singvogel: Also, Carima fällt ihn Ohnmacht, deswegen bekommt sie ja nicht so genau mehr mit, wer eigentlich ihre Retter sind/waren. Hoffentlich gefällt dir meine Fortsetzung.
4. Kapitel
In dieser Nacht brachten die drei Gefährten fast fünfundzwanzig Meilen hinter sich. Mittlerweile trug nicht mehr der Waldläufer die kleine Diana vor sich auf dem Pferd, sondern Artemis. Entreri hatte seinen Umhang, wie zuvor schon Drizzt, um sich geworfen und in einer kleinen Mulde lag der Säugling. Das Kind schlief ruhig während sie eine Meile nach der anderen zurücklegten.
Artemis überkam das Gefühl, ein kleines Wesen, das so unschuldig und zerbrechlich war, beschützen zu wollen. Seit er Diana das erste Mal am Vormittag auf seinem Schoß hatte und er an seine eigene Kindheit denken musste, wollte Entreri das Baby jetzt behüten. Vielleicht war es ein Wink des Schicksals. Er wurde alt, die Jahre waren so schnell an ihm vorbei gezogen, dass er sich nie Gedanken um seine weitere Zukunft machte. Doch nun, als er vor fünf Jahren mit dem ehemaligen Söldnerführer sich von einem Abenteuer in das nächste stürzte, hatte sein Alter sich bemerkbar gemacht. Seine Schnelligkeit ließ nach, zum Glück aber nicht sein Geschick. Dabei war Jarlaxle der Selbe geblieben. Sein Aussehen war stets dass eines gut aussehenden Drows und sein Kampfgeschick war fortwährend das Gleiche.
Zugleich war Drizzt ebenfalls in seine Gedanken versunken. Es gefiel ihm überhaupt nicht, dass dieser Mann, sein früherer Erzfeind nun das Kind trug. Obwohl er sich selbst eingestehen musste, dass Diana nicht mehr schrie, seitdem Artemis das Kind bei sich hielt. Sollte das Baby etwa Entreri mögen? Drizzt schüttelte den Kopf, um diesen Gedanken sofort aus seinem Kopf zu verbannen. Dem ungeachtet spukte der Mann in seinem Inneren herum. Nicht mehr so wie früher, sondern auf eine ganz andere, eine neue Art, die der Waldläufer sich nicht erklären konnte. Wieder hatte er nur den Wunsch, den nackten durchtrainierten Oberkörper von Artemis zu berühren, mit seinen Händen über die stahlharten Muskeln zu wandern. Diese Empfindung wurde stärker, je mehr er sich darüber Gedanken machte.
"Die Sonne geht auf, hier können wir Rast machen!", durchbrach die Stimme von Jarlaxle die Überlegungen von Entreri und Drizzt. Beide blickten überrascht auf. Sie erkannten, dass sich ein kleines Wäldchen neben ihnen auftat. Und gar nicht weit entfernt floss ein Bach am Pfad entlang. Die drei Gefährten stiegen von ihren Pferden und führten sie etwas abseits des Weges hinter die erste Baumreihe. „Hier sind wir von neugierigen Blicken verschont", meinte Jarlaxle, „was denkt ihr?". Als er sich daraufhin umdrehte, sah er zustimmendes Nicken.
"Gib mir jetzt Diana, dann kannst' du dich ausruhen", sagte nun Drizzt und kam auf Entreri zu. „Na schön" antwortete Artemis trocken. Doch seinem Freund Jarlaxle entging der trotzige Unterton nicht, den der Mann bei seiner Antwort gut versteckte. Konnte es tatsächlich sein, dass Entreri dieses Kind mochte? Hatte Diana etwas in ihm geweckt, das Zuneigung hieß. Der Drow musste innerlich lachen und ihm gefiel der Gedanke. Ihm entging nicht, dass sein Freund in letzter Zeit unruhiger geworden war. Artemis suchte nach irgendetwas, wobei er wohl selbst nicht wusste, was ihm fehlte. Vielleicht war es wirklich das Wohlwollen eines anderen Wesens oder auch Liebe. Denn der Mann wurde reifer, diese Tatsache konnte Entreri nicht verstecken und Jarlaxle beobachtete es schon seit geraumer Zeit.
