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17. Kapitel

Der Magier

Drizzt versuchte die Ruhe zu bewahren denn ihn widerte alles an. Und so geschah es, dass die zwei Drow zusammen mit ihrer Nichte Diana nach einer Viertelstunde mit dem Planwagen von Bruenor auf der Straße Richtung Süden fuhren, direkt auf Bryn Shander zu. Ihre eigenen drei Pferde hatten sie am hinteren Teil des Wagens angebunden.
Diana hatte unterwegs einige Fragen zu ihrem Vater gestellt, doch Drizzt war absolut nicht in der Lage der Kleinen eine Antwort zu geben. Ihm ging immer wieder die Frage durch den Kopf, ob es ihnen wirklich gelingen würde, seinen Geliebten ohne Probleme retten zu können. Daher übernahm Jarlaxle diese Aufgabe selbst und meinte nur, dass sie jetzt ihren Vater abholen würden, der was ganz dringendes zu erledigten hatte und dabei leider krank geworden war. Das wäre auch der Grund, weshalb sie so überstürzt aufbrechen mussten. Zum Schluss lenkte er seine Nichte damit ab, dass er Diana den Wagen lenken ließ.
Nach fast einer Stunde Fahrt sahen sie endlich die hohe Stadtmauer der Stadt Bryn Shander. Bei diesem Anblick seufzte Drizzt laut auf und sprach, „ussa inbal rath'argh" (ich habe Angst) und benutze wieder die Sprach der Drow.
Nun war es Jarlaxle, der wieder die Zügel in die Hand nahm und den Wagen so positionierte, dass er hinter einigen großen Felsbrocken verborgen blieb, die in der weiten Tundra zu großen Ansammlungen verteilt herum lagen. Dann stiegen die zwei Drow, gefolgt von Diana von dem Planwagen hinab und versteckten sich. Der Söldner versuchte für ihre Nichte ein Spiel daraus zu machen, um gleichzeitig unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen und Diana gleichzeitig beschäftigen zu können. Der Waldläufer dagegen schaute den Beiden mit traurigen Augen zu, während sein Freund dabei war, der Kleinen zu erklären, was sie vorhatten. Nach fast einer weiteren Stunde wurde es langsam dunkel, obwohl der Abend noch fern war, was jedoch im Eiswindtal nicht selten vor kam, denn sie befanden sich im äußersten Norden von Faerûn. Zusammen mit Diana schlichen sich die beiden Dunkelelfen zu dem kleinen Friedhof, der keine hundert Fuß von ihrem Standort entfernt lag. Sie erkannten, dass sich niemand in dieser Gegend vor der Stadtmauer befand und Drizzt ließ einen erleichterten Seufzer hören. Er hoffte immer noch inständig, dass alles ohne weitere Probleme vonstatten ging und er schon bald Artemis wieder umarmen konnte.
Nach einer weiteren Viertelstunde war die Sonne untergegangen und die Dunkelheit spendete den beiden Drow die nötige Deckung, um ihren Freund aus dem frisch zugeschütteten Grab zu befreien.
"Diana, geh' zum Wagen zurück und warte auf uns … wir holen deinen Vater", flüsterte plötzlich der junge Elf dem kleinen Mädchen zu. Sie und Jarlaxle waren überrascht, dass Drizzt wieder sprach.
Der ältere Drow erkannte in den Augen seines Freundes ein loderndes Feuer und freute sich innerlich über diese Gefühlserregung. Gleichzeitig war er selbst aufgeregt auf das was noch kommen sollte, denn Kimmuriel wartete ebenfalls auf sie.
Diana wollte erst etwas darauf erwidern, aber sie wusste auch, dass ihre Onkel immer das Richtige taten und so ließ sie enttäuscht ihren Kopf hängen und wanderte mit kleinen Schritten hinüber zu dem Wagen, wobei sie vor sich hin murmelte.
Jetzt waren die beiden Drow alleine und konnten ungehindert ihren Plan, Artemis zu retten, nachgehen. Beide stellten sich vor das zugeschüttete Grab und bevor Drizzt sich auf die Knie begeben wollte, hielt ihn sein Freund davon ab.
