Hallo zusammen,

nicht viel zu sagen zu diesem Kapitel. Schrieb sich schnell und flüssig und ohne Stromausfälle und Computerabstürze.

Der übliche Disclaimer: immer noch nicht meins.

Soundtrack: Cyndi Lauper, True Colours (Album unbekannt). Später dann: Leonard Cohen, Dance me to the End of Love (Album unbekannt, aber vertreten auf der "More best of" von 1997)

Die erwähnten Vertreter aus Remus' Bibliothek sind im einzelnen:

William Shakespeare: Hamlet, Prince of Denmark

Alexandre Dumas: Die drei Musketiere

Abraxas Greenleaf: Mysteries of Wandless Magic (ist, glaube ich, für Muggel nicht erhältlich)

Lewis Carrol: Alice in Wonderland

Ursula K. LeGuyn: Earthsea

Stefan Zweig: Schachnovelle.

Momentchen: Severus und Emilia küssen sich? Ja. Aber nur einmal, unter nicht ganz geklärten Umständen (wann ist schon mal etwas völlig klar, was den Tränkemeister betrifft?) Und es war, bevor der Wolf sein Revier markiert hat. Näheres ist in „Großstadtmagie" nachzulesen.

Besonderen Gruß: an Slytherene, die mich mit ihren wunderbaren Emails wirklich geplättet hat, an „cdt", die immer so nett reviewt und bei der ich mich mangels Emailadresse gar nicht bedanken kann, und an alle anderen Erst- und Wiederholt-Reviewer, vielen Dank!

So. Eine Runde Baldrian für alle, und los geht's.

Nachtrag: Okay. Ganz ohne technisches Problem geht's offenbar nicht. Noch jemand Probleme mit am 4./5. November? Habe das kapitel noch mal neu hochgeladen (inhaltlich unverändert), war mir nicht sicher, ob das System es „angenommen" hat. Also, neuer Versuch.

oooOOOooo

SIEBTES KAPITEL, IN DEM EMILIA SICH IN EINER BIBLIOTHEK VERLÄUFT UND SEVERUS SNAPE EIN GEHEIMNIS FÜR SICH BEHÄLT

„Merlins Bart" sagte Poppy Pomfrey und schlug die Hände vor den Mund. „Und um wen soll ich mich nun zuerst kümmern?"

„Remus" sagten Sirius und ich wie aus einem Mund. „Mir geht's gut" fügte er hinzu, obwohl er eindeutig nicht danach aussah. „Ist nicht mein Blut."

Ich kniete neben Remus auf dem Küchenboden in Nummer Zwölf. Ich hatte ihn huckepack appariert, obwohl ich das doch eigentlich gar nicht konnte. Ich war fertig. Rund um mich bewegte sich schemenhaft der gesamte Orden, ich hörte aufgeregtes Stimmengewirr, machte mir aber nicht die Mühe, die einzelnen Stimmen zu sortieren oder ihnen zuzuhören. Poppy Pomfreys schmales, besorgtes Gesicht schwebte über mir, ich spürte, wie sie meine Nase betastete.

„Nichts gebrochen" sagte sie und wedelte mit ihrem Stab. „Hämatabsorbo." Das dicke Ding zwischen meinen Augen, das meine Nase gewesen war, schrumpfte auf Normalgröße. Mein Atem ging leichter.

„Danke" murmelte ich. Sie lächelte flüchtig und ging neben mir in die Knie, um Remus anzusehen.

„Wir haben keinen Vollmond, oder?" sagte sie, und das Lächeln war von ihrem Gesicht gewischt.

„Nein" sagte ich. „Noch zehn Tage oder so."

„Dann frage ich mich, was man mit ihm gemacht hat" murmelte sie und streckte die Hand nach ihm aus. Remus wimmerte und rollte sich noch fester zusammen, seine Augen irrten durch den Raum. Pomfrey zog die Hand wieder zurück.

„Schade um diesen klaren Intellekt" sagte eine kühle Stimme neben mir. „Da hat jemand ganze Arbeit geleistet." Der Zipfel einer bauschigen schwarzen Robe streifte meine Wange.

„Severus" sagte ich. „Oh, ich bin ja so froh, Sie zu sehen", und dann brach ich in Tränen aus.

Er produzierte aus dem Nichts ein blütenweißes Taschentuch und reichte es mir hinunter.

„Bringen wir ihn weg" sagte er. „Das Geschnatter und Getöse kostet ihn den letzten Verstand, falls er noch welchen übrig hat."

„Und wohin?" flüsterte ich.

„Sagen Sie's mir" sagte er und übergoss mich mit einem kühlenden Blick. „An einen Ort, den der Wolf als sicher betrachtet. Eine Art – Wolfsbau, falls dieses Haus so etwas bietet."

„Mach mir keine Vorschriften, ja?" hörte ich Sirius' unbeherrschte Stimme im Hintergrund. „Ich gehe wann ich will, wohin ich will! Niemand kann von mir verlangen, dass ich hier sitze und Däumchen drehe, wenn Moony mich braucht!"

„Das Wohnzimmer im ersten Stock" sagte ich und wischte mit dem Ärmel über meine frisch verheilte Nase. „Er benutzt es für seine Verwandlung."

„Wir apparieren" sagte Severus. „Ich nehme ihn."

Ich nickte und versuchte, mich zu konzentrieren.

„Dumbledore kann mich mal!" schrie Sirius. „Sicherheitsvorkehrungen! So eine Scheiße! Man sieht ja, was die taugen!"

Es war knapp. Mein Körper schmerzte, als hätte ich mich selbst durch den Mixer gedreht, als ich auf dem weichen Teppich im Wohnzimmer die Augen aufmachte. Ich warf einen Blick hinunter zu meinen Füßen. Sie waren noch dran.

„Oh, Merlin" murmelte ich und kam schwankend in die Höhe. „Ich hätte die Treppe nehmen sollen."

„Kommen Sie her" sagte Severus hinter mir. „Er lässt sich nicht anfassen. Ich hätte ihn gern auf dem Sofa."

„Nicht aufs Sofa" sagte ich. „Vor den Kamin." Ich nahm die Decke von der Sofalehne, faltete sie und breitete sie vor der Kaminumrandung aus. Es hafteten Hundehaare daran und Haare aus einem anderen, spröden Pelz. Der Kamin war kalt, wir hatten den Raum seit einigen Tagen nicht mehr benutzt. Ich überlegte kurz, ob ich ein Feuer anschüren sollte, aber ich war mir nicht sicher, ob Remus – der Wolf – wer immer er war, in diesem Zustand – was auch immer das für ein Zustand war – vielleicht Angst vor direktem Feuer hätte, und so begnügte ich mich damit, die Fliesen vor dem Kamin mit einem Energete anzuwärmen.

Wir brachten ihn rüber und legten ihn auf die Decke. Er machte uns keine Schwierigkeiten, sein Körper war wieder zusammen gerollt und völlig steif und ohnehin bestürzend leicht. Sein gelber Blick war starr, und er gab mit jedem Atemzug ein kleines Geräusch von sich, das irgendwo zwischen einem Wimmern und einem Knurren lag, es war die einzige Lebensäußerung, die wir von ihm bekamen. Ich starrte auf ihn hinunter, ich konnte mitverfolgen, wie ein unkontrollierbares Zittern von meinem Körper Besitz ergriff.

„Hören Sie mir zu" sagte Severus. „Ich brauche Sie jetzt, und zwar draußen vor der Tür. Halten Sie die anderen aus dem Zimmer, vor allem Black. Jede Störung wirkt sich nachteilig aus, verstanden?"

„Ja" flüsterte ich.

„Um dieser Bitte nachzukommen, wir es erforderlich sein, dass Sie aufstehen und sich zur Tür bewegen" sagte er.

„Okay" flüsterte ich und kam auf die Füße wie eine Marionette.

„Jetzt machen Sie schon" sagte er ungeduldig.

„Sie" sagte ich und schluckte. „Sie… ich meine… Sie helfen ihm, oder? Sie bringen ihn zurück? Es wird alles gut, oder?"

Er sah zu mir hinauf, er hatte sich bereits neben Remus auf die Decke gekniet. Sein dunkler Blick war weich, oder vielleicht war es auch nur die ungewohnte Perspektive.

„Seien Sie ganz beruhigt" sagte er. „Und jetzt raus."

Ich ging zur Tür. Ich machte sie auf, ging raus, und machte die Tür hinter mir zu. Ich stand und starrte in den dunklen Flur, bis ich Schritte auf der Treppe hörte, sie nahmen mehrere Stufen auf einmal.

„Wo ist er?" sagte Sirius, der oben an der Treppe erschien. Ich deutete mit einem zitternden Daumen auf die Tür hinter mir.

„Oh" sagte er. „Gut. Du hast ihn aus dem Lärm raus gebracht. Guter Gedanke. Aber warum stehst du vor der Tür?"

„Ich soll verhindern, dass jemand stört" sagte ich schwach.

„Stört?" sagte er stirnrunzelnd. „Wobei?"

„Ich weiß nicht" sagte ich. „Bei dem, was Severus mit ihm macht."

„Snape ist da drin? Mit ihm? Alleine? Bist du noch zu retten?"

„Er versucht, ihn zurück zu holen" sagte ich, und meine Augen gingen zur Treppe, in der Hoffnung auf Verstärkung. „Er ist ein Legilimens, Sirius. Wenn einer ihm helfen kann, dann er."

„Er ist ein schleimiges Arschloch!" schrie Sirius. „Er wird alles nur noch schlimmer machen! Er wird ihm den Rest geben und seinen Spaß dran haben!"

„Das ist nicht wahr" sagte ich erstickt. „Er hat gesagt, alles wird gut."

„Lass mich da rein" sagte Sirius und näherte sich, ich sah, wie seine Fäuste sich öffneten und schlossen. Sein schönes Gesicht war mir plötzlich fremd, es war etwas in seinen Augen, das mir Angst machte, ein scharfer, schriller Fanatismus.

„Nein" sagte ich, und dann, zum zweiten Mal an diesem Tag: „Hilfe."

„Lass mich durch diese Tür" sagte Sirius mit stählerner Stimme.

