Zwei Wochen waren seit dem Anruf vergangen. Marissa hatte seither nicht mit Summer telefoniert, sie hatte ihr nur auf die Mailbox gesprochen, dass sie noch lebte und ihre Freundin sich keine Sorgen machen brauchte.
Marissa, Charly und Dean hatten nur noch eine Prüfung vor sich, dann war alles gelaufen.
Am Abend vor der Klausur war Marissa allein zu Hause und saß über ihren Büchern. Da grummelte ihr Magen; sie hatte Hunger. „Puh, schon kurz vor acht", dachte sie.
Sie rieb sich die Augen und dann stand sie vom Boden auf. Nach einem Blick in den Kühlschrank musste sie sich wohl was zum Essen holen. Also schnappte sie sich ihren Geldbeutel und Schlüssel und ging nach draußen. Marissa schlenderte die Straße entlang; sie würde sich bei ihrem Lieblings-Thailänder etwas zu essen holen. Auf dem Weg dorthin kamen ihr einige Pärchen entgegen, und jedes Mal gab es ihr einen Stich diese Glücklichen zu sehen. Doch sie musste wenigstens heute diese Gedanken aus ihrem Kopf streichen, denn morgen hatte sie ihre letzte Prüfung und da musste sie bei der Sache sein.
Bei dem Thailänder angekommen, bestellte sie ihr Essen und wartete an der Theke.
Mit einer kleinen Tüte voll, machte sie sich dann auf dem Heimweg. Kurz vor ihrer Wohnung sah sie ihn dann. Er stand vor ihrem Hauseingang, und es sah so aus, als würde er auf sie warten.
„Na toll, was will der denn hier?" fragte sich Marissa und ging langsam auf ihn zu. Da bemerkte er sie und lächelte.
„Hey!"
„Hy!" begrüßte Marissa ihn.
Mit einem Blick auf ihre Tüte, sagte er:" Ah, man hat sich was zu Essen geholt."
„Ähm, ja." Sie wollte nicht mit ihm reden; sie wollte ihre Ruhe haben.
Einen kurzen Moment lang standen sie sich schweigend gegenüber, bis Marissa meinte:" Ich muss jetzt rein, sonst wird mein Essen kalt."
Mit seinen dunklen Augen beobachtete er sie, doch dann machte er ihr den Weg frei, so dass sie zur Haustür konnte.
Gerade als sie aufschloss, rief er:" Wie heißt du eigentlich?"
Sie drehte sich nicht um, antwortete aber:" Marissa."
„Okay, Marissa. Hast du mal abends Zeit, etwas mit mir zu unternehmen?"
Sie hatte es gewusst. Warum hatte sie nicht gewartet, bis er vorhin wieder gegangen wäre.
„Nein, ich hab gerade Prüfungen und hab keine Zeit." Jetzt drehte sie sich um und schaute ihn an.
„Nun ja, so lange können deine Prüfungen ja nicht gehen, denn ich hab morgen meine letzte."
Mist! Er ging wohl auch zur Highschool.
Er lachte sie verschmitzt an. Marissa zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. „Tja, erwischt. Aber auch danach habe ich keine Zeit, denn dann bin ich für eine Weile weg." So langsam hatte sie keine Lust mehr, sich mit ihm zu unterhalten.
„Aber du wirst doch nicht gleich von hier verschwinden! Nach dem Abschluss gibt es doch überall lustige Partys."
„Ja, aber ich bin bestimmt auf keiner, bei der du bist." Das war vielleicht etwas hart gesagt, aber sie wollte ihn endlich los werden.
„Das sehen wir dann", war alles was er darauf sagte. Anschließend winkte er ihr noch zu und lief die Straße runter. Marissa schüttelte den Kopf, ging dann hoch in ihre Wohnung. Dort setzte sie sich auf den Boden, schaltete den Fernseher ein und fing an zu essen.
Dieser Typ war ja ziemlich gut aussehend. Wie hieß er gleich noch mal? Es wollte ihr nicht mehr einfallen.
Doch dann fiel ihr Blick auf das Foto von Ryan und ihr und sofort war Anthony vergessen.
Die letzte Prüfung lief gut und der Tag von Marissas Abschluss kam. Bei der Feier war von ihrer Familie niemand anwesend. Ihr Mutter hatte keine Zeit zu kommen und Marissa hatte zu ihrem Dad gesagt, dass er nicht extra deswegen kommen brauche. Schließlich würde sie ihn ja in einer Woche besuchen.
Doch als sie das Zeugnis überreicht bekamen und später alle mit ihrer Familie zusammen standen, bereute sie es, dass sie das zu ihrem Vater gesagt hatte. Aber Charly und Dean kümmerten sich liebevoll um sie.
Abends gab es dann in der Schule eine Abschlussparty.
Marissa und Charly holten sich gerade etwas zu trinken, als Dean auf sie zugerannt kam.
„Riss! Riss!" schrie er, nahm sie in die Arme und wirbelte sie im Kreis herum.
