Am nächsten Morgen ging Summer schlechten Gewissens zur Arbeit, aber Marissa hatte gesagt, dass sie gehen soll. Sie würde sich schon beschäftigen; Summer solle sich keine Sorgen machen, es würde ihr gut gehen.

Marissa schlief auch an diesem Tag lange. Sie hatte mit Seth wieder das Zimmer getauscht.

Mittags wollte sie ihre Mutter und die Cohens besuchen.

Doch als sie an der Tür an der riesigen Villa klingelte, machte nur die Haushälterin auf. Sie sagte, dass Julie und Caleb bei der Arbeit wären.

Marissa fragte sich, wo ihre Mutter gerade arbeitete, aber vielleicht musste sie wieder irgendein Event organisieren. Also lief sie weiter zu den Cohens.

Nach den Autos in der Einfahrt mussten Sandy und Kirsten zuhause sein. Nach dem Klingeln hörte sie, dass jemand zur Tür lief.

Sandy machte auf. Im ersten Moment stutzte er, als er Marissa sah, doch dann umarmte er sie herzlich.

„Marissa, was führt dich denn hierher?"

„Ach, ich bin eine Weile bei Summer. Und gerade wollte ich meine Mum besuchen, aber die ist nicht zuhause."

Sandy bat sie in das Haus. Sie gingen auf die Terrasse, wo Kirsten saß und Zeitung las.

„Marissa!" rief sie, als die beiden auf sie zu liefen. Auch sie umarmte Marissa.

„Setz dich. Möchtest du etwas?"

„Nein, danke."

„Was machst du in Newport?"

„Ich besuche für eine Weile Summer. Und jetzt war ich auf dem Weg zu meiner Mum, aber die war nicht da."

„Ja, die ist in der Firma", meinte Kirsten lächelnd, „ Sie muss irgendwas für die Zeitschrift vorbereiten."

„Und du nicht?" fragte Marissa.

„Nein, ich hab mir heute einen Tag frei gemacht." Kirsten zwinkerte ihr zu.

Die drei redeten noch eine Weile. Sandy und Kirsten fragten nach Marissas Job und wie es zur Zeit lief.

Dann verabschiedete sich Marissa wieder von den beiden, mit dem Versprechen noch mal mit Summer und Seth vorbeizuschauen.

Marissa schlenderte die Straße runter. Sie warf keinen Blick auf das weiße Haus zu ihrer rechten Seite, sondern ging schnell weiter.

Doch sie war nicht mal über die Kreuzung rüber, als sie ihren Namen hörte. Marissa drehte sich um, sah aber niemanden.

„Marissa!"

Wer schrie da ihren Namen? Und dann sah sie Ryan mit seinem Fahrrad näher kommen. Er war wohl aus seiner Einfahrt herausgekommen.

Auch das noch, dachte Marissa. Aber zur Flucht war es zu spät.

Er hielt vor ihr an.

„Hy!"

„Hy Ryan."

Er sah sie besorgt an, aber er stellte fest, dass sie um einiges besser aussah, als an dem Abend an dem sie gekommen war.

„Wo gehst du hin?" fragte er.

„Ich wollte wieder zu Summer und Seth."

„Und von wo kommst du?" Ryan blickte die Straße hinauf.

„Ich war bei Kirsten und Sandy."

„Ach, da wollte ich auch gerade hin."

„Musst du nicht arbeiten?"

„Ich habe mir heute frei genommen."

Marissa wusste nicht mehr, was sie mit Ryan reden sollte, also sagte sie:" Ich geh dann mal weiter. Vielleicht sehen wir uns." Sie wollte schon weiter laufen, als er sie aufhielt.

„Warte!"

Marissa schloss die Augen.

„Wie geht es dir?" fragte er zärtlich.

„Es geht mir gut", antwortete sie etwas schroff.

Ryan gab sich damit nicht zufrieden. Er ging mit seinem Fahrrad auf sie zu, so dass er vor ihr stand. Doch Marissa wich seinem Blick aus. Er neigte den Kopf und schaute sie fragend an.

Sie hob langsam den Kopf und da waren sie! Diese eisblauen Augen!

Sie hatte vergessen, welche Wirkung sie haben konnten. Oder einfach auch nur verdrängt.

Der Moment dauerte nicht lange, denn plötzlich hupte es. Ein silbernes Cabrio fuhr auf sie zu. Die beiden standen mitten auf der Straße. Das Auto hielt an und da erkannte Marissa, wer auf der Fahrerseite saß.

„Ryan, was machst du denn hier?" fragte Cate. Sie hatte ihn eigentlich bei der Arbeit vermutet.

„Ich, ähm, ich hab mir heute frei genommen."

„Schön, dann können wir ja noch gemeinsam etwas unternehmen."

„Ich wollte eigentlich Sandy und Kirsten besuchen."

Cate zog eine Schnute, meinte aber:" Gut, ich warte zuhause." Dann fiel ihr Blick auf Marissa, die eigentlich nur weg wollte.

Cate hob die Sonnenbrille, um Marissa genauer anzusehen. Diese kam sich ziemlich blöd vor. Ihre Haare hatte sie locker zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden. Sie war nicht geschminkt und hatte nur eine kurze Hose und ein Shirt übergezogen. Zu mehr konnte sie sich gerade nicht aufraffen.

„Bis nachher, honey!" sagte Cate noch, bevor sie los fuhr. Ryan sah ihr hinterher, wie sie in die Einfahrt einbog.

Dann drehte er sich zu Marissa um, doch der Moment war kaputt.

„Ich muss jetzt wirklich gehen", sagte sie nach einem kurzen Moment der Stille.

„Ja, ich auch."

„Gut, bis dann."

„Bye."

Marissa lief eilig die Straße hinunter, während Ryan ihr hinterher schaute. Dann radelte er die Straße hinauf zu den Cohens.

Marissa kam völlig aus der Puste am Strand an. Dort setzte sie sich in den warmen Sand. Einige Jugendliche spielten Volleyball, andere surften im Wasser. Manches würde sich einfach nie verändern.

Sie hatte in den letzten Jahren immer an Ryan gedacht und Angst vor ihrer Begegnung gehabt. Nach all der Zeit hatte sie manches vergessen, vor allem wie er sie anschauen konnte.

Er hatte sich nicht allzu sehr verändert.

Doch ansonsten hatte sich alles verändert. Es war nichts mehr so wie früher. Was für ein tolles Team sie alle vier doch gewesen waren und wie viel Spaß sie doch auch hier gehabt hatten. Die Zeit war so lange her.

Als sie ein Pärchen im Teenageralter Hand in Hand und herumalbernd vorbeilaufen sah, bedauerte sie es, dass sie nicht mehr so sein konnte.

Noch eine Weile saß Marissa ihren Gedanken nachhängend am Strand.

Dann lief sie zurück zum Haus, wo Summer schon auf sie wartete.

Beim Abendessen war Marissa ziemlich still. Auch Seth und Summer wussten kein Gesprächsthema, also aßen sie schweigend.

„Wo hat er denn diese Cate kennen gelernt?"

Vor Schreck ließ Summer ihre Gabel fallen. „Tschuldigung."

Marissa sah sie skeptisch an.

„Cate? Wo sie sich kennen gelernt haben? Das willst du wissen?" fragte Seth unsicher. Er fand das überhaupt keine gute Idee.

„Hmh."

Also fing Seth zu erzählen, von der Promotion- Party zu Atomic County.

Marissa hörte ihm mit reglosem Gesicht zu.