„Äh" sagte ich. „Nein? Hilfe? Irgend jemand?"

„Sirius" sagte McGonagall von der Treppe. „Zurück."

„Oh, Merlin" sagte ich und begann wieder zu atmen. „Danke. Zu freundlich. Vielen Dank."

„Er ist da drin" sagte Sirius und klang plötzlich wie ein hilfloses Kind. „Mit… ihm. Ich sollte da drin sein. Ich kann doch nicht hier auf dem Flur stehen und warten, bis dieser… dieser…"

„Doch" sagte McGonagall sehr bestimmt. „Genau das wirst du tun. Und du kannst, wie wir alle, von Glück reden, dass Severus mit seinen Fähigkeiten sofort zur Stelle war. Er ist der Fachmann für alles, was Mentalzauber betrifft. Du kannst Remus nicht helfen, indem du ihm die Hand hältst."

„Ich bring ihn um" sagte Sirius zitternd. „Wenn er ihm was tut, bring ich ihn um."

„Weiß mittlerweile jemand, was eigentlich passiert ist?" fragte ich.

„Nein" sagte McGonagall. „Kingsleys Eule war verschwunden, ist aber mittlerweile wohl behalten wieder aufgetaucht. Jemand hat Remus eine gefälschte Nachricht zugestellt, hat ihn vor Kingsleys Haus abgefangen und etwas mit seinem Geist versucht. Informationen zu extrahieren, am wahrscheinlichsten. Wer das gewesen sein soll, und was schief gegangen ist, kann uns hoffentlich Severus sagen, wenn er erfolgreich ist."

„Das heißt, er kramt da gerade in Moonys Geist herum" sagte Sirius und sah selbst aus wie ein Geist.

„Er kramt nicht" sagte ich. „Warst du mal dabei, wenn Madam Pince Inventur in der Bibliothek macht? So in etwa stelle ich mir das vor."

Sirius gab ein Stöhnen von sich und starrte auf die Tür.

„Wie wäre es, wenn wir alle wieder runter in die Küche gingen" sagte McGonagall.

„Okay" sagte ich , obwohl es mir widerstrebte, meinen Platz an der Tür zu verlassen. McGonagall wandte sich zur Treppe, und dann gingen wir doch nicht zurück in die Küche, denn die Tür ging auf und Severus erschien. Er lehnte sich gegen den Türrahmen und strich sich mit seinen Händen übers Gesicht, ich hätte nicht mehr als diese Hände sehen müssen, um zu wissen, dass etwas nicht stimmte.

„Was ist los" sagte McGonagall, die meine Beobachtung offenbar teilte.

„Es gibt ein Problem" sagte Severus und nahm die Hände vom Gesicht, seine übliche unterkühlte Maske hatte Risse. „Ich hatte gehofft, dass eine Art von… Vertrauensverhältnis… zwischen uns bestünde, aber er betrachtet mich als Bedrohung und verweigert mir den Zugriff."

„Ich versteh' kein Wort" sagte ich. „Aber es klingt nicht gut."

„Ich benötige Unterstützung von eine vertrauten Person" sagte Severus und sah mich an.

„Wozu?" sagte Sirius lauernd. „Ich dachte, ein toller Legilimens wie du blättert anderer Leute Gehirn einfach durch wie unsereins den Daily Prophet."

„Nicht, wenn ein Okklumenserum den vollständigen Zusammenbruch der geistigen Tätigkeit bewirkt hat" sagte Severus.

„Ein was?" sagte Sirius.

„Okklumenserum" wiederholte ich. „Ein Trank, der einen vor dem gedanklichen Zugriff eines Legilimens schützen kann. Aber wieso sollte er…? Warum sollten die ihm erst einen solchen Trank einflößen und dann einen Legilimens auf ihn los lassen? Das ergibt doch keinen Sinn."

„In der Tat" sagte Severus und schenkte mir einen Schatten seiner üblichen Arroganz. „So ergibt es keinen."

„Entschuldigung" sagte ich. „Lassen wir doch das Rätselraten, ja? Ich bin viel zu kaputt."

„Er hat das Okklumenserum natürlich von mir bekommen" sagte Severus.

„Was?" sagte ich verwirrt. „Aber wozu? Er hat gar nichts gesagt."

„Weil er es selbstverständlich nicht wusste" sagte Severus mit einer ungeduldigen Geste.

„Was?" sagte ich. „Wann?"

„Du Schwein" sagte Sirius tonlos.

„Denken Sie nach" sagte Severus zu mir.

„Die rote Phiole" sagte ich.

„Die grüne, genau genommen" sagte Severus. „Die rote enthielt ein Placebo."

„Aber" sagte ich. „Es hat doch gerochen und geschmeckt wie Wolfsbann!"

„Der Geschmack ist mit Auszügen von Ammoniak und verbrannten Stärkeverbindungen leicht nachzuahmen" sagte Severus.

„Du riesengroßer Mistkerl" sagte Sirius. „Du wusstest es! Es waren deine Todesser-Freunde, und du hast gewusst, dass sie ihn holen würden!"

„Severus?" sagte McGonagall. „Ist das wahr?"

„Korrekt" sagte Severus. Er stand sehr gerade in der Tür, seine Hände hatte er in den Ärmeln seiner Robe versteckt. Sein weißes Gesicht war ein maskenhaftes Vorbild an Selbstbeherrschung. Ich schloss zu ihm auf.

„Ich bin sicher, es gibt einen Grund" sagte ich und sah zu ihm hinauf. Seine Mundwinkel verzogen sich.

„Sie meinen, außerhalb der unbestrittenen Tatsache, dass ich ein sadistischer Perverser bin, der seine Freude daran hat, andere ins Verderben laufen zu lassen?" sagte er.

„Die Tatsache ist bestritten" sagte ich. „Von mir." Ich hatte mir allerdings einen schlechten Zeitpunkt ausgesucht für mein Postulat, denn plötzlich war Sirius neben mir.

„Ich wollte das schon immer mal tun" sagte er, holte aus und rammte Severus seine Faust ins Gesicht. Severus stürzte rückwärts, ich schrie, hinter mir hörte ich McGonagall rufen. Mir wäre das Blut in den Adern gefroren, wenn sie sich je in diesem Tonfall an mich gewandt hätte, aber Sirius ignorierte sie vollständig, er machte einen großen Schritt in das Wohnzimmer und beugte sich über Severus, der sich vom Boden aufrichtete und seine Nase betastete, aus der Blut strömte.

„O weh" sagte er, plötzliche Besorgnis in der Stimme. „Was hab ich nur getan? Ist sie gebrochen?"

„Ich glaube nicht" murmelte Severus benommen.

„Dann warte mal. Das lässt sich ändern" sagte Sirius und schlug erneut zu. Severus krümmte sich und schützte sein Gesicht, doch außer einem Keuchen kam kein Laut von ihm, oder doch, ich presste die Hand vor den Mund, um mein eigenes panisches Quieken zu ersticken. Er lachte, ein kleiner, verkrüppelter Laut von bestürzender Hässlichkeit.

„Mach nur weiter, Black" sagte er. „Zeig allen, was für ein primitiver, hirnloser Irrer du bist. Vielleicht bringen sie dich endlich zurück nach Azkaban."

„Sirius" sagte McGonagall hinter mir. „Ich zähle bis drei, bevor ich dich petrifiziere, wenn du dich nicht sofort entfernst. Eins…"

Sirius richtete sich auf und drehte sich zu uns um. Ich machte einen Schritt rückwärts. Sein Gesicht hatte nichts mehr, das ich kannte.

„Zwei" sagte McGonagall.

Sirius verpasste Severus einen letzten Tritt in die Rippen und stürmte hinaus.

„Merlins Güte" sagte McGonagall, atmete tief durch und steckte ihren Stab in den Ärmel zurück. Während sie sich über Severus beugte und ihm half, sich aufzusetzen, sah ich nach Remus. Ich war nicht sicher, ob er von dem Aufruhr überhaupt etwas mitbekommen hatte. Er lag zusammengerollte auf seiner Decke, Gesicht zum kalten Kamin, sein Blick ging ins Leere, und er wiegte sich leise. Ich kniete mich zu ihm und wischte mir Tränen ab, die sich unbemerkt in meinen Mundwinkeln eingefunden hatten und zitternd an meinem Kinn hingen. Ich streichelte sein welliges, honigfarbenes Haar, in dem die grauen Strähnen lagen wie ein Netz aus kalter Asche. Sein Atem geriet ins Stocken, ich sah, wie seine dünnen Hände sich auf der groben, dunklen Decke öffneten und schlossen. Ich legte meine Hand in seine, und er griff zu, reflexhaft, wie er es manchmal im Schlaf tat.

„Kannst du mich hören?" flüsterte ich. „Alles wird gut, hörst du? Alles wird gut."

Hinter mir im Zimmer hörte ich Schritte und Gemurmel, McGonagall hatte sich wohl Pomfrey zur Verstärkung geholt. Ich konzentrierte mich ganz darauf, die Anspannung aus Remus' Körper zu streicheln, ich sah nichts, was ich sonst tun konnte. Ich war maßlos erleichtert, als der einzige, dem ich noch zutraute, etwas zu tun, seine schwarzen Roben neben mir auf dem Boden ausbreitete.

„Sie haben ja Position bezogen, vorhin unter der Tür" sagte er, seine Stimme klang fast erstaunt. „Wie kommt es, dass Sie mich nicht für ein unmenschliches Monster halten, das es darauf abgesehen hat, Ihren Liebhaber zu vergiften?"

„Ich hab' nichts gegen Monster" sagte ich. „Monster ist sowieso ein sehr dehnbarer Begriff."

„Trotzdem bin ich überrascht" sagte er. „Und erfreut, soweit die Situation es zulässt."

Ich nahm den Blick von meinem reglosen Werwolf und sah in das fast ebenso reglose Gesicht des Tränkemeisters, und zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, wich er meinem Blick aus.

„Damit können Sie gar nicht umgehen, was?" sagte ich.

„Mangelnde Übung, nehme ich an" sagte er. „Solidarität bezüglich meiner Person ist etwas, das ich selten erfahre."

„Schade, eigentlich" sagte ich.

