Marissa und Charly hatten sich angefreundet. Schließlich saßen sie beide im gleichen Boot, weil sie an der Schule neu waren.

Charly hatte sich gleich in der ersten Woche für Volleyball und den Theaterclub angemeldet. Marissa hatte sich bis jetzt noch nicht darum gekümmert.

Doch an einem Mittag saßen die beiden Mädchen im Gras vor der Schule. Charly sah auf die Uhr:" Oh man, schon wieder so spät. Ich muss rüber gehen, in zehn Minuten fängt der Theaterclub an." Sie stand auf und packte ihre Tasche zusammen.

„Ok, ich werde dann auch nach Hause gehen."

Charly sah sie nachdenklich an. „Meinst du nicht, du solltest dir auch etwas nach der Schule suchen? Ein bisschen Engagement wäre angebracht, Marissa Cooper!" sie knuffte Marissa in die Seite.

„Ich weiß, aber ich hab überhaupt keine Ahnung was ich machen soll."

„Dann lass uns mal was für dich finden. Was hast du heute gegen später vor?"

Marissa überlegte kurz:" Hmh, wie immer nichts; außer lernen."

„Gut, dann komm ich nach dem Theaterspielen bei dir vorbei und dann suchen wir eine Aktivität für dich."

„Ist ok. Ich koch dann für uns zwei was, wenn du ausgehungert nach dem Theater spielen kommst."

Sie trennten sich. Marissa fuhr noch an einem Supermarkt vorbei um etwas für heute Abend einzukaufen.

Sie telefonierte zu Hause mit Summer.

„Und heute Abend kommt sie vorbei?"

„Ja."

„Das ist gut. Dann bist du mal nicht alleine."

„Ja, irgendwie freu ich mich auch schon drauf. Vielleicht finden wir ja auch wirklich was für mich. Und was gibt es bei dir Neues?"

„Naja, wie ich dir gesagt habe, sind mein Dad und das Stiefmonster heute nach Miami geflogen. Also hab ich das Haus für mich allein."

„Wird Zach dann kommen?"

„Heute Abend nicht; da ist er bei Cohen. Wegen diesem Comic."

„Aha."

„Zwischen den zweien gibt es nichts anderes mehr, als diesen Comic. Ich kann es schon nicht mehr hören! Obwohl Cohen ja wirklich Talent hat. Na ja, ich werde mir eine Folge von „The Valley" reinziehen. Ach ja, am Wochenende wird es eine Geburtstagsparty geben; für Kirsten."

„Stimmt, Kirsten hat Geburtstag. Bei den Cohens Zuhause?"

„Ja. Deine Mum hilft organisieren."

„Klar, wer sonst. Summer, ich muss jetzt Schluss machen. Wir hören uns dann morgen!"

„Ok, machs gut Coop. Bis morgen!"

"Bye!"

Marissa machte sich gleich ans Kochen, denn Charly würde bald da sein.

Fünfzehn Minuten später klingelte es; Charly kam lächelnd herein.

„Hy! Hier riecht es ja gut! Ich hab schon richtig Kohldampf! Theaterspielen ist anstrengend."

„Das Essen ist in circa zehn Minuten fertig. Machs dir bequem!" Marissa lief wieder in die kleine Küche.

„Eine schöne Wohnung hast du", stellte Charly fest und stellte ihre Tasche ab.

„Ja, ich find sie auch nett. Eine Freundin aus Newport hat sie besorgt; sie kennt hier eine Maklerin", rief Marissa aus der Küche.

Charly sah sich um; ging auf den Balkon hinaus.

„Wow, tolle Aussicht!" sagte sie, als sie wieder in die Wohnung kam.

Dann bemerkte sie die Kommode und die vielen Bilder darauf. Sie lief hin und betrachtete die Fotos neugierig, denn Marissa hatte eigentlich nicht viel von Newport erzählt. Charly hatte nur gemerkt, dass das kein gutes Thema war und dass Marissa nicht gern darüber sprach.

Es waren immer die gleichen Personen auf den Fotos zu sehen.

Sie mit einem schwarzhaarigen Mädchen, ein Bild, bestimmt von ihrer Familie; Marissa wieder mit dem Mädchen und zwei Jungs lachend auf einem Bett. Und auf den restlichen Fotos immer dieser eine Junge.

Charly nahm gerade ein Foto in die Hand, auf dem Marissa und Ryan zu sehen waren, als Marissa aus der Küche kam. „So, nur noch ein paar Minuten, dann können…." Sie unterbrach ihren Satz, als sie sah, dass Charly dieses Foto in der Hand hielt.

Charly sah sie an, doch Marissa sah schnell weg, räusperte sich und beendete ihren Satz:" Wir können dann essen!"

„Ok, gut."

Charly setzte sich an den Tisch, während Marissa das Essen auftischte.

„Es ist nichts Besonderes. Meine Spezialität: Käse-Makkaroni!"

„Super! Damit bin ich vollauf zufrieden."

Während sie aßen, erzählte Charly von dem Theaterclub und was sie probten. Marissa merkte, dass Charly dabei völlig in ihrem Element war.

Danach saßen sie beide auf der Couch.

„Was hast du denn an deiner alten Schule gemacht?" fragte Charly.

„Ich war Vorsitzende des Veranstaltungskommitees; wir waren zuständig für die Organisation der ganzen Events, die die Schule veranstaltet hat. Jahrmarkt, Weihnachtsfeier und so weiter. Das hat mir eigentlich immer recht viel Spaß gemacht."

„Gut, dann schauen wir mal in diesem Heftchen von der Schule, ob es so was gibt." Charly blätterte das Heft durch.

„Schau mal hier. Das hört sich doch nach so etwas an, oder?"

