Die nächsten Tage warf sie sich in Arbeit und versuchte nicht an Steven zu denken. Er hatte mehrmals versucht sie zu erreichen, aber sie wollte nicht mit ihm reden. Sie wollte ihn nicht sehen.
Tony hatte sich auch schon gemeldet. In Rio lief es wohl geschäftlich ganz gut.
Vier Tage nach dem Vorfall im Büro, lief Marissa abends alleine nach Hause. Sie hatten heute ziemlich lange gearbeitet. Und sie wollte noch ein bisschen frische Luft schnappen, da sie den ganzen Tag drinnen im Studio verbracht hatte. Sie hatte es nicht weit nach Hause, so dass sie unbedenklich laufen konnte.
Gut gelaunt bog sie in ihre Straße ein und suchte in ihrer Tasche nach dem Schlüssel. Deshalb sah sie nicht die Person, die im Dunkeln auf der Treppe vor ihrem Hauseingang saß.
Abrupt blieb sie stehen, als er auf sich aufmerksam machte.
Jetzt konnte sie nicht weglaufen.
„Was willst du hier?" fragte sie unsicher.
„Mit dir reden." Marissa konnte kaum in seine traurigen Augen blicken.
Sie seufzte und erwiderte:" Es gibt nichts zu reden."
„Von deiner Seite aus vielleicht nicht, aber von meiner schon."
„Ich möchte es aber nicht hören!" sagte sie mit lauter Stimme.
Steven sah sie an, doch Marissa blickte stur zu Boden. Nach einer Weile nickte er und meinte:" Okay, dann geh ich mal." Er lief an ihr vorbei. Marissa sah ihm nicht nach, sondern schloss schnell, die Tür auf.
In ihrer Wohnung setzte sie sich, ohne Licht zu machen, auf die Couch.
Dann klingelte es. Marissa wollte nicht aufmachen, doch jemand klingelte Sturm.
Also drückte sie auf den Knopf, der unten die Tür öffnete und machte die Wohnungstür auf.
Da stand Steven schon vor ihr. Er musste schon rein gekommen sein.
„Es ist mir egal, ob du reden willst oder nicht." Seine sanfte Stimme verursachte bei Marissa Bauchkribbeln.
Dann zog er sie ohne Worte zu sich her, nahm ihr Gesicht in seine Hände und schaute ihr tief in die Augen. Steven küsste sie zärtlich.
Marissa wehrte sich nicht, sondern erkundete langsam mit ihrer Zunge seine Lippen.
Nach einem langen Kuss ließen sie voneinander los.
Dann zog Marissa ihn in die Wohnung und dort begannen sie sich leidenschaftlich zu küssen.
Sie zog ihm die Jacke aus und knöpfte langsam sein Hemd auf. Während sie über seine Brust streichelte ging ein Zittern durch seinen Körper. Marissa lächelte ihn liebevoll an.
Dann begann auch er ihr Oberteil auszuziehen und sie an der Schulter zu küssen.
Im darauf folgenden Monat hatte Marissa besonders viel zu tun. Die Kritiker waren von ihrer Kollektion begeistert gewesen.
Auch Tony war sehr beschäftigt, da nun seine Eltern ihm langsam das Geschäft überließen.
Marissa musste mit ihrem Team nach London reisen.
Abends auf ihrem Hotelzimmer telefonierte sie mit Tony.
„Es war ein anstrengender Tag! Aber es ist alles so aufregend!"
Tony konnte in ihrer Stimme hören, wie sehr sie sich freute. Auch er war unheimlich stolz auf sie.
„Das denk ich mir. Wie sieht es dann morgen aus?"
„Morgen werden die Foto Shootings gemacht. Bin mal gespannt."
Die beiden unterhielten sich noch eine Weile.
Dann legte sich Marissa auf das Bett und zappte durch das Fernsehprogramm. Doch sie konnte sich nicht darauf konzentrieren.
Sie schmiss die Fernbedienung weg und überlegte kurz. Dann holte sie aus ihrer Reisetasche ein Päckchen heraus und ging auf die Toilette.
Kurze Zeit später kam sie bleich wieder; in der Hand einen Schwangerschaftstest. Ungläubig starrte sie auf den rosaroten Strich.
Es konnte unmöglich sein! Sie konnte doch nicht schwanger sein! Aber alle Anzeichen sprachen dafür.
