Pünktlich um halb acht klingelte es an der Tür. Sie lief die Treppen runter und draußen wartete schon Alan, der Chauffeur der Matkins, Tonys Eltern. Marissa mochte Alan; er war ungefähr 50 Jahre alt und ein liebenswürdiger Mensch. Sie hatte Mitleid mit ihm, wie er es bei so einer Familie, wie den Matkins aushalten konnte. Tonys Eltern waren ziemlich bestimmend und sie verbargen nicht, dass sie Geld hatten. Ihre Mutter würde gut mit ihnen auskommen.

Sie waren nicht wirklich begeistert gewesen, was für eine Freundin ihr Anthony ihnen mitgebracht hatte, doch Marissa war das egal. So oft sah sie seine Eltern nicht, außer bei solchen Veranstaltungen wie heute. Mrs. Matkins veranstaltete eine Spendenfeier für ihre Organisation.

„Guten Abend, Ms Cooper", begrüßte Alan Marissa mit einem freundlichen Lächeln.

„Guten Abend, Alan. Ich hab ihnen schon ein paar Mal gesagt, dass sie mich nicht Ms Cooper nennen sollen." Er hielt ihr die Tür auf und sie stieg in die schwarze Limousine ein. Alan setzte sich hinter das Steuer, die Trennwand war heruntergefahren. Marissa unterhielt sich gerne mit Alan.

„Sie sehen heute gut aus."

„Danke. Das Kleid habe ich heute gekauft." Sie sah an sich hinunter. Das Kleid war silbergrau. Hellgraue Spitze mit Blumenmuster lag über dem Stoff. Es war schön; sie hatte es gesehen und sofort gekauft.

„Ah, sie waren mit Anthony einkaufen?" Er schaute in den Rückspiegel.

„Ja, wir waren ein bisschen bummeln."

Alan arbeitete schon viele Jahre bei der Familie Matkin und kannte Anthony schon seit er ein kleiner Junge gewesen war. Er war schon ein halbes Familienmitglied, aber nur die Jungs, Anthony und sein älterer Bruder Steven, behandelten ihn so.

Bei den Matkins standen schon einige Autos in der Einfahrt. Zu diesen Feiern traf sich das Who is Who von New York.

Ein Mann machte Marissa die Türe auf, sie verabschiedete sich von Alan und stieg aus.

Drinnen waren schon viele Leute gekommen, aber sie kannte eigentlich niemanden. Manche hatte sie schon mal gesehen, auf anderen Festen. Sie suchte den Saal nach Tony ab, doch sie konnte ihn nicht sehen. Also ging sie langsam in Richtung Bar und bestellte sich einen Cocktail. Währenddessen beobachtete Marissa die Gäste. Die Partys hier waren noch schlimmer, als alle in Newport zusammen. Man konnte die Lästereien und Intrigen regelrecht spüren.

Sie nahm einen Schluck von ihrem Drink, als sie jemand am Arm berührte. Es war Steven; Tonys Bruder.

„Hy!" begrüßte er sie mit einem Lächeln.

„Hy Steven." Marissa umarmte ihn. „Wie geht es dir?"

„Danke, gut. Obwohl ich mich in diesen schrecklichen Smoking zwängen musste." Steven grinste sie mit seinem lausbubenhaften Lachen an. Er bestellte sich einen Drink. Marissa hatte ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen, denn er lebte in Florida, aber sie musste feststellen, dass er gut aussah. Er hatte blonde Haare und die gleichen dunklen Augen wie Anthony. Wenn er lachte, bekam er zwei nette Grübchen, die ihn nur noch sympathischer und attraktiver machten. Steven war 26, also drei Jahre älter als sein Bruder. Von seiner Art war er ganz anders; eigentlich passte er überhaupt nicht in diese Familie. Er sah alles ziemlich locker, hatte immer einen lustigen Spruch auf den Lippen und hatte nicht studiert. Deshalb war auch wohl Anthony der Liebling der Eltern, denn er hatte genau den Weg eingeschlagen, den sie für ihn vorgesehen hatten.