Artemis, Jarlaxle und Drizzt, der die kleine Diana auf seinem Schoß hielt, ruhten sich im Schatten der großen Bäume aus. Die Sonne stand gerade im Zenit.
"Ich brauche jetzt etwas Sonnenlicht", verkündete Artemis plötzlich, als er sich von dem moosbedeckten Waldboden erhob. Jarlaxle zeigte keine Regung, während er weiterhin an einem Baustamm lehnte und sein linkes Auge geschlossen hielt. Die Augenklappe trug der Dunkelelf an diesem Tag auf der rechten Seite. Seinen breitkrempigen Hut hatte er sich tief ins Gesicht gezogen und schien zu schlafen. Doch Entreri wusste es besser, dieser Drow war schneller kampfbereit, als dass er bis Eins zählen konnte. Drizzt saß nur ein paar Fuß von ihm entfernt und schaute nun zu Artemis auf. „Ich komme mit", erklang jetzt seine Stimme. Auch er stand auf, wobei er sich vorsichtiger als sonst bewegte, um das Bündel vor seinem Bauch ruhig zu halten.
"Wie du meinst", war Entreri's trockene Reaktion.
Beide gingen nur wenige Schritte, bis sie den Schatten der Bäume verlassen hatten und an dem schmalen Bach standen. Kleine und große Steine säumten den Verlauf des Gewässers und die Sonne spiegelte sich auf der Oberfläche. Drizzt setzte sich direkt in das Gras, wobei er nun das Bündel abnahm und es neben sich legte. Sein Körper benutzte er dazu, der kleinen Diana weiterhin Schatten zu spenden.
Entreri dagegen tat etwas, was Drizzt total aus der Fassung brachte. Artemis knöpfte langsam seine Lederjacke auf und ebenso langsam zog er sie letztendlich aus. Seine Bauchmuskeln bewegten sich spielerisch, als er den Oberkörper streckte, um sich gleich darauf ins Gras fallen zu lassen. Drizzt versuchte schnell seinen Blick Diana zu zuwenden, wobei er den Mann weiterhin in den Augenwinkeln beobachtete. Der Waldläufer hatte das Gefühl rot angelaufen zu sein und hoffte inständig, dass man ihm nichts ansah. Er konnte sich einfach seine Empfindungen nicht erklären. Solch eine körperliche Anziehung hatte er in seinem Leben nur für eine Person erlebt, und zwar für Catti-brie.
Doch diese Frau war für ihn unerreichbar geworden. Das, was wohl der Drow vor nur nicht einmal ganz zwei Jahren für unmöglich gehalten hatte, war eingetreten. Ein neuer Mann tauchte in dem Leben seiner besten Freundin auf. Wie bereits lange Jahre davor, zwischen Wulfgar und ihr, trat er bei dieser Beziehung erneut in den Hintergrund, aber diesmal mit Folgen. Drizzt verkraftete seinen Liebesschmerz nicht und ein heftiger Streit entflammte zwischen Catti-brie und ihm. Die Konsequenz war, dass der Waldläufer sich alleine auf Wanderschaft begab. Weg von der Frau, die seit ihrer ersten Begegnung tief in seinem Herz einen festen Platz einnahm.
Als er nun Artemis vor sich sah, der mit geschlossenen Augen ruhig im Gras vor ihm lag, setzte sich Drizzt wieder aufrecht hin, um den attraktiven Körper weiter mustern zu können. Vielleicht waren es in diesem Moment die schmerzlichen Erinnerungen an seine Freundin, wieso er sich zu dem Mann so angezogen fühlte. Er kannte ihn schon nun seit fünfzehn Jahren und auch er spukte nicht selten in seinen Gedanken. Vermutlich war es die Unantastbarkeit der beiden Menschen, die diese Anziehung hervorruft, sagte Drizzt zu sich selbst. Er wusste es nicht und im selben Moment war es ihm plötzlich egal, als er Artemis beobachtete.
So verging der Mittag sehr schnell. Als die Sonne langsam Richtung Süden wanderte, riss das Schreien von Diana Artemis aus seinem wohlverdienten Schlaf. Er öffnete die Augen und drehte seinen Kopf hinüber zu dem kleinen Wäldchen. Drizzt war gerade dabei, die Ziege zu melken, während Jarlaxle das Kind auf dem Arm hielt. Beinahe hätte Entreri laut gelacht, denn es sah stets grotesk aus, wie sein Drowfreund das Baby im Arm hielt, als ob es etwas Gefährliches wäre.
