie." Marissa konnte es kaum aussprechen. Das war nicht das, was ihr Herz sagen wollte, aber sie wusste, dass es richtig war.
„Aber,…"
Sie führte ihre Hand zu seinem Gesicht und streichelte seine Wange. Ryan schloss die Augen.
„Geh, Ryan. Geh! Sie wird dich vermissen."
Er wollte etwas sagen, aber sie drehte sich weg. Traurig stand Ryan auf und verließ das Zimmer. Kaum hatte er die Tür geschlossen, fing Marissa still an zu weinen.
Ryan brauchte frische Luft und sagte zu Seth und Summer, dass er noch zu Lindsay gehen würde. Seth setzte ihn auf der Strecke ab und Ryan lief das letzte Stück zu ihrem Haus.
Lindsay machte ihm auf, als er klingelte. Sie schaute überrascht.
„Hy", fing er an und überreichte ihr eine Blume, die er von einem Strauch abgebrochen hatte.
Sie nahm die Blume, sagte aber nichts.
„Es tut mir leid. Ich habe mich benommen, wie der letzte Idiot!"
Eigentlich wollte Lindsay ihn etwas zappeln lassen, aber wie er so da stand, konnte sie nicht anders, als ihn zu umarmen.
Sie hatte ihn so vermisst. Dann gingen beide rein in ihr Zimmer. Lindsay war froh, dass er wieder hier bei ihr war, aber ganz tief in ihrem Herzen wusste sie, dass er nicht ganz glücklich war. Doch dieses Gefühl verdrängte sie ganz schnell.
