Die nächste Woche kam Marissa nicht in die Schule. Summer sprach kein Wort mit ihm; nicht mal mit Seth, der versuchte etwas herauszukriegen.

Dann am Ende der Woche sah er Julie in der Schule. Ryan lief auf sie zu.

„Entschuldigung."

„Hallo Ryan." Sie sah ihn freundlich an. Das kam ihm schon merkwürdig vor, denn Julie war sonst nie sehr nett zu ihm.

„Was tun sie denn hier?"

„Ich hole Marissas Sachen ab."

„Was für Sachen?"

Sie lächelte:" Weißt du es noch gar nicht? Marissa geht jetzt auf ein Internat."

Er musste sich verhört haben. „Auf ein Internat?"

„Ja, sie sagte, dass sie es hier nicht aushalten würde. Deshalb hat sie sich für ein Internat entschieden. Und zwar ein sehr gutes. In New York."

„New York?" Das musste ein Missverständnis sein.

„Ja, genau. Sie ist gestern Mittag geflogen. Deswegen hole ich hier ihre restlichen Sachen ab." Aus Ryans Gesicht wich alle Farbe. Ihm wurde übel.

„Na ja, ich muss jetzt los. Einen schönen Tag noch." Sie drehte sich um und lief in Richtung Büro der Rektorin.

Ein paar Minuten vergingen; Ryan stand immer noch wie im Schockzustand am gleichen Platz. Das konnte nicht wahr sein!

Dann rannte er los, in das Biologie-Klassenzimmer. Dort saß Summer. Erschrocken blickte sie auf, als Ryan hereingestürmt kam.

„Summer, wo ist Marissa?"

Sie verdrehte die Augen und widmete sich wieder ihrem Buch.

Er packte sie am Arm:" Sag mir die Wahrheit."

Angst stand in seinem Gesicht geschrieben. Sie konnte einfach nicht hart sein. „Sie ist weg. Nach New York."

Ryans Griff lockerte sich und er schaute sie sehr traurig an. Dann drehte er sich um und verließ das Klassenzimmer. Summer war verwirrt. Als sie ihm das gesagt hatte, war es als wäre alle Freude aus Ryans Augen gewichen.

Ryan wollte zum Parkplatz laufen, als er unterwegs auf Seth stieß.

„He, mal nicht so schnell. Wo willst du hin?"

„Ich muss zu Marissa. Schauen ob sie noch da ist. Sie will nach New York."

Seth konnte ihm nicht ganz folgen, aber als er fragen wollte, war Ryan auch schon weiter gerannt.

Bei den Nichols hatte er auch kein Glück. Dort sagte ihm die Haushälterin das gleiche, wie Julie und Summer.

Völlig apathisch fuhr er nach Hause, ging ins Poolhaus und legte sich aufs Bett. Sein Kopf war vollkommen leer.

Ein paar Stunden später kam Seth von der Schule nach Hause. Er ging gleich zu Ryan. Dieser lag immer noch auf dem Bett.

Seth setzte sich zu ihm:" Hy."

Keine Antwort. Er konnte sein Gesicht nicht sehen, da Ryan mit dem Rücken zu ihm lag.

Er wusste nicht, was er zu seinem Bruder sagen sollte. In der Schule hatte er Summer getroffen und die hatte ihm alles erzählt.

„Ich weiß es. Das mit Marissa."

Immer noch keine Regung.

Seth sah, dass Ryan litt. Wie konnte er ihm helfen?

Seth wollte schon aufstehen, als Ryan sich umdrehte.

„Hey Mann!" Seth setzte sich wieder.

Und da sah er es. Ryan weinte.

Da er nie seine Gefühle zeigte, geschweige denn darüber redete, war Seth etwas überrascht. Aber er wusste auch nicht, wie er darauf reagieren sollte.

„Sie ist gegangen." Ryan sah ihn nicht an.

„Ich weiß."

Das war alles was Ryan sagte.

Seth stand auf und ließ ihn allein.

Drüben im Haus erzählte er Kirsten und Sandy von den Geschehnissen.

Ryan kam die ganze nächste Woche nicht aus dem Poolhaus heraus. Er litt still. Sandy, Kirsten und Seth sahen nach ihm, aber er wollte mit niemanden reden. Die Person, mit der er reden wollte, war fort. Weit fort.

Irgendwann wurde es Seth unheimlich und er langweilte sich einfach ohne seinen Freund. Er wusste, dass Ryan Marissa vermisste, aber das konnte ja nicht ewig so weitergehen. Summer hatte ihm erzählt, warum Marissa nach New York gegangen war. Er wollte mehr aus ihr herauskriegen, doch sie verriet nichts. Und Julie Cooper war natürlich froh, dass ihre Tochter weg von Ryan war.

