Warnungen und Disclaimer: siehe vorheriges Kapitel
Innerlich kopfschüttelnd saß Heero im Cabrio und ließ sich zu diesem ach so tollen Spezialitätenrestaurant fahren. Er konnte immer noch nicht vollkommen verstehen wie Lieutenant Maxwell es geschafft hatte ihn zu diesem Wahnsinn zu überreden. Als ob er es nötig hätte mit dem leitenden Ermittler Essen zu gehen um dessen Meinung zum aktuellen Fall zu erfahren. So etwas teilte man normalerweise in einem ordentlichen Bericht mit. In dreifacher Ausführung!
Heero schnaubte kurz und warf einen Seitenblick auf seinen Fahrer. Maxwell schien ziemlich viel Spaß daran zu haben sein Auto durch die Nacht zu lenken. Er hatte das Radio angemacht, summte leise zur Musik und klopfte den Takt mit seinen Daumen auf dem Lenkrad. Er schien wirklich völlig entspannt. Und aus – für Heero – unerfindlichen Gründen hatte sich plötzlich ein breites Grinsen auf das Gesicht des Polizisten geschlichen. Ach was hieß hier plötzlich, das schien schon ein Dauerzustand zu sein.
Heute Morgen hatte Lieutenant Maxwell ihn völlig überrumpelt. Heero war davon so überrascht gewesen das er völlig perplex zu diesem Wahnsinn zugesagt hatte. Erst später in seinem eigenen Büro war ihm aufgegangen das er im Prinzip einem Date zugestimmt hatte nur um an Informationen zu kommen, die Maxwell ihm sowieso mitteilen musste. So sehr hatte ihn schon lange niemand mehr aus der Bahn geworfen, und Heero konnte nicht von sich behaupten das er erfreut über sich und die Situation gewesen wäre.
Ein weiterer Seitenblick ließ ihn seinen Fahrer noch einmal genauer unter die Lupe nehmen. Irgendwie strahlte dieser Maxwell unheimlich viel... Hn.. wie beschrieb man das am besten... Lebensfreude aus. Es war nicht wirklich genau zu benennen was es denn war, aber es schien die Leute dazu zu bringen Lieutenant Maxwell zu mögen. Mit seiner locker, flockigen Attitüde – die Heero sogar in ihren kurzen dienstlichen Treffen bisher aufgefallen waren – fiel es Maxwell sicher nicht schwer Anschluss zu finden.
‚Wie David,' schoss es Heero sekundenkurz durch den Kopf, aber er unterdrückte diesen Gedanken so schnell wie möglich. Er war inzwischen ziemlich erfolgreich darin geworden.
Auf jeden Fall hatte er seinem Kollegen Chang Wufei von der ganzen Sache erzählt. Und es kurz darauf zutiefst bereut. Er schätzte Wufei sehr. Er hatte selten einen Juristen erlebt der sich derart für Gerechtigkeit stark machte wie dieser. Er konnte ihn und seinen Kampf gut verstehen und stand vollkommen hinter Wufeis Idealen. Aber was Duo Maxwell anging schien dieser nahezu paranoid zu sein. Er hatte stundenlang über den Polizisten lamentiert und versucht Heero davon zu überzeugen das er die gesamten Nachforschungen beeinträchtigen könnte wenn er auf Maxwells Charme hereinfiel.
Pff, was hieß hier auf den Charme des Polizisten hereinfallen? Da hätte Heero beileibe keine warnenden Worte von Wufei benötigt um zu bemerken was Maxwell hier versuchte. Heero war schließlich nicht von gestern.
Außerdem hatte alles was Wufei ihm über Maxwell erzählt hatte im Grunde nur bestätig was er sich schon selbst aus dessen Verhalten hatte zusammenreimen können. Er würde sich von dieser strahlenden Fassade nun garantiert nicht blenden lassen. Sie würden einfach nur zusammen essen gehen und er würde diese Information erhalten. So weit so gut.