„Ich wünsche nicht, das Thema zu vertiefen" sagte er. „Im Gegenzug bin ich aber bereit, Ihnen ein paar Antworten zu liefern. So weit ich sie kenne, zumindest."

„Das wäre schön" sagte ich.

„Selbstverständlich nenne ich keine Namen" sagte er. „Und ich bitte Sie, zu beachten, dass mein Wissen einen unerfreulich hohen Anteil an Spekulation beinhaltet."

„Schießen Sie schon los" sagte ich.

„Der liebenswerte Mr. Black hatte mit seiner Annahme durchaus Recht. Ich wusste, dass man Remus Lupin holen würde. Es gibt da einen unter meinen Todesser-Freunden, der ein merkwürdiges Interesse an Lupin, seinen Gewohnheiten und seiner näheren Beziehung zu Dumbledore entwickelt hat. Ich durchschaute seine stümperhaften Versuche, sein Interesse zu maskieren. Er stellte mir ein paar Fragen bezüglich des Wolfsbann, und ich gab ihm keine verwertbare Antwort, und wenig später wurde mir zugetragen, dass er sich auch an anderer Stelle um Informationen bemühte."

„Dumbledore?" fragte ich irritiert.

„Sie hatten doch nicht erwartet, dass jemand ein Interesse an Lupin persönlich hat" sagte er und zog eine Augenbraue hoch. „Außer Ihnen, meine ich."

„Na ja" sagte ich. „Nachdem er es war, den man entführt hat… eigentlich schon, doch."

„Lupin ist ein Bauernopfer in einem Spiel, dessen Ausmaß und Bedeutung er bei weitem nicht kennt" sagte Severus.

„Ich weiß nicht, ob ihn das tröstet, wenn er aufwacht" sagte ich und sah zweifelnd auf meinen Werwolf hinunter.

„Ich bin nicht hier, um zu trösten" sagte Severus.

„Kennen Sie Ausmaß und Bedeutung dieses Spiels?" fragte ich ihn.

„Möglich" sagte er.

Ich seufzte. „Aber Sie werden es uns nicht mitteilen" vermutete ich.

„Ich werde Dumbledore in Kenntnis setzen, sobald er wieder greifbar ist."

„Das haben Sie bisher nicht getan?"

„Nein."

„Aber was sollte das Ganze? Was wollten die von ihm? Informationen? Und was hat der Wolfsbann damit zu tun?"

„Ich nehme an, sie haben versucht, ihn zu programmieren. Mittels eines Hypnox, am wahrscheinlichsten."

„Äh?"

„Benutzen Sie freundlicherweise Ihren eigenen Verstand. Ich bewege mich ebenso auf der Basis von Spekulationen wie Sie."

„Sie haben versucht, einen Befehl in seinem Unterbewusstsein einzupflanzen, der… was bewirkt? Dass er den Wolfsbann nicht nimmt, nach Hogwarts appariert und Dumbledore frisst?"

„Hätte ich gewusst, dass Sie sich auf der intellektuellen Basis von Grimm's Märchen bewegen, hätte ich Sie nicht aufgefordert, selbst zu denken" sagte er mit einer milden Version von gequälter Intelligenz. „Die körperliche Beschädigung Dumbledores ist überhaupt nicht zielführend und überdies schwer zu erreichen. Es geht um die Beschädigung seiner Integrität."

„Mh" sagte ich und machte runde Augen. Severus seufzte.

„Man pflanzt Lupins Unterbewusstsein den Befehl ein, zum nächsten Vollmond den Wolfsbann nicht zu nehmen, auszubrechen und in den Straßen von London ein paar Muggel anzufallen" sagte er. „Man macht die Sache öffentlich und diskreditiert Dumbledore, der nicht nur Umgang mit einer so erwiesenermaßen Dunklen Kreatur pflegt, sondern sie zu allem Überfluss auch noch zeitweise als Lehrer in Hogwarts beschäftigt hatte."

„Und man gibt ihm die silberne Kugel" sagte ich, während mir immer kälter wurde.

„Das ist der erfreuliche Zusatznutzen" sagte Severus.

„Was!"

„Aus deren Sicht. Man reduziert die Gefolgschaft Dumbledores um einen einflussreichen und gefährlichen Mann. Vielleicht hat man auch versucht, Informationen aus ihm zu extrahieren, aber das werden wir erst erfahren, wenn wir ihn wieder zurecht gerückt haben."

„Warum haben Sie nichts gesagt? Ihn nicht gewarnt?"

„Weil man nichts in seinem Gehirn finden kann, was er nicht weiß" sagte Severus.

„Ich dachte, das Okklumenserum sollte verhindern, dass man irgend etwas findet?"

„Ich war bei der Einnahme nicht anwesend" sagte er.

„Sie werden ihm doch wohl zutrauen, ein Fläschchen leer zu trinken, ohne Ihre Überwachung" sagte ich.

„Normalerweise schon" sagte er. „Unglücklicherweise verbringt er viel Zeit in der Gesellschaft eines nicht Zurechnungsfähigen, der erheblichen Einfluss auf ihn hat. Darüber hinaus befindet er sich in einem Zustand romantischer Irritation, der schwer vorhersehbare Folgen haben kann."

„Nun mal langsam" sagte ich.

Er sah mich an.

„Sind Ihre Fragen zur Genüge beantwortet?" fragte er.

„Was ist mit der Wolfsbann-Modifikation?" sagte ich. „Wir haben so viel Arbeit hinein gesteckt."

„Wir werden sie zum kommenden Vollmond testen" sagte er.

„Dann hatte er zum letzten Vollmond einen ganz normalen, nicht modifizierten?"

„Richtig" sagte er.

„Oh" sagte ich. „Aber er hat sich doch ganz anders gefühlt, dabei."

„Placebo" sagte Snape.

„Oder das, was Sie romantische Irritation nennen" sagte ich. „Na Mahlzeit."

„Noch irgendwelche Fragen?" sagte er.

„Nein" sagte ich. Hinter meiner Stirn ballten sich Kopfschmerzen. Ich fragte mich, ob ich hätte bemerken können, dass er uns alle hinters Licht führte. Wahrscheinlich nicht. Man schmuggelte niemanden in die Reihen der Voldemort-Anhänger, der ein schlechter Lügner war.

„Was sehen Sie mich so an?" sagte er.

„Nur so" sagte ich. „Entschuldigung."

Und dann tat der dunkle Tränkemeister etwas, das mich aus meiner erschöpften Lethargie riss: Er nahm seine Maske ab und ließ mich dahinter sehen.

„Es ist mir wichtig, dass Sie diesen einen Punkt verstanden haben" sagte er. „Meine Loyalität liegt beim Orden. Nicht bei einem oder mehreren einzelnen Mitgliedern. Ich bedaure, was Lupin widerfahren ist, aber ich musste es geschehen lassen. Ich bin kaum zu den wirklich wichtigen Personen in Voldemorts Reihen vorgedrungen. Man misstraut mir. Sie wissen das; Sie haben Aconita und ihre Gefolgschaft kennen gelernt. Der Orden kann aber nicht überleben und erfolgreich arbeiten ohne die Informationen, die ich von dort beschaffen kann. Merlin weiß, ich habe mich nicht um eine so zentrale Rolle bemüht, aber sie ist mir nun zugefallen, und ich kann unter keinen Umständen riskieren, meine Tarnung zu beschädigen. Ihm den Trank zu verabreichen war alles, was ich für ihn tun konnte. Und für den Orden. Haben Sie das verstanden?"

„Ja" sagte ich erstaunt.

„Gut" sagte er und war nicht mehr als ein dünner, hässlicher Mann, der seinen knochigen Körper unter ungezählten Lagen von schwarzen Stoffen verbarg, ich hatte es gewusst, aber ich wunderte mich immer wieder, wie wenig von ihm übrig blieb, wenn er seine Pose ablegte, und dann war es nicht wenig, sondern einfach völlig anders, als er lächelte, nicht herablassend, nicht inszeniert, nicht berechnend, einfach nur lächelte und sich an die Nase fasste und sagte:

„Ich hatte ganz vergessen, dass Misstrauen durchaus schmerzhaft sein kann."

„Tja" sagte ich und gab das Lächeln zurück. „Sieht aus, als hätte der Job als geheimnisvoller und faszinierender Bösewicht gelegentlich seine Schattenseiten."

Er sah mich an, auf mich hinunter, den ganzen langen Weg an seiner Nase entlang, denn ich krümmte mich, als ich hörte, was mein Mund da so von sich gab. Mir wurde heiß.

„Hab ich faszinierend gesagt?" murmelte ich.

„Ich denke schon" sagte er, und ich hörte an seiner Stimme, dass die Maske zurück war, ich konnte förmlich hören, wie seine rechte Augenbraue sich hob, der Habicht überlegte wohl noch, ob dieses Stück Beute in den Menüplan passte.

Sie passte nicht. Die kleine Wühlmaus Emilia durfte weiter krabbeln und sich umgehend in einem Haufen Scham und peinlicher Berührtheit vergraben, was sie tat, bis zur Nasenspitze.

„Und das im Angesicht Ihres – wenn auch weg getretenen – Liebhabers" sagte Severus samtig, mit nur einer winzigen Spur von Schleifpapier.

„Machen Sie's nicht noch schlimmer" murmelte ich dumpf.

„Nein" sagte er. „Für die Zukunft. Sie reduzieren besser Ihre unangebrachten und mangelhaft motivierten Zuneigungsbekundungen. Sie verabreichen mir sonst möglicherweise eine Überdosis."

„Okay" sagte ich geknickt.

„Haben Sie sich genügend erholt?"

„Wovon? Von meinem Geplapper oder von der Schlägerei in der U-Bahn?"

„Von allem, was Sie bei konzentrierter Arbeit stören könnte."

„Ich glaub' schon" sagte ich und sah auf meinen reglosen Werwolf hinunter, der mit halb geschlossenen Augen in den leeren Kamin schaute. Ich fühlte mich schlecht. Ich wollte eine Zigarette.

„Gut" sagte er. „Wir gehen folgendermaßen vor. Haben Sie schon mal mit einem Pensieve gearbeitet?"