Marissa schaute auf die Seite: Events Management – Wer Lust hat verschiedene Events der Schule mitzugestalten, wer gute Ideen hat, der ist hier richtig.

„Ja, das könnte in die Richtung gehen. Meinst du, ich soll mich da morgen mal melden?"

„Klar, machst du das! Du kannst ja mal nachfragen."

Sie suchten noch nach ein paar anderen Aktivitäten, falls eines nicht klappen sollte.

Dann saßen sie noch eine Weile herum und sprachen über die Schule.

Plötzlich fing Charly vorsichtig an:" Darf ich dich mal was fragen?"

„Klar, darfst du das."

„Bis jetzt hast du ja noch nicht viel von dir erzählt. Und da ich vorhin die Fotos ein bisschen angeschaut habe, wollte ich wissen, wer die Personen sind, die man auf den Bildern sieht."

Marissa atmete tief ein; sie wusste, dass Charly irgendwann danach fragen würde. Aber sie musste sich öffnen, denn schließlich war Charly die Einzige, die sie hatte.

Sie stand auf und ging zu den Fotos.

„Also, das ist meine Familie." Charly kam zu ihr. „Mein Dad, meine heiß geliebte Mutter und meine Schwester Kaitlin."

„So wie sich das angehört, ist deine Mum wohl nicht deine beste Freundin?"

„Oh nein, gewiss nicht. Aber dafür würde heute die Zeit nicht reichen, das alles zu erzählen. Sagen wir einfach so, sie hat vieles in meinem Leben verbockt."

Charly nickte nur.

„Hier ist noch mal mein Dad zu sehen. Er lebt jetzt auf Haiti. Ich vermisse ihn ziemlich, denn wir beide kommen ziemlich gut miteinander aus. Und er ist immer für mich da."

„Ich glaube Väter kommen öfter besser mit ihren Töchtern aus, wie Mütter."

Marissa zuckte die Schultern.

„Und die Schwarzhaarige ist Summer. Von ihr hab ich dir ja schon erzählt. Meine beste Freundin; schon seit dem Babyalter. Wir haben unser ganzes Leben zusammen verbracht."

„Schön, wenn man so eine Freundin hat. Das hatte ich nie, da wir öfter umgezogen sind."

„Ja, ich würde auch alles für sie tun. Und ich fühl mich auch ziemlich einsam ohne sie."

Marissa schaute sich das Bild an und lächelte.

„Und wer ist das?" Charly zeigte auf ein Bild, auf dem Sandy und Kirsten zu sehen waren. Es war auch an Weihnachten aufgenommen worden.

„Oh, das sind meine früheren Nachbarn und sehr gute Freunde. Sandy und Kirsten. Sie sind die Eltern von dem hier; Seth." Marissa holte das Bild hervor, auf dem sie, Summer, Seth und Ryan auf dem Bett lagen.

„Von ihm stammt auch die Zeichnung vorne an der Tür. Er zeichnet Comics und ist ein absoluter Comic-Freak. Dieses Bild hatten wir mit dem Selbstauslöser gemacht und Seth sprang im letzten Moment aufs Bett; oder besser gesagt auf uns drauf. Er ist ziemlich witzig; er konnte einen immer mit seinen Witzen aufheitern."

Marissa schwelgte in Erinnerungen. Sie stellte es wieder zurück auf die Kommode.

„Ja, und das ist Ryan. Auch ein Freund."

Charly bemerkte, dass ihre Stimme traurig klang. Doch sie wollte mehr darüber erfahren, also fragte sie:" Nur ein Freund?"

Marissa nickte, schaute sie aber nicht an.

„Also, ich hab von meinen Freunden nicht so viele Fotos rum stehen."

Seufzend ließ sich Marissa auf das Sofa fallen. „Du hast Recht, er ist mehr als ein Freund. Er ist …." Sie zögerte:" mein Freund….gewesen." Tränen schossen ihr in die Augen. Nein, sie würde nicht wieder weinen!

„ Möchtest du darüber reden?" Charly setzte sich neben sie und legte eine Hand auf ihre.

„Es ist schwierig. Er ist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Es vergeht kein Tag, keine Sekunde, wo ich nicht an ihn denke."

Marissa erzählte von der ersten Begegnung an der Einfahrt; wie toll sie ihn gefunden hatte, weil er so anders war, als die Jungs aus Newport. Wie Seth und sie Ryan in dem Musterhaus versteckt hatten, von Tijuana, Oliver, und dem Abschied von Ryan nach Chino mit Theresa. Wie sie ihren Kummer in Alkohol ertrank und er doch wieder zurückkam, er aber dann mit Lindsay zusammenkam. Und wie er sie beschützt hatte vor diesem Marc. Den genauen Grund, warum sie nun hier war, sagte sie nicht. Doch Charly ahnte, dass es etwas mit ihm zu tun hatte, denn warum sollte Marissa sonst von Newport weggehen.

Marissa hatte die ganze Zeit ihre Tränen zurückhalten können, doch dann blickte sie auf das Foto, auf dem sie alle vier zu sehen waren, und die Tränen rannen nur so.

„Weißt du, ich vermisse ihn so sehr! Ich wache morgens auf, dann ist er mein erster Gedanke. Was er wohl macht? Ich vermisse sie alle. Es ist so anders hier."

Charly nahm sie in den Arm und wiegte sie hin und her. Marissa konnte sich erst langsam wieder beruhigen.

„Tut mir leid. Nur, seit ich hier bin, hab ich noch nicht darüber gesprochen."

„Du brauchst dich nicht entschuldigen. Du bist ganz allein hier, in dieser Großstadt und du vermisst deine Freunde. Wer würde da nicht traurig sein?"

Später ging dann Charly nach Hause, doch sie dachte noch lange über das nach, was Marissa ihr erzählt hatte.