Kapitel 6:
Der Kuss der Verzweiflung
„Das kann nicht sein.", sagte Ginny. „DAS KANN EINFACH NICHT SEIN!" Die kleine Gryffindor fing an zu zittern. Draco ahnte nichts Gutes. Langsam füllten sich ihre Augen mit Tränen und als Ginny die Vermisstenliste noch einmal überflog ließ sie ihrer Trauer freien Lauf. Große Tränen rannten über ihre Wangen. Draco versuchte etwas zu sagen, aber ihr Anblick ließ ihn schweigen.
„Ron…Hermine…sie sind, sie sind…"
Ginny beendete ihren Satz nicht. Für sie brach die Welt um sich herum zusammen. Den Gedanken, dass ihr Bruder und ihre Freundin wohl nicht mehr am Leben sind hielt sie nicht weiter aus. Sie fiel stark zitternd in sich zusammen. Der Slytherin bemerkte dies und fing sie noch auf, bevor ihr Kopf den Boden berührte.
„Hey, Weasley!" sagte er, aber sie reagierte nicht.
Ihre tränenüberfluteten Augen wurden leer, als ob sie jeden Moment ohnmächtig werden würde. Erst nachdem Draco noch einige Male versucht hatte mit ihr Kontakt auf zu nehmen, wurde ihm klar, dass es vielleicht noch schlimmer enden könnte. Er hatte mal gelesen, dass es möglich war an Trauer und Verzweiflung zu sterben, aber das würde er nicht zulassen.
„Weasley, hörst du mich? Wenn ja dann höre jetzt bitte gut zu was ich dir zu sagen habe. Wenn du nun nicht
wieder zu dir findest, dann wird auch dich der Tod heimsuchen!"
Doch immer noch zeigte die Weasley keine Reaktion.
„Du musst Leben Ginny hörst du. Für deinen Bruder. Ron weißt du noch? Er hätte nicht gewollt, dass du für ihn umkommst. ER HÄTTE ES NICHT GEWOLLT, VERDAMMT!"
Das Herz des jungen Malfoy pochte immer schneller. In ihm war in geringer Zeit Panik ausgebrochen. Er konnte das Mädchen doch nicht einfach so sterben lassen, welches schon halbtot in seinen Armen lag.
Für die Pupbesucher musste sich dort eine grausame Szene wie im Film abspielen. Ein Mädchen voller Trauer und Verzweiflung lag ohne ein Lebenszeichen von sich zu geben in den Armen eines Jungen, der elendig versuchte auf sie einzureden und ihr Mut zu machen, jedoch ohne Erfolg.
Doch Draco nahm seine Umgebung gar nicht mehr wahr. Für ihn gab es nur noch sich selbst und das scheintote Mädchen in seinen Armen. Er vergaß wo er war und warum er dort war. Er vergaß dass er ein Slytherin war und den Namen Malfoy trug. Er vergaß dass sie eine Gryffindor war und den Namen Weasley trug. Jetzt zählte nur noch das Überleben der Rothaarigen. Ohne zu wissen wie dem Blonden geschah trafen sich seine Lippen mit dem des Mädchens.
Dann auf einmal zuckte sie zusammen. Ginnys Körper
wurde von einem starken Kribbeln durchflutet, das selbst
die Zehe erreichte. Ein Gefühl des Aufwachens machte sich
in ihr breit und als der Malfoy bemerkte, dass sie wieder zu sich kam löste er sich von ihr und schloss sie feste in seine Arme. Ihren Kopf hielt er fest an seiner Schulter.
„Draco? Du kannst mich loslassen." Nuschelte das Mädchen immer noch benommen, „Mir geht es gut hörst du?"
Doch Draco dachte erst gar nicht daran sie loszulassen. Eher so kam es ihr vor drückte er sie noch enger an sich, als er ihre Stimme hörte. Und Ginny war es egal. Sie fühlte sich geborgen.
Draco lehnte sich zurück, sodass sein Rücken die kalte Wand berührte. Dann schloss er die Augen. Es war geschafft. Er hatte es geschafft. Er hatte das Mädchen wieder einmal vor dem Tode bewart. Mit diesem letzten Gedanken fiel er in einen tiefen und ruhigen schlaf.
Die kleine Gryffindor in seinen Armen tat es ihm gleich. Sie hielt es vor Schläfrigkeit nicht länger aus.
Ein Licht weckte Draco aus seinen traumlosen Schlaf. Ohne die Augen zu öffnen überlegte er wie lange er hier wohl schon lag. Ein Paar Stunden? Einen ganzen Tag? Er spürte wie Ginny noch immer in seinen Armen lag. Schließlich öffnete er die Augen. Er war noch immer da wo er eingenickt war, aber um ihn und Ginny war eine Decke gewickelt worden. Zwar war er nicht mehr müde, doch als er auf die Gryffindor hinabschaute, wie sie dort seelenruhig
schlief, konnte er es nicht übers Herz bringen und sie
wecken, also schlief auch er noch für eine kurze Zeit.
Ginny hatte einen schönen Traum, was ihr nur gut tat. Sie träumte, sie wäre eine Prinzessin, die von einer bösen Hexe gefangen gehalten wurde. Vor der Tür ihrer Turmzelle standen zwei bösartig aussehende Zentauren, die jeweils ein Schwert in der einen und eins in der anderen hielten. Sie traute sich nicht auszubrechen. Eines schönen Tages aber passierte das Unerwartete. Ein junger Prinz mit silberblondem Haar kam auf einem weißen geflügelten Einhorn geflogen und rettete sie aus dem Turm. Sie heirateten und waren glücklich bis an ihr Lebensende. Schade dass es so was nur in Träumen gibt, dachte Ginny und wachte auf.
