Liebe und Angst
Kapitel 8: Kraftlos
Wyatt kniete auf dem Boden neben seinem Bruder und sah zu wie das Blut aus Chris' tiefer Wunde langsam durch sein T-Shirt sickerte. In diesem Moment wurde Wyatt etwas klar. Chris würde sich ihm niemals anschließen; er würde nie diese Gut-gegen-Böse Vorstellung loswerden. Er hatte immer gehofft, dass Chris es verstehen würde, dass es vorherbestimmt war, dass sie zusammen herrschten, aber anscheinend hatte er sich geirrt. Die Tatsache, dass Chris hier in der Vergangenheit war, um ihn zu ‚retten' bewies das mehr als alles andere. „Scheint als bräuchte ich dich nicht mehr, kleiner Bruder", sagte er verachtend. Wie konnte dieser verdammte Idiot versuchen alles zu zerstören für das er so hart gearbeitet hat?
Wyatt sah nun hinüber zu Leo, der verzweifelt versuchte das Schild zu durchbrechen, das er erschaffen hatte, als er gesehen hatte, dass sein Vater näher kam. „Es ist zu spät, Leo. Er ist tot. Du kannst ihn nicht retten", sagte er gleichgültig, als würde er übers Wetter reden und nicht über seinen toten Bruder.
„Nein!", schrie Leo, nicht in der Lage es zu glauben. „Nein, ist er nicht! Lass mich zu ihm! Ich kann ihn heilen, ich weiß, dass ich es kann!"
Wyatt stand auf und ging ein paar Schritte zurück, bevor er sein Schild auflöste. Augenblicklich war Leo an der Seite seines jüngeren Sohnes und hielt seine Hände über dessen Wunde. Er wartete darauf, dass das goldene Leuchten kam, doch er wusste schon, dass es dieses Mal nicht geschehen würde. Chris war tot. Die Erkenntnis traf Leo hart und er senkte seinen Kopf auf die Schulter seines Sohnes und fing an zu schluchzen. Das musste ein Alptraum sein. Und jeden Moment würde er aufwachen. Und Chris würde okay sein und ihnen befehlen Dämonen zu jagen. Es war nur ein Alptraum…
„Geh weg von ihm, Leo", sagte Wyatt plötzlich, aber Leo blieb wo er war. „Ich sagte, geh weg von ihm!", rief Wyatt und warf seinen Vater ein paar Meter durch den Raum.
Leo schlug hart auf den Boden auf, aber es kümmerte ihn nicht. Das einzige was er wollte war bei Chris zu sein. Er stand wieder auf und ging zurück zu dem Platz wo sein jüngerer Sohn lag, aber Wyatt aktivierte wieder sein Schild und hinderte ihn daran zu nahe zu kommen. „Lass mich zu ihm", wiederholte Leo seine Worte von vorhin, aber dieses Mal war seine Stimme ein Wispern. Er hatte seinen Sohn verloren… sein Sohn war tot…
„Sorry, aber ich muss etwas erledigen", erklärte Wyatt und kniete sich abermals neben seinen Bruder. Er wusste, dass der Spruch, den er benutzten wollte eine ungewollte Nebenwirkung haben würde, aber er wollte Chris' Kräfte. Wyatt musste ein Lachen unterdrücken, als er an den Bannspruch dachte, den er ausgesprochen hatte, als sie kleiner gewesen waren. Schließlich hatte er nicht zulassen können, dass sein Bruder genauso mächtig werden würde wie er selbst. Und jetzt würde er sich auch Chris' Kräfte holen. Das war eigentlich der einzige Grund gewesen weshalb er gewollt hatte, dass Chris sich ihm anschloss – seine Kräfte. Aber jetzt wusste er, dass das nie passieren würde und vielleicht war es sogar besser so.
Leo sah geschockt zu wie Wyatt anfing zu grinsen. Sein Bruder war tot und er schien sich darüber auch noch zu freuen. Jetzt verstand Leo endlich wieso Chris zurückgekommen war, um ihn zu retten. Der Gedanke an die heldenhaften Taten seines jüngeren Sohnes und der zufriedene Ausdruck auf dem Gesicht seines älteren Sohnes machte ihn total wütend. Das alles war so falsch. „Was zur Hölle ist los mit dir?", schrie er ohne Vorwarnung und schien sogar Wyatt damit zu überraschen. „Du sitzt da und grinst, während dein Bruder tot neben dir liegt! Wie kannst du nur…"
„Hör auf mich anzuschreien!", unterbrach ihn Wyatt und sein Temperament drohte auch mit ihm durchzugehen.
