Ryan saß in seinem Büro über einigen Entwürfen. Im Hintergrund lief leise Musik. Seit langem hörte er wieder Journey. Eigentlich war es sieben Jahre her, seit er diese CD gehört hatte.
Er konnte sich überhaupt nicht konzentrieren, also setzte er sich auf das dunkelbraune Ledersofa und rieb sich die Stirn.
Im Haus war es sonst still. Cate war mit ihren Freundinnen weg und suchte irgendwelche Sachen für ihre anstehende Geburtstagsparty aus. Ryan lauschte den Klängen der Musik und schloss die Augen.
Gestern Mittag auf der Straße, das war ein seltsamer Moment gewesen. Es war als wären sie in eine andere Zeit gerutscht. Er hatte sich gefühlt wie früher, als Marissa noch hier gewesen war. Als alles noch anders gewesen war.
Oh mein Gott, wie lange ist das schon her, dachte Ryan und schüttelte den Kopf.
Dann stand er auf und ging an einen Schreibtisch. Dort holte er aus einer Schublade, unter lauter Papieren einen Schlüssel heraus. Mit diesem ging er an das Regal, das sich über eine ganze Wand des Zimmers erstreckte. Ryan öffnete eine Schranktür; darin befanden sich einige Bücher. Diese räumte er zur Seite und dann kam noch ein kleines Türchen zum Vorschein. Mit dem Schlüssel machte er das Türchen auf und langte nach einer kleinen Schachtel.
Er setzte sich mit der Schachtel auf den Boden. Langsam hob er den Deckel. Zuoberst lag eine CD. Auf der Hülle waren er und Marissa zu sehen und darauf stand: Es gibt nur dich und mich! Für immer!
Ryan nahm die CD aus der Hülle und legte sie in die Stereoanlage. Dann wurden die ersten Töne zu „Forever Young" angespielt. Ein Zittern durchfuhr ihn. Das Lied war für ihn mit ungeheuren Erinnerungen verbunden. Er musste die Stop-Taste drücken.
Dann fuhr er fort den Inhalt der Schachtel herauszuholen. Heraus kamen alte Bilder von ihm und Marissa. Irgendwann hatte er sie alle hier rein gelegt und weggeschlossen. So, hatte er gedacht, würde er mit diesem Abschnitt in seinem Leben abschließen können.
Doch heute hatte ihn das Gefühl übermannt, dass das vielleicht doch nicht so war.
„Ryan! Bist du endlich soweit?" rief Cate in Richtung Badezimmer. Kirsten und Sandy hatten sie zum Essen eingeladen und sie waren schon spät dran.
„Ich komme ja schon." Ryan kam ins Schlafzimmer, wo Cate vor dem Spiegel stand und sich begutachtete.
„Und wie seh ich aus?"
„Toll! Ein neues Kleid?" Er küsste sie auf die Wange.
„Ja, das haben wir gestern gekauft."
„Aha, neben all den Servietten und Dekoartikeln."
„Genau." Sie lächelte ihn an. „Du weißt doch, wenn Frauen shoppen gehen."
Er nickte nur grinsend.
Bei den Cohens angekommen blickte Ryan verdutzt auf Summer und Seth, die am Esstisch saßen.
„Ihr auch hier?"
„Ja, wusstest du das nicht?" fragte Seth.
„Nein, das hat man uns verschwiegen." Ryan setzte sich gegenüber von ihm. Nervös schaute er sich um.
Seth, der seinen Blick bemerkt hatte, sagte leise:" Marissa ist nicht hier."
Ryan war beruhigt, denn auf ein Zusammentreffen zwischen ihr und Cate war er nicht unbedingt versessen.
„Also Mum hat heute gekocht, ich hoffe wir überleben den heutigen Abend", witzelte Seth.
„Cohen!" Summer stieß ihn in die Rippen.
„Danke Summer", sagte Kirsten und trug das Essen auf.
„Mum, das war nicht böse gemeint, aber ich muss mich erst an deine Kochkünste gewöhnen. Ich bin einfach zu viele Jahre was anderes gewöhnt gewesen." Alle am Tisch lachten, auch Kirsten.
Später räumten Sandy und Kirsten das Geschirr in die Küche. Summer half ihnen. Plötzlich klingelte Cates Handy.
„Entschuldigt mich", sagte sie, stand auf und ging raus auf die Terrasse.
„Wo ist Marissa?" fragte Ryan Seth.
Dieser sah ihn stirnrunzelnd an.
„Nicht das, was du denkst. Nur würde ich es gerne vorher wissen, wenn wir zusammen eingeladen sind, denn ich halte es für keine gute Idee, wenn sich die beiden jetzt kennen lernen"
„Aha."
„Seth! Ach vergiss es!"
„Nein, ich versteh dich schon", Seth grinste, „ Wir haben Marissa nicht gesagt, dass wir heute zusammen mit euch zum Essen hier sind. Sie wollte sowieso zu Julie, also war das geschickt. Summer hätte mich umgebracht, wenn ich ihr etwas erzählt hätte. Sie denkt, dass Marissa noch nicht so weit ist, auf Cate zu treffen."
„Das ist sie schon."
„Wo? Und wann?" Marissa hatte gar nichts erwähnt.
„Gestern Mittag. Da hab ich sie zufällig auf der Straße getroffen und Cate kam dann mit dem Auto angefahren. Das wars schon."
„Gut."
Da kam auch Cate wieder rein.
„Oh man, wenn man nicht alles selbst macht", sagte sie genervt und setzte sich wieder neben Ryan.
„Wer war das denn?"
„Ach, ein Florist wegen meiner Party morgen Abend."
Seth sah sie mit großen Augen an. Was Frauen für Probleme hatten. Blumen, die zum Lippenstift passen mussten. Aber eigentlich hatte Cate diese Probleme öfter. Gott sei Dank ist Summer nicht so.
„Soll ich dir eigentlich morgen etwas helfen?" fragte Kirsten.
Cate überlegte und antwortete:" Im Großen und Ganzen ist alles organisiert, aber vielleicht wäre es nicht schlecht noch jemanden dabei zu haben. Damit haben wir besser den Überblick."
Dann klingelte es an der Haustür.
„Nanu, wer kommt denn jetzt?" Sandy schaute fragend in die Runde und lief dann zur Tür.
„Hy Sandy!" begrüßte ihn Marissa, als er die Tür geöffnet hatte.
„Marissa!" rief er laut, „Was machst du denn hier? Ich dachte du bist bei Julie?"
Sie sah ihn misstrauisch an, weil er so laut schrie.
„Ja, da war ich auch. Aber ich hab gedacht, dass ich noch kurz bei euch vorbeischaue."
Die anderen hatten Sandy vernommen und als Summer den Namen Marissa hörte, sagte sie leise: „Oh nein". Sie schaute nervös zu Seth, aber der zuckte nur mit den Schultern. Sie hörten das Lachen von Marissa und Sandy näher kommen.
„Hallo" sagte sie, als sie zu den anderen stieß. Doch das Lächeln verschwand urplötzlich aus ihrem Gesicht, als sie sah, wer außer Summer und Seth am Tisch saßen.
„Komm setz dich doch", versuchte Sandy die Situation zu retten.
Marissa setzte sich neben Summer. Diese streichelte ihr kurz über den Rücken.
„Haben wir uns nicht gestern schon mal gesehen?" fragte Cate gleich.
„Hmh."
„Ich bin Cate und wer sind sie?"
„Das ist Marissa. Eine alte Freundin von mir", antwortete Summer schnell.
„Sie wohnen aber nicht hier in Newport, oder? Denn ich hab sie noch nie gesehen?" Cate war neugierig, denn sie wollte wissen, wer diese Frau war, die so selbstverständlich hier reinplatzte.
„Nein, ich wohne in New York."
„Ah, in New York. Wie schön!" Und sofort fing Cate an zu erzählen, wie oft sie schon in New York gewesen war und wen sie dort alles getroffen hatte.
„Und was machen sie beruflich?"
„Ich bin Modedesignerin."
„Oh je, in so einer Stadt wie New York, hat man da überhaupt Chancen als Designerin?"
„Ich würde schon sagen."
„Bei wem arbeiten sie dann?"
„Sagt ihnen „Macoo" was?"
„Ja, davon hab ich schon mal gehört, glaube ich."
„Das Modelabel gehört mir." Marissa blitzte sie an. Sie konnte diese Frau nicht leiden, schon allein, weil sie sich hier für irgendwas rechtfertigen musste.
Doch Cate war nun etwas sprachlos.
„Sandy, Kirsten ich werde dann mal wieder aufbrechen", sagte Marissa und erhob sich von ihrem Stuhl.
„Aber du musst doch nicht gehen", sagte Kirsten entrüstet. Aber Summer hielt das für die beste Idee, denn sonst würde es hier noch Tote geben.
„Seth, ich denke wir sollten auch mitgehen. Ich bin müde."
„Äh ja. Gute Idee." Seth stand schnell auf. Er wollte nur aus dieser peinlichen Situation weg.
Ryan hatte die ganze Zeit nichts gesagt; er hatte nicht mal Marissa angeschaut. Aber jetzt, als sie neben Sandy stand, blickte er hoch zu ihr. Er musste unwillkürlich grinsen. Ihr Gesichtsausdruck war trotzig.
Doch auch sie wich seinem Blick aus. Marissa spürte, dass er sie anschaute, aber sie wollte nicht seine blauen Augen ansehen.
Cate musterte Marissa. Im Trainingsanzug stand diese hier bei den Cohens. So sah Cate nur aus, wenn sie im Fitnessstudio war, ansonsten würde sie nie so rumlaufen.
Marissa, Summer und Seth verabschiedeten sich.
Cate mahnte dann auch zum Aufbruch, denn der nächste Tag würde stressig für sie werden.
Ryan und sie liefen schweigend nach Hause.
„Ich wusste gar nicht, dass sie eine Designerin ist und ihr eigenes Label hat", meinte Cate nach einer Weile.
„Ich auch nicht."
Als sie vor ihrer Haustür angekommen waren und Ryan nach dem Schlüssel suchte, fragte sie:" Ist sie mit euch in die Schule gegangen? Oder woher kennt sie Sandy und Kirsten so gut?"
Er schloss die Tür auf und sie traten in die Einganshalle. „Ja, sie ist hier geboren und mit uns auf die Highschool gegangen."
„Aha", sagte Cate nur und hängte ihren Mantel an die Garderobe.