"Warte, es geht noch schneller", sprach Jarlaxle und auf seinem Gesicht erschien ein breites Grinsen. Dann erhob er einen seiner Zauberstäbe, die er aus einer Tasche im Inneren seines schimmernden Umhangs herauszog und wirbelte mit diesem durch die Luft. Wie von Geisterhand wurde die frisch aufgeschüttete Erde entfernt und häufte sich auf einer Seite am Rand des Grabes. Und keine fünf Minuten später sahen die beiden Freunde das weiße Leichentuch, in dem Artemis eingewickelt wurde. Erst dann sprang Drizzt die wenigen Fuß nach unten in die Grube und hielt augenblicklich den leblosen Körper seines Geliebten in den Armen. Er entfernte schnell den Stoff von dessen Kopf und schaute in das schmerzverzerrte Gesicht von Entreri. Es sah noch genauso aus, wie er es nur einige Stunden zuvor gesehen hatte. Bei diesem Anblick liefen im erneut die Tränen über die Wangen und er hoffte inständig, dass sein Geliebter wirklich noch am Leben war. Drizzt strich mit der einen Hand sanft über dessen Wangen und hielt mit der anderen Hand zaghaft den Kopf. Er fühlte sich eiskalt an und jegliche Farbe war aus der immer so gebräunten Haut des Mannes entwichen.
Jarlaxle legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter und riss ihn somit aus seiner Trauer und Verzweiflung und zusammen hievten sie den leblosen Körper aus der Grube. Dann machte sich der Söldner gleich daran, wieder die Erde auf magische Weise in das Loch zu schütten.
Wieder verging einige Zeit und Drizzt hatte dabei nur einen Blick, er schaute in das totenblasse Gesicht von Artemis und schluchzte ständig dabei auf. Dann spürte er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter und als er seinen Kopf nach oben hob, erkannte er seinen Freund, der ihn sanft anlächelte und sprach, „Lass uns schnell von hier verschwinden. Uns läuft die Zeit davon und wir sollten bereits weit entfernt sein, wenn Artemis aufwacht. Außerdem erwartet uns Kimmuriel, der uns helfen wird, unseren Freund zu retten".
Diese Worte ließen Drizzt zusammen fahren, hatte er eben wirklich den Namen Kimmuriel gehört, überlegte er. War dies nicht der Psioniker, der unter Jarlaxle bei Bregan D'aerthe gediente?
"Du bist sicher, dass er in der Lage ist uns zu helfen?", flüsterte Drizzt mit einer Mischung aus Verwunderung und Misstrauen.
"Er schuldet mir hier und da einige Gefälligkeiten und er weiß dass es ihm schlecht bekommen würde, wenn er mich über den Tisch zieht", war die nüchterne Antwort von Jarlaxle.
Dies schien den jungen Dunkelelfen zwar nicht zu beruhigen, aber er hatte Vertrauen zu dem Söldner und hoffte, dass dieses schreckliche Erlebnis bald zu einem Ende kommen würde. So richtete er sich auf und zusammen mit dem älteren Drow trugen sie den leblosen Körper hinüber zu ihrem Wagen.

Drizzt saß vorne auf dem Kutschbock und die kleine Diana lag schlafend neben ihm. Sie hatte nicht verstanden, warum ihr Vater so plötzlich verschwunden war und wieso er so krank wieder kam. Sie weinte, als sie Entreri sah, der leblos auf den Planwagen gebracht wurde. Ihre beiden Onkel erklärten ihr, dass sie sich keine Sorgen machen müsste, bald schon wäre Artemis wieder gesund.
Aber Beide glaubten selbst nur mit halben Herzen daran, versuchten aber ihre Zweifel gegenüber ihrer Nichte nicht zu zeigen. Und Jarlaxle hatte sogar noch mehr Bedenken bei der ganzen Sache wie sein Freund Drizzt. Auch wenn Kimmuriel seinem Söldnerführer ein Versprechen gegeben hatte zu helfen, war er immer noch ein Drow. Und es war nicht zu bestreiten, dass er und Entreri stets Feinde waren. Doch wenn es schon der Wahrheit entsprochen hatte, dass die Kräuterkugel ihre Wirkung nicht verfehlte, so musste es nun auch bei jedem weiteren Schritt mit dem Psioniker funktionieren.
Jarlaxle saß hinten im Wagen bei Artemis leblosem Körper. Er wollte nicht das Drizzt noch einmal dieses Elend anschauen musste und hatte ihn deshalb damit beauftragt den Wagen zu lenken.