„Ich werde nicht aufhören bis du erkennst wie böse du geworden bist!", rief Leo laut. Er wagte es nicht Chris anzusehen, denn er wusste in der Sekunde in der er das tun würde, würde er wieder zusammenbrechen. Aber er musste jetzt seinen älteren Sohn wieder zum Verstand bringen. Vielleicht könnten sie sogar einen Weg finden Chris doch noch zu retten… „Was ist mit dir passiert? Wie kann es dir egal sein, was dein Bruder für dich getan hat? Er kam zurück, um dich zu retten und wie verhältst du dich? Du grinst? Um Gottes Willen, er ist…"
Nun hatte Wyatt jedoch genug. „Hör endlich mit deiner verdammten Moralpredigt auf!", schrie er ihn an und einige der Fenster zerbrachen plötzlich. Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen, bevor er sich wieder seinem Vater zuwandte. „Reg dich ab, du wirst meinen verfluchten Bruder wieder sehen", knurrte er dann. Er mochte es nicht, dass er Chris ins Leben zurückholen musste, aber er wollte dessen Kräfte. Und im Endeffekt würde es sowieso keinen Unterschied machen. Ohne seine Kräfte würde Chris sich nie wieder in seinen Weg stellen können.
„Was meinst du damit?", fragte Leo und blickte jetzt wieder hoffnungsvoll zu seinem jüngeren Sohn. „Kannst du ihn zurückholen?"
Wyatt nickte. „Aber wenn du es vorziehst mich anzuschreien anstatt mich in Ruhe zu lassen, damit ich mich konzentrieren kann, dann mach einfach weiter."
Leo ließ sich sofort wieder auf seine Knie fallen, so nahe zu Chris wie es ging, und wartete darauf, dass sein älterer Sohn ihn retten würde.
In der Unterwelt
Piper seufzte frustriert. Es war fast eine halbe Stunde her, dass sie und ihre Schwestern sich hinunter gebeamt und Barbas gefunden hatten. Sie hatten ihn angreifen wollen, doch dann war etwas geschehen, was keine von ihnen erwartet hatte. Barbas war vor ihnen davon gelaufen. Wenn es nicht so nervend wäre, dann wäre es wahrscheinlich sehr lustig gewesen den Dämon der Angst weglaufen zu sehen. „Barbas!", rief Piper eindeutig verärgert, als sie zusahen wie er um die nächste Ecke verschwand.
„Okay, was zur Hölle ist mit ihm los?", fragte Phoebe schließlich. „Ich hab ihn noch nie so gesehen."
„Vielleicht hat er Angst vor uns", schlug Paige vor, während sie versuchte wieder zu Atem zu kommen. Sie war normalerweise sehr fit, aber die Luft hier unten war sehr schlecht und das half nicht gerade, wenn man jemanden schon über dreißig Minuten verfolgte.
„Der Dämon der Angst hat Angst?", sagte Phoebe ungläubig und zog eine Augenbraue hoch.
Paige zuckte mit den Schultern. „Wieso nicht? Er weiß vielleicht, dass wir etwas haben, um ihn zu vernichten."
„Vielleicht", gab Phoebe zu. „Wie auch immer, ich denke nicht, dass wir ihn jetzt kriegen können, also lasst uns einfach zurück nach Hause gehen."
„Nein", protestierte Piper sofort. „Ich gehe nicht, bevor wir ihn vernichtet haben!"
„Aber Piper! Wenn er weiter vor uns davonläuft, dann kann es ziemlich lange dauern, bis wir ihn schnappen", meinte Paige.
„Er hat versucht meinen Sohn umzubringen", zischte Piper wütend. „Ich werde mich nicht einfach hinsetzen und darauf warten, dass er es wieder versucht."
Phoebe seufzte und nickte dann. „Okay, dann lasst uns ihn wieder suchen."
Paige sagte nichts, sondern folgte einfach ihren Schwestern. Als sie um die Ecke bogen waren sie überrascht, als sie sahen, dass Barbas dort stand, der dieses Mal keinen Versuch unternahm vor ihnen davonzulaufen. Stattdessen grinste er und fragte: „Wieso habt ihr so lange gebraucht? Ich warte hier schon seit ein paar Minuten."