„Du glaubst nicht, was heute mit der Post gekommen ist." Er strahlte über das ganze Gesicht. „Die Bestätigung, dass ich bei der State University aufgenommen bin. Ist das nicht super?"
Marissa freute sich für ihren Freund, auch wenn sie noch keine Bestätigung erhalten hatte.
„Deine kommt auch noch, wirst sehen", meinte Charly.
„Ich weiß. Los lasst uns ein bisschen tanzen", sagte sie nur und zog ihre beiden Freunde auf die Tanzfläche.
Später sagte Charly, dass sie eine Pause bräuchte und mal kurz auf die Toilette gehen würde. Marissa und Dean blieben noch auf der Tanzfläche. Da wurde ein langsames Lied gespielt, doch bevor auch sie weggehen wollte, zog Dean sie her.
„Komm, jetzt tanzen wir beide!" Marissa lächelte ihn traurig an.
Dean wusste, dass sie ziemlich fertig war, doch das bis jetzt gut verdrängt hatte. Zumindest in der Zeit, als sie ihre Prüfungen hatten. Doch er kannte seine Freundin; es war ihr anzusehen, dass es ihr schlecht ging. Sanft streichelte er ihr über den Rücken. „Liebeskummer ist wichtig, Riss. Er gehört zum Leben dazu und man kann sich nicht vor ihm verstecken." Marissa blinzelte mit den Augen, sie spürte wie die Tränen langsam hochkamen.
„Es ist nicht so einfach. Ich hab das Gefühl, als hätte ich einen Teil meines Lebens verloren. Das ist kein normaler Liebeskummer."
„Schätzchen, ich weiß. Aber gerade deswegen darfst du auch traurig sein und weinen. Und vielleicht solltest du wirklich zu ihm hingehen und mit ihm reden."
„Ich kann das nicht. Er hat mich aus seinem Leben gestrichen; er hat eine Tochter, Dean! Was soll ich da noch?" Eine Träne kullerte ihre Wange hinab.
„Das musst du selbst entscheiden. Ich will dir nur sagen, das wir, Charly und ich, für dich da sind." Dean drückte sie fest an sich und Marissa ließ ihren Kopf auf seine Schulter fallen.
Von der Seite beobachtete ein großer, schwarzhaariger Junge diese Situation. Er wollte schon den Saal wieder verlassen, als ein blondes Mädchen in ihn hineinrannte.
„Huch, Entschuldigung", sagte sie lachend.
„Nichts passiert." Anthony wollte schon weitergehen, als sie rief:" Hey, kenn ich dich nicht?" Er sah Charly an, und da fiel es ihm wieder ein. Sie war damals mit Marissa zusammen gewesen.
„Du bist doch der Typ, den Marissa angerempelt hat und der vor ihrer Haustür auflauert." Beide Arme in den Hüften und grinsend stand sie da. „Was machst du hier? Du gehst doch nicht auf diese Schule (Newtown Highschool)."
Anthony kam auf sie zu und antwortete:" Nein, ich geh nicht hier zur Schule; ich geh auf die Bushwick"
„Und was machst du dann hier? Solltest du nicht auf eurer Party sein?" Doch während sie das fragte, hatte sie schon eine Ahnung, warum er hier war. Sie folgte seinem Blick auf die Tanzfläche, auf der Marissa mit Dean tanzte. Für Außenstehende musste es so aussehen, als wären die beiden ein Paar, denn beide tanzten eng umschlungen und sie lehnte ihren Kopf auf seiner Schulter.
„Aber ich werde jetzt wohl wieder auf meine Party zurückgehen", sagte Anthony mit leiser Stimme.
„Warte mal", wollte Charly ihn aufhalten.
„Ja?"
"Du bist wegen Marissa hier. Ich will dir nur sagen,
dass das, was du da siehst, ganz anders ist. Dean und Marissa sind
nur gute Freunde, mit Sicherheit kein Pärchen."
Sie sah, dass er ihr nicht wirklich glaubte.
„Schau mal", fuhr sie fort," du hast sicherlich gemerkt, dass Marissa eine harte Nuss ist." Als sie das sagte, lächelte er.
„Du bist einfach irgendwie zum falschen Zeitpunkt aufgetaucht. Gerade ist für sie nicht wirklich die Zeit für Jungs, geschweige denn für eine Beziehung. Du bist ein netter Kerl, aber wenn du sie wirklich magst oder es versuchen willst, wie auch immer, dann musst du ihr Zeit geben."
„Und wie lange muss ich ihr Zeit geben?"
„Nun ja, jetzt sind ja sowieso Ferien und während dieser Zeit ist sie eh nicht hier."
Anthony nickte.
„Ich möchte dir natürlich jetzt auch keine falschen Hoffnungen machen. Marissa ist ein lieber Mensch, aber was Männer angeht sehr schwierig. Ich kann dir also nichts versprechen."
„Ist schon okay. Ich muss jetzt gehen." Er nickte ihr noch mal zu und verschwand dann aus der Tür.
Charly drehte sich um und beobachtete Marissa und Dean. Marissa hatte die Augen geschlossen, doch sie konnte sehen, dass es dort verdächtig glitzerte.
