Geplant war das ja nicht, aber nun ja...ich konnte nich so einfach mit der Geschichte aufhören. Hier habt ihr nun die Fortsetztung.


Einsamkeit Part Two

Das Ende einer Liebe tut weh. Das hatte er nun selbst erleben müssen. Zum Ersten Mal in seinem Leben. Der Schmerz, der sein Herz zu zerreißen schien, der ihn auffraß und zu Grunde richtete.

Heute Morgen war doch noch alles in Ordnung gewesen. Sie hatten sich vor der Schule getroffen, miteinander gesprochen, einen flüchtigen Kuss ausgetauscht und waren dann in ihre jeweiligen Klassen gegangen. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass nur wenige Stunden später alles zu Ende sein würde.

Aber nun stand er hier, an der Stelle, an der sie sich seit ein paar Monaten jeden Tag trafen, um dann gemeinsam ins Kino oder einfach nur spazieren zu gehen. Niemand würde kommen. Sie würde nicht kommen. Nicht heute, nicht morgen und auch nicht übermorgen. Vielleicht nie mehr. Und er war daran schuld. Das hatte sie gesagt. Er und dieses Mädchen.

Passend zu seiner Stimmung hatte der Himmel sein graues Kleid angelegt und schwere Regenwolken zogen langsam vorüber. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sich öffnen und ihre Last auf die Erde werfen würden.

Sein Blick wanderte nach oben als die ersten Tropfen herab fielen und die bisher glatte Oberfläche des Sees, an dessen Ufer er stand, sich zu kräuseln begann. Die wenigen Menschen, die noch unterwegs waren, spannten ihre Regenschirme auf oder versuchten so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, um dem stärker werdenden Regen zu entkommen. Nur er blieb zurück, den Kopf in den Nacken gelegt schaute er noch immer zum Himmel auf.

Für ihn war der Regen heute ein willkommener Gast. Er schien ihn zu verstehen. Schien ihm helfen zu wollen. Wollte er ihm seinen Schmerz nehmen? Ihn einfach wegwaschen?

Der junge Mann breitete seine Arme weit aus, schloss seine Augen und genoss das Wasser, dass der Himmel über ihn schickte. Er merkte nicht, dass seine Kleider völlig durchnässt waren, dass seine Haare an seiner Stirn klebten. Er fühlte nicht die Kälte, die in ihn eindrang. Er fühlte nichts. Absolut nichts. Nicht einmal den Schmerz, der ihn noch vor wenigen Augenblicken so gequält hatte. Der Regen hatte tatsächlich alles von ihm abgewaschen.

Wie lange er dort mit ausgebreiteten Armen und zum Himmel blickend gestanden hatte wusste er nicht. Er hatte sein Zeitgefühl verloren. Der Regen hatte es ihm genommen und war damit verschwunden.

Nur noch vereinzelt fielen Tropfen von den umstehenden Bäumen. Der Himmel war noch immer grau, aber weniger düster als zuvor. Ein heller Schimmer zeichnete sich ab und zwischen dem Grau konnte man vereinzelt blaue Lücken erkennen.

„Ein Hoffnungsschimmer", schoss es ihm durch den Kopf. Doch gleich darauf fragte er sich wofür?

Wollte er etwa, dass sie zu ihm zurück kam? Er vermisste sie, das war klar. Ebenso wusste er, dass er sie liebte. Oder zumindest hatte er sie geliebt. Denn jetzt, als er so durchnässt am Seeufer stand schienen alle Gefühle, die er in den letzten Monaten für dieses Mädchen empfunden hatte, verschwunden zu sein.

Verwirrt schüttelte er den Kopf. Wie konnte das sein? Sie war doch der Grund gewesen, dass er hier alleine an ihrem Treffpunkt stand und um seine verlorene Liebe getrauert hatte. Oder?

Er war sich nicht mehr so sicher. Ja, er war hier her gekommen, weil er insgeheim gehofft hatte, dass auch sie hier sein würde. Dass sie ihn auch vermissen würde. Aber nun wusste er, dass sie nicht kommen würde. Nicht nach dem, was nach der Schule zwischen ihnen vorgefallen war. Nicht nach dem Streit.