Die Schwestern sahen sich etwas unsicher an, da sie nicht wussten was sie von der Situation halten sollten. „Wieso bist du vor uns weggerannt?", fragte Paige misstrauisch. Irgendetwas stimmte hier nicht.
„Um deine schlimmsten Ängste wahr zu machen", antwortete Barbas und sah dabei Piper an.
Pipers Herz schien stehen zu bleiben, als sie das hörte. Ihre schlimmste Angst… Chris! Und Wyatt! „Oh Gott, Paige, beam uns zurück!", forderte sie schnell.
„Was? Wieso?", fragte Paige verwirrt.
„Weil das eine Falle war", antwortete Phoebe statt Piper, während sie Barbas einen hasserfüllten Blick zuwarf. Sie verstand jetzt wieso er vor ihnen davongelaufen war. Er hatte sie nur ablenken wollen. Barbas winkte ihnen spöttisch zu und verschwand dann in einer Flamme. Die Schwestern gaben sich sofort die Hände und Paige beamte sie zurück zum Dachboden.
Piper hatte es schon vermutet, dass einem ihrer Söhne etwas zugestoßen war, aber es war trotzdem ein großer Schock für sie, als sie am Dachboden ankamen und sie Chris erblickte, der bewegungslos am Boden lag, während ein ihr unbekannter blonder Mann neben ihm kniete und etwas sagte, dass wie ein Zauberspruch klang. Leo war auch da und er weinte leise, aber er war nicht in der Lage an Chris' Seite zu sein, da ein Schild, das offensichtlich das Werk des anderen Mannes war, ihn davon abhielt.
„Chris!", krächzte sie, während Tränen anfingen sich in ihren Augen zu formen und bevor ihre Schwestern oder Leo sie davon abhalten konnten, rannte sie auf das Schild zu und versuchte es zu durchbrechen, doch sie wurde nur zwei Meter weggeschleudert.
Wyatt bemerkte sie, doch er konzentrierte sich jetzt auf das dunkelrote Licht, das dank seines Zauberspruches anfing aus seinen Händen zu kommen. Aufgeregt hielt er seine Hände über Chris' Wunde, die augenblicklich anfing sich zu schließen und Chris dazu brachte seine Augen wieder zu öffnen und nach Luft zu schnappen. Die ganze Familie schien für einen Moment erleichtert zu sein, doch was als nächstes kam erfüllte sie erneut mit Horror. Das Leuchten von Wyatts Händen wurde noch dunkler und veränderte sich zu einer Art Blitz, der in die noch immer offene Wunde traf. Chris schrie überrascht und schmerzerfüllt auf und versuchte verzweifelt die Verbindung zu lösen, aber vergeblich. Er begann am ganzen Körper zu zittern und hoffte, dass was immer sein Bruder ihm gerade antat bald vorbei sein würde.
„Wyatt, bitte hör auf damit!", schrie Leo ängstlich.
„Wyatt?", keuchte Paige ungläubig auf, während Piper und Phoebe den blonden Mann schockiert ansahen.
Nach einer halben Minute war Wyatt schließlich fertig und stand zufrieden auf. Er hatte noch nie in seinem Leben so viel Macht gespürt. Es war einfach fantastisch! „Danke, kleiner Bruder", lachte er Chris an, der heftig atmete und ihn mit schmerzerfüllten Augen ansah. „Ich würde gerne bleiben und dich für deinen Verrat noch mehr büßen lassen, aber ich hab ein paar neue Kräfte, die ich ausprobieren muss. Aber ich verspreche dir, ich komm zurück." Mit diesen Worten beamte er aus dem Zimmer.
Chris rollte sich auf die Seite und zog seine Knie leicht an und versuchte das erbarmungslose Gelächter seines Bruders und das Versprechen, das darauf gefolgt war aus seinem Kopf zu verdrängen. Er merkte es kaum, dass sein Vater ihn zurück auf seinen Rücken drehte, um seine Wunde zu heilen, denn schon bald wurde er ohnmächtig, da er sich so schwach und kraftlos fühlte wie noch nie zuvor…
Fortsetzung folgt… (Chris lebt, seht ihr? Ich könnte ihn nicht umbringen, aber einfach mach ich es ihm auch nicht gerade, was? Na ja, auf jeden Fall Danke für eure Reviews!)
