Hallo zusammen,
und Kapitel Drei gleich hinterher.
Es erwarten euch Schokofrösche, eine völlig neue Theorie über Animagi, ein bisschen schlüpfriger (oder vielleicht eher klebriger) Erwachsenenkram und neue Probleme, oder sind es immer die alten?
Eine kleine politische Anmerkung, auch wenn das im Fandom eher unüblich ist.
Dieses Kapitel streift eine (vor allem in Bayern) sehr aktuelle Diskussion: Ist es erlaubt, die Grundrechte einer Person auf Freiheit und Selbstbestimmung einzuschränken, um eine mögliche Gefahr für andere Personen auszuschließen? Und zwar geht es hier um die vorsorgliche (!) Einschränkung, also nicht um den in Deutschland lebenden Iraker, den man mit Sprengstoff in der U-Bahn erwischt hat, sondern um den in Deutschland lebenden Iraker, der oft und gerne mit seiner Verwandtschaft im Irak telefoniert. Ein ganz heißes politisches Eisen, um das ich nicht herum kam.
Zum zweiten und gleichzeitig berührt das Kapitel die ganz dunkle Seite der Rowling'schen Zauberwelt, das Rechtssystem nämlich, das es offenbar ohne weiteres zulässt, dass Sirius ohne gültige Anklage und Gerichtsverhandlung, nur auf einen Anschein hin, auf Betreiben einer Einzelperson, lebenslänglich nach Azkaban geht (um das prominenteste Beispiel zu nennen, und ohne gesondert darauf einzugehen, dass Azkaban an sich definitiv ein Fall für die Genfer Konvention ist). Bürgerrechte, die das Einzelinteresse vor dem Staat schützen, sind offenbar in der Zauberwelt nicht sehr verbreitet. Wir bewegen uns da sehr mittelalterlich, und so praktisch ein „Reparo" wäre, wenn man mal wieder mit dem Auto liegen bleibt, da bin ich doch sehr froh, dass ich ein Muggel bin. Politischer Exkurs Ende.
DRITTES KAPITEL, IN DEM ES ERST KLEBT, DANN KLATSCHT UND SCHLIESSLICH KOMPLIZIERT WIRD
Guten Morgen. Oder besser, guten Abend. Bist du da?
Ich war mit dem Büchlein unter dem Kopf eingeschlafen, um es zu spüren, falls unser kleiner Vibrations-Alarm los ging. Ich tastete nach meiner Brille, warf den Kugelschreiber runter, machte Licht und fischte den Kugelschreiber unter dem Bett raus.
Hallo, kritzelte ich, ich sah kaum etwas, so musste ich gähnen. Wie spät ist es?
Keine Ahnung. Irgendwas vor elf. Hast du schon geschlafen?
Ja.
Oh. Tut mir leid. Hätte ich mir denken können.
Schon okay. Ich hab das Büchlein extra mit ins Bett genommen.
Danke für den Pudding. Und den Kuchen. Er ist toll.
Ich hatte ein bisschen Zeit, letzte Nacht.
Ja.
Es entstand eine Pause. Ich verfluchte die Entfernung. Ich wollte ihm nicht schreiben, ich wollte bei ihm sein und meinen Kopf an seine Schulter lehnen, wir hätten nicht reden müssen, vor allem nicht über letzte Nacht.
Wie geht es dir? schrieb ich.
Nicht besonders. Ich hätte dich gerne noch gesehen. Warum habt ihr mich nicht geweckt?
Haben wir versucht. Du wolltest gar nicht zu dir kommen. Wir hätten dich in einen Eimer mit kaltem Wasser stecken müssen, und das wollten wir dann doch nicht.
Oh. Ja dann.
Und? Wie war's?
Ha, ha. Hahaha. Was für eine Frage.
Tut mir leid. Ich bin nur halb wach. Du weißt, was ich meine.
Es war heftiger als sonst. Alles und insgesamt. Schwer zu kontrollieren. Dieser neue Wolfsbann ist noch nicht ganz ausgereift, würde ich sagen. Ich hätte lieber wieder den alten.
Ich werd's ausrichten.
Es tut mir leid, übrigens. Ich hatte wohl ein paar Aussetzer, gestern.
Nicht so schlimm.
Es erschien mir so logisch, gestern. Du und Severus. Ich meine, ihr habt eine Art miteinander. Und ich wusste von Anfang an, dass er dich mag.
Ich bitte dich. Ich BITTE dich.
Heute erscheint mir das auch eher lächerlich. Gestern war das völlig logisch. Ich sollte mich vor meiner Logik hüten, wenn der Mond kommt. Zumindest das sollte ich gelernt haben, über die Jahre.
Ich bekämpfte einen Anflug von schlechtem Gewissen, für das es keinerlei Grund gab. Plötzlich war ich ganz froh um die vierhundert Meilen, die uns trennten.
Ich hätte nicht gedacht, dass du der eifersüchtige Typ bist, schrieb ich.
Bin ich nicht.
Nein?
Nein. Kompromisslos monogam, höchstens.
Ach so. Ja, das lässt sich leicht verwechseln.
Warum bist du weg gelaufen?
Da stand sie, die Frage, vor der ich mich gefürchtet hatte. Ich starrte eine Weile darauf.
Sirius hat mich raus geschickt, versuchte ich es.
Du bist nicht raus gegangen. Du bist weg gelaufen.
Okay. Ich nehme an, du hast meine Angst gerochen.
Das auch.
Es tut mir leid.
Es entstand eine lange Pause. Ich wartete, starrte auf die Seite, meine Augen brannten. Dann entstand, zögernd:
Du konntest dir nicht vorstellen, dass ich da drin bin, oder? In diesem Körper?
Ich wusste es nicht. Du hast mich bedroht.
Das hab ich nicht.
Du hast mir die Zähne gezeigt? Und Padfoot lag unter dir und jaulte?
Ich wollte lediglich Kontakt aufnehmen.
Mit den Zähnen?
Wölfe haben eine ausgeprägte Mimik. Und Padfoot musste ich unterwerfen. Das ist so eine Rudel-Geschichte. Völlig harmlos.
Es hat wirklich alles andere als harmlos ausgesehen. Und wir hatten vorher oft genug erwähnt, dass wir nicht wissen, ob der Trank wirkt.
Er wirkt. Aber gerade so. Wenn irgend etwas mich gereizt hätte, eine Beute… ich hätte den Halt verloren.
Du wirst dich mal mit Severus zusammensetzen müssen, um das Experiment auszuwerten.
Von mir aus. Wenn ich etwas im Überfluss habe, ist es Zeit.
Es gab eine neue Pause. Ich gähnte, dass meine Kiefer knackten.
Wann kommst du wieder? entstand schließlich, gerade als ich zu einer Gute-Nacht-und-schlaf-schön-Floskel ansetzen wollte.
Freitag abend, schrieb ich. Zum Ordenstreffen. Sie haben ein paar Tränke bestellt.
Nicht vorher? Nicht mal auf eine halbe Stunde?
Es geht nicht. Ich hab Arbeit für eine Woche in den nächsten zwei Tagen.
Und einen übersentimentalen, unterbeschäftigten Werwolf an deinem Robenzipfel. Du Arme.
Ha, ha.
Ich mein's ernst. Ich habe Sehnsucht nach dir, und ich habe nichts, womit ich die Zeit bis Freitag sinnvoll füllen könnte.
Frag Sirius. Ich bin sicher, ihm fällt was ein.
Einfälle Marke Sirius sind selten sinnvoll. Aber wahrscheinlich ist er meine einzige Rettung.
So melodramatisch. Ist das eine Nachwirkung?
Ich weiß nicht. Ich hab nur dieses Bedürfnis, mich zu versichern, dass du wieder kommst. Dass du nicht weg bleibst, jetzt, danach.
Ich bleibe nicht weg.
Wusstest du, dass ich ein Meister der Drei-Wochen-Beziehung bin?
Der Großteil meiner nicht allzu zahlreichen Beziehungen war nach dem ersten gemeinsamen Vollmond beendet.
Oh.
Du musst nicht hier sein, zu Vollmond. Du kannst in Hogwarts bleiben und wieder kommen, wenn alles vorbei ist.
Ich weiß nicht, ob das eine gute Art ist, damit umzugehen.
Wieso nicht?
Können wir das ein andermal besprechen? beSPRECHEN. Ich bin gerade zu müde für einen langen Text.
Ja, natürlich. Entschuldige.
Gute Nacht.
Eines noch? Bitte?
Ja, klar.
Bringst du einen neuen Pudding mit, am Freitag?
Ich glaube kaum, dass ich die Zeit habe, um etwas anderes zu kochen als Tränke.
Ich weiß da ein paar Arten, Pudding zu essen, die dich vielleicht…
Es waren drei dicke Punkte, die er da setzte.
Was? schrieb ich. Die mich vielleicht was?
Erstaunen. Erregen. Begeistern. Berauschen…
Schau mal. Mein Poet ist wieder da.
Ein bisschen Poesie ist auch alles, wofür es momentan reicht.
Dann dichte doch noch ein bisschen in dein Büchlein hinein.
Ich dachte, du bist müde und willst schlafen.
Nur zwei Zeilen. Ich will davon träumen, heute nacht.
Er müsste halb flüssig sein, der Pudding. Und lauwarm. Und so sahnig, dass er in jede kleine Pore deiner Haut fließt. Ich könnte ihn aus den kleinen Grübchen lecken, die du auf den Wangen hast. Von deinem Hals. Er würde sich auf deinem Schlüsselbein sammeln und von dort aus zu deinen wundervollen Brüsten hinunter rinnen, in die Kuhle dazwischen, über deinen Bauch und in deinen kleinen runden Nabel. Spätestens dort würde ich ihn stoppen, mit meiner Zunge, bevor er überläuft. Er hätte einen winzigen Salzgeschmack von deiner Haut, und ich würde deinen Bauch sauber lecken, bis der letzte dunkle Schatten von deiner Haut verschwunden ist. Und dann käme ich noch ein bisschen tiefer, dorthin, wo ich niemals etwas zwischen uns kommen lassen würde, nicht mal Pudding, und… Drei dicke Punkte. Pause.
Und?
Gute Nacht, meine Geliebte.
Oh, das ist nicht dein Ernst.
Mein völliger Ernst. Du musst dich ausruhen.
Wie gemein. Ich will eine Fortsetzung!
Wenn ich am Freitag einen Pudding bekomme, bekommst du am Freitag eine Fortsetzung.
Das ist Erpressung.
Nein. Nachdrückliche Überzeugungsarbeit, allerhöchstens.
Mistkerl.
Ich liebe dich.
Ich liebe dich.
Und ich liebe dich.
Und ich dich.
Gute Nacht.
Gute Nacht.
Träum was schönes. Gute…
Ich liebe dich.
… Nacht.
oooOOOooo
Ich hatte während der nächsten vierundvierzig Stunden kaum Gelegenheit, meinen Liebsten zu vermissen. Ich rotierte. Ich bereitete meinen Unterricht vor, ich unterrichtete, ich korrigierte, ich beseitigte die Spuren der Verwüstung, als Neville die erste Kesselexplosion des Schuljahres verursachte, wobei ich froh und glücklich um den Protego-Zauber war, den die Klasse mittlerweile flüssig beherrschte und der das Schlimmste verhindert hatte, ich kümmerte mich um den Polyjuice und den Levitatis für den Orden, ich ärgerte mich über Severus, der sich kühl weigerte, mich zu entlasten, indem er zumindest den Levitatis übernahm, und dann ärgerte ich mich noch mehr über ihn, als er kam und meine letzte Unterrichtslücke am Donnerstag Nachmittag schloss.
„Sie übernehmen heute Nachmittag meine Fünfte" teilte er mir mit, als er zum gemeinsamen Frühstück des Kollegiums erschien, und legte mir ein doppelt gefaltetes Pergament auf mein Brötchen. Ich nahm es runter, glücklicherweise sparte ich mir gerade die Butter. Es war ein Unterrichtsentwurf.
„Ich?" sagte ich. „Was? Aber wieso?"
„Ich habe eine Verabredung in Nummer Zwölf, mit einem Ihnen bekannten Werwolf, zwecks Auswertung des Experimentes" sagte er.
„Aber warum denn ausgerechnet heute Nachmittag" sagte ich befremdet.
„Ich bin Ihnen wohl kaum Rechenschaft über meinen Zeitplan schuldig" sagte er. „Glauben Sie mir, ich bin wirklich ein sehr beschäftigter Mann."
„Das kann ja sein" sagte ich. „Aber ich habe, ehrlich gesagt, keine Ahnung von Verteidigung."
„Aber Sie können wohl lesen" sagte er und wies mit dem Teelöffel auf das Pergament. Ich faltete es auf. Es war eine Doppelstunde über Werwölfe.
„Ich dachte, ich suche etwas aus, das Ihnen nicht vollständig fremd ist" sagte er.
„Wie zartfühlend" sagte ich. „Warum drehen wir den Plan nicht um. Ich gehe nach Nummer Zwölf, und Sie halten Ihren Unterricht selbst."
„Abgelehnt" sagte er.
„Können Sie vielleicht mehr als ein Wort dazu sagen, wenn Sie schon wollen, dass ich Ihre Arbeit mache?"
„Ich bin erstaunt. Ich dachte, das Wolfsbann-Projekt sei Ihnen wichtig genug, um diesen geringfügigen Beitrag zu leisten. Lassen Sie es mich bitte wissen, wenn sich Ihre Prioritäten verschoben haben."
Ich biss in mein Brötchen, und schob mir einen ganze Menge unfeiner Schimpfworte in den Hals zurück. So würde ich also eine improvisierte Vertretungsstunde halten und meine eigene Arbeit auf irgendwann heute Nacht verschieben, während mein Liebster sein wunderbares Lächeln an einen sauertöpfischen Besucher verschwendete.
Es wurde dann doch eine ganz interessante Erfahrung. Ich besprach mit der Klasse die Grundlagen der Lykantrophie und zeigte ein paar Bilder, auf denen die Unterschiede zwischen Wolf und Werwolf zu erkennen waren, und dann verließ ich Snapes sehr theoretisches und wenig spannendes Konzept und verstrickte mich mit den Schülern in eine Diskussion über Menschenrechte, Toleranz und Minderheitenschutz, bis der Gong die Stunde beendete.
Beim Abendessen in der Großen Halle, das ich eilig zwischen dem Levitatis und der Zusammenstellung einer Zutatenliste einschob, war Severus zurück und ließ ein schmales Päckchen in meinen Schoß fallen.
„Sagen Sie ihm, er soll künftig eine Eule bemühen" sagte er. „Ich bin schließlich nicht Ihr Postillon d'Amour."
Ich prustete bei der Vorstellung, und er warf mir einen Blick zu, der gereicht hätte, den Saft in meinem Glas in Eiswürfel zu verwandeln. Ich wickelte das Papier ab und fand ein Buch, es war abgegriffen und fleckig und trug den Titel Anarok – Running with the Pack. Ich schlug es auf, es war Muggel-Literatur, ein Fachbuch über Wölfe, und ein Zettel war zwischen die Seiten geschoben. Ich schlug die bezeichnete Stelle auf und fand eine Serie von Zeichnungen, die Wolfsgesichter in verschiedener Mimik darstellten. Eine Zeichnung war mit Tinte umkreist, die Ohren dieses Wolfes waren nach vorne gerichtet, die Lefzen hoch gezogen, er ließ sein Gebiss sehen und die Zunge seitlich aus dem Maul hängen. Das Bild war bezeichnet mit Happy Wolf grin. (glückliches Wolfsgrinsen, gibt es wirklich, Anm. d. Verf.).
Ich dachte etwas wie oh.
Gilt auch bei Werwölfen, hatte mein Werwolf auf den Zettel notiert, und darunter: Vergiss nicht den Pudding.
Mir wurde warm, trotz der Eiswürfel in meinem Glas. Irgendwo musste doch ein simpler Schokoladenpudding unterzubringen sein.
oooOOOooo
Ich war bepackt wie ein Kamel und erschöpft wie nach einer mehrwöchigen Wüstendurchquerung, als ich am Freitag abend, zehn Minuten nach Beginn des Ordenstreffens, endlich in die Eingangshalle von Nummer Zwölf floote. Lediglich eine spuckende Gaslaterne erhellte den Treppenaufgang. Die Vorhänge vor Mrs. Blacks Portrait waren geschlossen. Es war wohltuend still. Und Remus war da und nahm mich in Empfang, er zog mich auf die Beine und half mir aus dem Kamin, und dann gab es für eine ganze Weile nichts als uns, Lippen, Hände, Atem, Flüstern, es war, als sei ich Monate vermisst gewesen. Ich sah ihn an, verstohlen, aber gründlich, seine Augen waren schokoladenbraun und ohne das geringste Fünkchen Gelb, und auch sonst konnte ich den Wolf nirgends an ihm entdecken, er war einfach ein schmaler, unauffälliger, auf den zweiten Blick hübscher Mann, dessen Lächeln in mir ein Feuerwerk anzündete, und ich tat etwas wohltuend Inkonsequentes: Ich verdrängte den Wolf aus meinem Bewusstsein. Irgendwann klirrte die Kiste zu meinen Füßen, ich war mit dem Fuß dagegen gestoßen, und das erinnerte mich an unsere Pflicht.
„Die haben schon angefangen, oder?" flüsterte ich. „Ich bin ziemlich spät dran."
Er seufzte und löste sich von mir. „Du hast recht" sagte er. „Lassen wir sie nicht warten."
Er hob die Kiste auf und ließ mich voran gehen.
„Was hast du da nur alles dabei?" fragte er, als wir die Treppe hinauf gingen.
„Levitatis" zählte ich auf. „In Einzelkomponenten, damit er sich nicht verflüchtigt. Polyjuice, drei mal sechs Stunden. Die Sachen, die ich für euch in Hogsmeade besorgen sollte. Und ein paar kleine Extras von Honeydukes."
Es klirrte hinter mir. Ich sah mich um. Remus hatte die Kiste auf der Treppe abgestellt und kramte darin herum.
„Schokofrösche" sagte er glücklich. „Marzipanbrot. Und, was ist das? Nougatpralinen?"
„Ich dachte, wir wollten den Orden nicht warten lassen" sagte ich grinsend.
„Aber kein Pudding" sagte er, nachdem er seine Durchsicht abgeschlossen hatte.
„Beim nächsten Mal" sagte ich. „Einstweilen, lass dir was mit den Schokofröschen einfallen."
„Bestimmt" sagte er und nahm die Kiste wieder hoch. „Ich habe keinen wirklichen Beitrag zu dem Treffen heute. Ich kann ein wenig kreativ sein."
Das Treffen hatte noch nicht wirklich begonnen, als wir uns in das gepackt volle Wohnzimmer im ersten Stock schoben. Stickige Wärme und Stimmengewirr empfing mich. Ich sah mich um. Fast alle Ordensmitglieder waren anwesend, und es bestürzte mich einmal mehr, zu sehen, wie wenige es waren. Ich lächelte Minerva McGonagall an und schob mich an ihr vorbei, um für Remus die Tür frei zu machen. Kingsley und Sturgis waren da und hantierten mit Dienstplänen, während Kingsleys Töchter, beide diesmal, jauchzend ein kleines, hopsendes Fellknäuel ohne erkennbare Körperteile oder Sinnesorgane durch die lockere Gruppe von Stühlen jagten, die man für das Treffen beschworen hatte. Elphias Dodge und Daedalus Diggle schienen in eine lebhafte Diskussion vertieft, und Tonks winkte in unsere Richtung, ihr Haar war von einem schrillen Pink und bildete einen schmerzhaften Kontrast zu den roten Schöpfen der vier oder fünf Weasleys, die ich auf den ersten Blick zählte. Ein leicht schmuddeliger Geruch in der Luft verriet mir, dass auch Mundungus Fletcher anwesend sein musste, der gerissene kleine Zauberer, von dem alle Sauberzauber wirkungslos abprallten. Und da war Snape, er stand mit dem Rücken zum Bücherregal, seine schwarzen Augen glitzerten böse, ich folgte seinem Blick und fand Sirius auf der gegenüber liegenden Seite des Raumes, die Arme vor der Brust verschränkt, und die Blicke, die er zurück schoss, waren nicht minder tödlich. Ich gab mir eine gute Chance, zu einem Häufchen Asche zu verbrennen, einfach nur indem ich diese Blicklinie kreuzte.
„Ah" hörte ich Dumbledores Stimme quer über den Raum, obwohl ich ihn noch gar nicht gesehen hatte. „Wir sind vollzählig. Lasst uns beginnen."
Sofortiges schlechtes Gewissen befiel mich. Immerhin war er mein Chef, und ich kam zu spät.
Allgemeines Stühlerücken begann. Ich beobachtete, am Rande interessiert, dass das von den Mädchen gejagte Fellknäuel gelegentlich die Farbe änderte, es schoss an mir vorbei, wechselte von blau zu einem schrillen Grün, und bumste gegen das Bücherregal, änderte dann den Kurs und verschwand unter Snapes Robe. Ich legte die Hand vor den Mund, um mein Grinsen zu verstecken. Er war zu beschäftigt gewesen, Sirius nieder zu starren, aber jetzt machte er doch plötzlich einen großen Schritt, drehte sich um sich selbst und raffte seine Roben, eine gewisse Hektik lag in seiner Bewegung, er rumpelte gegen Fred, machte einen weiteren Schritt zurück und zog seinen Stab aus dem Ärmel.
„Severus!" rief ich. „Nicht! Tun Sie's nicht", ich war mir nicht sicher, ob das Ding vielleicht lebte.
Er warf mir einen wilden Blick zu, was dem mittlerweile neongelben Ding die nötige Zeit gab, aus der Gefahrenzone zu hopsen. Fred bückte sich blitzschnell und schnappte es vom Boden.
„Nette kleine Dinger" sagte er und untersuchte es von allen Seiten. „Sollten wir vielleicht ins Programm aufnehmen."
„Kingsley" sagte Snape und rang um Fassung, ich sah, dass ich nicht die einzige war, die grinste (allerdings die einzige, die versuchte, es zu verstecken), „dein reproduktives Pflichtbewusstsein in allen Ehren, aber findest du ein Ordenstreffen den richtigen Aufbewahrungsort für deine… Kinder?" Ich war mir fast sicher, er hatte Brut oder etwas ähnliches verschluckt.
„Kinder bewahrt man nicht auf" schnappte Kingsley. „Aber nein, es ist kein guter Ort für sie, und ich hätte sie auch nicht mitgebracht, wenn Mina ihre Schicht hätte tauschen können."
Wir verteilten uns auf die Stühle, und Remus tauschte die Kiste auf seinen Knien gegen die kleine Emma, die mit einem Bilderbuch bewaffnet auf seinen Schoß krabbelte.
„Wenn sie dich nervt, sag Bescheid" sagte Kingsley zu ihm, der Rose auf dem Arm hatte, sie klammerte sich an das mittlerweile rote Ding und starrte völlig verängstigt zu Snape hinüber.
„Schon gut" sagte Remus. „Sie nervt bestimmt nicht."
Kingsley seufzte. „Es ist im Augenblick schwierig mit Minas Schichten" sagte er. „Sie sind chronisch unterbesetzt in St. Mungo's."
„Keine Sorge" sagte Remus lächelnd. „Wirklich. Emma und ich sind ein gutes Team."
Dumbledore eröffnete das Treffen, und ich ließ die Veranstaltung an mir vorbei rauschen. Anfangs hatte ich versucht, mir zu merken, wer warum mit wem an welchem Projekt dran war, aber voll gefüllt mit Eindrücken aus meiner neuen Umgebung, dem ungewohnten Unterrichten und nicht zuletzt mit meinem neuen Liebhaber, hatte mein Gehirn sich geweigert, diese Informationen zu archivieren. In der Folge hatte sich heraus gestellt, dass es gar nicht nötig war, das alles im Kopf zu haben. Die gefährlichen und actionreichen Dinge liefen sowieso ohne mich, worüber ich mich definitiv nicht beschwerte. Alles, was ich zu tun hatte, war, die Ordensmitglieder zuverlässig mit den bestellten Tränken zu versorgen, und, das war eine Art Spezialauftrag meines Chefs, in Nummer Zwölf die Stimmung hoch zu halten, was sich natürlich hauptsächlich auf Sirius bezog, der unter seiner Beschränkung auf das Haus litt wie ein Hund, was in dem Zusammenhang mehr als eine Wahrheit beinhaltete.
Ich lehnte den Kopf sachte an Remus' Schulter. Ich war so müde. Ich hörte ihn leise murmeln, während er mit Emma in dem Bilderbuch blätterte, es ging um einen Eisbären, der nicht schwimmen konnte, es war genau das intellektuelle Niveau, das ich noch verkraften konnte nach einer solchen Woche.
Irgendwann, der Bär saß gerade ziemlich blöd auf einer Eisscholle fest, spürte ich, wie Remus mich anstupste.
„Aufwachen" sagte er leise.
„Ich bin wach" sagte ich und riss die Augen auf. Alle sahen mich an. Dumbledore lächelte erwartungsvoll.
„Äh" sagte ich.
„Die Tränke" sagte Remus.
„Ja" sagte ich. „Äh…"
„Ich verlieh soeben meiner Hoffnung Ausdruck, dass wir wie besprochen auf sie zurück greifen könnten" sagte Dumbledore.
„Ja" sagte ich eilig. „Natürlich. Sie sind alle hier. Drei mal Polyjuice und ein Levitatis. Der Levitatis ist in Einzelteilen, ich habe eine leere Flasche dabei, in der man sie mischen muss. Er ist sonst flüchtig. Man mischt ihn am besten direkt vor der Anwendung."
„Einfach zusammen schütten?" fragte Diggory.
„Ja" sagte ich. „Wie Apfelsaft und Wasser. Und dann gleich trinken. Der Polyjuice ist so weit fertig, aber es fehlen noch die Haare von den jeweiligen Personen, die nachgeahmt werden sollten. Ebenfalls erst direkt vor der Anwendung, und ein bisschen zermörsern, damit die Information besser aufgenommen werden kann."
Kingsley räusperte sich und strich sich über die spiegelnde Glatze.
„Müssen es Haare sein?" fragte er, und ein kollektives Grinsen überzog den Orden.
„Nein" sagte ich. „Irgend etwas vom Körper dessen, der nachgeahmt werden soll. Die meisten trennen sich lieber von Haaren als von, sagen wir, Blut, und dann gibt es noch die weniger appetitlichen Varianten, die vom Trankempfänger nicht so angestrebt werden."
„Blut ist völlig in Ordnung für mich" sagte Kingsley eilig.
„Auf Grund der Änderung unserer Pläne wird ein Polyjuice überzählig sein" sagte Dumbledore. „Lässt er sich aufbewahren?"
„Ein paar Stunden, höchstens" sagte ich. „Ich mach' besser neuen, wenn wir wieder welchen brauchen."
Das Treffen ging zu Ende. Emma war auf Remus' Schoß eingeschlafen, ich hätte etwas darum gegeben, mit ihr tauschen zu können. Die Ordensmitglieder machten sich auf den Weg, es herrschte allgemeine Aufbruchsstimmung, in der Snape sich verzog, ohne ein Wort mit mir gewechselt zu haben. Ich kannte das schon. Nur weil er mit mir Tee trank und über Merlin und die Welt diskutierte, hielt er es noch lange nicht für nötig, mich zu begrüßen oder gar ein paar Worte mit mir zu wechseln, wenn wir uns irgendwo trafen. Soziallegastheniker, der er war.
Ich nahm den Polyjuice mit hinunter in die Küche, um ihn kühl zu stellen, schließlich musste man seine Verderblichkeit nicht künstlich beschleunigen. Ich wunderte mich nicht, dass Sirius mir auf den Fersen folgte, es war schließlich sein Haus. Ich machte mir gerade einen Kaffee, ich musste mich irgendwie aufwecken, wenn ich noch etwas von den Schokofröschen haben wollte, als er in die Vorratskammer tauchte und gleich darauf mit der Phiole wieder zum Vorschein kam.
„Das" sagte er und hielt das Gefäß hoch, „allerliebste Emilia, schickt mir der Himmel." Er strahlte auf eine Art und Weise, die mir nichts Gutes verhieß. „Wie lange hält es an?"
„Etwa sechs Stunden" sagte ich, „aber wie kommst du darauf, dass der Himmel es dir schickt?"
„Völlig klar" strahlte er. „Fügung. Glückliche, außerordentlich glückliche Fügung. Ich werde einen großartigen Abend haben."
„Oh" sagte ich. „Nein. Nein, nein, ich glaube nicht, dass Dumbledore begeistert wäre."
„Ich bin nicht auf der Welt, um Dumbledore zu begeistern" sagte Sirius und nahm sich ein Whiskeyglas aus der Spüle. Er grinste mich an, seine blauen Augen funkelten in dem schmalen Gesicht.
„Ich habe es mir bitter verdient" schnurrte er. „Findest du nicht?"
„Äh" sagte ich. „Du… du brauchst noch jemanden, der dir ein paar Haare gibt, und ich bin sicher nicht die einzige, die Zweifel an diesem Plan hat…"
„Kein Problem" sagte Sirius. „Mir fällt da gerade jemand ein."
„Der Mörser ist schon weg" versuchte ich es hilflos. „Diggle hat ihn mitgenommen…"
„Es müssen keine Haare sein" sagte er und schob sich dicht an mich heran. „Es eignet sich jede Art von… Körperflüssigkeit."
„Du musst mich töten, um an mein Blut zu kommen" sagte ich finster, und er lachte.
„An dich hab ich nicht gedacht, süße Emilia" sagte er. „Und an dein Blut schon gar nicht."
„Wer blutet?" sagte Remus in der Küchentür.
„Noch niemand" sagte ich und atmete auf, als Sirius seine bedrängende Nähe von mir nahm.
„Moony" sagte er und sah ihn unter langen dunklen Wimpern an. „Du kommst gerade recht."
„Nein" sagte ich. „Oh nein. Ganz schlechte Idee."
„Was?" sagte Remus irritiert. Sirius öffnete die Phiole und goss den grauen, klumpigen Inhalt mit Schwung in das Whiskyglas.
„Was hast du vor?" sagte Remus. „Doch nicht etwa das, wonach es aussieht?"
„Der Mörser ist schon unterwegs" sagte Sirius samtig. „Du kannst deine Haare behalten. Ein bisschen Spucke genügt."
Er hielt Remus das Glas hin. Der schüttelte energisch den Kopf.
„Nie im Leben" sagte er.
„Moony" sagte Sirius.
„Nein" sagte Remus.
„Moony… lieber, hübscher Moony…"
„Nein!"
„Findest du nicht, dass ich es mir verdient habe? Ich war seit Monaten nicht mehr draußen."
„Wir waren Dienstag spazieren" erinnerte ich ihn. Er verdrehte die Augen.
„Immer nur Tauben jagen" sagte er. „Das ist so langweilig, auf die Dauer. Ich meine, richtig draußen. Mal durch Diagon Alley streifen. Einen trinken gehen. Mal was anderes sehen, versteht ihr?"
„Ja" sagte Remus, „aber nein. Ich lass' dich bestimmt nicht mit meinem Gesicht da draußen herum laufen."
„Ich will aber kein anderes" schnurrte Sirius und kam ihm so nahe wie mir gerade, er drängte ihn rückwärts gegen die Tür der Vorratskammer und hielt ihn dort mit seinem Gewicht und einer Hand auf seiner Schulter fest, während er das Glas unter seiner Nase schwenkte.
„Du weißt, dein Gesicht ist das beste, das man haben kann, wenn man meines nicht hat" schnurrte er.
„Komplimente bringen dich nicht weiter" sagte Remus und wandte den Kopf von dem Glas, dessen Inhalt, wie ich wusste, wenig einladend roch.
Ich beobachtete das Schauspiel mit einem gewissen Befremden. Es passte nicht ganz in meine kleine Welt, dass zwei, die lediglich befreundet waren, auf eine so intime Art miteinander umgingen, auch wenn Remus im Augenblick eher unangenehm berührt wirkte. Ich dachte an die Szenen, die ich rund um Remus' Verwandlung beobachtet hatte. Dies hier war die direkte Fortsetzung. Ich biss mir auf die Lippe. Sie konnten ja miteinander tun oder nicht, was sie wollten, aber ich fragte mich, wo ich da noch hinein passte.
„Ich bring dir Schokolade mit" sagte Sirius, seine Augen glänzten. Remus lächelte müde.
„Das hat früher funktioniert, mit Arithmantik-Hausaufgaben" sagte er. „Das hier ist was anderes."
„Gut" sagte Sirius. „Ich bring dir was anderes mit. Wünsch dir was."
„Ich bin doch nicht käuflich" sagte Remus.
„Früher warst du's" schnurrte Sirius. „Schokolade gegen Hausaufgaben. Eine für beide Seiten sehr vorteilhafte Abmachung."
„Ich hätte dir die blöden Hausaufgaben auch ohne die Schokolade gegeben" sagte Remus kopfschüttelnd. Sirius lachte auf.
„Tatsächlich?"
„Ja, stell dir vor. Du warst schließlich mein Freund."
Sie sahen sich an. Sirius grinste von einem Ohr zum anderen. Remus stöhnte auf, riss dem anderen das Glas aus der Hand und spuckte hinein. Ich schlug die Hand vor die Stirn. Es war ja so klar gewesen.
Sirius nahm das Glas wieder an sich, prostete mir grinsend zu und stürzte den Inhalt hinunter.
„Hmmm" sagte er dicht an Remus' Ohr. „Lecker."
Remus wand sich zwischen ihm und der Tür heraus und stellte sich zu mir ans Fenster. Schweigend beobachteten wir, wie Sirius auf seltsame Art seine Form verlor, er riss die Augen auf und starrte an sich hinunter, als er auf Remus' Größe schrumpfte, seine Schultern zogen sich nach vorne, seine seidige schwarze Mähne machte Remus' grau durchzogenem, struppigem Schopf Platz, und dann war das letzte blaue Blitzen in seinen Augen von einer warmen braunen Welle geschluckt, und ich hatte zwei von der Sorte.
Oder nicht ganz. Es war ein wenig unheimlich. Ich kannte dieses Grinsen, aber nicht auf diesem Mund. Ich kannte dieses Augenzwinkern, aber nicht in diesen Augen.
Sirius breitete die Arme aus und drehte sich einmal um sich selbst, eine theatralische Geste, die seiner neuen, etwas schäbigen Gestalt einen seltsamen Glanz verlieh.
„Dein Urteil, süße Emilia?" sagte er. „Ich nehme an, ich gefalle dir?"
„Das Original ist mir lieber" sagte ich. „Nichts für ungut."
„Mein vollstes Verständnis" sagte er grinsend. „Aber wie stehen denn meine Chancen, dass du uns verwechselst?"
„Gleich null" sagte ich. „Spätestens sobald du den Mund aufmachst."
Er seufzte und ließ die Hände fallen, die beinahe in den Ärmeln seines Hemdes verschwanden. Er sah hinunter auf seine Fingerspitzen.
„Oh" sagte er enttäuscht. „Daran habe ich nicht gedacht. Meine Sachen passen mir nicht mehr. Ich werde mich doch nicht aus dieser Altkleidersammlung bedienen müssen, die du deine Garderobe nennst?"
Remus seufzte und sah vor sich auf den Boden.
„Du hast mein Gesicht" sagte er. „Du kannst dir genauso gut noch meine Robe nehmen."
„Mal sehen" sagte Sirius. „Vielleicht finde ich was Besseres. Ja, bestimmt. Ich finde sicher was Besseres." Er zog sich sein Hemd über den Kopf und examinierte seinen neuen Oberkörper. Remus stöhnte gequält.
„Sirius" sagte er, ohne den Blick vom schmutzigen Küchenboden zu heben. „Bitte."
„Was denn?" sagte Sirius unschuldig. „Ich muss mir doch zumindest mal ansehen, wie ich aussehe, oder nicht?"
„Du weißt, wie ich aussehe" murmelte Remus. „Du steckst mich einmal im Mond in meine Kleider, schon vergessen?"
„Aber die Perspektive ist neu" sagte Sirius grinsend. „Himmel! Diese Narben."
„Sirius, bitte" sagte Remus verzweifelt.
„Oh" sagte Sirius, der seinen Hosenbund, der ihm viel zu locker auf den schmalen Hüften saß, vom Körper weg hielt und einen Blick nach Süden warf. „Aha. Na ja. Man nimmt, was man kriegen kann."
„Ich töte dich" sagte Remus dumpf. „Du hast drei Sekunden, um aus dieser Küche zu verschwinden."
„Es ist meine Küche" sagte Sirius. „Du kannst mich schlecht aus meiner eigenen Küche werfen."
„Eins."
Sirius seufzte. „Du bist ein Langeweiler" beklagte er sich.
„Zwei."
„Moony. Komm schon. Du solltest wirklich mal einen Spaß verstehen."
„Dr…"
„Okay" sagte Sirius. „In Ordnung. Reg dich nicht auf. Ich geh mich mal umziehen."
Sirius verschwand fröhlich pfeifend die Treppe hinauf, und Remus brach stöhnend auf der Eckbank zusammen und vergrub den Kopf in den Armen.
Ich blieb am Fenster stehen und drehte am Sendersuchlauf des Radios herum, bis ich einen einigermaßen ungestörten Muggel-Kanal gefunden hatte. Ein begeisterter Sprecher verkündete, er hätte den besten Wetterbericht der Stadt, und es würde weiterhin regnen.
„Du hättest nein sagen können" sagte ich auf halbem Weg durch die Nachrichten.
„Nein sagen ist nicht meine Stärke" murmelte Remus.
„Er hat dich so richtig eingewickelt. Hast du das nicht bemerkt?"
„Doch" murmelte er.
„Kriegt er auf diese Art alles von dir, was er will?"
„So ziemlich."
Ich setzte mich neben ihn. Ich versuchte, eine Entscheidung zu treffen. Ich wusste, wenn ich fragte, hatte ich die Chance, mich zu blamieren wie noch nie in meinem Leben. Wenn ich nicht fragte, würde es an mir nagen. Ich versuchte, in mir die nötige Größe zu finden, um souverän darüber hinweg zu gehen, schließlich wusste ich, was ich an ihm hatte, er hatte von Anfang an keinen Zweifel an seinen Gefühlen für mich gelassen. Ich fühlte mich aber ziemlich klein, und die Worte krochen mir den Hals hinauf und hopsten mir von der Zunge, bevor ich mich wirklich entschieden hatte.
„Ähm" sagte ich, „also, sag mal… das mit… mit Sirius und dir…"
„Was?" sagte er und drehte den Kopf auf den Armen, um mich anzusehen.
„Kannst du… mir das erklären…vielleicht?" fragte ich und versuchte verzweifelt, mich nicht anzuhören wie eine alt gediente Ehefrau, die ihrem Mann mit der Sekretärin auf die Schliche gekommen ist.
„Was, erklären?" sagte er.
„Na ja" sagte ich. „Warum er dich küsst, und diese Dinge. Den Arm um dich legt. Und ich liebe dich sagt."
Er sah mich an, sein Gesicht war grau und müde.
„Du darfst mich nicht falsch verstehen" sagte ich eilig. „Ich bin nicht eifersüchtig. Und… ich halte euch auch nicht für… schwul, oder so, ich meine, ich weiß, dass du nicht… es macht nur irgendwie alles keinen Sinn. Es irritiert mich."
„Ja" sagte er. „Mich auch."
Er stützte sich auf die Ellenbogen und rieb sich über das unrasierte Gesicht. Ich bereute mein voreiliges Geplapper.
„Vergiss es" sagte ich. „Tu so, als hätte ich nie gefragt. Es war blöd."
„Nein" sagte er. „Es war völlig berechtigt. Nicht blöd. Es ist nur nicht ganz einfach zu erklären. Es gibt so viele… Schichten, in dieser Beziehung."
„Dann versuchen wir es vielleicht zuerst mit den harten Fakten" sagte ich. „Hattet ihr denn mal eine? Eine Beziehung, meine ich. Eine Liebesbeziehung."
„Wo ziehst du die Grenze" sagte er seufzend.
„Beim Sex" schlug ich vor. „Nur um es nicht unnötig schwierig zu machen."
„Wir hatten keinen" sagte er, und ich spürte unsinnige Erleichterung.
„Wir hatten sonst alles" sagte er. „Mehr, als ich in meinen kurzen Liebesbeziehungen je hatte. Gewohnheiten. Gemeinsames Frühstück. Spaziergänge. Vor allem später, nach der Schule, als James und Lilly verheiratet waren, und Lilly schwanger. Er benahm sich… nun ja, wie ein Hund, den man an einem Laternenpfahl ausgesetzt hat. Er suchte verzweifelt ein neues Herrchen."
„Was" sagte ich und hatte dieses kleine Lachen in der Stimme, obwohl ich eigentlich nicht amüsiert war.
„Er war immer auf der Suche" sagte Remus. „Nach… ich weiß nicht. Halt. Bewunderung. Liebe, oder ähnliches. Er tat alles, um im Mittelpunkt zu stehen, es war seine Art, sich nicht allein zu fühlen. Er war bereit, sich in praktisch jeden zu verlieben, der ihm das anbot. Oder das, was er für verlieben hielt. Ich glaube, er war vor allem verliebt in dieses Gefühl."
„Puh" sagte ich.
„Er ist in diesem Haus aufgewachsen" sagte er. „Und seine Mutter kennst du ja. Das Bild spiegelt nicht alle ihre Charakterzüge, aber doch die dominanten. Da braucht man sich nicht wundern, oder?"
„Nein" sagte ich. „Wirklich nicht."
Give a little love, sang ein sehr entspannter Reggae-Musiker im Radio. Have a little hope…
„Und du?" sagte ich. Remus seufzte und lächelte, wie es nur bei ihm zusammen passen konnte.
„Auf eine Art war ich immer verliebt in ihn" sagte er. „In das, was ich in ihm sah. Er war schön, selbstbewusst, unglaublich beliebt, charmant, strahlend, er war wie ein Prinz, immer im Mittelpunkt. Er hatte alle Möglichkeiten, damals, nach der Schule. Er hatte eine Art von… Unabhängigkeit, die ich bewunderte. Ich sah keine Zukunft für mich, mit dem… was ich war… aber für ihn war alles glorreich. Eine einzige große, wunderbare Party. Er dachte noch so, als der Krieg kam."
… make this world a little better…
„Und dann kam Azkaban" sagte Remus tonlos.
„Und du dachtest, er hätte dieses Verbrechen wirklich begangen" sagte ich.
„Natürlich" sagte er. „Immer wieder, und dann wieder nicht, und dann hörte ich auf, darüber nachzudenken, weil es mich langsam in den Wahnsinn trieb. Es war logisch, verstehst du? Nichts, was ihm nicht zuzutrauen gewesen wäre, in einer emotionalen Extremsituation. Er war nie sehr stabil, und ich wusste, dass er sich von James verraten gefühlt hatte. James war der erste, der die Marauder aufgegeben hatte, oder hinter sich gelassen vielleicht, oder über sie hinaus gewachsen, mit Frau und Kind und Beruf und allem. Sirius konnte das noch nie los lassen. Die glorreichen alten Zeiten. Er konnte nicht akzeptieren, dass das Leben weiter geht."
„Aber deshalb wird man doch nicht zum Mörder" sagte ich.
Try a little more… harder than before…
Let's do what we can do together…
„Ich weiß" sagte er. „Die Erklärung ist dünn, aber ich hatte keine andere, und sie genügte in den Zeiten, in denen ich eine brauchte. Ich wollte wirklich nicht den Verstand verlieren."
Ich wusste nichts zu sagen. Ich nahm seine Hand und verschränkte meine Finger mit seinen. Er ließ es geschehen, ich wusste gar nicht, ob er die Berührung überhaupt wahr nahm.
„Ich weiß nicht, was richtig ist" sagte er. „Ich weiß nicht, ob wir einfach weiter machen können, als wäre nichts gewesen. Das ist es, was er versucht, und wenn es nicht funktioniert, hilft er nach. Ich meine, schließlich war etwas, das kann nicht mal er leugnen."
„Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts" sagte ich.
„Ja" sagte er. „Genau. Und das ist die andere Seite. Vielleicht kann man nicht damit umgehen. Vielleicht ist es zu viel. Zu schwierig. Vielleicht muss man es weg sperren und darum herum leben. Sich nicht mit der Vergangenheit befassen, wenn die Gegenwart schon schwierig genug ist. Aber es hinterlässt einen blinden Fleck. Wir sind zu alt für Padfoot und Moony, aber wir haben auch nichts neues."
„Hast du das jemals mit ihm besprochen?"
„Ich hab's versucht."
„Und? Was sagt er?"
Remus lachte auf, es klang nicht sehr fröhlich.
„Er sagt: Ist schon wieder Vollmond? Mein armer Moony hat den Moony-Blues. Komm, wir gehen und jagen den Boggart im zweiten Stock. Das wird ein Spaß."
„Oh, Mann" sagte ich. „Das ist ja eine sehr kompetente Art, damit umzugehen."
„Tja" sagte Remus. „Er ist brilliant, aber er benutzt sein Gehirn nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt."
„Von wem sprecht ihr?" kam Sirius' Stimme von der Tür.
„Von dir" sagte Remus.
„Wenn das so ist" sagte Sirius grinsend, „dann nehme ich den ersten Teil des Satzes und überhöre den zweiten." Er kam in die Küche, breitete die Arme aus und drehte sich einmal um sich selbst.
„Wow" sagte ich beeindruckt. „Das sieht… also, du siehst richtig gut aus."
„Danke schön" sagte Remus neben mir, und diesmal war sein Vergnügen echt.
Sirius hatte dann doch auf seinen eigenen Kleiderschrank zurück gegriffen, er trug ein weißes, bauschiges Hemd, schwarze Hosen und eine überlange, taillierte Jacke aus kornblumenblauem Samt, die perfekt die Farbe seiner Augen eingefangen hätte, wenn diese gerade zu sehen gewesen wäre. Die Sachen hingen lose an ihm, er hatte die Ärmel umgeschlagen, aber es war mit Abstand der beste Anzug, in dem ich ihn je gesehen hatte – in dem ich Remus je gesehen hatte. Er hatte sich rasiert und die halb langen, zerfransten Haare im Nacken zusammen gebunden, es ergab nicht mehr als einen spröden Pinsel, aber es sah, nun ja, cool aus. Am besten jedoch stand ihm die völlige Abwesenheit der kleinen, müden Melancholie, die so zu Remus gehörte, dass ich sie kaum mehr bewusst wahrnahm.
Hard light, kam aus dem Radio, welcome to hard light…
Sirius machte ein paar Tanzschritte zum Herd und nahm sich Muggel-Geld aus dem Marmeladenglas.
„Was hast du vor?" fragte Remus.
„Ich weiß nicht" sagte Sirius. „Ich habe Tonks von einem Muggel-Club reden hören, in Notting Hill. Cocktails und lateinamerikanische Musik. Mal wieder ein bisschen Karibik wäre nicht schlecht."
„Ich dachte, du wolltest in Diagon Alley spazieren gehen" sagte Remus.
„Wer weiß" sagte Sirius. „Das eine schließt das andere nicht aus. Der Abend ist lang."
„Der Abend ist ungefähr fünfdreiviertel Stunden lang" sagte ich. „Länger wirkt der Polyjuice nicht."
„Dann sollte ich mich sputen" sagte Sirius grinsend. „Und? Schon entschieden, mit welchem von uns du deinen Abend verbringen willst?"
„Ja" sagte ich.
Oooh, hard light…
„Du bist es nicht" sagte ich, als er mich erwartungsvoll ansah. Er machte das, was ich bei mir das Padfoot-Manöver nannte, er legte den Kopf schief und machte große runde Augen, es klappte sogar mit dem fremden Gesicht ganz gut.
„Du tust nichts, was ich morgen bereuen würde, hörst du?" sagte Remus. „Du benimmst dich vernünftig, und du bist rechtzeitig zurück, verstanden?"
„Moony" sagte Sirius und behielt den Kopf gleich in Schieflage, „Ich weiß nicht, was du mir zutraust. Ich will mich nur ein wenig amüsieren. Ich hab' nicht vor, eine Straße voller Muggel in die Luft zu blasen."
Remus sagte nichts.
„Ich bin weg" sagte Sirius grinsend. „Bis später, ihr Süßen." Er disapparierte mit einem euphorischen Popp.
Ooooh, welcome to hard light!
"Silencio" sagte ich müde und zeigte mit meinem Stab auf das Radio. Kenny Loggins wurde mitten im Refrain abgewürgt.
Remus zog sich die Packung mit den Schokofröschen heran, öffnete sie und steckte sich gedankenverloren einen in den Mund.
„Das ist alles, was dir zum Thema einfällt?" fragte ich ihn.
„Was?" sagte er.
„Schokofrösche" sagte ich.
„Ach so" sagte er. „Nein, durchaus nicht."
Ich lehnte mich zu ihm und küsste ihn. Die Innenseite seines Mundes war klebrig und süß.
„Ich dachte, du bist müde" murmelte er an meinen Lippen.
„Nicht so müde" murmelte ich. „Und du? Ich dachte, du bist traurig."
„Nicht so traurig" murmelte er und ließ eine neue Welle Schokoladenaroma in meinen Mund fließen.
„Wir werden ein Bett brauchen" flüsterte er nach einer Weile. „Ich bin nicht sportlich genug für die Eckbank."
„Ist mir recht" flüsterte ich.
Er nahm die Packung mit den Schokofröschen tatsächlich mit rauf. Die ersten Kleidungsstücke ließen wir bereits auf der Treppe, ich fragte mich später, wie ich meine Robe los geworden war, ich hätte schwören können, dass unsere Lippen sich keine Sekunde lang getrennt hatten. Am Rande meiner Wahrnehmung hörte ich Kreacher etwas von „Zuständen wie in einem Hurenhaus" keifen, es störte mich nicht.
Wir versperrten die Tür hinter uns, und dann spürte ich die kühlen Bettlaken unter mir und Remus auf mir, seine Lippen auf meinem Hals, in quälender Langsamkeit auf dem Weg nach unten, ich wusste mittlerweile, er war ein Meister der Langsamkeit, zwischen den Monden. Seine Hände fanden den Weg unter mein Hemd, und dann fand mein Hemd den Weg über meinen Kopf, und meine Hände den Weg in seinen Hosenbund, wir kannten uns noch nicht sehr lange, aber wir kannten uns schon sehr gut miteinander aus. Ich wusste, er war unangenehm berührt, wenn ich seinen Narben zu viel Beachtung schenkte, also küsste ich seinen Hals und legte meine Hände auf seinen glatten, einigermaßen unversehrten Rücken (und tiefer, Merlin, ich war so dankbar, dass er dort keine Narben hatte), und irgendwie rutschte er mit seinen schmalen Hüften zwischen meine Schenkel, und ich nahm ihn in Empfang und hätte ihn sofort eingelassen, hätte er nicht einen winzigen Abstand beibehalten, ich stöhnte in seine Haare und versuchte, den Abstand irgendwie zu überbrücken, aber er entzog sich, nicht wirklich weg, nur so weit, dass die Berührungen zu zart und zufällig waren, um etwas anderes zu bewirken als neue Hitze.
„Warte" flüsterte er lächelnd. „Du verpasst sonst das Beste."
„Nein" murmelte ich. „Jetzt. Nicht warten."
„Ach" sagte er und lachte. „Sind wir schon so weit?"
„Deine Schuld."
„Ich liebe es, wenn du anfängst, in Satzfragmenten zu reden" sagte er, seine Augen funkelten. Ich beschränkte mich auf eine nonverbale Protestäußerung, als er sich auf Hände und Knie aufrichtete und die Packung mit den Schokofröschen vom Nachttisch nahm. Er holte einen heraus und steckte sich das zappelnde Ding zwischen die Zähne, dann kam er über mich und schob mir die vordere Hälfte des Frosches zwischen die Lippen. Das Ding zuckte und wand sich, zuerst kühl und hart, dann schnell klebrig und weich in der feuchten Wärme unserer Münder, und als ich es nicht mehr aushielt, biss ich zu, und der Zauber verflog.
„Ich weiß nicht" sagte ich. „Es ist vielleicht eine Muggel-Sicht der Dinge, aber ich hab's lieber, wenn meine Schokolade sich nicht bewegt."
„Alles zu seiner Zeit" murmelte Remus. „Es weckt jedenfalls den Spieltrieb." Er leckte mir mit der Zungenspitze den Mundwinkel.
„Ich würde gern ein bisschen zaubern" sagte er dicht an meinem Mund. „Darf ich?"
„Okay" sagte ich. „Was hast du vor?"
Er beugte sich aus dem Bett und fischte seinen Stab vom Boden.
„Gib mir deine Hände" sagte er, und ich tat es, obwohl er meine Frage nicht beantwortet hatte. Gleich darauf bereute ich meine Blauäugigkeit, als ein dünnes, glänzendes Seil aus der Spitze seines Stabes schoss und sich sanft, aber unnachgiebig um meine Handgelenke schmiegte.
„He" sagte ich überrascht. „Warte mal, ich… nein!" Er zeigte mit seinem Stab auf das Kopfende des Bettes, und meine Arme wurden mir über den Kopf gezogen, als das Seil sich selbst um das Kopfbrett verschnürte.
„Ich steh' aber nicht auf Fesselspiele" sagte ich hilflos.
„Das ist kein Fesselspiel" sagte er lächelnd. „Es ist ein Schokofrosch-Spiel."
„Ich weiß nicht, ob das viel besser ist."
„Du sprichst ja schon wieder in ganzen Sätzen" sagte er. „Wie schade." Er nahm einen Frosch aus der Packung und setzte ihn mir auf den Bauch, ich quiekte und lachte, als das kleine, kühle Ding auf mir herum hopste und schließlich von meiner Brust gegessen wurde, ehe es abstürzte. Mein Liebster war so dicht auf mir, ein goldener Schimmer lag auf seinem struppigen Haar, das ihm in die Augen fiel, ich hätte es ihm gern hinter die Ohren gestrichen, dann berührte er meine Lippen mit seinen und zog sich wieder zurück, ehe meine Zunge sich ihren Anteil am Frosch holen konnte. Er nahm einen neuen Frosch aus der Packung, setzte ihn zwischen meine Brüste und brachte seinen Stab nah an ihn heran.
„Energete" flüsterte er, und die Form des Frosches stürzte ein, und ein kleiner Schwall heißer, geschmolzener Schokolade lief mir hinunter Richtung Bauchnabel. Ich stöhnte auf, die plötzliche Hitze traf meine Haut wie ein elektrischer Schlag. Ich erwartete nun eigentlich seine Zunge auf mir, aber er kam wieder mit seinem Stab, murmelte „Energete reverso", und ich spürte, wie der kleine Schokoladenbach auf meiner Haut erstarrte und kalt wurde. Es kitzelte leicht, als er die erstarrte Schokolade von meinem Bauch schälte, die Haut darunter war gerötet. Er verteilte kleine Küsse auf den geröteten Stellen, und ich stellte jegliches zusammenhängende Denken ein.
„Nochmal" flüsterte ich, und wir brachten noch zwei oder drei weitere Frösche aus der Form, der intensive Wechsel von heiß und kalt reizte meinen Körper, bis selbst die glatte Berührung des Bettlakens unter meinem Rücken fast zu viel war.
Nach einer Weile beschloss dann mein schokoholisierter Bettgefährte, dass es an der Zeit sei, das Spiel zu variieren, er schüttete eine ganze Handvoll Frösche über mir aus, und ich quiekte und lachte und wand mich, als das Gefühl der kleinen, kühlen, hopsenden Froschfüße sich über meinen Körper verteilte, sie krabbelten auf meine Brüste und fielen mir über das Schlüsselbein in den Nacken, sie hopsten auf meinem Bauch herum und meinen Oberschenkel entlang, und mindestens einen zerquetschte ich unter meinem Bein, als ich zappelte. Und Remus' Lippen folgten ihrem Weg, er schnappte sie mit den Zähnen von meiner Haut, die unter seinen Lippen brannte, und tat sie zurück in die Packung, er fand auch die in meinem Nacken, unter meinem Rücken und in der sehr privaten, dunkle Region dort unten, wo Beine und Hinterteil sich Guten Tag sagen. Einen ließ er übrig, er saß zwischen meinen Brüsten, sein Kehlsack arbeitete, als wollte er quaken, er war schon ein wenig klebrig und weich. Remus stupste ihn an, und er machte sich auf den Weg, er krabbelte, wahrscheinlich war er schon zu geschmolzen, um noch zu hopsen, und hinterließ eine Spur kleiner Schokoladenabdrücke auf seinem Weg nach unten, über meinen Bauch, und dann stürzte er wie ein kleiner Lemming über den Rand und zwischen meine Schenkel. Ich lachte und keuchte gleichzeitig, als ich seine kleinen, irritierten Bewegungen sehr nah an einer sehr empfindlichen Region spürte, er schien den Ausgang zu suchen, aber vergeblich, und langsam, quälend langsam, machte Remus sich an die Verfolgung, seine Zunge entfernte sorgfältig jeden kleinen Schokofleck von meiner Brust, meinem Bauch und… tiefer.
Ich wollte etwas sagen wie Bind mich los, meine Hände werden kalt, und lass uns endlich zur Sache kommen. Ich machte den Mund auf, und in dem Augenblick war er mit seiner Zunge in der dunklen Höhle des Frosches angekommen, und ich sagte nur noch Dinge wie ja… ooh… mmmmMMMM… bitte bittebitte… mach… weiter… bittebittebitte… nicht… ich… ooh… NICHT AUFHÖREN! Bitte! Ich… ooh… ja… jajaja… dort… du…ooohhh… ich… ja… ja… Und dann kam ich in einer langen, heißen Welle, und das wackelige Bett stellte sich als überraschend stabil heraus, ich war sicher, ich hatte es an die Grenzen der Materialbelastung gebracht.
Ich merkte kaum, dass er mich los band, ich schloss es aus der Tatsache, dass ich meine Hände plötzlich in seinem Haar vergraben konnte, als er zu mir nach oben kam, und ich merkte dann auch, dass er genug Schokolade und Spiele gehabt hatte, er öffnete meine Schenkel und schob sich in mich hinein, sehr vorsichtig und langsam, sein Gesicht war fast friedlich, und ich merkte, der Mond war verschwunden und mein zärtlicher Liebhaber zurück gekehrt, ich genoss das ruhige Tempo nach dem aufreibenden Spiel, und dann kam er, tief in mir, mit einem langen Seufzen.
Wir lagen lange, ohne uns auseinander zu bewegen, es war heiß und klebrig zwischen uns, winzige Schweißtropfen kitzelten meine überreizte Haut.
„Gehen wir duschen?" murmelte ich im Halbschlaf. „Wir kleben."
„Okay" sagte er und küsste meine Stirn.
Nach einer Weile, wir hatten uns nicht vom Fleck bewegt, murmelte er:
„Duschen macht nur Sinn, wenn wir uns auch ein neues Bettlaken besorgen. Wir haben einen Haufen zermatschte Frösche auf diesem."
„Okay" murmelte ich.
„Also dann" sagte er und bewegte sich keinen Millimeter.
„Gehen wir" murmelte ich.
Ich machte die Augen wieder auf, ich schwamm träge in einem See von goldenem Licht, als er über mich hinweg aus dem Bett kletterte, ich hatte irgendwie das Gefühl, etwas verpasst zu haben.
„Duschen" murmelte ich.
„Lass gut sein" sagte er und strich mir Haare aus der Stirn. „Du hast schon geschlafen.
„Wie spät…?"
„Kurz vor Mitternacht. Ich will nur nachsehen, ob Sirius zurück ist. Ich meine, ich hätte was gehört."
Ich nickte und gähnte. Die Innenseiten meiner Schenkel klebten aneinander, und das Leintuch klebte an meinem Rücken, als ich mich zur Seite drehte.
„Hast du keinen Schokoladen-Entferner-Zauber?" murmelte ich.
„Doch" sagte er, etwas gedämpft durch die Robe, die er sich gerade über den Kopf zog. „Ich steck' sie in den Mund, und dann ist sie weg. Hokuspokus."
„Ha, ha" murmelte ich müde.
„Wir kümmern uns morgen drum" sagte er. „Schlaf ruhig weiter."
„Hm" murmelte ich.
Er deckte mich zu und stopfte die Decke in meinem Rücken fest, die Intimität und Sorgfalt der Geste wärmte mich mehr als alles andere, dann schlich er sich raus, und ich war weg, noch ehe ich die Tür klappen hörte.
oooOOOooo
Der Samstag Morgen kam unsanft. Ich wurde aus dem Schlaf gerissen, weil jemand schrie, es klang verdächtig nach der noblen Mrs. Black. Die angenehme Wärme, die mich umfangen hatte, entfernte sich von mir, ich rollte auf den Bauch und blinzelte. Remus neben mir war zum Sitzen gekommen, aber was hatte Mrs. Black in unserem Schlafzimmer verloren… und seit wann hatte sie grüne Haare?
Ich riss die Augen auf.
Tonks?
Sie stand neben unserem Bett, eine Hand in die Hüfte gestemmt, mit der anderen und ihrem spitzen Zeigefinger versuchte sie offenbar, Remus zu erdolchen, und sie war mitten in einem furiosen Wutausbruch, zu dem mir jeder Bezug fehlte.
„…so mit Leuten umzugehen!" schrie sie ihn an. „Gewissenloser Bastard! Dass du dich nicht schämst! All das nette und freundliche Getue tagsüber, als könntest du kein verdammtes Wässerchen trüben, und dann kommt so was! Was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Nichts, wahrscheinlich! Ein bisschen den Jagdtrieb raus gelassen, was? Aber ich sage dir, Tonks ist keine Beute, die man mal eben zwischen zwei Schichten im Ministerium abschleppen kann! Und du, Emilia", ihr Zeigefinger schnellte zu mir, „du tust besser daran, diesen Hurensohn aus deinem Bett zu schmeißen! Du bist voll auf ihn rein gefallen!"
„Tonks" sagte Remus, ruhig wie immer. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst."
„Ach nein? Kurzes Gedächtnis, was? Könnte vielleicht daran liegen, dass du meistens mit dem Schwanz denkst!"
„He" sagte er. „He, Tonks, langsam." Er nahm ihre Hand und versuchte, sie runter zu drücken, doch sie riss sich los und umklammerte ihre Hand, als hätte sie sich verbrannt.
„Fass mich nicht an" fauchte sie. „Dass du dich nicht schämst!"
„Ich weiß nicht mal, wofür" sagte er, eine Spur energischer.
„Lügner!" fauchte sie.
„Tonks" sagte er. „Was immer da passiert ist, ich bin ziemlich sicher, dass du mich verwechselst."
„Ach" fauchte sie. „Der geheime Zwilling, oder was?"
„So ähnlich" sagte Remus. „Sirius. Er hat…"
„Ich weiß, wann ich Sirius vor mir habe, du Idiot! Ihr seht euch nicht besonders ähnlich!"
„Oder vielleicht doch" sagte Remus. „Er hat gestern…"
„Halt die Klappe!" schrie sie ihn an. „Komm mir nicht mit beschissenen Ausreden! Ich kann keine Ausreden mehr hören! Ihr Kerle seid alle gleich! Ihr glaubt, euch gehört die Welt, nur weil ihr einen verdammten Schwanz habt!"
„Tonks!" sagte Remus sehr laut.
„Halt die Klappe!" schrie sie, während ihr Tränen aus den Augen sprangen. Sie holte aus, und dann klatschte es gewaltig, Remus riss den Kopf herum und fasste sich an die Wange, und Tonks stürmte hinaus und knallte die Tür hinter sich zu, dass der Putz von der Wand rieselte.
„Aha" sagte ich überrumpelt. „Äh… Guten Morgen."
„Nicht für alle von uns" sagte Remus und schlug die Bettdecke zurück. „Da gibt es jemanden, mit dem ich mal ein Wörtchen reden muss."
Wir fanden die fragliche Person in der Küche. Er saß auf der Eckbank, die langen Beine von sich gestreckt, und aß Hundekekse aus der Tüte. Er trug wieder sein eigenes Gesicht mit nahezu engelsgleicher Unschuld darin, neben den unübersehbaren Spuren eines Katers. Tonks lehnte an der Spüle, die Arme um sich geschlungen, ihre Augen waren dick und rot, und ihr Atem ging stockend.
„Morgen" sagte Sirius unbeschwert. „Schon wach?"
„Allerdings" sagte Remus. „Was hast du mit meinem Gesicht gemacht, sag mal?"
„Wieso?" sagte Sirius und grinste. „Falls du den Knutschfleck meinst, da an deinem Hals, also ich war's nicht."
„Du weißt, was ich meine" sagte Remus und fasste sich automatisch an den Hals. Ich begann, Tee zu machen, ich wollte nicht herumstehen wie ein Schlachtenbummler.
„Ich möchte wissen, was du gestern abend getan hast" sagte Remus mit einem Gestus übertriebener Geduld, den ich sonst nur von Snape kannte. „Immerhin habe ich mir gerade eine Ohrfeige eingefangen für etwas, das garantiert nicht auf meinem Mist gewachsen ist."
„Sie hat dich geohrfeigt?" prustete Sirius. „Merlin! Wollte, ich wäre dabei gewesen."
„Ihr seid doch Freaks" sagte Tonks, ihre heute violetten Augen sprangen vom einen zum anderen.
„Es war nur sehr eingeschränkt unterhaltsam" sagte Remus. „Also, raus mit der Sprache."
Sirius seufzte, aber es kam nicht sehr überzeugend, weil das Grinsen nicht aus seinem Gesicht weichen wollte.
„Also gut" sagte er. „Ich gestehe. Ich war's."
„Was" sagte Tonks fassungslos.
„Der überzählige Polyjuice" ergänzte ich Sirius' magere Erklärung.
„Was" sagte Tonks wieder. „Und du hast nichts besseres zu tun, als dir sein Gesicht auszuleihen und mir im Ministerium aufzulauern?"
„Ich habe dir nicht aufgelauert" sagte Sirius.
„Du warst im Ministerium?" sagte Remus. „Bist du noch zu retten?"
„Was für ein übler Trick" sagte Tonks mit bebender Stimme. „Du bist ein Schwein, Sirius."
„Oh, na aber" sagte Sirirus verletzt, und dann machten wir einen Schritt rückwärts und ließen den Wirbelsturm Tonks über Sirius hinweg ziehen, komplett mit Anzweiflung seiner Manneskraft, Infragestellung seiner geistigen Unversehrtheit und vollständiger Aberkennung jeglichen guten Geschmackes. Remus wirkte zunächst, als sei er kurz davor, einzuschreiten, ich kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass er nichts mehr hasste als lautstarke Szenen, aber spätestens als wir Tonks' Worten entnahmen, dass Sirius es geschafft hatte, sie zu küssen und damit in vollständige Verwirrung zu stürzen, entspannte er und begann, das Schauspiel zu genießen.
Irgendwann pfiff der Teekessel, und Tonks gingen die Worte aus. Sirius wirkte ein wenig überrollt auf seiner Eckbank.
„Ich dachte nicht, dass du dich so aufregst" sagte er und fummelte an seiner Hundekeks-Tüte, dass der Spaniel Knitter bekam. „Es war ein Scherz, du meine Güte."
„Ach so?" fauchte Tonks. „Ein Scherz? Im Sinne von, nicht ernst gemeint? Im Sinne von, vergiss einfach, was ich gesagt habe? Im Sinne von, nichts für ungut, mir war nur langweilig?"
„Im Sinne von, ich hab' nicht besonders lange darüber nachgedacht" fauchte Sirius zurück.
„Was für eine Überraschung" sagte Remus und goss Tee auf.
„Hör mir jetzt gut zu, Black" sagte Tonks und fuhr wieder den spitzen Zeigefinger aus. „Solltest du jemals den Mut aufbringen, mit deinem eigenen Gesicht zu mir zu kommen, dann tu es. Bis dahin, solltest du jemals wieder einen deiner Scherze auf mich ablassen, bist du toter als tot. Klar?"
„Klar" murmelte Sirius.
„Gut" sagte sie. „Ich hau' mich jetzt aufs Ohr. Ich hatte eine lange, anstrengende Nacht. Wiedersehen, zusammen." Sie disapparierte mit einem ärgerlichen Knall.
„Was mich mit der Frage zurück lässt" sagte ich, „wen sie jetzt eigentlich geküsst hast?"
„Na, ich war's nicht" sagte Remus.
„Ich weiß" sagte ich, „aber sie hat es getan, als sie ihn für dich hielt."
„Eifersüchtig?" sagte er und lächelte mich unter seinem halblangen, fransigen Haarvorhang an.
„Nein" sagte ich. „Kompromisslos monogam."
„Ach so."
„Wann haben eigentlich die Mädchen angefangen, den großartigen Sirius Black zu ignorieren und auf den unscheinbaren Remus Lupin zu fliegen?" fragte Sirius von der Eckbank.
„Problem damit?" fragte Remus grinsend.
„Natürlich. Ich bin die umgekehrten Zustände gewohnt."
„Keine Sorge" sagte ich. „Das nächste Mädchen, das auf Remus Lupin fliegt, putz ich weg. Ich bin ziemlich kompromisslos kompromisslos."
Wir zuckten alle zusammen, als Tonks mit einem Knall zurückkehrte.
„Ich hab vergessen, dir was auszurichten" sagte sie zu Remus. „Kingsley hatte gestern die Gelegenheit, mal einen Blick in das Büro dieser Umbridge-Tussi zu werfen. Das ist die neue Abteilungsleiterin für Regulierung und Kontrolle magischer Geschöpfe. Sie plant definitiv etwas mit Werwölfen. Kingsley sagt, sie alle zu registrieren, oder etwas ähnliches."
„Das ist nicht an sich verkehrt" sagte Remus. „Viele Werwölfe sind auf Voldemorts Seite."
„Die werden aber kaum vorbei kommen und sich registrieren lassen" sagte Tonks. „Und es ist sicher auch nicht das, was hinter der Sache steckt. Immerhin ist die offizielle Politik des Ministeriums, dass Voldemort tot ist und tot bleibt."
„Hm" sagte Remus.
„Bist du dem Ministerium bekannt, als Werwolf?" fragte Tonks.
„Nachdem Severus den Premierminister persönlich davon in Kenntnis gesetzt hat, können wir davon ausgehen" sagte Remus.
„Dann solltest du dir schon mal ein paar Gedanken machen" sagte Tonks. „Über einen unverfänglichen Wohnsitz, zum Beispiel."
„Was ist falsch an diesem?" fragte ich.
„Wenn wir Pech haben, erinnert sich jemand im Ministerium daran, dass es der alte Wohnsitz der Blacks ist" sagte Sirius, „und zieht Schlüsse, die er nicht ziehen sollte."
„Ich hab' aber kein Geld für eine Wohnung" sagte Remus hilflos.
„Du brauchst auch nur eine Eulenadresse" sagte Sirius. „Du glaubst doch nicht, dass ich dich tatsächlich ausziehen lasse."
Remus seufzte.
„Oder du tauchst unter" sagte Sirius. „Ich bin sicher, jemand kann für dich eine Sichtung im Irak organisieren."
„Die Option behalte ich mir für später" sagte Remus. „Momentan bin ich noch nicht verzweifelt genug."
„Denk drüber nach" sagte Tonks. „Ich bin weg." Sie disapparierte mit einem Knall.
„Was hat das zu bedeuten?" fragte ich. „Registrieren lassen? Wie ein Animagus?"
„Keine Ahnung" sagte Remus und holte das Teesieb aus der Kanne. „Nicht ganz so harmlos, möchte ich fast annehmen."
„Und was willst du tun?" fragte ich.
„Abwarten" sagte er. „Tee trinken. Und mich nicht vorzeitig aufregen. Dem Ministerium fällt immer mal was Neues ein, und es wird selten so heiß gegessen, wie es gekocht wird."
Ich hoffte, dass er Recht behalten würde, aber ich konnte nicht so ganz dran glauben. Ich fragte mich, warum Kingsley das Büro von Kollegen ausspionierte, wenn es sich nur um eine harmlose Arbeits-Beschaffungs-Maßnahme für unterbeschäftigte Registratoren handeln sollte. Ich brachte es nicht zur Sprache, aber es blieb ein ganz blödes Gefühl.
oooOOOooo
Manchmal hasste ich es wirklich, recht zu behalten. Als ich ein paar Tage später in die Küche von Nummer Zwölf kam, standen die Zeichen auf Sturm. Draußen bemühte sich ein Oktobertag, möglichst kalt, regnerisch und novembermäßig rüber zu kommen, und ähnliche Stimmung herrschte in der Küche. Der Mann, wegen dem ich Dauergast im Floo-Netzwerk war, saß auf der Eckbank und brütete über einer Tasse Tee, während sein WG-Genosse in der Küche herum strich wie ein gefangener Tiger. Ich hatte sie schon auf der Treppe diskutieren hören, Sirius' tragende Stimme, hauptsächlich, er unterbrach sich, als ich rein kam, und nahm sich Zeit für ein Lächeln.
„Tag, zusammen" sagte ich.
„Hallo, Emilia" sagte er. „Du wirst nicht glauben, was passiert ist."
„Das Ministerium hat geschrieben" sagte ich und deutete auf einen Brief mit frischen, scharfen Faltkanten, der auf dem Tisch neben Remus' Tasse lag und unverkennbar das Siegel des Ministeriums trug.
„Äh" sagte Sirius. „Ja, richtig."
„He" sagte Remus und lächelte sein Mir-ist-nicht-danach-aber-ich-tu's-gewohnheitsmäßig-Lächeln. „Na?" Ich küsste ihn ein wenig, und sein Lächeln geriet überzeugender.
„Gut" sagte ich und rutschte neben ihn auf die Eckbank. „Prima. Jemand aus der Abschlussklasse hat heute einen Treibsand-Hex vor dem DADA-Klassenzimmer ausprobiert."
„Und?"
„Perfekt ausgeführte Sprucharbeit. Hervorragende Wirkung. Filch steckte bis zur Hüfte drin, und irgendwie wollte ihm keiner raus helfen."
„Filch? Nicht Snape?"
„Snape ist der meist gehexte Lehrer an dieser Schule. Er hat eine Art siebten Sinn entwickelt, er ist kaum noch zu kriegen. Aber was ich so gehört habe, waren sie mit Filch auch ganz zufrieden."
„Sie sollten eindeutiger gegen solchen Unfug Position beziehen, Professor."
„Oh, das habe ich, Herr Kollege. Ein Monat Kesselschrubben, die Muggel-Variante, für jeden, der das vor meinem Klassenzimmer versucht."
„Freut mich zu hören, dass Sie ordentlich durchgreifen."
Ich lupfte den Brief vom Ministerium und warf einen schrägen Blick darauf.
„Und? Was schreiben die?"
„Darüber reden wir gerade" sagte Sirius. „Nur Mist. Dieses Schriftstück ist das unverschämteste, unglaublichste Stück Dreck, das ich je in den Fingern hatte."
„Darf ich's lesen?"
„Nur zu" schnaubte Sirius. „Wenn du dir den Tag so richtig verderben willst."
Ich sah Remus an, schließlich war es sein Brief, und er zuckte mit den Schultern und nickte. Ich faltete das Pergament auf.
Ministerium für Magie – Abteilung zur Regulierung und Kontrolle magischer Geschöpfe, stand in der Kopfzeile, und darunter:
Aktenzeichen WW0207/3385 RJL, bitte bei Rückfragen immer angeben
Sehr geehrter Mr. R. J. Lupin,
Laut Informationen, die dem Ministerium vorliegen, fallen Sie unter die Registraturpflicht für magische Geschöpfe, Halbmenschen und Menschenähnliche, Dekret Nummer 23/31 auf Anweisung des Premierministers, Erlass am 11.10.2002, Paragraph 13, Absatz 07: Halbmenschen mit menschenähnlicher Intelligenz und lykantropher Infektion.
„Moment" sagte ich. „Was? Das ist die offizielle Sprachregelung? Menschenähnliche Intelligenz? Ja, ticken die noch ganz richtig?"
„Meine Rede" sagte Sirius düster. „Eine bodenlose Frechheit ist das."
„Es gilt wahrscheinlich hauptsächlich für menschenferne intelligente Wesen" sagte Remus. „Hippogreifen und ähnliche."
„Ich sehe es hier in einem Satz mit lykantropher Infektion" sagte ich. „Von Hippogreifen ist nicht die Rede."
Remus zuckte die Schultern und rührte in seinem Tee. Ich las weiter.
Sie sind hiermit zur Registratur am 21.10.2002, 16 Uhr, Zimmer 12 / AbtRegKonMagG, vorgeladen.
„Vorgeladen? Wie ein Verbrecher!"
Vorzulegen sind:
1. Gültige Ausweispapiere und/oder Aufenthaltsgenehmigung
2. Nachweis über Wohnsitz
3. Nachweis über Arbeitsverhältnis
3. ärztliches gesundheitliches Gutachten
4. falls vorhanden, Dokumentation über den Infektionsverursacher
Des Weiteren haben Sie einen Bürgen vorzustellen, der für Ihre Ungefährlichkeit haftet. Der Bürge hat folgende Kriterien zu erfüllen:
1. Mindestalter 21 Jahre
2. gemeldeter Wohnsitz in England
3. unbescholtener Leumund (keine Vorstrafen)
4. keine verwandtschaftliche oder eheliche Verbindung
5. Zugehörigkeit zu keiner der in Paragraph 13, Dekret Nr. 23/31 gelisteten Halbmenschenarten.
Sie sind ab sofort gehalten, das Land nicht ohne Inkenntnissetzung des Ministeriums und unter Angabe von Ziel, Zweck und Dauer der Reise zu verlassen. Eine entsprechende Reisegenehmigung kann erteilt oder verweigert werden. Des Weiteren sind Sie gehalten, Ihren Wohnsitz nicht ohne Inkenntnissetzung des Ministeriums zu wechseln. Außerdem sind Sie gehalten, sich am zweiten Werktag nach jedem vollen Mond bei Ihrem Fall-Manager zur medizinischen und psychologischen Inspektion vorzustellen. Der Fall-Manager kann gegebenenfalls Ihre vollmondliche Verwahrung in einer ministerialen Sicherungsanstalt anordnen.
Rückfragen richten Sie bitte an den Ihnen zugeteilten Fall-Manager, Mr. Hermes Bramson, Zimmer 12 / AbtRegKonMagG.
Hochachtungsvoll,
Dolores Umbridge, Abt.-Leitung RegKonMagG
Ich ließ das Pergament sinken. Meine Wut war verflogen. Etwas Kaltes umklammerte meinen Brustkorb und erschwerte mir das Atmen.
„Ohne Panik verbreiten zu wollen" sagte ich, „aber das ist… oh, Merlin. Das macht mir Angst."
„Das muss es nicht" sagte Remus. „Ich bin sicher, es wird nicht so heiß gegessen wie…"
„Behalt ihn für dich, den verdammten Spruch!" schrie Sirius. „Ich kann ihn nicht mehr hören!"
„Entschuldigung" sagte Remus automatisch.
„Ich weiß nicht" sagte ich. „Vielleicht ist es mein deutscher Hintergrund, aber ich sehe als nächstes Busse, in die alle Werwölfe verladen werden, um sie in ein Arbeitslager zu bringen."
„Quatsch" sagte Remus. „Wir leben in modernen Zeiten, oder nicht?"
„Hast du's gelesen?" sagte ich. „Die setzen dich quasi unter Arrest. Die beschränken deine Reisefreiheit, und sie nehmen sich das Recht, dich nach Gutdünken einzusperren."
„Was nicht so völlig unsinnig ist" sagte Remus in seine Tasse hinein. „Die meisten Werwölfe haben keinen Wolfsbann, und sie gehen oft auch nicht sehr verantwortungsvoll mit ihrer Natur um."
„Deshalb muss man sie nicht behandeln wie Verbrecher!"
„Ich bin sicher, man kann in meinem Fall eine Regelung finden. Vielleicht kriege ich Severus dazu, dass er dem Ministerium irgendeine Bescheinigung über den Wolfsbann ausstellt."
„Und was soll diese…" ich las es nach, „medizinische und psychologische Inspektion?"
„Sie wollen sehen, ob man in Kämpfe verwickelt war, nehme ich an" sagte Remus leise. Sirius schnaubte.
„Prima" sagte er. „Jetzt denk nur mal dran, wie du nach einem Keller-Vollmond aussiehst. Dieser Inspektor-Typ muss dir erst mal glauben, dass du dir das selbst zugefügt hast."
„Ich hatte gehofft, nicht mehr in den Keller zu müssen" sagte Remus.
„Musst du auch nicht" sagte Sirius. „Allein schon, weil er noch nicht dekontaminiert ist" fügte er grinsend hinzu. „Könnte durchaus sein, dass sich da noch etwas von meiner Verwandtschaft herum treibt, tot oder schlimmer. Aber du verstehst meinen Punkt, ja?"
„Ja, sicher" sagte Remus seufzend. „Aber was soll ich denn machen."
„Kann man nicht Widerspruch einlegen oder etwas?" fragte ich. „Wenn man von einem Muggel-Amt einen Bescheid bekommt, steht immer dabei, dass man Widerspruch einlegen kann." Ich raschelte durch das steife Pergament, aber alles, was ich fand, war ein Begleitbrief an Direktor Dumbledore, in dem er gebeten wurde, beiliegenden Brief an den Werwolf, Aktenzeichen WW0207/3385-RJL, namens Remus James Lupin, bei nächster Sichtung weiter zu reichen.
„Sichtung" schnaubte ich. „Die Frau tickt wirklich nicht richtig. Aber von Widerruf steht hier leider nichts."
„Wundert dich das?" sagte Sirius. „Es sind die gleichen Leute, die mich lebenslänglich eingesperrt haben, ohne einen Prozess. Vielleicht nicht die gleichen, aber die gleiche Art."
„Du kannst das nicht vergleichen" sagte Remus.
„Nein" fauchte Sirius. „Ich vergleich's dann, wenn sie dich in ihrer Scheiß-Sicherungsanstalt haben und vergessen, dich zwischen den Monden raus zu lassen!"
Remus seufzte und legte die Stirn in die Hände.
„Spielen wir's mal durch" sagte ich und sah auf den Brief. „Ausweis ist vorhanden. Dieses Gesundheitszeugnis kriegen wir von Madam Pomfrey, ich bin sicher, sie stellt uns alles aus, was wir brauchen. Hast du etwas über den Werwolf, der dich seinerzeit gebissen hat?"
„Seinen Gebissabdruck auf meinem Oberschenkel" sagte Remus düster.
„Das ist wahrscheinlich nicht die Art von Dokument, das die meinen" sagte ich. „Aber egal. Ist ja nicht zwingend. Was du jedenfalls auch schon mal hast, ist ein Bürge."
„Und wen?" sagte er.
„Na, hallo" sagte ich verblüfft. „Wie wär's mit mir?"
„Nein" sagte er. „Das möchte ich nicht."
„Aber warum nicht?" sagte ich erstaunt. „Ich erfülle alle Kriterien. Ich hab' einen Wohnsitz in Hogwarts, ich bin nicht vorbestraft, wir sind nicht verwandt und nicht verheiratet, und verliebt ist zulässig, wie ich das sehe."
„Trotzdem" sagte er. „Ich möchte das nicht."
„Und ich falle nicht unter diesen Halbmenschen-Paragraph" sagte ich.
„Emilia" sagte er. „Du bist zweifelsohne sehr gut geeignet, aber darum geht es nicht. Ich möchte nicht, dass du das tust, weil du keine Ahnung hast, worauf du dich da einlässt." Er sah immer noch knapp an mir vorbei, ich kannte das mittlerweile, es war ein schlechtes Zeichen.
„Wieso denn" sagte ich. „Es ist doch keine große Sache."
„Siehst du" sagte er. „Wie ich sagte." Er begann, in seiner Tasse zu rühren, der Tee darin sah kalt und dunkel aus. Ich berührte die Tasse mit meinem Stab.
„Energete" sagte ich leise, und sofort begann der Tee zu dampfen.
„Danke" sagte er und lächelte traurig.
„Also" sagte ich. „Sag mir doch, worauf ich mich einlasse."
„Lies es nach" sagte er. „Der Bürge haftet für meine Ungefährlichkeit. Das heißt, wenn ich jemanden beiße, oder schlimmeres, sperren sie den Bürgen ein. Oder schlimmeres."
„Du beißt aber doch niemanden" sagte ich. „Du bist doch kein Monster."
Remus gab etwas von sich, das zwischen einem Lachen und einem Stöhnen lag.
„Doch" sagte er und schob die Teetasse von sich, dass sie überschwappte. „Genau das bin ich. Ein Monster."
„Das ist nicht wahr" sagte ich heftig.
„Mach die Augen auf, Emilia" sagte er und klang bitterer, als es der Tee in seiner Tasse nach dem hundertsten Aufwärmen hätte sein können. „Es hat keinen Zweck, es zu leugnen."
„Moony" sagte Sirius besänftigend. „Das ist nicht gerecht, was du da tust."
„Was?" sagte Remus. „Du warst doch immer der erste, der mir gesagt hat, ich sollte es annehmen. Es sei meine Natur, es sei ein Teil von mir, ein Teil meines Lebens, ich sollte es akzeptieren, bla-bla-bla."
„Das habe ich" sagte Sirius, „aber ich habe dir nicht gesagt, dass du deine Existenz auf den Wolf reduzieren sollst. Du hast mir doch vorgerechnet, dass du durchschnittlich sechshundertsechzig Stunden ein Mensch bist und nur zwölf ein Wolf. Also warum tust du dir das selbst an?"
„Weil die verdammten zwölf Stunden mein Leben bestimmen! Wenn der Wolf jemanden umbringt, muss der Mensch dafür einstehen. So ist das nun mal."
„Der Wolf hat aber noch niemanden umgebracht."
„Weißt du's? Du hast ein paar Monde verpasst in den letzten Jahren."
„Aua" sagte ich leise, aber Sirius schüttelte nur den Kopf.
„Ich weiß es" sagte er leise. „Ich weiß, der Mensch würde sich vorsorglich lieber selbst die silberne Kugel geben, wenn er es nicht schafft, rechtzeitig ein sicheres Plätzchen für den Wolf aufzutreiben."
„Es gibt immer Sicherheitslücken" sagte Remus und starrte beharrlich hinunter auf die Tischplatte. „Das weißt du auch. Du warst dabei. Es gab… Vorfälle, in der Vergangenheit."
„Die hauptsächlich durch Dummköpfe in deiner Umgebung verursacht waren" sagte Sirius. „Du hast dir nichts vorzuwerfen."
„Wenn ich jemanden töte, egal durch wessen Dummheit das verursacht wird, habe ich mir das selbstverständlich vorzuwerfen."
„Ach, Moony" sagte Sirius seufzend und ließ sich auf die Eckbank sinken. „Wir drehen uns im Kreis, merkst du das nicht?"
„Ich will euch nur meinen Punkt klar machen" sagte Remus und zog mit dem Teelöffel Rillen in der Tischplatte nach, als wäre es hoch komplexe Sprucharbeit. „Es ist möglich, dass ich jemanden getötet habe. Ich hatte nicht immer einen Keller. Meistens, aber nicht immer. Es gibt ein paar Nächte, in denen ich draußen war, und ihr wisst, dass ich mich nicht erinnere. Und zumindest einmal… ich hatte mir angewöhnt, nach solchen Nächten zu erbrechen… nur um zu sehen… und... an diesem einen Morgen kamen Fleischreste. Keine kleine Beute, es waren keine Knochen dabei. Ich weiß nicht, was es war. Und sollte ich jemals… gebissen haben, ohne zu… fressen… weiß ich ohnehin nichts darüber."
„Ich glaube nicht daran" sagte Sirius überzeugt. „Ich denke, wenn so etwas passiert wäre, hättest du geträumt, oder eine verschwommene Erinnerung behalten. Ich weiß noch, dass du immer schwere Träume hattest, wenn es ein heftiger Vollmond war."
„Ich will nur meinen Punkt klar machen" sagte Remus wieder. „Euch klar machen, wovon wir sprechen. Es ist kein hübscher, pelziger Wolf. Es ist ein aggressives, gefährliches Monster. Ich bin das."
„Dein Punkt ist klar" sagte ich. „Wann ist dieser Termin? Sechzehnter? Das ist ein… Dienstag. Prima. Da muss ich nicht mal Unterricht verschieben."
Remus seufzte, schüttelte den Kopf und vergrub das Gesicht in den Händen. Er verbreitete eine beinahe snape-ische Aura von Fass-mich-nicht-an, und so stand ich auf und besorgte mir ein Glas Apfelsaft.
„Was haben wir noch?" sagte ich dann und warf einen Blick auf das Pergament. „Wohnsitz, und Arbeitsverhältnis. Na ja, ohne unken zu wollen, das mit dem Arbeitsverhältnis sieht eher schlecht aus, und um einen Wohnsitz müssen wir uns schleunigst kümmern, wenn wir nicht Nummer Zwölf angeben wollen."
„Wir mieten irgendwas" sagte Sirius. „Es muss ja nur eine Eulenadresse sein."
„Und jemand muss da sein, der die Eule in Empfang nimmt" gab ich zu bedenken. „Ich weiß ja nicht, wie oft das Ministerium ihm noch schreiben will, aber in Muggelheim sind Amtsgeschichten immer ein Papierkrieg. Es wird Misstrauen erwecken, wenn die Eulen zu oft mit unzustellbar zurück kommen."
„Wir mieten etwas hier in der Nähe und leiten die Eulen nach Nummer Zwölf um. Das sollte nicht weiter auffallen."
„Hier in der Nähe ist die Londoner City, mein Bester" sagte ich. „Die Mieten dort übersteigen ein klein bisschen unsere Möglichkeiten."
„Hm" sagte er. „Hogsmeade, dann, und wir leiten nach Hogwarts um. Ja. Das ist doch eigentlich eine brillante Idee." Er grinste. „Die Hütte. Die gute, alte Hütte."
„Was für eine Hütte? Ach so. Die Hütte."
„Wenn ich mich recht erinnere, und wenn sich das über die Jahre nicht geändert hat, ist sie Schuleigentum. Dumbledore könnte sie also vermieten. Man müsste sie vielleicht ein bisschen herrichten, für den Fall, dass einer vom Ministerium mal vorbei kommt, aber das ist an einem Wochenende geschehen. Sehr gut."
„Und das Arbeitsverhältnis?"
Sirius zuckte die Achseln. „Ich nehme an, er wird nicht der einzige Werwolf ohne Job sein."
„Es würde aber einen guten Eindruck machen, wenn er einen hätte. Gibt es nicht irgendwelche Verbindungen, die wir noch anbohren können?"
„Wenn wir welche hätten, hätte er längst einen Job."
„Hm. Guter Punkt."
Ich trank meinen Apfelsaft, während draußen mal wieder der Regen gegen die Fenster schlug.
„Oder er geht nicht hin" sagte Sirius.
„Hm?" sagte ich gedankenverloren, ich dachte gerade darüber nach, ob es einem besonders perfiden Mitglied der Black-Familie zuzutrauen gewesen wäre, einen Regenwetter-Zauber über das Haus zu legen.
„Er lässt sich nicht registrieren" sagte Sirius. „Er taucht unter. Das ist nicht so schwer, und ich habe mittlerweile hinreichend Erfahrung auf dem Gebiet. Ich hab' ein paar Monate in Hogsmeade gelebt, um näher bei Harry zu sein. Es war kein Spaß, aber es war relativ ungefährlich."
„Du warst Snuffles" wandte ich ein. „Das ist eine Möglichkeit, die er nicht hat."
„Im Gegenteil" sagte Sirius strahlend, und ich sah, wie die Begeisterung über seine eigene Idee ihn davon trug. „Wir haben es geschafft, uns den Animagus-Zauber beizubringen. Selbst James, der in Arithmantik echt gestunken hat. Für ein Superhirn wie Remus wird es eine Leichtigkeit sein. Ein paar Monate, länger nicht, und dann hat er eine nicht registrierte, unbekannte Animagus-Gestalt! Er ist damit praktisch unauffindbar. Das ist genial" sagte er glücklich.
„Ich dachte, man braucht eine Art von Grundveranlagung, um ein Animagus zu sein" sagte ich. „Deshalb sind die so selten, dachte ich. Weil nicht jeder ein Animagus werden kann."
„Quatsch" sagte Sirius und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das ist Ministeriumspolitik. Die verbreiten das, weil sie nicht wollen, dass die halbe Zauberwelt bellend, miauend und quakend durch die Gegend läuft. Überleg doch mal. Wir waren zu dritt, als wir beschlossen, Animagi zu werden. Wenn diese Grundveranlagung wirklich nötig wäre, und wenn die wirklich so selten wäre, wie groß wäre dann die Chance gewesen, dass ausgerechnet wir drei drüber verfügen? Alle drei?"
„Hm" sagte ich.
„Ich glaube, dass jeder ein Animagus werden kann, der clever genug ist und hart genug dran arbeitet" sagte Sirius. „James, Peter und ich sind der beste Beweis. Wobei natürlich Talent nicht schadet."
„Hm" sagte ich wieder, schwer in Gedanken.
„Eröffnet ganz neue Möglichkeiten, was?" sagte er und grinste mich an.
„Na ja" sagte ich. „Wer hat nicht mal davon geträumt, ein Animagus zu sein? Und vor allem, seit ich erfahren habe, dass Werwölfe sich in Gesellschaft von Tieren leichter tun."
„Ich bring's dir bei" bot er sofort an. „Euch beiden. He! Das wird ein Spaß."
„Ich weiß nicht" sagte ich. „Was, wenn meine alten Mitschüler Recht behalten, und ich verwandle mich in ein Kamel?"
Sirius lachte gerade heraus. „Damit haben sie dich aufgezogen?"
„Und nicht zu knapp."
„Selbst wenn" sagte Sirius sehr erheitert. „Wir hatten einen Hippogreif hier in Nummer Zwölf. Wir kriegen auch ein Kamel unter. Und der Werwolf würde Augen machen."
„Kein Zweifel" sagte ich düster.
„Ich glaube es aber nicht" sagte Sirius. „Ich habe ein Gespür für so etwas, und bei dir denke ich eher an etwas Kleines. Ein Vogel vielleicht, oder etwas wie ein Eichhörnchen."
„Na, so lange kein Meerschweinchen dabei raus kommt" sagte ich.
Sirius lachte wieder. „Das wäre schlecht" sagte er. „Meerschweinchen passen ins Beutschema, zumindest von Füchsen, und ich gehe jede Wette ein, dass unser Moony ein Fuchs wird."
Ich sah zu ihm hinüber. Die Eckbank war leer. Ich sah gerade noch einen Zipfel der fadenscheinigen Robe durch die Tür verschwinden. Ich rief ihn und rannte ihm hinterher, doch er war schon auf der Treppe und beschleunigte seinen Schritt, als er mich hinter sich hörte, er nahm zwei Stufen auf einmal und verschwand nach oben um die Ecke. Aus der Eingangshalle hörte ich die reizende Mrs. Black ihr Lied anstimmen, und gleich darauf klappte die Haustür. Schweren Herzens kehrte ich in die Küche zurück.
„Lass ihn" sagte Sirius, dem das Lachen ebenfalls vergangen war. „Er beruhigt sich schon wieder."
„Ich hätte nicht gedacht, dass es so viele Probleme macht" sagte ich geknickt. „Nenn mich naiv, aber es klang alles so wohl geordnet. Er kriegt den Trank, und du hilfst ihm ein bisschen, und er wartet einfach, bis es vorbei ist."
„So ist es aber nicht" sagte Sirius seufzend. „Nicht für jemanden, der sich so viele Gedanken macht. Und er hat zu viel Zeit zum Nachdenken. Ich denke, alles wäre besser, wenn er einen Job hätte. Dass er nicht unterrichten darf, das ist es, was ihn wirklich fertig macht."
Ich seufzte und ließ mich auf die Eckbank plumpsen.
„Na komm" sagte Sirius. „Brüten hilft nichts. Lass uns eine Partie Schach spielen. Ich muss ein bisschen üben, Moony hat mich gestern in weniger als fünfzehn Zügen fertig gemacht."
Ich seufzte wieder, und ohne meine Zustimmung abzuwarten holte er das Schachbrett aus der Schublade unter dem Tisch und begann, die Figuren aufzustellen.
Wir kamen nicht wesentlich über die Eröffnung hinaus. Ich konnte nicht.
„Ich geh' mal nachsehen" sagte ich und stand auf. „Ich kann ihn doch nicht da draußen rumlaufen lassen, so allein."
„Okay" sagte Sirius und hob mit hilflosem Lächeln die Schultern. „Dann sieh zu, was du erreichen kannst."
Ich war schon auf der Straße, als ich bemerkte, dass es reichlich kühl war und ich keine Überrobe dabei hatte. In dünnen, kalten, durchdringenden Bindfäden kam der Regen aus dem tiefgrauen Himmel. Autos rauschten durch ölige Pfützen und hatten die Scheinwerfer eingeschaltet, obwohl es erst Nachmittag war. Ich zog meine Robe enger um meine Schultern und setzte mich in Trab. Ich hatte eine ungefähre Ahnung.
Die Glöckchen an der Ladentür klingelten heftig, als ich eintrat. Ich sah mich um. Die Luft war warm und duftete nach Kaffee, aber der kleine Laden war zu meiner Enttäuschung leer. Ich nahm meine Brille ab und wischte mit meinem feuchten Ärmel an ihr herum.
„Hallo" sagte die Frau hinter der Theke freundlich. „Scheußliches Wetter, nicht wahr?"
„Ja" sagte ich und setzte meine fleckige Brille wieder auf. „Allerdings. Deprimierend."
„Was darf es sein?" fragte sie.
„Eine Auskunft, bitte" sagte ich. „Ich suche… jemanden. Meinen… Freund. Schlank, Anfang vierzig. Hellbraune Haare, und er trägt eine Art Mantel, ziemlich geflickt. Braun. Ich dachte, er wäre vielleicht hier vorbei gekommen."
„Das ist er" sagte die Frau. „Er kommt gelegentlich rein und kauft Schokolade. Ein netter Mensch, wirklich. Ihr… Lebensgefährte?"
„Ja" sagte ich und hielt den neugierigen Blick tapfer aus. „Und er war gerade hier?"
„Vor ein paar Minuten" sagte sie. „Er wirkte ziemlich durcheinander. Hat versucht, mit einer ganz seltsamen Währung zu zahlen, ich hab' den Namen vergessen… Sinkel, oder so ähnlich?"
„Sickles" sagte ich, während mir heiß wurde. „Eine… äh, rumänische Währung. Wir waren kürzlich eine Weile dort."
„Aha" sagte die Frau und musterte mich erwartungsvoll.
„Und… Sie haben nicht zufällig gesehen, in welche Richtung er gegangen ist?" fragte ich.
„Rechts, die Straße runter" sagte sie. „Ich hab' noch gesehen, wie er auf die andere Straßenseite ist, er hat sich fast überfahren lassen. Er war wirklich reichlich durcheinander. Sie hatten doch keinen Streit?"
„Nein" sagte ich, schon auf dem Weg zur Tür. „Es ist beruflich. Ein Problem, aber wir kriegen das in den Griff. Vielen Dank, und auf Wiedersehen."
Ich riss die Tür auf, dass die Glöckchen wild bimmelten, und stürmte hinaus. Ich überquerte die Straße und sah mich um. Rechts ging es zu dem kleinen Park, in dem wir kürzlich mit Snuffles gewesen waren. Wohin es zur Linken ging, wusste ich nicht, ich war immer noch weit davon entfernt, mich in der Umgebung von Nummer Zwölf auszukennen, und für jemanden mit meinem Orientierungsvermögen sah eine Straße ohnehin aus wie die andere. Ich ging also rechts, an einer langen Linie schmutziger Häuserfronten entlang. Nass gewaschene, bunte Werbeblättchen klebten an den Briefkästen, und in den Hauseingängen hatten sich alte Zeitungen angesammelt. Es tropfte aus den Regenrinnen, und gelegentlich kam das flackernde Licht eines Fernsehers aus einem der Erdgeschossfenster. Ohne viel Hoffnung schaute ich in ein paar Hofeinfahrten und Querstraßen, fand aber nichts als nasse Mülltonnen und abgestellte Fahrräder. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Der kleine Park war eher eine Hoffnung als eine Wahrscheinlichkeit, und ich hatte ihn hauptsächlich als Ziel meiner Suche gewählt, weil ich keine anderen markanten Punkte in der Gegend kannte. Falls es ihm eingefallen war, die U-Bahn zu nehmen, konnte ich genauso gut wieder umkehren.
Ich schlang die Arme um mich und beschleunigte meinen Schritt. Meine Robe klebte mir unangenehm auf den Schultern, und meine Sicht war verschwommen durch den Wasserfilm, der sich auf meiner Brille gebildet hatte.
Und dann fand ich ihn, noch ehe ich den kleinen Park erreicht hatte. Er saß auf einer Bank an einer Bushaltestelle, in Kutscherhaltung, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, seine Hände hingen leblos herunter. Seine Haare waren dunkel und strähnig vom Regen. Neben sich hatte er ein Päckchen liegen, ich erkannte den Schriftzug des Süßwarenladens auf dem durchweichten Papier. Er schaute vor sich auf den Boden, wo Regen in eine Pfütze tropfte, und er sah mich nicht an, als ich mich neben ihn setzte. Ich sagte nichts, und er auch nicht. Ich sah dem Verkehr zu, wie er an uns vorbei rollte, und manchmal hinüber auf seine Hände, die immer noch hilflos herunter hingen. Ich beobachtete einen Mann, der eilig die Straße entlang kam und an der Bushaltestelle Aufstellung nahm, er hatte eine Aktentasche und nasse Hosenbeine, und der Regen perlte in dicken Tropfen an seinem Schirm ab, ich sah, wie er mehrfach auf die Uhr schaute. Dann kam der Bus in einer Wolke aus Diesel und Pfützenwasser, der Mann schüttelte seinen Schirm ab und stieg ein, während gleichzeitig eine Horde Schulkinder aus der hinteren Tür quoll und durch die Pfützen platschte. Der Busfahrer warf mir einen fragenden Blick zu, ich schüttelte den Kopf. Er zuckte die Achseln und schloss die Türen.
Dann war der Bus weg und die Schulkinder auf dem Heimweg, und wir saßen immer noch da. Ich fasste hinüber, nahm das Päckchen und entfernte das durchweichte Papier, es war Vollmilch-Nuss darin, mit ganzen Nüssen, ich wertete das als Zeichen seiner Verwirrung, ich hörte ihn noch sagen, er bräuchte keine Nüsse in seiner Schokolade, das Leben sei schon hart genug. Ich packte die Schokolade aus, er warf einen Blick darauf, als das Silberpapier knisterte, es war das erste Lebenszeichen, das er mir gab.
Wir teilten uns die Schokolade. Wir sprachen immer noch nicht, aber unsere Hände berührten sich über dem Silberpapier, seine Haut war feucht und eiskalt. Die letzte Nuss küssten wir uns eine Weile hin und her, bis unsere Zungen die letzte Erinnerung an Schokolade von ihr gelöscht hatten, es war eine perfekte Nuss, glatt und rund und mit einer zarten Kerbe, und wir spielten mit ihr, bis ich sie schließlich zerbiss, weil die Innenseite meines Mundes die einzige Stelle meines Körpers war, an der ich noch Wärme spürte, und dann standen wir auf und gingen eng umschlungen durch den Regen nach Hause.