Etwas anderes wurde ihm schlagartig klar. Er wollte überhaupt nicht, dass sie kam. Er war sich in diesem Moment nicht einmal mehr sicher, dass er sie auch wirklich geliebt hatte, so wie er sich das vorgestellt hatte.

Sicher, es war schön gewesen. All die Gefühle, die gemeinsame Zeit. Aber je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass etwas gefehlt hatte. Etwas Wichtiges. Etwas, dass er nicht beschreiben konnte, aber das er wohl unbewusst haben wollte. Etwas, das seine Eltern verband.

Ein dummer Gedanke! Er wollte doch nicht sein eigenes Liebensleben mit dem seiner Eltern vergleichen!

Aber die beiden hatten das, was er sich wünschte. Genauso sein Freund Kudô und dessen Freundin Ran. Auch zwischen den beiden herrschte etwas besonders. Sie liebten sich, das konnte man auf den ersten Blick sehen. Aber ihre Beziehung war mehr. Sie ging weit darüber hinaus. Und als er noch einen Moment darüber nachdachte kam er zu dem Entschluss, dass diese Besonderheit darin liegen musste, dass sie sich so vertraut waren. Seine Eltern kannten sich schon sehr lange, und bei Kudô…Nun er kannte Ran schon seit er in den Kindergarten gegangen war. Da war es nicht verwunderlich, dass sich die beiden so perfekt ergänzten.

„Ob ich so was auch haben werd'?", fragte er sich. Doch nur eine Sekunde nach dem er sich diese Frage gestellt hatte kannte er die Antwort. Er hatte so etwas.

Nein! Er hatte es gehabt. Ob er es jetzt noch besaß? Es gab nur eine Person, mit der er so vertraut war. Die er schon fast sein gesamtes Leben lang kannte. Aber würde diese Person ihm das geben, was er sich wünschte? Die Ereignisse der letzten Monate zogen durch seinen Kopf. Es war zwischen ihnen nicht mehr so gewesen wie früher. Seit er begonnen hatte mit diesem Mädchen aus der Parallelklasse auszugehen, hatte er sie nur noch sehr selten gesehen. Sie waren auch nicht mehr gemeinsam zur Schule gegangen, hatten ihre Aufgaben nicht mehr zusammen erledigt und auch sonst wenig miteinander gesprochen. Sie schien, aus ihm unerfindlichen Gründen, seine Nähe zu meiden. Und nach diesem einen Nachmittag hatte sie auch nicht mehr neben ihm im Unterricht gesessen.

Sie war zu ihm gekommen. Warum? Er wusste es nicht mehr genau. Aber er meinte sich erinnern zu können, dass sie etwas zurückbringen wollte. Ein Buch? Ja, das musste es gewesen sein. Er wusste aber noch genau, dass sie plötzlich weggelaufen war. Ob er etwas Falsches gesagt oder getan hatte? Er hatte sie jedenfalls nicht geärgert, da war er sich sicher. Sie war an diesem Tag sehr still gewesen und hatte zuerst überhaupt nicht ins Haus kommen wollen.

Als er jetzt darüber nachdachte kam es ihm so vor, als würde sie sich unwohl fühlen, als wolle sie nicht in seiner Nähe sein. Sie war schließlich doch mit herein gekommen und sie hatten gemeinsam im Wohnzimmer gesessen, etwas Tee getrunken und sich unterhalten. Worüber noch mal? Über die Schule? Gab es da nicht ein Projekt, das sie bearbeiten sollten? Jedenfalls schien alles wie immer zu sein. Sie erzählte und lachte, als er irgendetwas Komisches erzählt hatte.

Doch plötzlich hatte sich die Stimmung geändert. Er hatte von seiner Freundin erzählt. Was hatte er gesagt? Dass er sie liebte? Ja, das musste es gewesen sein. Und dann war sie aufgesprungen. Nein, falsch! Zuerst hatte sie wie erstarrt gewirkt. Sie war blass geworden und dann war sie aufgesprungen und aus dem Zimmer, aus dem Haus gelaufen.