„AAAAAAAAAAAHHHHHHHHHHHHHHHHH!"
„Meine Güte Weasley, musst du denn schon am frühen Morgen so rumkreischen? Fragte Draco schläfrig, als sich Ginny erschrocken von ihm losriss. Na gut. Eigentlich konnte er gar nicht wissen ob es morgens war aber es war zumindest hell draußen und der Blonde hatte es so an sich morgens aufzuwachen.
„Malfoy! Was fällt dir eigentlich ein?" fauchte Ginny den Slytherin an.
„Wovon redest du überhaupt?" erkundigte sich Draco.
Ginny wurde rot und eine peinliche Pause trat ein.
Warum lag ich in Malfoys Arm? Spinn ich jetzt vollkommen?
Ob sie das mit dem Kuss mitbekommen hat? Ich weiß nicht was in mich gefahren ist. Ich konnte nur noch an ihr Überleben denken. In den Minuten hätte ich mich wahrscheinlich sogar geopfert, wenn es ihr geholfen hätte. Aber warum? Jetzt ist sie bloß wieder Schlammblutfreundin Weasley, oder?
Weder Draco noch Ginny konnten sich einen Reim aus dem ganzen machen, aber das mussten sie zunächst auch nicht, denn plötzlich knarrte die alte Holztür des Pups und der Wirt kam rein. Mit einem freundlichen Lächeln wandte er sich Ginny und Draco zu.
„Ihr seid also wach? Schön dass es ihnen wieder besser geht Miss Weasley!"
„Woher wissen sie wie ich- ich meine woher kennen sie meinen Namen?"
„Das sollte ihnen Dumbledore erklären. Wenn ihr soweit seid. Der Schulleiter wartet schon mehrere Stunden auf euer Erwachen!"
„Dumbledore ist hier. Wo ist er. Ich muss wissen wie es meinem Bruder geht!"
„Er wartet in der Kutsche vor der Tür."
Ginny brauchte keine Minute, da stand sie schon vor der Kutsche. Die Tür sprang von allein auf und ihr lächelte Professor Dumbledore entgegen.
„Miss Weasley, Mr. Malfoy steigen sie ein!"
Ginny drehte sich kurz um. Tatsächlich stand der Slytherin direkt hinter ihr. Sie stieg in die Kutsche und weil sie es nicht erwarten konnte, sprudelte es aus ihr heraus.
„Wie geht es Ron? Hat man ihn gefunden? Ist er verletzt? Und Hermine? Was ist mit ihr! Ich mache mir solche Sorgen um die zwei, seid ich den Tagesprophet gestern gelesen habe."
„Gestern?" , wiederholte Dumbledore.
Plötzlich wurde den Schülern klar, dass sie länger als einen Tag geschlafen haben müssen.
„Wie lange" , begann Malfoy.
„Drei." Antwortete Dumbledore.
Das war ja Merlin sei Dank nicht so lange, trotzdem scheint viel passier zu sein in diesen drei-
„Wochen." Beendete Dumbledore den Satz.
„WOCHEN?" schrie Ginny.
Draco schluckte. Wie konnten sie so lange schlafen. Das hatten sie ja wohl bitter nötig.
„Mal ganz ehrlich Miss Weasley. Wir haben uns letzte Zeit mehr Sorgen um euch beide gemacht als um die Zuggäste. Die Schule hat bereits seid 1 ½ Wochen wieder begonnen. Niemand ist mehr verletzt und es gab nur eine Tote.
„Wer?" fragte Ginny besorgt, es könnte Hermine sein.
„Hannah Abott."
„Oh, das tut mir leid."
Im Innern war sie froh darüber. Denn besser Hannah Abott als Hermine.
Ginny konnte es gar nicht erwarten ihre Freunde wieder zu sehen und ihren Bruder. Wenn man so wollte hatte sie sich die letzten drei Wochen um alle gesorgt, auch wenn sie davon nichts mitbekam.
Als die Kutsche vor Hogwarts ankam, sprang Ginny mit einem Satz heraus und verschwand blitzschnell Richtung Schloss. In der Großen halle schien es gerade Essen zu geben und Draco überlegte ob es morgens, mittags oder gar abends war. „Mr. Malfoy. Bevor sie zum Abendessen gehen, möchte ich mich bei ihnen bedanken. Ich habe von ihrer Heldentat gehört. Wären sie nicht da gewesen, wäre Verginia Weasley jetzt wohl tot."
„Wer weiß noch davon?" fragte Draco grimmig.
„Keine Sorge, außer Professor Snape, Professor McGonagall, Mandam Pomfrey und mir niemand ."
Der Slytherin wusste nicht ob er erleichtert oder deprimiert sein sollte. Wenn Hogwarts etwas über diesen Kuss erfahren hätte, wäre er vor Pein in den Boden gesunken, aber anderseits war er diesmal Potter zuvor gekommen und hatte einem Mädchen zwei Mal das Leben
Gerettet und jetzt sollte keiner davon wissen. Darüber zerbrach sich Draco aber nicht weiter den Kopf. Er nickte Dumbledore zu und verschwand Richtung Schloss.
