5. Aufzug / 2. Szene – einem Epilog gleichzusetzen
Kerzenbeleuchtete BegräbnisstätteHoratio betritt die Szene. Mit zögerndem
Schritt geht er auf den aufgebahrten Leichnam Hamlets zu.
HORATIO
Am
Ende hat diese raue Welt – eine Welt voll Bitterkeit, die sich
nicht schämt, Heldenverrat zu verüben, Deine zartfühlende
Seelen doch noch gebrochen.
Und
dennoch, auf eine Weise, trägst Du den Sieg als den Deinen
davon, mein Prinz.
Magst
Du nun schlafen.
So
kann es in der Welt weiter heißen, die wahrhaft reine Seele ist
stets ein Opfer des Erwachsenwerdens.
Eines Besseren belehrt bin ich, der Freund sein durfte, diesem edelmütigen
Herz.
Kein
Jugendstreich, bei dem Schaden nie nennenswert war, gilt als ernstes
Vergehen vor unsrem lächelnden Gott.
Kein Kuss von einem Engel kann jemals
Sünde gewesen sein.
Du
wärst ein König geworden, dessen Geist sich stets nur der
einen, göttlichen Wahrheit verbunden gefühlt hätte. –
Schlaf nun wohl, süßester Prinz.
Er ergreift eine Hand des Aufgebahrten.
Du batest mich um den Schwur auch für
alle himmlischen Scharen, Dich niemals zu verlassen und ich gab ihn Dir.
Doch
ich sagte, die Engelsrufe würden mich nicht locken können,
weil der Schönste von ihnen bei mir weilt. Nunmehr bist Du auf
dem Weg zu unsrer alten Heimat – ohne mich. –
Aber
nein, ich bin bei Dir...wo immer Du hin gehen magst. Selbst in den
Himmel kann ein Teil von mir Dir folgen – mein Herz.
Du
bist in deinem ganzen Leben noch nie nach hause gekommen, flüstertest Du in jener, letzten Nacht in mein Ohr...
Jetzt
–jetzt kannst du nach Hause, Hamlet.
Solang'
mag ich Dich halten, bis Deines Vaters seliger Geist Dich holt; ihr
gemeinsam in die verdiente Heimatruhe zieht.
Und
bevor ich diese Engelsschwingen um mich spüre, mag
ein letzter Kuss Deine schon bleichen Lippen zum letzten Mal berühren und
unsterblich Zeugnis von meiner ewigwährenden Liebe geben.
Er
beugt sich hinab und indes er Hamlets Lippen mit seinen versiegelt,
streicht sein nackenlanges Haar sanft über Hamlets Wangen.
Sodann
– ich spüre die heimatlichen Rufe, die bis zu dem meinen unsre
Wege nun trennen sollen.
Schrei
nicht auf, mein Herz. Nein. Lache, da Dein lieber Prinz nach all
seinen ird'schen Seelenqualen den verdienten Sitz im Himmel nun
erlangt.
Und
doch vermag ich nicht zu verhindern, dass diese leidenschaftlichen
Tränen fließen.
So
fließt denn und seit nur umso mehr der Liebe Eid.
Und ein letztes Flüstern mag
meinen Lippen entrinnen, ehe frei ich Dich gebe:Gute Nacht, mein
Prinz, mein Hamlet.
Sei
der Engel, der mich erwartet an dem Tage, da ich die Himmelspforte
passiere und wir wieder vereint sind; sodann Gott will, in den Armen
der Ewigkeit.
Sacht
streicht er ein letztes Mal über Hamlets Gesicht, dessen Augen
geschlossen nur dem Schlaf, nicht dem Tod zu gehören scheinen.
Horatio
richtet sich langsam wieder auf; nicht in Trauer gelähmt,
sondern geschmeidig, einer Katze gleich, geht er still ab.
FINIS
Some reviews?
Naja, ich hoffe, es war zumindest nicht so schlecht, dass Shakespeare sich im Grabe rumdreht. ;)