Am nächsten Morgen hatte sie dann mit einer Schulkameradin den Platz getauscht. Im Grunde hatte sie ihn seit dem Tag gemieden. Hatte sie überhaupt mit einander geredet in den vergangenen Wochen? Wie lange war das denn schon her? Ein Monat? Hatte er wirklich seit einem Monat kein Wort mehr mit ihr gewechselt? Er schüttelte den Kopf. Wie konnte das sein? Sie war doch seine beste Freundin. Eigentlich der wichtigste Mensch in seinem Leben! Und er hatte nicht mit ihr geredet? Er hatte sie nicht einmal auf ihr merkwürdiges Verhalten an diesem Mittag angesprochen. Gut. Daran waren ihrer Freundinnen schuld. Die hatte ihn davon abgehalten zu ihr zu gehen. Sie hatten sich regelrecht vor ihm aufgebaut und ihn gewarnt. Er solle sie in Ruhe lassen! Wenn er ihr noch einmal so wehtat, dann würde er nicht mehr ruhig schlafen können. Und dabei hatten diese Mädchen sehr ernst und grimmig gewirkt. Sie hingegen hatte blass und müde ausgesehen. Zerbrechlich oder sogar gebrochen und wie aus Glas.

Hatte er sie denn so verletzt? Und mit was? Er hatte doch nur gesagt, dass er seine Freundin liebt.

Halt! Was hatten die Mädchen aus seiner Klasse noch gesagt? Hatten sie nicht gemeint, sie hätte jemand besseren verdient? Jemand, der ihre Gefühle kennt und nicht ignoriert? Und dass er angeblich ein so toller Detektiv sein, der aber mit verschlossenen Augen durch die Welt ging, wenn es um die Gefühle der Mensche gehe, die ihn lieben.

Würde das dann….? Würde das heißen…? Konnte das denn überhaupt sein?

Verwirrt schaute er in den Himmel und suchte in der unendlichen Weite nach einer Antwort. Fühlte sie wirklich so für ihn? Und wieso hatte er es nicht gemerkt? War er denn so blind?

Aber das würde ihr Weglaufen erklären. Es würde auch erklären, warum sie seine Nähe zu meiden schien, seit er mit diesem Mädchen ausging.

Doch wenn sie wirklich so viel für ihn empfand, dann bedeutete das auch, dass er sie mit seinem Handeln, ja allein mit der Tatsache, dass er eine Freundin hatte, schwer verletzt hatte. Und das wiederum war etwas, das er sich geschworen hatte, nie zu zulassen!

Und nun war ausgerechnet er der Grund für ihren Schmerz. Nicht ein Verbrecher, dem er auf der Spur war. Nein! Er selbst. Er, der er sie doch beschützten wollte! Um jeden Preis beschützen wollte. Er war sogar bereit, für sie sein Leben zu geben. Das hatte er schon einmal bewiesen und er würde es immer wieder tun. Sie war das Wichtigste in seinem Leben. Das Einzige, ohne das er zu Grunde gehen würde.

Und mit einem Mal war ihm alles klar! Er hatte nichts an seiner Freundin vermisst! Er hatte einfach SIE vermisst! Sie, die sie von Anfang an für ihn da gewesen war. Die immer an seiner Seite stand. Er brauchte sie, brauchte ihre Nähe. Keine andere Frau konnte ihm das geben, das er von ihr bekam. Niemand konnte sie ersetzten.

Aber konnte es zwischen ihnen wieder so werden wie früher? Konnten sie beide etwas haben, das Kudô und Ran hatten? Oder zumindest wieder die Freunde sein, die sie bis vor wenigen Monaten noch gewesen waren?

Es gab nur eine Person, die ihm eine Antwort geben konnte. Und er musste sie fragen. Auch auf die Gefahr hin, dass sie ihn nicht mehr in ihrem Leben haben wollte. Er brauchte Gewissheit.

Als das Blau am Himmel wieder die Oberhand gewonnen hatte verließ er den Park. Er ließ ihn zurück und all den Schmerz, den der Regen von ihm gewaschen hatte. Noch konnte er nicht sagen, was ihn erwarten würde. Alles war möglich! Doch nun konnte er klar sehen. Alles andere würde sich geben.