„Nein" sagte ich.

„Bedauerlich" sagte er. „Ein Pensieve dient als Behältnis für Gedanken, die man mittels eines Zaubers aus dem Gedächtnis einer Person extrahiert. Der Vorgang ist einem Legilimens-Zauber sehr ähnlich. Einmal in einem Pensieve konserviert, ist es auch dritten Personen möglich diese Gedanken zu lesen."

„Okay" sagte ich. Ich wusste, was ein Pensieve war und was man damit machte, aber ich war endlos froh, dass er mir ein sachliches Thema anbot, ich hätte seinen Ausführungen egal worüber gelauscht.

„Um es vereinfacht darzustellen, ich werde die Rolle des Pensieve übernehmen" sagte er. „Ich stelle die Verbindung her und werde Sie in seine Gedanken einschleusen. Ich werde keinen Einfluss darauf haben, was Sie dort erwartet. Sie haben ja einige meiner Gedanken gelesen. Stellen Sie es sich ähnlich vor, nur mit dem Unterschied, dass Sie in diesem Fall nicht lediglich Empfänger sind, sondern bewusst die Auswahl der Gedanken steuern müssen. Ich bin sicher, er hat eine Menge interessanter Dinge in seinem Kopf, wenn sie auch recht durcheinander sind, aber es geht darum, seinem Bewusstsein die Rückkehr zu signalisieren."

„Und wie soll das gehen?" sagte ich verunsichert.

„Ich sagte soeben, ich wüsste nicht, was Sie dort erwartet" sagte er. „Daher kann ich Ihnen auch keine Anleitung geben. Sie kennen ihn. Sie werden mit den Bildern schon etwas anfangen können."

„Und… wird er Sie nicht spüren?" sagte ich. „Er hat Sie beim ersten Mal nicht rein gelassen, wenn ich das richtig verstehe."

„Bedauerlicherweise" sagte er. „Der direkte Zugriff wäre wesentlich effizienter. Und nein, er wird mich nicht spüren, wenn Sie nur selbstbewusst genug auftreten."

„Aha" sagte ich und fragte mich, wie ich das anstellen sollte, ich war schließlich nicht sehr geübt darin, mich in anderer Leute Gedanken zu bewegen.

„Noch Fragen?" sagte er. Ich schüttelte den Kopf. Er rückte sich auf dem Boden zurecht, schob seine Roben um sich zusammen und hob seinen Stab, und wie jedes Mal sprang mir das helle, zart gemusterte Holz in die Augen, es war mir so vertraut, als hätte ich mein eigenes Gesicht auf den Schultern eines anderen gesehen.

„Sehen Sie mich an" sagte er, und ich nahm den Blick von seinem Stab, bis seine dunklen Augen mich einfingen.

Legilimens" flüsterte er, ich spürte, wie die Spitze seines Stabes mich an der Schläfe berührte und dann tiefer wanderte, über meine Wange bis hinunter zu meinem Kinn, eine feurige Spur hinterlassend, ich war nicht sicher, ob es Bestandteil des Zaubers war, und dann fühlte ich mich von den Füßen gerissen, obwohl ich gleichzeitig die warmen Dielen unter mir spürte, ich stürzte nach vorne, und die Schwärze seiner Augen verschlang mich.

Ich stand – stand? Ich hatte ein seltsames, nebelhaftes Gefühl von meinem Körper, obwohl er vorhanden war, als ich an mir herunter sah, zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass ich Muggelkleidung trug, Jeans und Turnschuhe mit Grasflecken. Ich stand oder befand mich in oder auf etwas wie einer nebligen Ebene. Ich konnte den Boden nicht sehen, meine Sicht war verschwommen, der Nebel wirbelte um mich, ich versuchte, Formen zu erkennen, aber um mich herum war nichts als ein ständiges Zerfließen und Aufwallen und Zerstreuen. Ich fragte mich, ob etwas schief gegangen war. Dann spürte ich eine Kraft, die mich vorwärts drückte, und ein kurzes Aufleuchten von Gewissheit, dass alles so war, wie es sein sollte. Ich machte einen probeweisen Schritt mit meinen Nebelfüßen. Der Boden, was immer da unter mir war, schien sich unter mir weg zu ziehen, ich bewegte mich oder glitt, es war mehr als merkwürdig. Dann tauchte etwas vor mir aus dem Nebel auf, ein hoher, kantiger Umriss. Ich bemühte mich, etwas zu erkennen, und der Nebel wich und gab mir den Blick auf eine Tür frei. Ich nahm mir einen Augenblick, um mich zu wundern, schließlich traf ich nicht täglich auf eine Tür, die im Nichts stand und ins Nichts zu führen schien, ohne ordentliche Wände drum herum. Es war eine schlichte Tür aus dunklem, rötlichem Holz, mit einem Knauf aus Bronze oder Messing, der matt schimmerte. Ich sah am Türrahmen vorbei auf die andere Seite der Tür. Nichts als Nebel. Ich machte einen Schritt zurück und schaute unschlüssig in das, was ich für die Richtung hielt, aus der ich gekommen war. Ich hatte erwartet, Zeuge einer konkreten Erinnerung zu werden, wie ich es mit Severus erlebt hatte. Dieses nebelhafte Szenario verwirrte mich.

Dann hörte ich ein leises Knurren und fuhr herum. Zwischen mir und der Tür war eine vierbeinige Gestalt erschienen, die ich zuerst für Snuffles hielt, doch sie war schmaler, schlanker, das Fell weniger buschig, und seine Augen sandten ein gelbes Leuchten zu mir. Ich schluckte.

Sein Fell war dunkler, als ich es in Erinnerung hatte, und seine Umrisse waren seltsam verschwommen, ich fasste mir auf die Nase, aber meine Brille war, wo sie hin gehörte. Ich zwinkerte. Das Bild blieb unscharf. Er schien wie aus Schatten oder dichtem schwarzem Nebel zusammen gefügt, und seine mörderischen Zähne blitzten, als er die Lefzen hoch zog und die lange rosa Zunge aus dem Maul schob.

Ich hatte meine Muggel-Literatur über Wölfe gelesen und verinnerlicht. Ich fand es etwas schwierig, mein theoretisches Wissen auf einer nebligen Ebene gegenüber einem schattenhaften Wolf anzuwenden, ich konnte nur hoffen, dass wir uns in der wölfischen Begrüßungszeremonie befanden, für die ich die Geste hielt, und nicht in einer etwaigen Vorbereitung für ein Abendessen, in dem ich den Hauptgang darstellte. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Ich blieb stehen wie angewurzelt.

„He" sagte ich. „Also… ähm. Ich bin's."

Der schattenhafte Wolf legte den Kopf schief und betrachtete mich. Meine Handflächen wurden feucht. Ich wischte sie an meiner Jeans ab und fragte mich, ob er wohl bei all dem Nebel riechen konnte, dass ich ein wenig beunruhigt war. Vielleicht etwas aus der Fassung gebracht. Eine Riesenangst hatte, zum Teufel.

Der Schattenwolf kam näher, und ich hielt den Atem an. Seine Bewegungen hatten nichts von Snuffles' gespanntem Eifer, sie waren fließend und voller Grazie und von selbstverständlicher Souveränität, er war ein Alpha, kein Zweifel. Sein Atem war warm, als er über meine Hand strich, und ich kniff die Augen zusammen und verabschiedete mich schon mal vorsichtshalber von meiner Hand, doch ich schien nicht auf der Karte zu stehen. Ich spürte, wie er mich eng umkreiste, seine Flanken strichen um meine Beine, seine Nase durchforschte die Falten meiner Jeans, dann löste er sich von mir, und ich atmete tief und japsend und öffnete die Augen. Er stand einen Schritt von mir entfernt, er drehte mir quasi den Rücken zu und sah mich über die Schulter an, sein buschiger Schwanz pendelte entspannt. Ich sah über ihn hinweg zur Tür.

„Ich glaube, wir sollten da durch gehen" sagte ich noch etwas atemlos. „Oder ich. Oder wie auch immer. Keine Ahnung. Ich bin kein Experte. Aber etwas wird sein mit dieser Tür, nicht wahr? Und das macht man mit Türen. Man geht durch."

Der Schattenwolf sah mich aus seinen Bernsteinaugen an.

„Wollen wir das mal versuchen?" fragte ich. Er setzte sich auf seine Hinterläufe und sah mich weiter an.

„Du bist keine große Hilfe, weißt du" sagte ich. Ich ging zur Tür, ich schob mich unter größter Vorsicht an ihm vorbei, aber er schien mich nicht aufhalten zu wollen. Ich berührte den Messingknauf, er war warm und glatt in meiner Hand. Ich drehte den Knauf und öffnete die Tür. Goldenes Licht strömte durch den Spalt. Ich nahm mir einen Augenblick, um mich zu wundern, schließlich war auf der Rückseite der Tür nichts als Nebel gewesen. Ich hätte mir gerne den Spaß erlaubt, um die halb geöffnete Tür herum zu gehen und das Phänomen zu untersuchen, aber dann spürte ich, wie der Wolf von hinten gegen meine Beine drängte, ich öffnete die Tür und trat über die Schwelle.

Das erste, was ich sah, waren Bücher. Kleine schmale Bändchen und dicke Folianten mit Goldschnitt, Ledereinbände, bunte, eselsohrige Paperback-Ausgaben, verschlungene, geprägte Goldschrift und dicke schwarze Zeitungsbuchstaben. Sie standen aneinandergelehnt in hohen Regalen, die sich über die Wände eines kleinen, bienenwabenförmigen, fensterlosen Raumes zogen, lagen aufgeschlagen auf einem kleinen Arbeitstisch in der Mitte des Raumes, stapelten sich auf dem Boden, manche schienen auch aus den Regalen abgestürzt zu sein, sie hatten den Sturz unterschiedlich gut überstanden, ich sah offene Seiten und verknickte Einbände und manche lagen auf dem Gesicht, wie Remus es hasste. Es waren hunderte.