Artemis stand auf, streckte sich kurz, um seinen Schlaf aus den Gliedern zu bekommen und ging hinüber zu den zwei Gefährten. Im Gehen streifte er sich seine Lederjacke über. Dann stand er direkt vor Jarlaxle und grinste ihn an.
"Hier, nimm du sie!", drang die Stimme des Drows an die Ohren von Drizzt, als dieser Entreri ansprach. Am liebsten wäre er in diesem Moment aufgesprungen und hätte gesagt, dass er Diana halten wollte, doch im letzten Augenblick überlegte er es sich anders. Er war eifersüchtig auf Artemis. Konnte es wirklich so sein? Doch der Säugling schien diesen Mann tatsächlich zu mögen. Welche Ausstrahlung er gegenüber dem Kind auch hatte, sobald es in seinen Armen lag, wurde Diana ruhig und keine Minute später, hörte das Geschrei auf.
"Sie mag dich wohl", sprach jetzt Drizzt zu Artemis gewandt. Er versuchte dabei seine Eifersucht runter zu schlucken, um keinen neuen Streit vom Zaun zu brechen. Es schien dem Waldläufer wohl gelungen zu sein, denn keiner der Beiden antwortete mit einem abfälligen Kommentar.
Am Nachmittag ruhten sich die drei Gefährten in ihrem stillen Rastplatz im Schatten der Bäume aus. Drizzt hatte die Augen geschlossen und schien ruhig zu schlafen. Er merkte nicht einmal, dass es jetzt Jarlaxle war, der ihn stets aus den Augenwinkeln beobachtete. Der Drow machte sich seit dem heutigen Tag seine eigenen Gedanken über diese beiden Kämpfer. Er kannte die Feinde nur in der Situation, dass sie eine glänzende Leistung im Kampf zum Besten gaben, aber nicht so friedlich. Jarlaxle dachte, dass Artemis wohl vor einigen Tagen zum ersten Mal während ihrer langwierigen Freundschaft ihm gegenüber bewiesen hatte, dass sein Groll gegenüber dem Waldläufer ein für alle mal verflogen sein musste. War es wirklich dieser kleine Säugling, der diese Empfindung bei Entreri hervorbrachte? Er wollte die Beiden wachsam in den Augen behalten. Dabei kreisten seine Gedanken über den grandiosen Kampf im Kristallturm, den er selbst organisiert hatte. Auch an das Gespräch mit Drizzt, der Sohn von Zaknafein, seinen früherer Freund. Wie sehr sich Vater und Sohn ähnelten.
Während Jarlaxle über die Vergangenheit nachsann und sich dabei wichtige Details in sein Gedächtnis rief, schaute er weiterhin den Waldläufer an, mehr beiläufig als bewusst. Erst als sich Drizzt bewegte und aufwachte, wusste der Drow, dass er seinen Gefährten die ganze Zeit über angestarrt hatte. Diskret ließ er darauf seinen Blick von dem Dunkelelfen ab.
Später am Abend, war Diana dann versorgt. Die drei Gefährten hatten ebenfalls etwas zu sich genommen und machten sich nun wieder auf den Weg.
Diesmal hatte Drizzt das Bündel vor sich und Artemis ritt neben ihm. Jarlaxle, der die Nachhut bildete, beobachtete die Beiden genau. Zwischen den Kontrahenten bahnte sich ein neuer Streit an. Diesmal kämpften sie nicht, um ihre Stärke zu beweisen, sondern um dieses Kind. Bei dem Waldläufer konnte er sich diese Gefühlsregungen gut vorstellen, doch nicht bei Entreri. Es schien, als hätte er plötzlich das Baby in sein Herz geschlossen. Jarlaxle schmunzelte.
Auch diese Nacht verlief ruhig und ohne Zwischenfälle, außer dass sie ab und zu der kleinen Diana ihre Milch geben mussten. Am nächsten Morgen, kurz vor der Morgendämmerung erreichten sie ein Wegschild. Es zeigte nach Westen und verriet ihnen, dass die nächste Siedlung nur noch fünf Meilen entfernt war.