Heeros rechter Mundwinkel hob sich leicht bei dem Gedanken daran wieso Wufei wohl derart negativ auf Lieutenant Maxwell reagierte. Heero hatte dessen Akte gelesen und neben allem anderen schien er als Polizist gar nicht mal so schlecht zu sein. Er hatte eine relativ hohe Erfolgsquote. Das er es in seinem Privatleben scheinbar etwas lockerer nahm, sollte die Staatsanwaltschaft nicht weiter interessieren. Wieso reagierte Wufei also so sauer auf Maxwell? Hn, vielleicht würde er es heute Abend erfahren. Das könnte sogar interessant werden.
Sie schienen bei ihrem Ziel angekommen zu sein. Duo fuhr rechts zur Seite und stellte das Auto ab. Irritiert bemerkte Heero das sie direkt neben einem Wasserhydranten parkten. Er wollte seinen Begleiter schon darauf aufmerksam machen, als er sah das Maxwell einfach die Sonnenblende über den Fahrersitz herunterklappte. Daran befestigt war ein Schild, das besagte das es sich um ein Fahrzeug eines Polizisten im Einsatz handelte.
Heero runzelte die Stirn. Aber er hatte jetzt auch keine Lust deshalb eine Diskussion anzufangen. Darum seufzte er nur einmal kurz und schnallte sich los. Als er aus dem Wagen stieg, bemerkte er das der Polizist schon fröhlich grinsend neben dem Auto stand. Ach ja, ihm war vorhin schon aufgefallen das Maxwell sich nicht angeschnallt hatte. Was auch immer man über seinen Begleiter sagen konnte, auf jeden Fall schien er von der Straßenverkehrsordnung nicht viel zu halten. Die Falte auf Heeros Stirn wurde tiefer. Vielleicht hatte Wufei ja doch Recht.
Er stieg aus und umrundete das Auto. Maxwell machte eine Bewegung das er ihm folgen sollte und bewegte sich auf die andere Straßenseite zu. Heero seufzte wieder. Da schien das Restaurant zu sein. Obwohl für ein Restaurant war für Heeros Geschmack viel zu viel laute Musik aus dem Gebäude zu hören. Mit großen Leuchtbuchstaben wurde der Name des Ladens 'Tipitana' in die Nacht gestrahlt. Es schien eher ein Club zu sein als ein ruhiges Restaurant.
Zumindest schien es ein sehr angesagter Laden zu sein, es gab eine ziemlich lange Schlange vor dem Eingang. Wie bei jedem Ausschankbetrieb in dieser Stadt stand ein uniformierter Polizist vor dem Eingang. Verhinderte so das mehr Personen, als durch die Vorschriften erlaubt, in den Laden gelassen wurden. Heero war sich nicht sicher, ob es wirklich die Aufgabe von Polizisten sein sollte praktisch als Türsteher zu arbeiten, aber die Stadtverordnungen – die noch aus dem letzten Jahrhundert stammten – schrieben das nun einmal vor. Heero hatte sich an diese Sache auch erst gewöhnen müssen, als er hierher gezogen war.
Seufzend bewegte Heero sich zum Ende der Schlange. Wenn er es richtig schätzte, dann würden sie wahrscheinlich eine gute halbe Stunde hier darauf warten müssen hereingelassen zu werden. Er hatte sowieso keine Lust auf dieses Abendessen gehabt, jetzt auch noch in der Schlange zu stehen machte es nicht gerade angenehmer für ihn.
Plötzlich wurde er von seinem Begleiter am Ellenbogen gefasst. Heero zuckte kurz zusammen, er mochte es nicht von praktisch Fremden berührt zu werden. Als er sich zu Maxwell umdrehte konnte er sehen das dieser ihn mit strahlenden Augen anblickte. „Hey komm schon," sagte er und zog Heero mit sich in Richtung Eingang. „Wir müssen doch hier nicht anstehen."
Als die anderen Leute die in den Laden wollten mitbekamen das sie sich vordrängeln wollten, begannen sie laut zu protestieren. Maxwell drehte sich einfach zu ihnen um und sagte mit breitem Grinsen. „Sorry, aber ich hab Vorfahrt."
Heero bemerkte wie leichte Röte in sein Gesicht kroch. Das hier war ihm mehr als peinlich. Wieso konnte Maxwell nicht einfach warten wie alle anderen auch? „Das ist mir unangenehm," sagte er zu seinem Begleiter.