Marissa ließ sich aufs Bett fallen. Dann griff sie nach ihrem Handy und wählte eine Nummer.
Nachdem sie dort angerufen hatte, fühlte sie sich schon etwas besser. Sie rutschte zurück, so dass sie mit dem Rücken an der Wand lehnte und nahm das kleine graue Stoffnilpferd in den Arm.
Rückblick
„Sieh mal, der sieht so aus wie du!" Marissa zeigte lachend auf einen Schimpansen, der auf einem Baums saß, und rannte weg.
Steven versuchte sie zu fangen. Natürlich hatte er sie gleich. Er nahm sie fest in den Arm und sagte warnend:" Sag das noch einmal!"
„Der sieht so aus wie du!"
„Das war ein Fehler! Ein sehr großer Fehler!" Steven hatte in der Hand einen Becher voll Wasser. Den nahm er nun und ließ langsam das kalte Wasser am Rücken in Marissas T-Shirt laufen. Sie schrie so laut auf, dass die Leute her schauten.
Lachend und Hand in Hand liefen sie weiter durch den Zoo.
Steven hatte sie dazu eingeladen. Er hatte sie einfach von der Arbeit weggeholt und gesagt, dass er sie in zwei Stunden wieder bringen würde.
Marissa genoss es sehr mit ihm zusammen zu sein. Sie liebte es, wie er sie zum Lachen brachte und verrückte Sachen machte.
Seit er an ihrer Wohnung aufgetaucht war, hatten sie jeden Tag und jede Nacht zusammen verbracht.
An dem Abend nach dem Zoo wartete er schon bei ihr zuhause auf sie. Er hatte zu Abend gekocht. Auf den Tisch hatte er Kerzen gestellt; sonst war kein Licht an.
Sie saßen sich gegenüber und Marissa erzählte von ihrem restlichen Tag. Steven hörte aufmerksam zu. Er hörte ihr gern zu und von ihrer Arbeit sprach sie stolz und voller Begeisterung.
Nach dem Essen zog er sie auf den Balkon und drückte sie in einen Stuhl. Dann holte er eine Decke und wickelte Marissa damit ein. Still saßen sie da und beobachteten die Sterne.
In diese Ruhe hinein klingelte das Telefon. Steven sah Marissa an, doch die ging rein.
Er konnte hören, wie sie sprach. Es war Tony, der von Rio aus anrief. Übermorgen würde er wieder kommen, doch über das hatten er und Marissa nicht geredet. Sie genossen die Zeit gemeinsam.
Sie kam wieder raus. „Es war Tony."
Steven nickte nur und zog sie auf seinen Schoß und schlang die Arme um sie. Beide blickten in den Himmel und hofften, dass dieser Moment nie enden würde.
Nach einer Weile wurde ihr kalt, deshalb gingen sie wieder rein.
Am nächsten Tag hatte sich Marissa frei genommen. Sie wollte heute nicht ins Studio.
Als sie aufwachte streckte sie die Hand zur Seite aus, doch die Seite war verlassen.
Marissa setzte sich verschlafen auf und schaute sich um. Steven lag nicht neben ihr. Aber dann ging die Schlafzimmertür auf und er kam mit einem Tablett herein. Er hatte Frühstück gemacht.
„Guten Morgen. Ausgeschlafen?" Er stellte das Tablett vor sie hin. Darauf waren Bagels, Kaffee, Marmelade und eine kleine rote Rose.
Sie gab ihm einen Kuss und antwortete:" Ja, ich hab richtig gut geschlafen."
Steven setzte sich neben sie und schaute ihr beim Essen zu.
„Ich hab noch was für dich."
„Für mich?"
„ Es ist nur eine Kleinigkeit." Er zog hinter sich etwas hervor und gab es Marissa. Es war ein kleines Stoffnilpferd. Steven musste es im Zoo gekauft haben, als sie ihm erzählt hatte, dass Nilpferde ihre Lieblingstiere waren.
„Danke." Sie hatte Tränen in den Augen.
Steven streichelte ihr liebevoll über das Gesicht und sagte:" Er heißt George."
Sie verbrachten die letzte Nacht, bevor Tony wieder kommen würde, zusammen.
Morgens wachte Marissa auf, doch da war Steven schon weg. Er musste sich leise weggeschlichen haben. Eine Weile lag sie im Bett und konnte sich nicht rühren, dann sah sie das Nilpferd auf ihrem Nachttisch liegen. Und dann flossen die Tränen.