Zielsicher ritten sie weiter, als nach einer Stunde ein verwittertes Ortschild ihnen den hundert Fuß entfernten Dorfeingang zeigte.
"Wenta", las Jarlaxle seinen beiden Begleitern vor, „Los geht's!" und wollte sein Pferd soeben weiter antreiben.
"Halt!", warf Drizzt ein, „Wir sollten zuerst einmal einen Plan ausarbeiten, bevor wir einfach mit Diana in diesem Dorf hineinmarschieren".
Artemis nickte zustimmend und sagte, „Drizzt hat Recht, wir können nicht, mir nichts dir nichts, in den Ort spazieren und ihnen ein Säugling übergeben".
Jarlaxle's Antwort war nur ein Schulterzucken und so lenkte er daraufhin sein Pferd den Weg zurück, auf den sie soeben entlang geritten kamen.
Nur achthundert hundert Fuß entfernt fanden die drei Gefährten ein Versteck, wo sie sich vor neugierigen Blicken schützen konnten. Ein dichter Tannenwald gab ihnen die nötige Deckung.
"Wie sieht denn euer Plan aus?", fragte Jarlaxle wissbegierig, während er von seinem Pferd stieg. Doch niemand antwortete ihm. Stattdessen breitete sich eine unheimliche Stille zwischen den drei Gefährten aus, nur der Gesang der Vögel war zu hören. Jeder schien in seinen Gedanken versunken zu sein.
Drizzt saß, mit Diana auf dem Schoß, auf dem Waldboden, gleichzeitig beschritt Artemis nachdenklich einen kleinen Kreis innerhalb ihres Versteckes. Jarlaxle lehnte gemütlich gegen einen Baumstamm und schaute sein zwei Kameraden zu.
Plötzlich blieb Entreri stehen und sprach mit ruhiger Stimme, „Ich habe mir die Häuser angeschaut, als wir am Dorfeingang ankamen. Sie wirken ziemlich alt und erbärmlich. Soll Diana wirklich so aufwachsen?", fragte er in die kleine Runde.
„Ich begleite euch bis zum nächsten Dorf, dann werden wir sie den Bewohner dort übergeben", kam die Antwort von Drizzt darauf und schaute zum dem Baby hinunter.
Dann sahen sich der Waldläufer und Artemis in die Augen und nickten zustimmend. So dann drehten sie ihre Köpfe dem Drow zu, der immer noch lässig am Baumstamm gelehnt saß.
"Wenn ihr meint", antworte Jarlaxle gleichgültig und schob sich dabei seinen breitkrempigen Hut tief ins Gesicht. „Ich werde erst Mal ein Nickerchen halten".
"Gute Idee", entgegnete Artemis, „Doch Diana sollte erst Mal versorgt werden", sprach er weiter.
Hatte sich Drizzt verhört oder kamen die Worte wirklich von diesem Mann, der sich sonst um nichts und niemanden Gedanken machte. Doch der Waldläufer versuchte seine Fassung zu bewahren und tat so, als hätte Entreri gar nichts gesagt. Jarlaxle jedoch, entging der besorgte Unterton in der Stimme seines Freundes nicht. Schon letzte Nacht war er zu dem Schluss gekommen, dass die Beiden einen neuen Kampf ausfochten, und zwar wer das Kind zu sich nehmen durfte. Es schien ihm zu paradox, aber in Artemis war vor zwei Tagen eine Wandlung vonstatten gegangen, die selbst er, der ehemalige Söldnerführer sich nicht erklären konnte. Er, der stets den anderen zwei Schritte voraus war. Der Gedanke, dass sein Freund zu einem besseren Leben übergehen könnte, war noch weit entfernt, oder doch nicht? Ein Lächeln blitzte plötzlich in seinem Gesicht auf, es entging jedoch seinen zwei Gefährten, die soeben damit beschäftigt waren, die kleine Diana zu versorgen.