Doch dieser hielt seinen Ellenbogen weiter in festem Griff und zog ihn mit sich. „Hey, das ist doch das schöne daran wenn man Polizist ist."
Als sie die Tür erreichten begrüßte er den Türsteher. „Hey Murray," scheinbar kannte Maxwell sich hier recht gut aus.
Der uniformierte Polizist nickte ihnen beiden zu und mit den Worten „Guten Abend Lieutenant," öffnete er die Tür zum Tipitana. Und sie beide gingen hinein.
Heero wusste nicht genau was er sich unter dem Restaurant mit den besten Spezialitäten der Stadt vorgestellt hatte, aber sicher nicht das. Er hatte ein ruhiges Restaurant erwartet und auch wenn er ringsum kleine Tische sehen konnte auf denen Speisen serviert wurden, so gab es gleichzeitig auch überall tanzende Menschen und auf einem Podest an der gegenüberliegenden Wand spielte eine Band.
Die Musik konnte Heero auch nicht so richtig einordnen, aber sie schien das spielen von Waschbrettern zu erfordern. Wo zum Teufel hatte ihn dieser Polizist hingelockt?
In dem Moment kam eine junge Frau auf sie zu. „Hey Duo," rief sie, dann streckte sie ihre Arme aus und Heero begriff das sie darauf wartete das sie beide ihre Jacken ablegten. Sie schien eine Angestellte des Hauses zu sein.
„Hi Janine," grüßte Maxwell zurück. „Sieht voll aus, heute Abend." Dann händigte er ihr seine Jacke aus. Heero tat es ihm schnell nach.
„Ja. Es ist auch noch kein Tisch frei," informierte die junge Frau.
Das breite Grinsen kehrte in Maxwells Gesicht zurück. „Das ist kein Problem Janine. Wir müssen eh noch etwas tun um unseren Appetit anzuregen." Und mit diesen Worten ergriff er wieder Heeros Ellenbogen und zog ihn in das Zentrum des Raumes, mitten unter die Tänzer.
Völlig perplex folgte Heero dem Polizisten. Aber als sie an ihrem Ziel angekommen waren, dämmerte es ihm, das Maxwell scheinbar mit ihm tanzen wollte. Er schaute sich noch einmal um. Dies war keine Disko und das bedeutete Paartanz! Mit Maxwell!
Heero schüttelte entschlossen den Kopf und wollte wieder von der Tanzfläche gehen. „Wir sind doch hier um etwas dienstliches zu besprechen," versuchte er sich aus der Affäre zu ziehen.
Und wieder strahlte ihm ein 1000 Watt Grinsen entgegen. „Beruf und Vergnügen vermischt. Da ist doch nichts gegen auszusetzen." Der Polizist trat noch einen Schritt näher und umfasste Heeros Hüfte, so als wenn er diesen Wahnsinnsplan wirklich durchziehen wollte.
Heero versuchte wieder auszuweichen. „Ich tanze nicht," sagte er mit seiner emotionslosesten Stimme.
Maxwell setzte nach. „Hat man etwa nicht getanzt wo du herkommst?" Und noch bevor Heero darauf antworten konnte fügte er noch mit hochgezogener Augenbraue hinzu, „Oder stört es dich, das ich ein Kerl bin?"
Ja, da hatte Maxwell sogar ziemlich ins Schwarze getroffen. Heero bemerkte das er leicht rot anlief. Es war ihm wirklich peinlich in der Öffentlichkeit mit einem Mann zu tanzen. Das schickte sich einfach nicht.
„Hey, schau dich um, das wird hier niemanden groß stören."
Und wirklich, ein kurzer Seitenblick zeigte das sich unter den vielen tanzenden Paaren auch etliche gleichgeschlechtliche befanden. Wo zum GEIER hatte dieser Maxwell ihn nur hingeführt?
Heero bemerkte das seine Argumente immer fadenscheiniger wurden. „Wir haben bisher kaum miteinander gesprochen. Und da sollen wir miteinander tanzen?" er hätte sich für diese Aussage am liebsten selbst in den Hintern getreten.
Nicht nur ihm war aufgefallen was er da für ein Schwachsinn erzählt hatte, denn Maxwell kicherte ziemlich laut. „Wir kennen unsere Namen und wissen was wir beruflich tun, das sollte für einen einfachen Tanz ausreichen." Maxwell trat noch dichter an Heero heran.
So dicht, das Heero dessen Atem auf seinen Nacken spüren konnte. Augenblicklich schien er am ganzen Körper Gänsehaut zu besitzen. Er schüttelte noch einmal kurz den Kopf. Dann bemerkte er wie der Griff um seine Hüfte fester wurde und Maxwell tatsächlich anfing sich mit ihm zur Musik zu bewegen.
„Außerdem, das hier ist New Orleans, The Big Easy. Tanzen gehört hier zum Way of Life, lass dich einfach gehen," wurde ihm ins Ohr gehaucht. Heero war sich des anderen Körpers viel zu deutlich bewusst. Er versuchte seine Gedanken davon abzulenken. Verdammt sie waren aus dienstlichen Gründen hier.
Am liebsten hätte Heero sich dennoch von Maxwell losgerissen. Er wollte nicht tanzen. Aber er entschied das es noch peinlicher wäre wenn er jetzt hier eine große Szene hinlegen würde. Es wäre sicher einfacher ein, zwei Tänze mit diesem impertinenten Polizisten durchzustehen und danach endlich die Informationen bekommen. Grimmig begann auch Heero sich zur Musik zu bewegen.
Aber das war dann gleich das nächste Problem. Er war normalerweise schon kein perfekter Tänzer. Doch bei dieser komischen Musik konnte er noch nicht einmal entscheiden welcher Tanz es war. Er wusste nur das es definitiv kein Walzer war. Außerdem irritierte es ihn das Maxwell führte.
Er kam sich selbst wie ein Elefant im Porzellanladen vor und stolperte fast über seine eigene Füße. Die Furche auf seiner Stirn schien auch von Sekunde zu Sekunde tiefer zu werden, während er verzweifelt versuchte den richtigen Rhythmus zu finden. Es kam wie es kommen musste, er trat Maxwell mit voller Wucht auf die Schuhspitze.
„Au," rief der Polizist aus.
Heero wurde schlagartig um einige Schattierrungen röter und versuchte sich nun endgültig zu lösen. Die Sache war wirklich keine gute Idee gewesen.
Doch er wurde in einem eisernen Griff gehalten. „Hey, nicht aufgeben. Das kriegen wir schon hin. Schau genau auf meine Füße und versuch die Musik in dich aufzunehmen."
Und Heero ließ sich tatsächlich zeigen wie es ging. Konzentrierte sich auf die Musik und versuchte zu vergessen das er eigentlich nicht hier sein wollte. Nach einigen Minuten schien er auch tatsächlich sicherer in seinen Bewegungen zu werden und bald danach fing es sogar an Spaß zu machen.
Heero wusste nicht wie lange sie tanzten, er hatte bald alles Zeitgefühl verloren, aber es musste schon eine Weile sein, denn sie versuchten sich an immer ausgefallenen Schritten und Maxwell wirbelte ihn regelrecht durch den Raum. Verdammt es machte wirklich Spaß, Heero erwischte sich dabei wie er einmal fast gelacht hätte. Er hatte sogar für ein paar Minuten vergessen warum sie eigentlich hier waren.
Doch dann trat die Angestellte von vorhin zu ihnen und tippte Maxwell auf die Schulter, „Hey Duo, ein Tisch ist gerade frei geworden."
Wie auf Bestellung schien auch die Band gerade zu ruhiger Musik zu wechseln. Maxwell quittierte beides mit einem Lächeln und zog Heero hinter sich her. „Das ist das Zeichen mit dem Tanzen aufzuhören."
Sie folgten beide der Angestellten und saßen schon wenige Minuten später an einem der kleinen Tische. „Was darf ich euch bringen?" fragte die Frau.
Bevor Heero noch die Karte verlangen konnte sagte Maxwell auch schon. „Eine Flasche von dem trockenen Weißwein. Für mich das übliche. Und ja, für meine Begleitung auch."
Die Frau lächelte Maxwell an, sagte noch einmal „Wird sofort erledigt Duo," und ging dann weg.
Heero wusste nicht ob er ihr verwundert hinterher schauen oder Maxwell irritiert anstarren sollte. Die Falte auf seiner Stirn erschien wieder. „Vielleicht hätte ich gerne selber bestimmt was ich essen möchte," sagte er dann mit kühlem Unterton.
Der Polizist lehnte sich nur nach vorne und blickte ihm tief in die Augen, brachte Heero dadurch zum blinzeln. „Hey du hättest doch sowieso nichts mit den Namen der Gerichte anfangen können. Vertrau mir. Mein 'übliches' ist wirklich lecker."
„Hn. Ich gehe davon aus das Sie öfter in diesem Restaurant sind?"
„Das kann man so sagen, das Tipitana ist praktisch mein zweites Zuhause. Ist der Laden nicht einfach klasse?" Maxwell fing an den Takt der Musik mit den Fingern auf der Tischplatte zu klopfen.
Heero wusste nicht was er darauf erwidern sollte, deshalb versuchte er das Gesprächsthema zu wechseln. „Erzählen Sie mir vom Fall Angelo."
Wieder erntete er ein strahlendes Grinsen. „Hey, wozu die Eile? Außerdem habe ich gesagt das ich dir das während des Essens erzählen werde und das steht noch nicht mal auf den Tisch."
Heero runzelte wieder die Stirn. Wenn der Abend noch weiter so verlaufen würde, dann hätte er wahrscheinlich eine dauerhafte Falte da. „OK, dann lassen Sie uns über Angelface Winner reden."
„Kannst du nicht einfach für ein paar Minuten mal nicht an die Arbeit denken?"
„Beruf und Vergnügen vermischt. Da ist doch nichts gegen auszusetzen," schoss Heero zurück und konnte sich selbst ein kleines Grinsen nicht verkneifen.
„Autsch... mit den eigenen Worten ausgeknockt. OK, was möchtest du über Angelface wissen."
Heero hatte fast nicht erwartet so einfach zu gewinnen. Er musste kurz überlegen um die Frage auch richtig zu formulieren. „Hn. Ich habe verstanden das Ihr Schauspiel von heute morgen dazu dienen sollte Ihnen neue Informationen zu beschaffen."
„Richtig, bei dieser Art von Verbrechen muss man zwischen den Zeilen lesen können."
„Aber nichts desto trotz hatte ich den Eindruck das Sie Angelface irgendwie mögen, vielleicht sogar bewundern. Wie kann das für einen Polizisten angehen?"
Heero schien mit seinen Worten wirklich den richtigen Nerv getroffen zu haben, denn sein Gegenüber ließ sich völlig perplex nach hinten fallen. „Also direkt bewundern würde ich das nicht nennen," brachte er nach einigen Sekunden vor.
Heero bohrte weiter nach. „Aber Sie halten Ihn nicht für einen gefährlichen Schwerverbrecher. Oder irre ich mich da?"
„Stimmt, das tue ich nicht."
Heero schüttelte den Kopf. „Aber er ist der Kopf einer Mafiabande."
Maxwell rückte sich wieder auf den Stuhl zurecht. „Das mag sein. Aber er hat auch seine guten Seiten." Heero wollte erbost etwas darauf erwidern aber der Polizist redete weiter. „Ich weiß, ich weiß. Seine Familie befasst sich mit Prostitution, illegalem Glücksspiel und Drogen. Aber, und das ist ein verdammt großes aber, es gibt dabei gute Seiten. In den Bezirken die von den Manguanacs kontrolliert werden geht es relativ gesittet zu, das belegt unsere Polizeistatistik. Es scheint keine Gewalt gegen die Prostituierten zu geben, stärkere Drogen als Dope und Ecstasy und vielleicht ein bisschen Speed werden auf der Straße nicht gehandelt, und bei den Glücksspielen scheinen sogar hin und wieder welche zu gewinnen. Außerdem gibt es sehr viele vollkommen legale Firmen der Manguanacs in den Bezirken die einem Haufen Menschen Arbeit geben."
„Ach, wenn diese Familie solche Wohltäter sind, wieso mischen die dann immer noch in den illegalen Bereichen mit?"
Maxwell zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Aber wir haben sehr viel weniger Probleme in den Bezirken als in allen anderen."
„Ist das Ihr einziger Grund? Um Verbrechen aller Art zu rechtfertigen?" hakte Heero nach.
„Nein, außerdem muss man Angelface einfach bewundern. Wie alt bist du?" fragte er plötzlich vollkommen unvermutet.
Heero brauchte eine Sekunde um zu begreifen was diese Frage bedeutete. „Nun... ich bin vor kurzem 30 geworden," antwortete er dann. „Was soll die Frage?"
„Ganz einfach. Angelface Winner ist 2 Jahre jünger als du. Er ist Oberhaupt der Familie geworden als Big Daddy Winner bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Und das ist 12 Jahre her."
„Sie meinen..."
„Ja, unser kleiner Angelface hat mit 16 Jahren die Leitung einer Mafia Familie übernommen. Und anstatt sie zu ruinieren oder gegen die Konkurrenz zu verlieren hat er sie sogar weiter voran getrieben. Hinter dieser engelhaften Fassade steckte damals schon ein strategisches Genie. Seine Gegner fürchten ihn, seine Männer – die Führungsschicht der Manguanacs – beten ihn geradezu an. Ja, dafür kann man ihn nur bewundern, finde ich. Natürlich," fügte Maxwell mit einem süffisanten Lächeln hinzu, „sollte er jemals etwas gesetzwidriges tun das wir ihm auch direkt nachweisen können, dann werde ich ihn sofort verhaften."
Heero wollte zwar noch etwas erwidern, aber in dem Moment tauchte die Serviererin wieder auf und stellte zwei Teller vor ihnen ab, dann folgten zwei Gläser und eine Flasche Wein. „Lasst es euch schmecken," sagte sie noch und stupste Maxwell mit dem Ellenbogen an.
Dieser lächelte ihr hinterher und rief: „Das werden wir Janine, keine Sorge."
Heero betrachtete das dampfende Gericht mit Argwohn. Er konnte es einfach nicht identifizieren. Mit einer schnellen Bewegung griff er sich die Gabel. „Was genau ist das?" fragte er.
Maxwell schnappte sich die Weinflasche und schenkte ihnen beiden ein. Heero hätte gerne noch ein Glas Wasser gehabt, aber er konnte Janine nirgendwo entdecken. „Also du kannst noch nicht lange hier wohnen, wenn du Gumbo noch nicht kennst. Greif ruhig zu, das ist das beste Gumbo diesseits des Bayous von Louisianas."
Heero runzelte wieder mit der Stirn. „Und wieso meinen Sie das beurteilen zu können?" er steckte seine Gabel in das Gemisch und führte einen kleinen Bissen in seinen Mund. Holla, das war scharf. Irritiert bemerkte er das auf dem Tisch auch noch eine große Flasche Tabasco Sauce stand. Wer würde das überhaupt brauchen? Er nahm einen großen Schluck aus dem Weinglas und wünschte sich wirklich das er etwas antialkoholisches hier hätte.
„Also mein Grandpa, der war ein richtiger Cayun. Ich weiß es einfach."
Verwirrt blickte Heero von seinem Teller auf. „Ich dachte sie stammen aus einer Familie von irischen Cops?" Das sagte zumindest Maxwells Akte aus, die Heero natürlich ausführlich vor dem heutigen Abend studiert hatte.
Der Polizist lachte einmal kurz auf. „Nein, das sind die Maxwells. Ich glaub ich hab nicht wirklich was irisches an mir."
„Oh?" Heero wusste nicht wirklich was er sagen sollte.
„Ich bin nur ein adoptierter Maxwell. Grandpa hat mich die ersten Jahre aufgezogen, an meine leiblichen Eltern kann ich mich nicht erinnern, er hat auch nie von ihnen geredet. Als ich ungefähr 8 war ist er gestorben und da ich nicht ins Heim wollte, hab ich mich für einige Zeit als Taschendieb auf der Straße durchgeschlagen. Bis ich dann eines Tages versucht hab dem großen, uniformierten Polizisten seine Brieftasche zu stehlen. Natürlich hat er mich erwischt und mich erstaunlicherweise mit zu sich nach Hause genommen. Er und seine Frau Helen haben mich adoptiert. Er war der beste Vater den man sich vorstellen kann."
Heero sah, das sich das ansonsten immer so fröhliche Gesicht des Polizisten etwas umwölkt hatte. Er war erstaunt, das dieser ihm etwas derart persönliches anvertraute.
„Das war sehr nett von ihm."
Das Grinsen kehrte wieder zurück. „Er hat immer behauptet das er es nur getan hätte um die Straßen vor mir zu sichern, ich würde sonst ganz New Orleans ausrauben." Maxwell schien sich für eine Sekunde schweigend an seinen toten Adoptivvater zu erinnern. „Er war ein verdammt guter Polizist. Der erste der Maxwells der in den Polizeidienst getreten ist."
„Gefolgt von drei Brüdern, einem Sohn und vier Neffen," fügte Heero sein Aktenwissen hinzu.
Maxwells Augen blinzten spitzbübisch. „Hey, Cousin Terry ist Feuerwehrmann geworden, sozusagen das schwarze Schaf der Familie. Auf jeden Fall war von Anfang an klar das ich auch Polizist werde."
Heero nickte. „Sie waren der jüngste Detective der Polizei von New Orleans der zum Lieutenant befördert wurde." Das war schon eine sehr beeindruckende Leistung gewesen. Er war auch derjenige mit dem besten Ergebnis im Test gewesen, aber Heero glaubte nicht das er Maxwell an diese spezielle Einzelheit würde erinnern müssen. Er schien schon selbstsicher genug.
„Tja, ich hatte ja schon Beziehungen in der Firma, da war das einfach."
Heero schluckte irritiert. Wie konnte jemand so einen Witz machen. Er nahm einen weiteren Bissen. „Geben Sie acht, wem Sie das erzählen," warnte er.
Maxwell hatte inzwischen auch schon einen großen Teil von seinem Teller gelehrt. Er beugte sich kurz vor und schaute Heero tief in die Augen. „Ach ja, stimmt ja, sie fangen Cops. Hauptberuflich."
Heero rutschte auf seinem Stuhl etwas nach hinten. Dann begegnete er dem Blick kühl. „Macht mir nichts aus, korrupte Cops hinter Gitter zu bringen."
„So?" die Augenbraue von Maxwell ging fast bis zum Scheitelansatz hoch.
Heero nickte noch einmal. „Ja, so!" bestätigte er.
Danach herrschte für ein paar Minuten ein etwas betretenes Schweigen. Sie beide aßen und keiner wusste wie er die Unterhaltung wieder in Gang bringen könnte.
Als ihre Gläser leer waren nahm Maxwell die Flasche zur Hand und goss in beide wieder Wein. Heeros füllte er allerdings bis zum Rand, sein eigenes nur ein bisschen. „Erzähl doch mal was aus deinem Leben," forderte er ihn auf.
Heero hob abwerten die Hände. „Das ist bei weitem nicht so aufregend wie Ihres, Lieutenant," dann ergriff er sein Glas am Stil und schob es zu Maxwell rüber. Er würde sich hier sicher nicht betrunken machen lassen.
Der Polizist seufzte theatralisch. „Du willst, das ich dir erzähle warum ich den Fall Angelo nicht zu den Akten lege."
Heero tupfte sich den Mund mit der Serviette ab und legte sie dann auf seinem Teller ab. „Deswegen bin ich überhaupt hier," gab er zurück.
Auch der Polizist hatte sein Mahl beendet. Er beugte sich nach vorne und schob seine Hände über den Tisch, umfasste Heeros und begann damit sie zu streicheln.
Heero war wirklich geschockt. Und zwar so sehr das es ihm im ersten Moment gar nicht in den Sinn kam sie wegzuziehen. Fast hypnotisiert starrte er auf die miteinander verwobenen Hände.
Als er wieder aufblickte konnte er sehen das Maxwell ihn anstarrte. Er konnte diesen Blick nicht wirklich einordnen. Dann machte der Polizist seinen Mund auf und sagte mit seiner wunderbaren Stimme. „Deinetwegen. Ich tue es deinetwegen."
