Die nächsten zwei Wochen verbrachte Marissa mit Nichtstun. Sie genoss es sehr, so weit weg von ihrem Alltag zu sein und sie fühlte sich wohl in Newport. Es kam ihr vor, als wäre sie nie weg gewesen. Aber sie wusste auch, dass es nicht ewig so bleiben konnte. Schließlich wartete in New York ein Modelabel auf sie.
Freitags besuchte sie mal wieder ihre Mutter im Büro. Es war schon fast beängstigend, wie viel Julie arbeitete. Aber sie schien Spaß in ihrem Job zu haben und Marissa war froh, dass sie sich etwas gewandelt hatte.
Sie stieg aus dem Lift aus. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr stellte sie fest, dass sie noch zu früh war. Ihre Mutter hatte bis halb eins ein Meeting und jetzt war es erst kurz nach zwölf.
Unsicher stand Marissa auf dem Flur, aber nach einem Moment des Zögerns lief sie nach links.
„R. Atwood, Architekt" stand auf dem metallenen Schild an der Tür. Sachte klopfte sie.
„Herein", kam es von drinnen. Marissa öffnete langsam die Tür.
Ryan stand über den großen Mahagonitisch gebeugt. Er sah auf, als die Tür aufging und war überrascht Marissa zu sehen.
„Hallo!"
„Hy!" Sie trat ein. „Schönes Büro."
„Danke."
„Und eine tolle Aussicht." Sie ging näher an die riesigen Glasfenster hin. Man hatte ungehinderten Blick auf das Meer.
„Was verschafft mir die Ehre?"
„Ach, ich wollte zu meiner Mum, aber sie hat noch ein Meeting."
„Und da dachtest du, dass du mich besuchen könntest?"
„Ja, warum nicht?" Sie ließ es so selbstverständlich wie möglich klingen. „Woran arbeitest du?" Marissa schaute auf die Pläne, die auf dem Tisch lagen.
„Das sind Entwürfe für ein paar Häuser. Aufträge."
„Darf ich?" fragte sie und nahm eine Zeichnung in die Hand.
„Klar."
Marissa sah sich den Plan an, aber es war nur der Grundriss eines Hauses.
„Ich kann nicht viel erkennen, aber auf jeden Fall wird es groß."
„Ja, ungefähr so, wie das Haus deiner Mutter."
Sie blätterte die anderen Pläne durch. Bei manchen waren auch schon die Seitenansicht des Hauses dabei und die Skizze in Farbe.
„Das ist ja schön!"
Ryan stutzte, als er sah, welches sie meinte.
„Die haben mal wirklich einen guten Geschmack."
„Das gefällt dir?"
„Ja, es scheint nicht so protzig wie die anderen zu sein."
„Du kannst ein Modell auf meinem Computer davon anschauen."
Er lief zu seinem Schreibtisch und zeigte ihr das 3D-Modell, das er von diesem Haus gemacht hatte.
Auf der einen Seite hatte es eine Veranda. Da es am Hang lag, war der eine Teil des Hauses einstöckig und der andere sogar teilweise dreistöckig.
„Aber die Farbe, die du ausgewählt hast, gefällt mir nicht."
„Und was gefällt dir dann?" Ryan zeigte ihr die Farbpalette, mit der sie die Farbe ändern konnte.
Sie entschied sich für einen warmen Gelbton. „Das ist schön."
Ryan musste ihr zustimmen. Die Farbe passte besser zu dem Haus und den weißen Fenstern.
„Und hier würde ich lieber die Küche hin machen."
„Hey, willst du meine Fähigkeiten etwa untergraben?" witzelte er.
„Nein, aber finde ich von der Aufteilung irgendwie besser. Zumindest, wenn es mir gehören würde."
Er sah sie nachdenklich an. Bis sie plötzlich auf die Uhr und schaute und erschrak, dass es schon so spät war.
„Oh Gott, meine Mum wartet auf mich! Ich muss gehen! Bye!" Und sie rannte aus seinem Büro.
Ryan saß noch einen Moment vor dem Computer und schaute das Modellhaus an.
Was für ein Zufall das gewesen war. Das Haus war kein Auftrag, sondern hier hatte er einfach ein bisschen herumexperimentiert. Doch dann hatte es ihm so gut gefallen. Cate hatte er es nicht gezeigt, denn für sie war es nicht protzig genug.
Und zufällig heute hatte er es wieder hervorgeholt und dann war Marissa hereingekommen und ihr hatte es sofort gefallen!