„Puh" sagte ich und sah mich um, doch mein pelziger Gefährte war verschwunden. Hinter mir stand eine Tür offen, und ich sah einen schmalen Treppenabsatz hinauf in einen weiteren Raum führen. Ich machte einen Schritt in den Raum hinein. Eine weitere Tür auf der gegenüber liegenden Seite stand ebenfalls offen und zeigte mir den Beginn einer weiteren Treppe.

Ich sah mich um und zupfte an meinen Haaren. Sollte es meine Aufgabe sein, hier Ordnung hinein zu bringen? Dann war ich wohl eine ganze Weile beschäftigt.

Ich durchquerte den Raum, ging durch die Tür auf der anderen Seite und die Treppe hinauf und fand mich in einem weiteren bienenwabenförmigen Raum, angefüllt mit Büchern bis unter die Decke. Eine weitere Tür führte hier hinaus, und zu meiner Linken wendelte sich eine enge, steile Treppe zu einem Durchgang in der Decke. Ich verdrehte den Hals und spähte hinauf, ich konnte den Fuß eines Bücherregals neben dem Treppenabsatz erkennen.

Oh, Merlin. Das konnte eine sehr, sehr lange Weile werden.

Ich hob ein Buch vom Boden auf und schlug es auf. Das grelle Licht, das aus seinen Seiten brach, überraschte mich vollständig und blendete mich. Ich kniff die Augen zusammen und klammerte mich an das Buch, und dann ließ das Leuchten hinter meinen Augenlidern nach und ich blinzelte vorsichtig.

Gute Frage" sagt Remus. „Jemand eine Idee?"

Er trägt eine ganz offensichtlich aus zweiter oder dritter Hand erworbene Lehrerrobe und diese alten Cordhosen, die ihn schon ein halbes Leben lang begleiten müssen. Er sitzt auf dem erhöhten Lehrerpult, lässt die Beine baumeln und schaut die Klasse an, die ihn anschaut. Seine Haare sind kürzer, er ist rasiert, und mein Herz macht einen Hopser, weil er so gut und so fröhlich aussieht, so beschwingt, als wäre er getragen von einer inneren Melodie.

Seamus hat völlig recht, wisst ihr" sagt Remus. „Wir können lernen, Feuerbälle zu werfen und Blitzschläge, und das wird auch helfen gegen Wichtlinge und Zombies oder Millipeden oder was auch immer man uns auf den Hals hetzt. Aber es wird natürlich das Problem nicht lösen. Ein Dunkler Zauberer, der einen Wichtling beschwört, kann einen neuen beschwören, wenn wir seinen ersten gegrillt haben. Und einen weiteren, den wir dann wieder grillen, und es bleibt dem Glück überlassen, ob ihm zuerst die Wichtlinge ausgehen oder uns die Feuerbälle. Und Glück ist zwar schön, wenn man es hat, aber man sollte sich lieber nicht drauf verlassen. Also, was ist die Lösung?"

Wir grillen den Dunklen Zauberer?" schlägt ein Ron aus der zweiten Reihe vor, der offenbar noch vor seinem großen Wachstumsschub steht.

Puh" sagt Remus, grinst und wedelt mit der Hand vor dem Gesicht. „Nicht die Lösung, die ich im Auge hatte, aber bleiben wir dabei. Was muss denn gegeben sein, damit wir den Dunklen Zauberer grillen können?"

Wir müssen in der Lage sein, eventuelle Schutzzauber zu durchbrechen" sagt Hermione wie aus der Pistole geschossen. „Wir müssen Sichtkontakt haben. Wir müssen aufpassen, dass der Wichtling uns nicht lähmt, während wir uns mit dem Dunklen Zauberer beschäftigen."

Richtig, richtig und richtig" sagt Remus, rutscht vom Pult und beginnt, den Mittelgang auf und ab zu gehen. „Könnte schwierig werden, nicht wahr?"

Die Klasse schweigt. Füße scharren, Hermione blättert durch ihre Ausgabe des Bestiary of Darkness.

Wenn wir mächtig genug sind, können wir es mit dem Dunklen Zauberer direkt aufnehmen" sagt Remus. „Aber gesetzt den Fall, wir sind ein bisschen unausgeschlafen, haben schlecht gefrühstückt, unsere Hausmannschaft hat den Pokal verloren oder wir sind aus sonstigen Gründen ein bisschen schlecht drauf, empfiehlt sich eine andere Lösung, und die kann man nicht aus Büchern lernen."

Hermione klappt ihr Buch zu.

Kreativität" sagt Remus.

Wir versuchen's ja" versichert ein etwas gequälter Harry, dessen Stimme noch nicht in den Stimmbruch abgerutscht ist. „Aber es ist ziemlich schwierig, auf Befehl kreativ zu sein."

Das ist die Lösung" sagt Remus und lacht. „Kreativität ist die Lösung. Wir könnten zum Beispiel an unseren alten DADA-Lehrer zurück denken, der uns beigebracht hat, dass Wichtlinge die unglücklichen, verkrüppelten Seelen versklavter Elfen sind, und ich meine die Naturgeister, nicht die freundlichen Wesen in der Küche. Elfen haben einen nahezu unzerstörbaren Sinn für Schönheit, für Musik und Harmonie und Dichtung und all diese Dinge. Warum also nicht versuchen, sie mit einem Musicantus versöhnlich zu stimmen? Oder, falls man musikalisch ist wie ein Stock, warum nicht Shakespeare bemühen?

To be, or not to be – that is the question –

Whether it is nobler in the mind to suffer

The slings and arrows of outrageous fortune,

Or to take arms against a sea of troubles,

And by opposing end them? – To die – to sleep –

No more, and by a sleep to say we end

The heartache and the thousand natural shocks und so weiter und so weiter."

Er dreht sich auf dem Absatz und marschiert nach vorne zum Lehrerpult, seine etwas zu große und viel zu weite Robe bauscht sich um seine Beine.

Ja?" sagt er zu Hermione, die den Zeigefinger in die Luft gestreckt hat.

Professor" sagt sie und zeigt auf das leere Pergament, das vor ihr auf dem Pult liegt. „Was sollen wir denn aufschreiben?"

Nichts" sagt Remus lächelnd.

Nichts?" wiederholt Hermione entsetzt.

Keine Sorge" sagt Remus und lächelt immer noch. „Es gibt später noch einen schönen Hefteintrag. Im Augenblick befinden wir uns immer noch in den Grundlagen des Faches. Seamus? Ich hoffe, deine Frage ist beantwortet?"

Öh" sagt Seamus zögernd. „Ja…"

Ich weiß" sagt Remus. „Shakespeare kam unerwartet. Aber die Dunkle Kunst kommt meist unerwartet, und das zweite Zauberwort neben Kreativität ist Flexibilität."

Ich starrte hinunter auf das Buch in meinen Händen. Es war Hamlet. Ich blinzelte und sah mich um, unschlüssig. Ich hatte nicht wirklich das Gefühl, die Situation vollständig zu erfassen, und ich wusste immer noch nicht, was ich tun sollte. Ich hob ein paar Bücher vom Boden auf und stellte sie ins Regal, um zu sehen, wie es sich anfühlte, und ob sich etwas dadurch veränderte. Es fühlte sich an, wie wenn man Bücher ins Regal stellt. Indifferent. Es zu tun, war weder richtig noch falsch. Ich seufzte. Ich wünschte mir wirklich eine etwas konkretere Handlungsanweisung.

Ich zog ein beliebiges Buch aus dem Regal und schlug es auf.

Ich bin D'Artagnan" sagt Sirius. Er steht direkt vor mir, er ist vielleicht zwölf und das schönste Kind, das ich je gesehen habe. Seine blauen Augen strahlen, und dickes schwarzes Haar quillt unter einem riesigen Schlapphut hervor, den eine flauschige weiße Feder schmückt.

Keine Chance" sagt einer von hinten und nimmt ihm den Hut vom Kopf. „Ich bin D'Artagnan." Es muss James Potter sein, die Ähnlichkeit zu seinem Sohn ist verblüffend. Er setzt sich den Hut auf und streckt Sirius die Zunge raus.

Auf keinen Fall" sagt Sirius und versucht, wieder an den Hut zu kommen. „D'Artagnan mit Brille! Wer hat denn davon je gehört."

Dir Brille lass' ich weg, wenn's sein muss" sagt James, der einen Kopf größer als sein Freund ist, und hält den Hut über seinen Kopf.

Ich bin D'Artagnan!" schreit Sirius halb lachend, halb ärgerlich, und springt nach dem Hut. „Es ist meine Rolle! Sie passt viel besser zu mir als zu dir!"

Was hast du gegen Athos?" fragt James und dreht sich im Kreis.

Was hast du gegen ihn, wenn er so toll ist?"

Habt ihr's bald?" fragt eine Stimme von einem Bett nahebei. „Es gibt hier Leute, die Hausaufgaben machen wollen."

Remus!" sagt Sirius etwas außer Atem, lässt James den Hut und wirft sich neben einen dünnen, blassen Remus aufs Bett, der ein dickes Buch auf dem Schoß hat. „Du musst es entscheiden. Du hast das überhaupt aufgebracht mit den Musketieren. Entscheide du, wer D'Artagnan ist!"

Okay" sagt Remus ungerührt. „Ich bin D'Artagnan."

Sirius und James sehen sich an und brechen in Gelächter aus.

Nicht dein Ernst" sagt James.

Nein" sagt Remus. „Aber schönen Dank auch."

Du bist der andere" sagt Sirius. „Der schöne Priester, der immer die klugen Sachen sagt."

Aramis" sagt Remus.

Genau" sagt Sirius und streckt sich auf dem Bett aus.

Hast du's überhaupt mittlerweile gelesen?" fragt Remus.

Nö" sagt Sirius und gähnt.

Woher weißt du dann, dass D'Artagnan die beste Rolle ist?"

Aber er ist der Held."

Hm" sagt Remus und fährt sich mit dem Zeigefinger über den Nasenrücken. „Lass mal sehen. Da ist also der junge D'Artagnan, der aus einer adeligen, aber völlig verarmten Familie stammt. Er hat nie eine Schule von innen gesehen, und er weiß nicht mal, wie man Fechtmeister buchstabiert. Ich glaube, bei seinem ersten Auftritt trägt er Holzschuhe und reitet auf einem Ackergaul."

