Derweilen 4. Aufzug / 1. Szene spielt – Nach der Ermordung Polonius
Hamlets Studierzimmer
Ein Diener kommt.
DIENER
Mein Fürst, Euer
Hausgast Horatio möchte Euch sprechen.
HAMLET
Soll eintreten.
Der Diener verneigt sich und geht
rückwärts über die Türschwelle. Horatio tritt
ein, derweil er eindringlich flüstert
HORATIO
Mein Prinz, was habt Ihr getan!
HAMLET
die Tür zuschlagend und bitter auflachend
Gute Mär' verbreitet sich
schnell, wie's scheint.
HORATIO
Ich
bitt' Euch! Ihr hasardiert! Ihr werdet noch irgendwann Euer eigen'
Grab durch Unbedachtheit graben!
Als Hamlets Miene daraufhin ernst
wird und sein Blick sich zum Boden senkt, legt sich Schweigen über
das Szenario.
HORATIO
Was
soll ich tun? Mir scheint es, als fesseltest Du selbst mit Deinem
Handeln jeglicher Hilfe die Hände!
Hamlet hebt langsam den Blick und indes er ihn auf
Horatio heftet, wird dieser des Tränenschimmers in Hamlets Augen
gewahr'.
HAMLET
Voca
me, Horatio.
HORATIO
Ich
– versteh' nicht.
HAMLET
Errette
mich. Heißt es nicht so, auf lateinisch?
HORATIO
Gewiss,
aber –
HAMLET
So
dem sei: Voca me!
Horatio
sieht Hamlet mit einem Blick an, dass diesem das wohlbekannte Gefühl
der Enthüllung jeglicher Seelenzüge im Herzen aufflammt.
Den Blick nicht brechend, bleibt Hamlet in seiner Haltung aufrecht,
königsgleiche Stärke wahrend, wie dem Adelsgeschlecht von
klein auf gelehrt. Doch ein winziges Zittern verrät seine
Seelenerregung.
Daraufhin
Horatio mit einem Seufzen die Distanz zwischen ihnen mit 2 großen
Schritten aufschließt und Hamlet mit bürgerlicher
Heftigkeit an seine Brust zieht.
Es
vergeht ein langer, inniger Moment der Stille, ehe Hamlet sich sanft
aus Horatios Armen löst.
HAMLET
Danke...
HORATIO
Wie
nur, soll's nun weitergehen, Hamlet? Mir schmerzt der Kopf im
Gedenken der Umstände.
HAMLET
Fürwahr,
meiner bricht mir dabei.
Meinen
Frieden. Das ist das Einzigste, wonach ich noch verlangen möchte.
Einsam sein. Ruhe vor der Welt und ihren verruchten Wesen, die
erbärmlicher in ihrem Wankelmut nicht sein könnten. – Und
ich bin doch der Größte davon!
HORATIO
Hört
auf, Euch selbst einen Dolch ins Herz zu stechen!
HAMLET
Im
Gegenteil, ich wünscht', ich hätt' den Mut!
HORATIO
Und
ließet des Vaters Wunsch – und mich – zurück.
HAMLET
ihn verstummend und mit Schuld in den Augen ansehend
Vergib'
törichten Worten.
HORATIO
Schon
bevor sie Euren Mund verließen. – Heget Hoffnung, Hamlet, für
den Ausgang Eurer Sache!
HAMLET
Warum
gibt auf einmal solch' Gewissheit Deinen Worten Sinn?
HORATIO
Weil
Ihr in dieser Welt leben könnt und trotzdem immer etwas
unirdisches, gar engelhaftes um Euch tragt, das wegzureißen sie
Euch nicht vermag. So glaub' ich im Fortsetzen dieser Logik, dass
auch zu stürzen sie nicht Herrin genug ist.
HAMLET
lächelnd
'Im Fortsetzen dieser Logik', ei, wie Du
leidenschaftliches Reden Dir stets nicht eingestehen willst. –
Ich
muss nach England, Du weißt's?
HORATIO
Ja.
HAMLET
Meine
Mutter wird wohl grad dem König Bericht geben. Ich fürchte,
das wird meine restliche Verweildauer hier am Hof verkürzen.
Mein Oheim will mich, so schnell als Anstand und Schein es zulassen,
aus Dänemark entfernen.
HORATIO
Oder
gar Schlimm'res.
HAMLET
Oder
dies. Bei Gott, im Morden hat er ja derweil' Erfahrung, niederster
Schurke!
HORATIO
Ihr
müsst auf Euch Acht geben.
HAMLET
Ich will's. Und so denn es Gottes
Wille ist, werden die Zeichen der Zeit auf meiner Seite stehen.
Und
doch will eine Beklommenheit nicht von meinem Herzen weichen.
Obwohl
der Tod dieses Intrigenmeisters mir keine Liebesträne abringt,
ist doch ein arger Schmerz in mir, Horatio. Ich wünscht', aus
diesen Sünderaugen würde ein heißer Strom
fließen.
HORATIO
Welche
Art von Schmerz zu bekunden?
HAMLET
Zu
bekunden, dass sie Tränen eines Verbrechers sind, der am Ende
doch noch über sich selbst entsetzt ist. – Freund, gibst Du
mir ehrlich Antwort auf eine vertrauliche Frage?
HORATIO
Wie
stets.
HAMLET
Warum
liebst Du mich?
HORATIO
Weil
ich Dich kenne.
TBC – again :)