„Und wie geht es Nicolette?" Letztes Mal hatte er eine Freundin dabei gehabt.

„Keine Ahnung. Hab sie schon lange nicht mehr gesehen." Steven zog an seinem Strohhalm.

Sie unterhielten sich eine Weile über ihre Jobs, bis Anthony Marissa entdeckte.

„Endlich finde ich dich! Wo hast du denn gesteckt?" Er gab ihr einen Kuss auf die Wange.

„Hallo Schatz. Ich war die ganze Zeit hier und hab mich mit Steven unterhalten."

„Ach hallo Marissa", hörte sie plötzlich eine Stimme.

Tonys Mutter kam auf sie zu und begrüßte sie mit einem gehauchten Küsschen auf die Wange.

„Hallo, Mrs. Matkins. Eine wirklich gelungene Party."

„Danke, das finde ich auch. Und die Gäste sind auch begeistert. Anthony würdest du mich kurz begleiten. Mr. Stewart möchte dich begrüßen." Sie nahm ihren Sohn an die Hand und zog ihn weg.

„Tja, da geht der berühmte Sohn dahin", sagte Steven. Marissa sah ihn an, aber sie wusste, dass ihn das nicht verletzte. Steven wollte gar nicht so sein wie Tony und ihm war es lieber, dass er seine Eltern nicht so oft sah.

Der Abend wurde doch noch ganz nett. Marissa unterhielt sich mit Steven und auch Anthony kam zu den beiden hinzu. Dann nahm Tony sie mit auf die Tanzfläche. Sie war etwas beschwipst und ziemlich müde.

„Hat dir der Abend gefallen?" fragte er mit weicher Stimme und streichelte ihr den Rücken.

„Ja, es war ganz nett. Und es war schön mal wieder Steven zu sehen." Marissa musste sich ein Gähnen unterdrücken.

„Bist du müde?"

„Ja."

„Möchtest du hier schlafen?"

Sofort schüttelte Marissa den Kopf und antwortete:" Nein, ich will nach Hause."

„Du kannst aber auch bleiben. Ich werde heute ebenfalls hier übernachten."

„Nein, Tony. Du weißt, dass das deine Mutter nicht gerne sieht. Und ich sehe deine Eltern morgens auch nicht gerne."

Er lachte. Marissa war ein kleiner Morgenmuffel und war morgens überhaupt nicht ansprechbar. Sie hatten bis jetzt einmal bei seinen Eltern übernachtet und diese waren nicht unbedingt begeistert gewesen. Sie beide mussten in getrennten Zimmern schlafen. Anthony verstand seine Eltern in dieser Hinsicht nicht, aber er wusste, dass er bei einer Diskussion sowieso keine Chance hätte.

„Okay, dann fährt Alan dich nach Hause."

„Danke. Kommst du mit?"

„Ich kann nicht. Ich hab meiner Mutter versprochen, dass ich morgen früh hier bin."

Marissa verbarg ihre Enttäuschung, wusste aber, dass Tony einfach seine Mutter nicht kränken wollte.

„Ist okay."

Er sah sie an und küsste sie leidenschaftlich auf den Mund.

Als das Lied aus war, setzte sich Marissa wieder zu Steven, während Tony Alan Bescheid sagte, dass dieser sie heim bringen sollte.

„Fährst du schon?" fragte Steven.

„Ja, ich bin todmüde. Und ich hab auch ein bisschen zu viel Alkohol erwischt."

Lachend meinte er:" So siehst du auch aus."

„Danke für das Kompliment."

„Du weißt schon, wie ich es meine."

Dann kam Tony wieder und sagte, dass Alan auf sie warten würde.

Marissa verabschiedete sich von Steven und ging mit Tony raus in die Einfahrt. Vor der Limousine küssten sie sich noch mal, bevor sie ins Auto einstieg.

Während der Fahrt musste sie gegen den Schlaf ankämpfen und sie war froh, als sie endlich die Tür zu ihrer Wohnung aufschloss.