Was?" sagt Sirius irritiert.

Er trifft dann auf Athos, der so etwas wie eine Legende unter den Musketieren ist. Er ist gebildet, ein hochrangiger Offizier, ein Frauenschwarm, er hat den Ruf, mit dem Degen unbesiegbar zu sein, und er hat wohl auch ein gutes Gespür, denn er merkt sofort, dass man aus dem ungehobelten Jungen vom Lande etwas machen kann."

Okay" sagt Sirius. „Okay. Ich bin Athos."

Vergiss es" sagt James mit Nachdruck. „Ich bin Athos."

„Vielen Dank" sagte ich laut und stellte „Die drei Musketiere" ins Regal zurück. „Das hat mir jetzt wirklich geholfen."

Ich sah mich um. Vielleicht wechselte ich einfach mal den Raum. Vielleicht ließ sich ja ein Überblick gewinnen, wie viele Räume es gab. Ich entschied mich für die Treppe, stieg sie hinauf und fand mich in einem weiteren bienenwabenförmigen Raum, auch dieser angefüllt mit Büchern und getaucht in das goldene Licht, das von irgendwo auf mich hinunter strömte. Ich stieg über einige Bücher, die auf dem Boden lagen, und ging zur Tür auf der anderen Seite. Sie führte auf einen kleinen Treppenabsatz. Links und rechts ging es in weitere Räume, und geradeaus gelangte ich über einige Stufen, diesmal abwärts, in einen neuen Raum. Und aus ihm in einen weiteren, den drei Türen verließen, und durch die linke auf eine Art Galerie, die sich unter der Decke eines weiteren Raumes entlang zog, dann die Treppe hinunter in einen weiteren Raum, überall Licht, überall Bücher, gelegentlich ein kleiner Arbeitstisch. Dann wieder Stufen hinunter in einen schmalen Flur, und von dort aus in eine neue Bienenwabe. Ich stolperte über ein Buch, und weil es mir schon zwischen die Füße geraten war, hob ich es auf und warf einen Blick hinein.

Es ist Nummer Zwölf, das kleine Wohnzimmer im ersten Stock. Remus sitzt am Tisch vor dem Fenster, die Beine lang von sich gestreckt, die Arme vor der Brust verschränkt. Vor sich auf dem Tisch liegt ein geschlossenes Buch, das er fixiert, als wollte er den Text durch den dunklen Buchdeckel hindurch entziffern. Eine steile Falte steht über seiner Nase. Es ist still. Draußen rüttelt ein Windstoß an den Fensterläden, und an der Wand neben der Tür tickt leise die Uhr. Ich frage mich, warum ich hier bin. Remus legt den Kopf ein wenig schräg, seine Augenlider flattern, und dann erschrecke ich mich heftig, als das Buch plötzlich in Bewegung gerät, der Deckel fliegt auf und die Seiten blättern sich in hektischem Wirbel ganz von selbst um, und dann erfährt es einen Stoß aus dem Nichts, schliddert über die Tischkante und schlägt mit dumpfem Klatschen auf dem Boden auf.

Ja!" stößt Remus unterdrückt hervor, springt auf, ballt eine Faust, er strahlt übers ganze Gesicht, „Ja!" sagt er, dreht sich um sich selbst, setzt sich, springt wieder auf, „Endlich!" sagt er, bückt sich nach dem Buch und staubt es mit dem Ärmel ab, „Endlich, endlich, endlich" sagt er und küsst den dunklen Buchdeckel.

Ich klappte das Buch zu und starrte auf den Titel: Mysteries of Wandless Magic. Ich staunte, aber nicht zu lange, denn eine plötzliche Unruhe und Ungeduld veranlasste mich, das Buch ins Regal zu stellen und weiter zu gehen.

„Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll" sagte ich in den leeren Raum hinein, während ich zur nächsten Wendeltreppe steuerte, die mich ein Stockwerk tiefer brachte. „Ich meine, es ist offenbar eine Bibliothek. Was soll man anderes machen als lesen? Aufräumen? Ich bitte Sie. Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen sollte, in diesem Chaos." Die Unruhe in meinem Inneren drängte mich vorwärts, und ich gehorchte. Ich durchquerte den nächsten Raum, betrat einen schmalen Flur, der auf eine neue Galerie führte, von der eine Treppe nach oben und eine nach unten abzweigte. Ich ging wieder nach unten und durchquerte eine weitere Vielzahl von Räumen mit unterschiedlicher Anzahl von Türen, Treppen und Galerien.

„Das macht wenig Sinn, so" sagte ich. „Finden Sie nicht? Ich könnte hier für immer herum irren. Es ist ein Labyrinth, ganz offensichtlich."

Ich blieb stehen und ließ mir meine Worte auf der Zunge zergehen. Ich versuchte, mich an den Weg zu erinnern, den ich gekommen war.

Erst dir Treppe, dann der Flur, dann die linke Tür, oder die rechte, und hatte ich dann die Treppe nach oben oder die nach unten genommen?

Ich schluckte.

„Holen Sie mich hier raus" flüsterte ich. Nichts geschah.

„Holen Sie mich raus, oder ich flute Sie mit Erinnerungen" sagte ich und griff wahllos nach einem Buch. Ich sah nach dem Titel. Alice in Wonderland.

„Wie passend" sagte ich und schlug es auf.

Und wieder ist es Sirius, der mir begegnet. Ich komme neben Remus in einen Raum, ein Wohnzimmer. Es ist warm, ein Feuer flackert und knackt im Kamin. Remus, vielleicht Ende Zwanzig, sein honigfarbenes Haar fließt über den Kragen seiner Robe, trägt vorsichtig zwei blau gepunktete Teetassen vor sich, unter den Arm hat er eine bunte Kinderbuchausgabe von „Alice". Er geht über einen dicken karierten Teppich hinüber zum Fenster, durch das die tiefe Wintersonne blinzelt. Sirius sitzt dort in einem Schaukelstuhl, den er mit den Zehenspitzen sachte in Bewegung hält. Er dreht sein Gesicht Remus entgegen und lächelt. Auf seinem Bauch liegt zusammengerollt ein Baby, es schläft, den Daumen im Mund. Flaumiges schwarzes Haar bedeckt sein kleines Köpfchen. Sirius legt den Finger an die Lippen. Remus lächelt und nickt und reicht Sirius eine der Tassen.

Ich will auch so was" flüstert Sirius und streichelt mit dem Daumen das winzige Öhrchen. Der Blick, den er auf das Baby legt, ist von hingerissener Verliebtheit.

Einen Welpen?" sagt Remus leise und lächelt ebenfalls.

Ja" sagt Sirius. „Einen eigenen. Das ist ja so was Wunderbares."

Wer hätte das gedacht" sagt Remus ein wenig wehmütig.

Ich schätze, wir werden erwachsen" sagt Sirius und nimmt einen Schluck von seinem Tee.

Ich schloss sachte das Buch. Ich hatte ein ganz egoistisches, kindisches und schlechtes Gefühl. Ich wollte mich nicht dabei erwischen lassen, eifersüchtig zu sein auf jemanden, den Remus schon fast sein ganzes Leben lang kannte, auf die Fülle von Erinnerungen, die sie teilten. Er hatte einen Vorsprung, den ich nie einholen würde. Ich seufzte. Es war mir völlig bewusst, dass sich in meiner Stichprobe keine Erinnerung befunden hatte, die mich beinhaltete. Ich nahm das nächste Buch und schlug es auf. Ich wollte plötzlich eine Erinnerung von mir, vielleicht als Beweis, dass ich existierte.

Ich existiere nicht. Wir sind in der U-Bahn. Remus sitzt am Fenster, er sieht aus, wie ich ihn kenne, die ausgeleierten Cordhosen, der abgetragene Mantel, dicke silberne Strähnen im honigfarbenen Haar. Er hat ein Buch auf dem Schoß, aber er liest nicht, er sieht aus dem Fenster und lächelt, offenbar völlig in Gedanken. Ich folge seinem Blick durch die schmutzigen Fensterscheiben hinaus in die heulende Schwärze des Tunnels. Dann erkenne ich, dass er nicht hinaus sieht, sondern die Reflektion einer Frau betrachtet, die auf der anderen Seite des Ganges sitzt. Auch sie hat ein Buch auf dem Schoß, sie ist schmal und zierlich in ihrer dicken Wolljacke, und ein langer, blonder Zopf fällt ihr über die Schulter. Plötzlich sieht sie auf und zu ihm hinüber, sie lächelt ebenfalls, ihre Blicke streifen sich in der Reflexion, und er wendet den Blick ab und klammert sich an sein Buch, während seine Wangen sich röten. Er fingert an seinen Haaren und klemmt sie hinter die Ohren, und nach etwas, das aussieht wie ein Anlauf, sieht er zu ihr hinüber, und sie, die schon darauf gewartet hat, fängt seinen Blick auf und hält ihn für einen Augenblick fest, bevor sie wegschaut und, seine Geste spiegelnd, ebenfalls beginnt, an ihren Haaren zu spielen.

Dann legt die U-Bahn sich in eine Kurve und fährt rüttelnd und lärmend in eine Station ein. Er steht auf, klemmt sich das Buch unter den Arm und bewegt sich zum Ausgang. Als er an ihr vorbei kommt, bleibt er stehen.

Sind Sie morgen wieder hier?" fragt er, während die Türen sich rumpelnd öffnen.

Ja" sagt sie, die sitzen geblieben ist, und schaut zu ihm hinauf.

Fein" sagt er, und sein wunderbares Lächeln geht über sein Gesicht. „Vielleicht bin ich ja morgen mutig genug, Sie anzusprechen."

Er steigt aus und geht davon, ein wenig eilig, das Buch im Arm, ein Muggel unter vielen.

„Danke" sagte ich erstickt. „Vielen Dank. Besten Dank, wirklich. Zu freundlich. Bin ich blond, oder was? Verschwende deinen Charme doch, an wen du willst."