Der Söldner bemerkte plötzlich, dass der Mann gerade dabei war, aufzuwachen. Er hatte ihn vorsorglich geknebelt, dass sein Geschrei nicht ungewollte Gesellschaft anlockte und noch dazu die kleine Diana erschreckte. Und wie erwartet wachte der ehemalige Meuchelmörder nur wenige Minuten später, vor Schmerzen zuckend und schreiend auf. Zum Glück unterdrückte der Knebel in seinem Mund das laute Schreien. Daraufhin verlor Jarlaxle keine Zeit mehr und musste Artemis zwingen, die Heiltränke zu sich zu nehmen, damit sie zumindest die Distanz zu Kimmuriel ohne weiteren Zwischenfall hinter sich bringen konnten. Er zwang Artemis, nachdem er den Mund nach weiteren Minuten wieder von dem Knebel befreite, die drei Heiltränke zu schlucken. Mehr hatte er nicht und mehr konnte er offensichtlich nicht für ihn tun.
Wahnsinnig vor Schmerzen wand sich Artemis vor den Augen seines Drowfreundes. Er litt Höhlenqualen. Die Haut war von seinem Rücken gefetzt worden und seine Muskeln lagen blank. Der Schmerz war unerträglich. Dankbar hieß der Mann die Dunkelheit willkommen, die ihn kurze Zeit später wieder umfing.
Besorgt sah Jarlaxle auf den immer schwächer werdenden Körper, als Entreri ohnmächtig wurde. Eilig kletterte er zu Drizzt nach vorn.
"Die drei Heiltränke helfen ihm hoffentlich, dass er bis zu unserem Zusammentreffen überlebt", sagte er nur knapp, doch seine dunkle Miene verriet Drizzt, dass es nicht gut um ihn stand.
Der junge Drow reichte Jarlaxle die Zügel, der daraufhin die Pferde zu einer schnelleren Fahrt antrieb, währenddessen ging Drizzt nach hinten und sah Artemis dort schlafend liegend, jedoch mit einem schmerzverzerrten Gesicht. Er beugte sich über seinen Liebsten und streichelte ihn sanft über den Kopf und über dessen Gesicht. Zum Schluss ließ er seine Hand auf der Brust von Artemis liegen und spürte dabei, wie sich sein Brustkorb langsam, aber stetig hob und senkte. Mit der anderen Hand streichelte er erneut sanft über die Wangen des Mannes, den er liebte. Er hoffte sehnsüchtig, dass Entreri wieder leben würde, so wie vorher und nichts und niemand mehr die Beide auseinander bringen konnte. Und während der Waldläufer seinen Freund anschaute, liefen im still einige Tränen über die Wangen.
Nach fast einer Stunde kamen die Berge vom Grat der Welt in Sicht. Selbst in der Dunkelheit konnte der Söldner dort den Psioniker Kimmuriel stehen sehen. Jarlaxle brachte die Pferde kurz vor dem Drow zum stehen, woraufhin dieser nur ein säuerliches Gesicht machte.
"Steh hier nicht herum, sondern helft uns, schnell", schnappte Jarlaxle.
Mürrisch ging der Psioniker gleich darauf zum hinteren Teil des Wagens und blieb dort stehen. Er erkannte Drizzt und sogleich fiel sein Blick auf den Mann, der auf mehreren Wolldecken am Boden lag und ohnmächtig zu sein schien. Ohne weiter darüber nachzudenken, schloss Kimmuriel kurz die Augen, konzentrierte sich und ließ nach wenigen Sekunden den Körper des Menschen schweben und zog ihn letztendlich schwebend hinter sich her. Ihm folgten eilig Jarlaxle und der junge Drow, um beide nicht aus den Augen zu verlieren. Besorgt sah Drizzt immer wieder zu Jarlaxle hinüber und dann wieder zu Artemis Körper.