Wie sollte sie es schaffen Tony unter die Augen zu treten? Sie hatte ihn betrogen!
Und es war ja nicht so, dass sie Tony nicht liebte, aber in ihrer Beziehung hatte irgendwas gefehlt. Und seit diesen eineinhalb Wochen mit Steven wusste sie was.
Tony achtete sie nicht so. Für ihn war seine Arbeit wichtig. Diese kam an erster Stelle, dann kam irgendwann Marissa. Er hörte ihr nicht zu, war überhaupt nicht interessiert an Dingen, die nichts mit ihm zu tun hatten.
Sie musste sich aufrappeln und Tony vom Flughafen abholen. Dieser freute sich sie zu sehen und Marissa lächelte gequält. Er wollte gleich zu seinen Eltern fahren, um diesen von den Erfolgen genausestens zu berichten. Sie sagte nichts dagegen, also fuhren sie zu den Matkins.
Doch dort wollte sich auch gerade Steven verabschieden. Marissa hatte nicht mehr damit gerechnet, ihn zu sehen. Tony begrüßte seine Eltern und umarmte seinen Bruder. Sie stand etwas abseits und beobachtete nervös die Szene.
„Was machst du denn hier, Bruderherz?" fragte Tony.
„Ach, ich hatte geschäftlich was zu erledigen. Aber heute reise ich wieder ab."
„Ach schade. Jetzt wo ich gerade gekommen bin. Wir hätten doch noch was unternehmen können."
Steven vermied es Marissa anzuschauen und meinte:" Nein, ich kann wirklich nicht. Die Dinge hier haben sich erledigt und ich muss wieder nach Florida."
Marissa atmete tief ein und hatte Mühe nicht in Tränen auszubrechen und hier und jetzt einfach alles zu beichten. Doch Steven hatte gemeint, dass es besser so wäre.
Dann wollte Tony heimfahren und auspacken. So verabschiedeten sie sich von Steven, der auch wieder abreisen würde.
„Ach, ich muss noch Unterlagen von meinen Eltern mitnehmen", sagte Tony und ging mit seinen Eltern in deren Büro. So waren Steven und Marissa allein im Esszimmer.
Keiner von beiden sagte etwas, sie schauten sich nur an.
Marissa streckte die Hand aus und Steven nahm sie. Mit dem Daumen streichelte er sie und wendete den Blick nicht von ihr ab. Marissa hatte das Gefühl in diesen Augen zu ertrinken, und nicht ohne sie leben zu können.
Dann hörten sie die Stimmen von Tony und den Eltern wieder näher kommen, doch erst als die Tür aufging ließen sie voneinander los.
„Also, dann schau mal, dass du uns wieder besuchst." Tony umarmte draußen vor Marissas Auto noch mal seinen Bruder.
„Machs gut", sagte Marissa mit erstickter Stimme und umarmte Steven. Er schloss die Augen und sog tief ihren Geruch ein, um ihn sich einzuprägen. Der Duft nach Vanille von ihrem Haarshampoo.
In ihrer Wohnung angekommen, ging Tony erstmal unter die Dusche. Währenddessen saß Marissa auf dem Balkon. Da fiel ihr auf, dass etwas in dem Blumenkasten steckte. Anderen wäre es nicht aufgefallen, aber sie sah es. Beim Nähergehen konnte sie erkennen, dass es ein zusammengerollter Briefumschlag war. Schnell zog sie ihn heraus und steckte ihn ein.
Marissa machte die Balkontür auf und konnte hören, dass Tony noch duschte. Mit zittrigen Fingern öffnete sie den Brief.
Hy mein kleiner Käfer!
Wenn du den Brief liest, wirst du wahrscheinlich auf dem Balkon sitzen und Trübsal blasen. Aber das möchte ich nicht. Du bist so schön, wenn du lächelst!
Lächle also für mich! Lächle, wenn du an unsere Zeit zurück denkst!
Ich hab noch nie so eine Frau, wie dich kennen gelernt. Du bist einzigartig! Und
wundervoll!
Diese eineinhalb Wochen waren die schönsten in meinen Leben. Nie hätte ich gedacht,
dass du auch für mich so empfindest. Ich möchte mich für diese schöne Zeit bei dir
bedanken.
Du bist das Beste, was mir je passiert ist!
Ich liebe Dich!
Steven
P.S.: George passt jetzt auf dich auf!