Ich warf einen Blick auf den Titel. Earthsea. Kannte ich nicht, gab mir nichts, tröstete mich nicht. Ich bekämpfte einen Schwall unklarer Verzweiflung. Ich hatte das sehr bestimmte Gefühl, mir einen ungünstigen Zeitpunkt für mein Selbstmitleid ausgesucht zu haben, aber ich konnte es nicht bremsen. Ich stopfte das Buch zurück ins Regal. Ich wollte ihn zurück haben, meinen Wolf, ich wollte seine Zunge an meinem Hals spüren, ich wollte spüren, wie er mich gegen eine Wand schob und seine Pfoten auf mich legte, ich wollte Zimt und Tee und Schokolade in seinem Fell riechen, ich wollte lachen und mich winden, wenn er mich seitlich an den Rippen kitzelte. Ich wollte ihn spüren. Es war so lange her. Ich nahm ein neues Buch aus dem Regal.

Ein Großraumbüro, in seltsames grünes Licht getaucht, das aus den Computermonitoren strömt. Eine freie Stelle auf dem dunklen Teppichboden, wo jemand die Möbel zur Seite geschoben hat. Ein transparentes, grünlich schimmerndes Schutzfeld, in dessen Innerem sich zwei Personen befinden und ein silbrig schimmernder, unwirklicher Baum aus Licht, dessen Zweige sich in einem Wind wiegen, den ich nicht spüre.

Moment mal.

Ich sehe mich um. Remus ist nirgends in dieser Erinnerung. Mir wird heiß. Ich weiß, was kommt.

Sie rücken eng zusammen, die dünne, schwarze Gestalt und die kleine in den Jeans und dem schmutzigen Sweatshirt, enger als es die Platzverhältnisse erfordern würden. Ihre Hände sind zwischen ihnen miteinander verschränkt. Ein Zittern geht durch den Baum, und wie verzauberte Daunen fallen einige der silbrigen Blätter zu Boden. Ihre Lippen bewegen sich, und dann zieht er sie näher und ein greller Blitz fährt den Baumstamm hinauf. Ein Wirbel entsteht innerhalb des Schutzfeldes, ein lautloser Sturm, der an den Zweigen des Lichtbaumes reißt und ihn Stück für Stück verschlingt, während er seine Wange an ihre legt, seine Augen sind geschlossen, seine Lippen bewegen sich lautlos, und sie klammert sich an seine Schultern, als stünde sie vor dem Ertrinken, und dann legt er seine Hände um ihr Gesicht und küsst sie, und der Lichtbaum geht in Flammen auf.

Ich habe nicht gewusst, dass es so lange gedauert hat, oder vielleicht kommt es mir auch nur so vor. Ich habe einige Mühe darauf verwendet, diese Erinnerung – meine Erinnerung – und seine, das ist es, was mich so ängstigt – aus meinem Gedächtnis zu verbannen, aber ich weiß selbst, dass ich sie höchstens in eines der hinteren Regale geschoben habe. Einen Obliviate an sich selbst hat noch keiner geschafft.

Sie küssen sich, und küssen sich, und ich sehe in sein Gesicht, etwas, das ich beim ersten Mal nicht tun konnte, ich war viel zu beschäftigt, mich verschlingen und an Ort und Stelle auslöschen zu lassen von diesem Gefühl, und sein Gesicht ist Schauplatz eines seltsamen Kampfes, ich nehme an, er stellt gerade fest, dass man keine Maske aufbehalten kann, wenn man küsst.

Dann ist der Baum verbrannt, und Severus im Bannkreis macht einen Schritt rückwärts, lässt Emilia los und sieht sie an, der Blick schmerzt auch beim zweiten Mal.

Ich sehe mich um, ich weiß immer noch nicht, was das für eine Erinnerung sein soll, Remus kann sich nicht erinnern, er war zu dieser Zeit draußen in der Halle, verstrickt in die erste Konfrontation mit unseren ungebetenen Besuchern, und ich habe ihm nie ein Wort davon erzählt.

Und Severus? Hat er vielleicht…? Kann man eine so konkrete Erinnerung produzieren, indem man etwas erzählt?

Hat er es ihn vielleicht sehen lassen? Irgendwann in den letzten Wochen?

Oder gerade jetzt?

Merlins Güte.

Hören Sie auf damit" stoße ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor, obwohl es ja längst zu spät ist. „Was soll das? Das ist nicht fair!"

Etwas wie ein dunkles Grollen oder Knurren drang zu mir, und binnen eines Wimpernschlages wechselte das Bild.

Ich hab' Ihnen was mitgebracht" sagt er und kramt ein schmales Bändchen aus der fadenscheinigen Jackentasche. Ich sitze ihm gegenüber, und gleichzeitig stehe ich neben mir und schaue mir über die Schulter. Es ist halb dunkel und ziemlich laut um uns. Auf unserem Tisch brennt eine Kerze, und Weingläser stehen zwischen uns. Entspannter Jazz tröpfelt auf uns hinunter.

Ich halte den Atem an, während die Emilia am Tisch das Bändchen entgegen nimmt und es aufschlägt.

Die Schachnovelle" sagt sie erstaunt und erfreut, und ich erinnere mich an das Gefühl, es ist ein atemloses „Oh, er hat, er hat, heißt das etwa, bedeutet das, atmen, Emilia, atmen…"

Falls Sie Sehnsucht nach Ihrer Muttersprache bekommen" sagt er und lächelt ein wenig unsicher. „Ich habe es nur einmal gelesen, um mein Deutsch ein bisschen zu polieren. Ich habe aber keine Eselsohren hinein gemacht. Nur einen kleinen Teefleck auf Seite zwölf."

Sie sprechen deutsch?" fragt Emilia am Tisch, und die Erinnerung ist so frisch, dass ich lautlos mitspreche, als er antwortet.

Eine klein wenig" sagt er auf deutsch und lächelt. „Aber wie Sie können hören, meine Akzent ist wirklich böse."

Dann komm' ich lieber zu Ihnen, wenn ich Sehnsucht habe" sagt Emilia am Tisch. „Nach meiner Muttersprache, meine ich" fügt sie rasch hinzu, zu rasch, ich spüre ein zweites Mal, wie ich rot werde, ich sehe mich verlegen lachen, und dann sehe ich, wie er meine Hände nimmt.

Bitte tun Sie das zu jeder Zeit" sagt er auf deutsch.

Etwas berührte mein Gesicht, federleicht und feucht. Ich öffnete die Augen und fand mich auf dem Boden des Bienenwabenraumes, meine Hände um ein schmales Büchlein geklammert. Vor mir, Auge in Auge, saß der Schattenwolf.

Falls er meine Angst riechen konnte, musste sie ihn spätestens jetzt betäuben. Da war er mit seinem Killergebiss direkt vor meiner Nase, und wahrscheinlich mit einer frischen Erinnerung in seinem Wolfsschädel, die ihm zeigte, wie ich einen anderen küsste. Ich war sicher, menschliche Logik funktionierte nicht bei ihm. Er würde kein Verständnis dafür haben, dass es ja vorher gewesen war, wenn auch nur ein paar Tage, und er daher nicht das Recht hatte, mich zu fressen, solche Logik funktionierte ja kaum bei Menschen. Ich kniff die Augen zusammen und machte mich bereit für das Unvermeidliche. Ich hielt den Atem an, bis es nicht mehr ging. Nichts passierte.

Ich atmete keuchend aus. Er war so nah, dass ich seinen warmen Atem auf meiner Wange spüren konnte. Sein Geruch war wild und dunkel.

„Friss mich" murmelte ich dumpf. „Na los. Mach schon. Friss mich."

Ich öffnete die Augen. Der Wolf saß vor mir und sah mich an, sein Blick war rätselhaft.

„Nein?" sagte ich.

Der Wolf sah mich an.

„Okay" sagte ich. „Das ist, ähm, das ist nett von dir. Ich, weißt du, vielleicht hätte ich dir davon erzählen sollen, aber ich wusste nicht, wie ich das anstellen sollte, und es war ja auch nur ein einziges Mal. Martin, weißt du, das war was anderes. Von dem hab ich dir erzählt, das waren fast fünf Jahre und das war ja auch eine richtige Beziehung, aber du hast gesagt, du interessierst dich nicht sonderlich für die Männer, die ich vor dir hatte, und deshalb hab ich's gelassen, es war ja auch, es war ja auch nichts, oder fast nichts, oder etwas ganz merkwürdiges jedenfalls, und ich hätte gar nicht gewusst, was ich dir sagen sollte, und vielleicht hätte es alles nur noch schwieriger gemacht, und, du meine Güte, jetzt sind wir hier, an diesem seltsamen Ort, oder vielleicht sind wir es auch nicht, aber vielleicht sollten wir erst mal weg von hier…" Ich schnappte nach Luft. Ich hatte den Eindruck, sinnloses Geplapper von mir zu geben.

„Ich rede Unsinn, oder?" flüsterte ich. Der Wolf sah mich an.

„Ich liebe dich" flüsterte ich. „Das tu ich wirklich. Ich will dich zurück haben. Ich will weg von hier. Mit dir. Ich bin ja hier, um dich zu holen, aber ich glaube, ich habe dich noch nicht gefunden, und ich glaube, ich brauche ein bisschen Hilfe."

Der Wolf sah mich an, dann erhob er sich gemächlich, wandte sich ab und ging mit seinen fließenden Bewegungen hinüber zur nächsten Tür. Auf der Schwelle setzte er sich auf seine Hinterläufe und sah mich über die Schulter an.

„Okay" murmelte ich und kam umständlich auf die Füße. Ich behielt die Schachnovelle in der Hand, mein Beweisstück, von dem ich mich nicht trennen wollte, und tappte hinüber zu ihm, der sich gemächlich erhob und hinaus auf den schmalen Flur schritt. Er führte mich eine Treppe hinunter, durch einen Bienenwabenraum in einen weiteren, ein paar steinerne Stufen hinauf, durch einen niedrigen, gemauerten Türbogen auf eine Galerie, vorbei an Stapeln von Büchern, die auf dem Boden lagen, ich musste wieder an Madam Pince und ihre Inventur denken. Er bewegte sich lautlos vor mir, und ich schnaufte und scharrte und raschelte hinter ihm her, ich hatte mich noch nie klopsiger gefühlt als in diesem Augenblick, und manchmal warf er mir über die Schulter einen gelben Blick zu, den ich mit einem schiefen Lächeln beantwortete.