Kimmuriel geleitete sie zu einer kleinen magisch erzeugten Höhle, keine dreißig Fuß von dem Wagen entfernt. Im Inneren brannten zwei Feuerschalen, die den Ort erleuchteten. Als Drizzt und Jarlaxle eintraten sahen sie zuerst nur einen Krieger da stehen. Dieser war fast genauso groß gewachsen wie der Waldläufer selbst, an seinem Waffengürtel trug er zwei prachtvolle Schwerter. Er sah jedoch irgendwie anderes aus, fiel Drizzt auf und irgendein Gefühl tief in seinem Inneren sagte ihm, dass es sich um einen Halbdrow handelte, denn erst jetzt erkannte er die Haut näher. Sie wirkte mehr grau als schwarz. Er war in seinem Leben nur einem Mischling begegnet und das war Zhai. Dieser hier besaß eine ganz besondere charismatische Ausstrahlung. Seine langen weißen Haare und tiefblauen Augen flößten einem Angst ein, wenn man seinen Blick erwiderte. Genau dieser Halbelf musterte sie ebenfalls und malte gleich darauf ein Zeichen in die Luft, einen Wimpernschlag später wurde ein Magier sichtbar. Er wirkte nach den Verhältnissen der Drow groß, etwas größer als der Waldläufer und von Kopf bis Fuß und in eine dunkelblaue Samtrobe gehüllt, die an den Rändern silberne Runen aufwies. Langes weißes Haar bis hinunter zu den schlanken Hüften fielen ihm über den Rücken. Doch das Bemerkenswertes waren seine Augen. Jarlaxle noch Drizzt hatten jemals zuvor in ihrem Leben einen weiteren Drow mit lavendelfarbenen Augen gesehen. Der Rest dieses unbekannten Zauberkundigen wirkte ein wenig seltsam. Er sah jung aus, doch das hieß bei Magier nie viel. Der fremde Dunkelelf schien gerade Anfang 100 zu sein, doch in Wirklichkeit war er bereits schon über 400 Jahre alt. Doch dies wusste niemand, außer dessen Begleiter, der ebenfalls ungewöhnliche Krieger. Alles andere passte eindeutig zu seinem Berufstand, dann trotz dieses ungewohnten Anblicks war er schmächtig gebaut.
Jarlaxle kannte diesen Magier nicht und es wunderte ihn, denn er kannte eigentlich jeden in der Stadt. Und diesen Halbdrow kannte der Söldner ebenfalls nicht, aber dieser Krieger zog den Söldner auf eine magische Weise an. Er fand, dass dieser Kerl wirklich sehr attraktiv aussah.
Drizzt starrte den Drow mit der dunkelblauen Samtrobe nur einen Moment an und auch er war ebenfalls irritiert. Dieser Mann war nicht viel älter als ein junger Erwachsener, was konnte so ein junger Magier schon für seinen Geliebten tun, fragte er sich.
Kimmuriel ging an den beiden vorbei und legte Artemis Körper auf eine vorbereitete Bahre. Dann zog er das Tuch von einer anderen herunter, die gegenüber stand und dort sah Jarlaxle einen seiner früheren Offiziere liegen.
"Was hat das zu bedeuten?", fragte er überrascht und gleichzeitig erschrocken Kimmuriel.
Dieser zuckte nur mit den Schultern, "Der Magier sagte mir, dass er ein Opfer brauchen würde und zwar eins, dass noch nicht so unglaublich alt ist. Sagen wir einfach, meine Zeit und meine Mittel waren begrenzt und ich hab' genommen was ich bekommen konnte".
Der Söldner schüttelte nur den Kopf. "Fangen wir an", meinte Jarlaxle dann resigniert.
"Halt … wartet", schrie Drizzt nur und zeigte mit einem Finger auf den Magier, "dieser Junge soll den Zauber vollziehen? Was passiert wenn er versagt, dann wird Artemis sterben... Habt ihr keinen anderen? Und was passiert mit diesem Drow eigentlich?"
Er war verzweifelt und hatte Angst. Sein ganzer Körper zitterte mit einem Mal und er fühlte, dass er den Mann nicht noch einmal verlieren wollte, wo er gerade wieder bei ihm war.
Plötzlich erhob der der fremde Zauberkundige seine Stimme, "Dieser Junge", sagte dieser theatralisch und deute dabei auf sich selbst, „ist älter als du Krieger. Du hast keine Wahl, entweder ich spreche den Zauber und du vertraust meinen Fähigkeiten in dieser Hinsicht oder du wartest bis dein Freund stirbt. Was nicht mehr allzu lange dauern wird, wenn ich mir seinen geschundenen Körper so ansehe. Ich würde dann gern anfangen", sagte der Magier und ignorierte den verzweifelten Blick des jungen Drow vor ihm.
Jarlaxle legte Drizzt die Hand behutsam auf seine Schulter und hielt ihn zurück. Verzweifelt sah ihn der junge Drow wieder an.
"Er ist unsere einzige Chance. Er war der Einzige der bereit war diesen Zauber zu sprechen", sprach Jarlaxle ruhig auf seinen jüngeren Drowfreund ein.