Auch Sandy und Kirsten machten sich langsam Sorgen. Ryan musste wieder in die Schule. Die Rektorin würde das nicht mehr lange mitmachen.

Also machte sich Seth auf ins Poolhaus; er hatte ein Tablett mit Essen dabei. Vorsichtig klopfte er an die Tür und trat ein.

Ryan saß auf dem Bett und schaute fern. Zumindest sah es so aus, aber in Gedanken war er ganz woanders.

„Hy. Ich hab dir was zu essen mitgebracht." Seth stellte das Tablett auf den Boden.

„Ich hab keinen Hunger."

„Du musst was essen! Wenn ich es unangerührt wieder zurück bringe, killt mich meine Mum."

Ryan zuckte nur mit den Schultern.

Da wurde es Seth zuviel. „Du kannst doch nicht für immer hier rum sitzen und Trübsal blasen. Du gibst dich ja auf! Ja, sie ist gegangen, aber das ist doch nicht das Ende! Das Leben geht weiter. Versuch doch wenigstens dich aufzuraffen!"

Seth war selbst von seiner Standpauke überrascht.

„Ich weiß. Nur,… es ist so schwer. Es ist so schwer nicht an sie zu denken. Und es tut so weh."

„Ja, aber dann tu doch was. Du versuchst ja nicht einmal sie zurück zu gewinnen!"

Ryan überlegte:" Du hast Recht. Vielleicht muss ich sie zurückholen." Er sprang auf, doch Seth hielt ihn am Arm fest. „Vielleicht solltest du vorher duschen, bevor du irgendwo hin gehst."

Nach einer halben Stunde war Ryan fertig.

„Und was hast du jetzt vor?" fragte Seth, der auf ihn gewartet hatte.

„Ich werde zu Summer gehen, und von ihr die Telefonnummer von Marissa holen." Und schon war er auf dem Weg zum Wagen.

Seth flitzte hinterher:" Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist."

„Du hast mir gerade gesagt, dass ich es probieren soll, also werde ich das tun. Oder hast du deine Meinung schon wieder geändert?"

Seth zuckte nur mit den Schultern und schüttelte den Kopf.

Summer machte auch gleich die Tür auf, als sie bei ihr klingelten. Überrascht Ryan zu sehen, konnte sie erst gar nichts sagen.

„Ich will die Nummer von Marissa." Er lief einfach ins Haus.

„Hey, was soll das!"

„Die Nummer von Marissa!"

„Die kann ich dir nicht geben."

„Und warum nicht?"

Summer seufzte:" Ich hab es ihr versprochen. Was soll ich machen? Ich bin ihre beste Freundin."

„Summer", begann Ryan," du musst mir die Nummer geben. Ich muss mit ihr reden, dass musst du doch verstehen."

Sie blickte ihn an und sah, wie traurig er war. Von Seth wusste sie, dass er sich die ganze Woche im Poolhaus verkrochen hatte. Er wirkte erschöpft und bestimmt hatte er nicht viel geschlafen.

Marissa hatte sie davon nicht erzählt. Dieser Name wurde bei ihren Telefongesprächen nicht erwähnt.

„Gib ihm jetzt doch die Nummer, verdammt noch mal. Siehst du nicht, wie er leidet?" schaltete sich Seth dazwischen.

„Und was willst du damit bezwecken?" fragte Summer Ryan.

„Ich möchte sie zurückholen. Will mit ihr reden. Sie kann doch nicht so einfach gehen…" Ryan schluckte und er merkte, wie ihm schon wieder die Tränen in die Augen schossen.

Summer bemerkte das und war geschockt, denn dass er Gefühle zeigte, war ziemlich ungewöhnlich. Sie hatte Mitleid mit ihm, und auch sie wollte, dass Marissa wieder zurückkam. Außerdem sollten sich die beiden wirklich aussprechen. Deshalb gab sie Ryan die Nummer von Marissas Wohnung in New York.

Mit zitternden Händen fuhr Ryan nach Hause. Im Poolhaus nahm er gleich das Telefon und wählte die Nummer, die Summer auf einen Zettel geschrieben hatte.

„Hallo! Du hast die Nummer von Marissa Cooper gewählt. Leider befinde ich mich zur Zeit nicht in der Nähe des Telefons. Wenn es etwas Wichtiges ist, dann sprich einfach nach dem Ton."

Ihre Stimme! Er vermisste ihre Stimme.

Da kam auch schon der Piepton. Sein Atem ging schneller; was sollte er sagen? Sollte er überhaupt auf den Anrufbeantworter sprechen? Er atmete laut. Doch dann hörte er einen zweiten Ton und es machte „tut tut tut". Die Zeit war vorbei.

Er legte das Telefon weg und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare.