Am nächsten Tag betrat Marissa die Halle von der Newport Group. Julie hatte sie zum Lunch eingeladen und sollte sie hier abholen.

Sie war hier noch nie gewesen und staunte nicht schlecht bei dem imposanten Anblick. Alles war aus Glas und man konnte ganz hinauf bis ans Dach sehen.

Den Pförtner fragte sie nach ihrer Mutter. Dann stieg sie in den Aufzug und fuhr nach oben. In der 11. Etage musste sie aussteigen. Marissa machte sich auf den Weg das Büro ihrer Mutter zu suchen.

Aber da sie schon wieder die Beschreibung des Pförtners vergessen hatte, irrte sie durch den Gang. Leider kam ihr auch keiner entgegen, denn sie hätte fragen können. Dann drehte sie sich um, um in die andere Richtung zu gehen. Da stieß sie mit jemandem zusammen.

„Oh, Entschuldigung", sagte sie und wich einen Schritt zurück.

„Ach macht nichts", antwortete die andere Person.

Dann blickte sie auf und sah genau in Ryans Augen.

„Hey, was machst du denn hier?" fragte er verwundert.

„Oh, ich wollte meine Mum abholen. Wir hatten uns zum Lunch verabredet." Marissa spielte an ihrem Ring.

„Aha, und was machst du dann hier?"

„Nun ja, eigentlich finde ich ihr Büro nicht."

Ryan lächelte und sagte:" Deswegen irrst du hier rum. Ihr Büro liegt genau auf der anderen Seite."

„Weit weg von dir, oder was?" Marissa grinste ihn an.

„Wenn du es genau wissen willst. Ja. Kirsten und mein Büro liegen hier. Julie hat sie etwas aus ihrer Reichweite einquartiert."

Beide lachten.

„Ähm gut", Marissa wusste nicht, was sie sagen sollte, „ich geh dann mal zu ihr."

„Okay, mach das. Ich wünsch dir viel Spaß. Wir sehen uns ja heute Abend, oder?"

„Ja, ich denke schon." Und dann lief sie den Gang hinunter.

Ryan sah ihr nach. Heute Abend war Cates Geburtstagsparty und Summer hatte gefragt, ob Marissa auch kommen könnte.

„Wow, ihr seht ja super aus!" Seth blickte anerkennend die zwei Frauen an. Marissa und Summer hatten sich für die Party schick gemacht.

„Danke", sagte Summer und küsste ihn.

Marissa freute sich über das Kompliment. Es hatte ihr auch richtig gut getan, sich wieder zurecht zu machen. Schließlich wollte sie bei der Party nicht wie der letzte Penner aussehen. Deshalb war sie mittags noch beim Friseur gewesen. Sie hatte sich ein Kleid aus ihrer neuesten Kollektion ausgewählt, das sie noch in New York eingepackt hatte.

Bei der Villa angekommen, war schon mächtig was los.

„Cate kennt wohl viele Leute?" fragte Marissa.

„Ich denke, sie hat eben alle eingeladen. Schließlich wird das morgen in der Zeitung stehen", antwortete Summer mit einem leicht spitzen Unterton.

Sie betraten das Haus.

„Oh mein Gott!" Seth stand mit offenem Mund da. Das ganze Haus war voll mit Leuten und man konnte sehen, dass im Garten auch einiges los war. Außerdem hatte es Cate etwas gut gemeint mit der Dekoration. Hier war wirklich alles aufeinander abgestimmt.

Ein Kellner kam bei ihnen vorbei und die drei nahmen sich ein Glas Champagner.

„Komm, wir gehen raus", sagte Summer.

Draußen spielte auf einer kleinen Bühne eine Band.

„Wie sieht das erst bei ihrer Hochzeit aus?" Seth war völlig baff bei diesem Anblick.

Sie erblickten Sandy und Kirsten und gesellten sich zu ihnen.

„Na endlich jemand, den ich kenne", begrüßte Sandy die drei erleichtert.

Nach einem Moment, in dem sich jeder umschaute, meinte Summer:" Hier ist ja wirklich alles vertreten. Ganz Newport muss verlassen sein, denn die ganzen Leute haben sich hier versammelt."

Marissa sagte nichts.

„Geht's dir gut?" fragte Summer sie besorgt. Tony hatte kurz zuvor angerufen und so wie sie gehört hatte, hatten die beiden miteinander gestritten.

„Ja, mir geht's gut." Marissa lächelte sie an. Sie wusste, dass Summer den Streit mit Tony gehört hatte, aber an den wollte sie jetzt nicht denken.

„Ach, hallo! Schön dass ihr da seid!" Cate begrüßte Sandy, Kirsten, Seth, Summer und Marissa überschwänglich. „Vor lauter Leute hab ich euch gar nicht gesehen." Diese gratulierten ihr noch zum Geburtstag.

Cate hatte ein eisblaues, ins Graue übergehendes, langes Kleid an. Oben hatte es eine eng anliegende Korsage und der Rock hatte eine lange Schleppe. Er hatte viele kleine Lagen aus Chiffon. Sie sah bezaubernd aus, dass musste auch Marissa zugeben.

„Aber entschuldigt mich wieder. Ich muss meine Gäste begrüßen." Und dann war sie auch schon wieder weg.

Summer verdrehte die Augen.

Ryan hatten sie bis jetzt noch nicht gesehen, aber bei diesem Getümmel war das auch nicht verwunderlich.

Sandy und Kirsten waren auf der Tanzfläche. Dann spielte die Band ein langsames Lied.

„Möchtest du tanzen?" fragte Seth seine Freundin. Diese blickte kurz zu Marissa, aber die nickte und lächelte. Also zogen die beiden auch davon.

Marissa schaute zu, wie Seth Summer zu sich her zog und sie sich eng umschlungen zu der Musik bewegten.

Ryan beobachtete sie schon eine Weile. Er stand gegenüber vom Pool, in der Hand ein Glas Champagner. Sie lehnte an der Bartheke und schaute auf die Tanzfläche zu Summer und Seth.

Sie sah heute wunderschön aus. Ihre Haare hatte sie hochgesteckt. Sie hatte ein dunkelrotes enges Kleid an, das erst an den Knien auseinander ging. Durch die Korsage waren ihre Schultern frei. Und ihr zarter Hals kam zur Geltung.

Es war lange her, als Ryan sie das letzte Mal in einem Abendkleid gesehen hatte. Seit Marissa hier war, hatte sie sich nicht zurechtgemacht. Für Cate wäre das unvorstellbar gewesen, ungeschminkt aus dem Haus zu gehen.

Langsam lief er um den Pool herum. Immer wieder wurde er von Leuten angehalten, die ihn begrüßten und mit ihm redeten.

Marissa folgte ihm verstohlen mit ihren Blicken. Man musste es ihm lassen, im Anzug sah er einfach gut aus. Sein Gegenüber musste etwas Lustiges gesagt haben, denn Ryan lachte herzlich.

Sie drehte sich um und bestellte einen Cocktail. Plötzlich spürte sie, dass jemand hinter ihr stand. „Hey", flüsterte Ryan.

Sein Atem kitzelte sie im Nacken und sie bekam eine Gänsehaut.

„Hey", sagte sie und drehte sich zu ihm um.

„Na, gefällt es dir hier?"

„Ja, es ist… nett." Marissa nahm einen Schluck von ihrem Cocktail.

Er lachte:" Nett ist genau das passende Wort."

„Nun, um ehrlich zu sein, fühl ich mich leicht fehl am Platz." Sie nahm die Erdbeere vom Glas und biss genüsslich davon ab.

Ryan musste schnell den Blick von ihren roten Lippen abwenden.

„Du siehst übrigens toll aus."

„Wow! Ein Kompliment von Ryan Atwood! Da hat sich ja was getan bei dir."

„Auch ein Atwood kann zu einem Gentleman werden."

Marissa lachte.

„Das Haus ist ja riesig", sagte sie und ließ den Blick schweifen.

„Ja, das stimmt. Etwas zu groß, aber passt nach Newport. Soll ich es dir zeigen?"

„Gerne."

Gemeinsam gingen sie rein und er führte sie durch das Haus.

Das letzte Zimmer, das er ihr zeigte, war sein Büro.

„Das ist schön."

„Danke. Hier durfte ich auch meiner Kreativität freien Lauf lassen. Oder besser gesagt, hier hatte ich das sagen."

Marissa schaute sich im Zimmer um; man konnte sehen, dass Ryan hier seinen Geschmack ausgelebt hatte.

Einige Zeichnungen von Seth hingen an den Wänden, aber auch Bilder. Marissa ging zu dem großen Regal und schaute die Bilder an, die dort standen. Auf einigen waren Cate und er zu sehen. Aber es waren auch Fotos von Summer und Seth und Kirsten und Sandy mit dabei. Und auf einem Bild war sogar sie darauf. Es war auf dem Jahrmarkt, von der Highschool, entstanden. Sie standen alle vier vor dem Riesenrad und lachten in die Kamera.

Ja, das Riesenrad. Hier hatten sie sich zu ersten Mal geküsst. Marissa musste bei diesem Gedanken grinsen, denn Ryan hatte unglaubliche Höhenangst und damals war er trotz dieser Angst zu ihr eingestiegen.

„Geht es dir gut?" Er war näher gekommen und hatte sie beobachtet, wie sie die Bilder angeschaut hatte.

„Ja, wieso sollte es mir nicht gut gehen?"

Ryan schaute sie mit diesem bestimmten Blick an.

Langsam füllten sich ihre Augen mit Tränen.

Er war bestürzt, denn er wollte nicht, dass sie weinte. Doch dann klingelte in ihrer Handtasche das Handy. Schnell zog Marissa es heraus, aber als sie sah, wer anrief, steckte sie es wieder in ihre Tasche.

„Sorry, aber es ist besser, wenn wir wieder zu den anderen gehen", sagte sie und seufzte.

„Okay." Sie gingen wieder hinaus, wo Ryan gleich von Cate abgefangen wurde.

„Hey, wo warst du denn?" Sie küsste ihn leidenschaftlich auf den Mund. Marissa lief weiter zu Summer und Seth.

„Ich würde gern nach Hause gehen."

„Coop, was ist denn?"

„Nichts, aber ich würde einfach gern von hier weg."

„Warte, ich geh mit."

„Nein, brauchst du nicht. Ich wollte es euch nur sagen."

Summer wollte ihr hinterher, aber Seth hielt sie fest.

„Lass sie. Sie möchte alleine sein."

„Aber…"

„Sie wird nach Hause gehen. Und wir werden sowieso auch bald diese Party verlassen, aber jetzt bleiben wir noch hier. Du kannst ihr nicht immer hinterher rennen."

Sie nickte einsehend.

Kurze Zeit später kam Ryan zu den beiden.

„Wo ist Marissa?"

„Sie ist nach Hause gegangen?" antwortete Summer.

„Nach Hause?"

„Ja, ihr war nicht gut."

„Nicht gut. Hmh, deswegen hat sie vorhin auch fast geweint."

„Geweint? Wann?"

„Sie hat nicht geweint, aber Tränen hatte sie in den Augen. Und dann hat das Handy geklingelt. Sie hat geschaut, wer anruft, ist aber nicht ran und wollte wieder nach draußen."

Seth und Summer wechselten vielsagende Blicke, doch sie wollten Ryan nichts von Marissas Fehlgeburt und ihren Problemen erzählen.