Schweigend trat Kimmuriel beiseite und sah sich das Schauspiel interessiert an. Der Magier stattdessen warf einen letzten Blick zu Drizzt hinüber und legte dann seine Hände auf die Stirn des Drow. Er fing an eine Formeln zu rezitieren und erst jetzt begriff Drizzt was hier geschah. Er sah wie die Lebensenergie der Seele langsam aber stetig herausgesaugt wurde. Die Stimme des Magiers wurde immer dunkler und es schien fast so, als würde sie aus dem Abgrund kommen. Weiße Energie sammelte sich um die Hände des Magiers und der Sterbende stieß einen letzten gellenden Schrei aus. Drizzt konnte es nicht mehr sehen, noch hören und wand sich. Jarlaxle musste ihn festhalten, damit er sich nicht plötzlich doch auf den Zauberer stürzen würde und somit ihre letzte Chance wohl für immer vertan wurde. So packte ihn der ehemalige Söldnerführer fest mit beiden Händen an den Schultern und schleppte ihn hinaus ins Freie. Vor der Höhle ging Drizzt augenblicklich zu Boden und der ältere Drow musste ihn stützen.
Drinnen hingegen beobachtete Kimmuriel fasziniert, wie sich der Magier jetzt, dem tot geweihten Menschen, zuwandte. Niemals zuvor hatte der Psioniker so etwas gesehen, denn er wusste, dass im Unterreich dieserlei Sprüche über Nekromantie den Magiern verboten waren. Die Hände tauchten fast schon in den Körper des Mannes ein. Die weiße Energie fing an sich auszubreiten und umschloss den Menschen. Er konnte sehen wie die Wunden sich schlossen und heilten. Zu seinem großen Erstaunen schien Entreri sogar einige Jahre jünger zu werden. Eine gewisse Neugier packte ihn und er nahm sich vor unbedingt noch einmal diesen Magier zu sich zu bemühen, um mehr über diese Art der Zauberei zu erfahren. Vielleicht würde ihm dieses Wissen einmal nützlich sein können. Als die letzten Worte des Spruchs verebbten, wachte Artemis auf. Er schrie aus Leibeskräften auf und fiel dann wieder zurück. Er war desorientiert und sein Körper fühlte sich taub an.
Draußen war Jarlaxle vollauf damit beschäftigt den vollkommen verstörten Drizzt zu bändigen, als dieser den gellenden Schrei von Artemis hörte. Immer noch wand er sich in seinem festen Griff, während nun auch Diana erwacht war und laut weinte. Doch plötzlich gab er dem jungen Drow eine schallende Ohrfeige und sagte, "Hör nur Drizzt ... Diana schreit ... kümmere dich um sie. Sie weiß doch gar nicht, wo sie ist und wenn sie dich sieht, beruhigt sie sich gleich wieder".
Das brachte Drizzt augenblicklich zur Vernunft und er lief zu der Kleinen, die sie schlafend im Wagen zurück gelassen hatten. Er kletterte den Kuschbock nach oben und hielt sie kurz darauf fest in seinen Armen, so als wäre sie der letzte Anker in der großen weiten Welt.
Jarlaxle nutzte diese Ablenkung, um gleich wieder in die Höhle zurückzukehren. Er wollte schon gerne wissen, was dieser Magier alles zu Stande brachte.
Kimmuriel starrte immer noch gebannt auf die Szenerie, während dessen Krieger an der Seite des Magiers stand und ihn gerade vom Boden aufhob. Der Söldner trat zu ihm herüber.
"Er hat es geschafft, euer Freund wird leben ... sogar sehr lange leben. Er hat jetzt das Leben eines Drow", flüsterte der Magier nur.
Jarlaxle lief gleich daraufhin zu Artemis hinüber und sah, dass es dem Mann scheinbar gut ging, auch wenn er offenbar noch nicht ganz bei Besinnung zu war. Er musste lächeln, als er sogar erkannte, dass sein Freund um einige Jahre jünger zu sein schien. Da wird Drizzt wieder einen ebenbürtigen Gegner ... nein, verbesserte er sich selbst ... Kampfpartner bekommen.
Jetzt betrat auch Drizzt zusammen mit Diana die Höhle. Die Kleine war aufgewacht und schaute mit offenen Augen zu Jarlaxle hinüber und sah kurze Momente später auch ihren Vater, der auf einer Trage lag und schlief. Jetzt weinte Diana nicht mehr und wurde friedlich in den Armen ihres Onkels festgehalten, damit sie nicht überstürzt zu Entreri hinüber rannte. Dann ging er zusammen mit ihr schnellen Schrittes zu Artemis und er konnte einen weinerlichen Seufzer nicht unterdrücken, als er sah, dass dieser tatsächlich am Leben war. Er ließ Diana auf der Stelle los und umarmte seinen Liebsten, der vor ihm auf der Bahre lag und wieder völlig genesen aussah. Sein Herz hüpfte vor Freude und nur einige Augenblicke später bedeckte er das Gesicht von Entreri mit zärtlichen Küssen.