Als die Abenddämmerung einsetzte, schwangen sich die Drei auf ihre Pferde, wobei nun Artemis wieder das kleine Bündel, in dem Diana lag, vor sich gebunden hatte. Drizzt ritt dicht in seiner Nähe, weil er dachte, der Mann könnte sich nicht genügend um das Baby kümmern. Stattdessen beobachtete er, wie Entreri immer wieder auf den Säugling achtete, der vor ihm, in der kleinen Mulde schlief. Drizzt wurde das Gefühl nicht los, dass er Diana vor sich haben sollte und nicht dieser gefährliche Mann, und das entging Jarlaxle nicht. Der Waldläufer konnte seine Blicke im Rücken spüren. Er wusste, dass dieser Drow Artemis Freund war und dass er ihm wahrscheinlich blindlings vertraute. Die letzte Begegnung mit dem Meuchelmörder lag nun fünf Jahre zurück. Fünf lange Jahre, in denen viel passiert war. Konnte er dem Dunkelelfen trauen? Jarlaxle war stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht gewesen und dieses Verhalten hatte sich wohl kaum geändert, aber er war nun mit seinem ärgsten Feind von damals befreundet. Drizzt's innerer Kampf, Artemis in der Sache Diana zu vertrauen, dauert die ganze Nacht an. Wobei er immer öfters sehen konnte, das Entreri sich wirklich Sorgen um das Kind zu machen schien.
Artemis Gedanken drehten sich bei ihrem Ritt durch die Dunkelheit um seine eigene Vergangenheit. Ja, er hatte beschlossen, dem kleinen Wesen, was ruhig an seiner Brust schlief, eine bessere Zukunft zu geben. Diana sollte nicht erfahren, was Armut und Hunger bedeutet oder was es heißt, keine Liebe geschenkt zu bekommen. Und ein anderer Gedanken schoss ihm plötzlich durch seinen Kopf. Wenn sie es nicht schaffen sollten, für das Kind eine Familie zu finden, die es nicht wie ihre eigene Tochter lieben würden, dann wäre er für Diana da. Doch diese Überlegung wollte er weit nach hinten in sein Gedächtnis verdrängen, es sollte die letzte Option darstellen, die er während seinem eigenen inneren Kampf ausfechtete.
Noch lange bevor die Morgendämmerung einsetzte, hatten die drei Gefährten zur Rast angehalten, nicht nur um die kleine schreiende Diana zu versorgen, die Hunger hatte, sondern auch, weil sie das nächste Dorf erreichten.
Während Drizzt jetzt wieder das Kind auf dem Arm hielt, war es diesmal Artemis, der den kleinen Wasserkessel mit Milch, dem Waldläufer reichte, damit der Säugling gefüttert werden konnte. Auf Jarlaxle's Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, denn seine beiden Begleiter sahen damit so zufrieden mit sich selber aus. Zudem war es so ein seltsames Bild, den berüchtigten Meuchelmörder und den ebenfalls allbekannten Drizzt Do'Urden in solch einer harmonischen Szene zu beobachten. Sein Grinsen wurde immer breiter und er wäre beinahe lauthals in schallendes Gelächter ausgebrochen.
Kurze Zeit später entbrannte erneut die gleiche Diskussion vom Vortag und Drizzt und Artemis überstimmten Jarlaxle. Sie sollten es in der nächsten Siedlung versuchen war der Entschluss. Der Drow wurde dabei das Gefühl nicht los, dass beide Gefährten sich nicht vom dem Kind trennen wollten, doch diesen Gedanken behielt er zurück. Er erkannte, dass Diana keine besseren Beschützer finden könnte, als Drizzt Do'Urden, Artemis Entreri und seiner eigenen Wenigkeit.
Nachdem die Sonne im Osten aufgegangen war legte sich Jarlaxle erneut in den Schatten eines Baumes und ließ so den Tag verstreichen. Drizzt tat es ihm gleich, wobei er stets ein wachsames Auge auf den Säugling hatte. Artemis dagegen, war in die Siedlung vor ihren gegangen, um einige Vorräte auffüllen zu können.
Nach einer Stunde kam er mit einer prall gefüllten Satteltasche zurück und sah sehr mit sich selbst zufrieden aus. Jarlaxle konnte sich vorstellen, was seinem Freund dieses Lächeln ins Gesicht zauberte. Das Dorf wirkte, wie schon das vorangegangene, sehr arm und sie würden das Kind mindestens einen weiteren Tag behalten.
Als nun die Sonne den Mittag ankündigte, war es wieder Artemis, der seine Lederjacke abstreifte und mit nacktem Oberkörper in der Mitte der drei Gefährten stand. Zuerst bekam es Drizzt nicht mit, da sein Blick stets auf Diana neben ihm ruhte. Doch als er seinen Kopf zu Artemis wandte, war der Drow plötzlich wie vom Blitz getroffen. Wie sehr er es doch begehrte diesen Körper zu berühren. Der Waldläufer hatte noch den Rest von Entreri's Hemd. Seine Hand glitt sogleich unbeobachtet hinüber zu seinem Rucksack und öffnete ihn. Er tat so, als würde er nach etwas suchen, dabei tastete der Drow den Leinenstoff ab, der vor einigen Tagen noch zu Artemis Hemd gehörte. Eine Woge der Leidenschaft flammte in ihm auf, als seine Finger langsam über den Stoff streiften und er sich nichts mehr wünschte, als nur einmal die nackte Haut des Mannes zu berühren, der diese Gefühle in ihm geweckt hatte.
Währenddessen machte es sich Artemis in der Sonne bequem, in dem er sich in das saftig grüne Gras legte. Er schloss seine Augen, seine Hände ruhten unter dem Kopf und er empfand ein unheimliches Glücksgefühl. Sie behielten die kleine Diana mindestens noch einen weiteren Tag. Es war die Zeit, in der er auf das Kind aufpassen konnte. Wo er mitbestimmen konnte, dass sie eine bessere Zukunft als er selber haben würde. Dieser Gedanke beruhigte ihn und ließ in darüber in einen tiefen und erholsamen Schlaf fallen.
Der Geruch gebratenen Fleisches ließ Artemis erwachen. Tief zog er den Duft in seine Nase ein und öffnete dabei die Augen. Er streckte seine Arme aus und setzte sich langsam auf. Drizzt war gerade dabei, einen Hasen über einem kleinen Feuer zuzubereiten. Jarlaxle saß etwas abseits und hatte Diana auf dem Arm. Plötzlich sah der Drow nicht mehr so unbeholfen aus. Das Bild ähnelte eher einer Familienszene, wie ein Großvater, der seine Enkelin freudestrahlend und stolz auf dem Arm halten würde. Entreri musste darüber schmunzeln.
"Hmmm, ich bekomme Hunger", sagte Artemis plötzlich in das Schweigen seiner Gefährten hinein. Gleichzeitig drehten Drizzt und Jarlaxle ihre Köpfe zu dem auf dem Gras sitzenden Mann.
"Ausgeschlafen?", kam die Frage von seinem Freund.
"Ich habe noch nie besser geschlafen", antwortete Entreri und musste dabei innerlich lachen.
"Dann kannst du ja jetzt Diana ihre Milch geben", hörte er Jarlaxle sagen, während Artemis sich aufrichtete und erneut streckte.
Stattdessen beobachtete Drizzt den Körper des Mannes, der nur einige Fuß vor ihm stand, aus den Augenwinkeln. Doch die Worte des Drow rissen ihn sofort aus seinen Träumereien. Er wollte nicht, dass Entreri Diana füttern würde. Wahrscheinlich hätte Artemis dann wohl auch wieder den Säugling über die Nacht vor sich auf dem Pferd. Ja, der Waldläufer war eifersüchtig. Er wollte nicht, dass sich ein ehemaliger Meuchelmörder um so ein kleines unschuldiges Geschöpf kümmern würde. Auch wenn er zugeben musste, dass sich dieser Mann mit den Jahren sehr verändert hatte. Aber Drizzt versuchte seinen Ärger herunter runter zu schlucken, nur das Funkeln seiner Augen verriet jetzt noch sein Missfallen.
So verging der restliche Nachmittag ziemlich ruhig, wobei sich der Waldläufer instinktiv zurückzog. Dabei waren seine Augen jedoch wachsam auf Artemis gerichtet, der die kleine Diana auf seinen Armen hielt.
Doch die eigentliche Tatsache, die jetzt Drizzt mehr aus der Fassung gebracht hatte, war die unheimliche Anziehung des Mannes, die auf ihn wie ein Magnet wirkte. Für den Drow war es immer nur „Artemis Entreri" und alleine dieser Name versprach früher Ärger. Jetzt war er aber ein Mann, wie er selbst, mit einem gepflegten Äußeren und attraktiv dazu. Seine langen schwarzen Haare fielen ihm über die Schultern und umspielten die anziehenden Gesichtszüge im Licht der Abenddämmerung.