"Ich habe dich wieder, du lebst", flüsterte er unter einigem Schluchzen hervor und die Tränen rannen ihm diesmal aus Freude über seine Wangen. Keine Sekunde später öffnete Artemis seine Augen und schaute in die Lavendelfarbenen seines Freundes. Auf dem Gesicht des Drow war die Anstrengungen des Tages zu erkennen, aber er lächelte. Das brachte sogar den Mann zu einem zaghaften Lächeln, auch wenn es ihm ziemlich schwer gelang.
Artemis spürte keine richtigen Schmerzen mehr, eher etwas, dass er noch nie in seinem Leben gefühlt hatte. Eine neue Kraft schien sich in ihm breit zu machen und wuchs von Minute zu Minute. Die Sterne vor seinen Augen begannen sich zu verziehen und die Lebensenergie breitete sich in dem wieder genesenden Körper aus.
"Du wirst nie wieder so eine Dummheit begehen, verstanden?", flüsterte der Waldläufer Entreri entgegen. Aber in dessen Tonfall war die unendliche Erleichterung zu hören und klang keinen Falls wie ein Vorwurf.
"Versprochen", kam die noch ziemlich erschöpfte Antwort des Mannes.
"Papa", rief dann Diana dazwischen und drängte sich zwischen Drizzt und Artemis.
Jetzt wurde das Lächeln von Entreri noch breiter und er streckte seine Arme nach vorne, um seine Tochter in die Arme zu nehmen. Dabei half ihm sein Freund sich aufzusetzen.
Während sich Drizzt, Artemis und Diana in den Armen lagen ging Jarlaxle zu dem Magier und seinem offensichtlich halbelfischen Leibwächter hinüber.
Neugierig musterte der Drow den Magier. "Wie ist dein Name großer Magier?", fragte er schließlich.
"Calaunim Zaurahel..."
"Ich danke euch für die Rettung meines Freundes, Calaunim. Sagt mir Euren Preis und er sei der Eure", sprach der Söldner ruhig und mit einer Spur von Erleichterung in seiner Stimme. Das Leben von Artemis bedeutete ihm genauso viel wie seinem Freund und seiner Nichte, wenn nicht sogar noch mehr.
Der Magier lächelte und sprach ebenfalls in einem ruhigen und sanften Ton, "Sagt mir nur wo ich den leiblichen Sohn von Zaknafein Do'Urden finden kann".
Verwirrt zuckte Jarlaxle zurück und wurde misstrauisch, "Wozu?"
Der Magier gab jedoch keine Antwort, sondern sein halbelfischer Begleiter sprach für ihn, "Um jemanden aus dem Reich der Toten zurückzuholen und alte Schulden zu begleichen", sagte er in einem eiskalten Ton.
Jarlaxles Hand wanderte bei diesen Worten langsam zu seiner Waffe.
"Wir wollen den Jungen nicht töten, wir brauchen lediglich eine Strähne seiner Haare", sprach der Halbelf leise und bestimmend weiter.
"Wozu?", fragte Jarlaxle erneut.
Der Magier lachte nur, "Weil wir uns kennen Jarlaxle? Was mich nicht wundert, denn früher waren wir uns noch nicht so bekannt", sagte er.
Der Söldner stutzte und begann zu überlegen. Und während er nachdachte drängte sich ein Bild unweigerlich in seinen Geist. Er erinnerte sich an Zaknafein auf der Akademie und anschließend an einen jungen Mann mit lavendelfarbenen Augen. Geschockt sah er zu Calaunim, doch dieser lächelte nur.
"Ich will nur meine Schulden begleichen", sagte der Magier schließlich.
Jetzt verstand auch Jarlaxle und ging hinüber zu Drizzt. Im Bruchteil von Sekunden und ohne dass der junge Drow es merkte, schnitt ihm der Söldner eine Strähne seines Haars ab. Wortlos zog er sich wieder zurück und reichte sie weiter. „Ich wünsche euch Erfolg bei eurem Vorhaben", flüsterte Jarlaxle nur noch, jedoch seine Worte gingen ins Leere, denn die Beiden seltsamen Gestalten waren bereits verschwunden.