Und dann schienen wir am Ziel. Es war die erste Tür in dieser Bibliothek, die ich geschlossen vorfand. Beschläge und Türknauf waren aus etwas, das altes, angelaufenes Silber sein konnte, und sie war mit einem schweren Schloss aus dem gleichen Metall gesichert. Man hatte ein Schild auf ihr angebracht:

Restricted Section stand darauf in sich ablösenden Buchstaben zu lesen.

Der Wolf hielt Abstand, setzte sich auf seine Hinterläufe und sah mich an.

„Da hinein?" fragte ich ihn und umklammerte nervös meine Schachnovelle.

Der Wolf sah mich an.

„Okay" sagte ich. „Dann… also… geh ich da mal rein. Ja?"

Der Wolf sah mich an.

„Meine Güte" sagte ich. „Du könntest dir von Padfoot ein bisschen Zeichensprache beibringen lassen, das würde die Sache erleichtern."

Der Wolf zog die Lefzen hoch und zeigte sein Gebiss.

„Oder auch nicht" sagte ich rasch. „Nichts für ungut. War nur eine Idee. Kommst du mit… da hinein?"

Der Wolf sah mich an.

„Wie auch immer" sagte ich. „Ich werfe nur mal einen Blick auf die andere Seite."

Ich nahm den Knauf und drehte, um zu sehen, ob die Tür abgeschlossen war. Es klickte und schnappte vernehmlich, als das Schloss sich von selbst öffnete, dann schwang die Tür auf.

Ich stand inmitten einer Menschenmenge, die sich um einen großen, mit grellem Licht gefluteten Käfig scharte. Es waren Menschen jeden Alters, auch Kinder, es waren Muggel und Zauberer, manche Gesichter, die mir bekannt vorkamen, die meisten völlig fremd, und sie flüsterten und deuteten mit dem Finger, sie schoben sich aneinander vorbei und drängelten sachte und verrenkten sich die Hälse, um einen besseren Blick auf den Käfig zu bekommen. Die in der vordersten Reihe hatten ihre Hände um die silbernen Gitterstäbe gelegt und starrten ins Innere, erstaunt, fasziniert, abgestoßen, verängstigt, befremdet, verächtlich. Dann stand ich selbst plötzlich in der vordersten Reihe und sah in den Käfig.

Auf dem blanken Boden in der Mitte, möglichst weit von den silbernen Gitterstäben entfernt, saß ein Junge, klein und schmächtig, vielleicht sechs oder sieben Jahre alt. Er hatte die Knie zur Brust gezogen und die Arme darum geschlungen, seine Hose war schmutzig und am Saum ausgefranst, seine Hände und die nackten Füße waren blass und dünn und ragten schutzlos aus seiner Kleidung. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, er hatte es gegen seine Knie gepresst, sein honigfarbenes Haar fiel stumpf und wirr über seine Hände.

Ich ging zu der vergitterten Tür des Käfigs und öffnete sie. Ich ging hinein, setzte mich neben den kleinen Jungen auf den Boden und nahm ihn in den Arm. Sein Körper war hart vor Verspannung, ich spürte, wie er zitterte. Ich wiegte ihn sachte und strich über seinen Kopf, und er legte sein zerkratztes Gesicht an meine Schulter, seine langen dunklen Wimpern lagen wie Schatten auf seinen blassen Wangen. Ich streichelte ihn, bis das Zittern verging.

„Komm" sagte ich und nahm seine kleine, dünne Hand. „Gehen wir nach Hause."

Ein Wirbel aus Farben verschlang mich. Ich stürzte vorwärts, ich klammerte mich mit aller Kraft an die Hand, die noch in meiner lag, während ich in eine Art wirbelnden Sog hinein gezogen wurde. Spiralförmig bewegte ich mich ungefähr auf den Erdmittelpunkt zu. Der Farbenwirbel blendete mich, und ich kniff die Augen zu, bis die Helligkeit nachließ, es wurde wohltuend dämmerig, dann dunkel, dann stockdunkel, dann pechschwarz. Die Spiralbewegung ließ nach. Mir war schwindelig und leicht übel, als hätte ich mich zu lange auf einem Bürostuhl gedreht, aber ich hatte das Gefühl, dass mein Körper zur Ruhe gekommen war. Ich analysierte die Lage. Es war immer noch eine Hand in meiner, an der ich mich fest hielt. Ich spürte meinen Körper wieder, ich fühlte eine harte Unterlage unter meinen Knien, allerdings war um mich immer noch alles pechschwarz, und ich atmete gegen einen Widerstand. Es war mir warm um Mund und Nase, dort wo mein Atem ausströmte, ich spürte einen leichten Geruch nach Alchimikalien, vermischt mit einer winzigen Spur Seife und noch etwas anderem, das ich schwer zuordnen konnte, es war herb und bitter und gleichzeitig süß wie…

Wie Orangenschale.

Ich nahm mein Gesicht aus Severus' pechschwarzer Robe und blinzelte.

„Ach du liebe Zeit" flüsterte ich.

„Besitzen Sie bitte die Güte, mir nicht die Hand zu brechen" sagte er und bewegte seine Finger in meiner Hand. „Es würde mich maßgeblich bei der Arbeit behindern."

Ich ließ seine Hand los und richtete mich auf. Neben mir hustete jemand und stöhnte dumpf.

„Remus" murmelte ich und ließ mich zur Seite rutschen, was mich direkt neben ihn brachte. Er war auf die Ellenbogen gekommen und hustete, dass sein Körper sich krümmte.

„Was ist passiert" murmelte er.

„Du bist wieder da" sagte ich, und die grenzenlose Erleichterung wässerte meine Augen. „Wie fühlst du dich? Ist alles in Ordnung?"

„Schrecklich" murmelte er. „Nichts ist in Ordnung."

„Ich meine, in deinem Kopf" versuchte ich zu erklären. Er sah mich an, blinzelnd zwischen wirren Haarsträhnen. „Ist in deinem Kopf alles in Ordnung?"

„Was ist das denn für eine Frage" sagte er und wirkte ein wenig wacher. „Ich weiß nur nicht genau, was passiert ist. Ich habe einen Blackout. Wenn ich's nicht besser wüsste, würde ich sagen, es ist der Morgen nach Vollmond. Genau so fühlt sich's an."

Ich strich ihm die Haare aus dem Gesicht und sah ihm in die Augen. Sie waren gerötet und verschwollen, aber von perfektem Schokoladenbraun. Er ließ sich zurück sinken auf die Decke und schob eine Hand unter seine Wange.

„Irgend etwas ist schief gelaufen" murmelte er. „Ich bin auf einer Straße… da war etwas… mit Emma und Rose. Ist etwas mit den Kindern?" fragte er, plötzlich beunruhigt.

„Nein" sagte ich. „Gar nichts. Alles völlig in Ordnung. Was war dann?"

„Ich weiß nicht" murmelte er und rieb sich den Nasenrücken. „Es ist wie… ein Traum, an den man sich nicht richtig erinnert. Ein paar Leute, aber ich weiß nicht, was sie von mir wollen. Ich will weg laufen, aber ich kann nicht, und dann hexen sie mich, und… ich weiß nicht. Es hat keinen Sinn."

„Lass es gut sein" sagte ich. „Es kommt zurück. Bestimmt. Severus kann dir helfen, ich habe gehört, Legilimens können verschüttete Erinnerungen frei legen – stimmt doch, oder?" fügte ich hinzu.

Severus sah mich an, er hatte seine Robe sauber um sich gefaltet und bürstete mit der Hand die Stelle an seiner Brust ab, wo mein Kopf gelegen hatte, es war eine Bewegung, als hätte ich Schmutz oder Staub hinterlassen. Sein dunkler Blick war leer, ich sah, wie er sich um einen Fokus bemühte.

„Richtig" sagte er mit routinierter Kälte. „Und zwingend erforderlich, in diesem Fall. Information ist alles."

„Später" murmelte Remus. „Ich kann nicht… muss schlafen, eine Stunde." Seine Augenlider flatterten.

„Sollen wir dich ins Bett bringen?" fragte ich.

„Nein" murmelte er. „Gut so. Nicht bewegen."

Ich krabbelte vom Boden in die Höhe und tappte steif zum Sofa hinüber, wo sauber zusammengefaltet eine karierte Decke lag. Ich nahm sie und breitete sie über Remus.

„Schlaf gut" flüsterte ich, doch er antwortete schon nicht mehr.

Severus hatte sich inzwischen ebenfalls erhoben und schüttelte imaginären Staub aus den Falten seiner Robe.

„Warum haben Sie das gemacht?" sagte ich leise.

„Präziser, bitte" sagte er und examinierte die Rückseite seiner Robe.

„Ihm die Erinnerung gezeigt" sagte ich. „Von dem Baum. Sie wissen schon."

„Habe ich das?" sagte er, ließ endlich die Robe in Frieden und bedachte mich mit einem Eiswürfelblick.

„Na, wer denn sonst" sagte ich.

„Es sind Bilder, die in Ihrem Gehirn genauso gespeichert sind wie in meinem" sagte er. „Was veranlasst Sie also, davon auszugehen, dass ich diese Bilder frei gesetzt hätte?"

„Ähm" sagte ich. „Sie sind der Legilimens."

„Ich habe lediglich die Brücke geschlagen" sagte er, „und aufrecht gehalten, nebenbei bemerkt, wahrscheinlich länger als irgend jemand vor mir. Auf die Gestaltung der Umgebung nahm ich keinen Einfluss."

„Dann…" sagte ich, „dann wollen Sie mir damit sagen, Sie hätten es nicht getan? Ihm die Erinnerung gezeigt?"

„Will ich das?" sagte er und zog eine Augenbraue hoch.

„Zum Wahnsinn wollen Sie mich treiben, ganz offensichtlich" fauchte ich.

„Entschuldigen Sie mich" sagte er und bewegte sich zur Tür. „Weder bin ich in der Stimmung, mich von Ihnen in diesem Ton behandeln zu lassen, noch denke ich, dass es dem ungestörten Schlaf Ihres Liebhabers dienlich ist. Ich werde Minerva aufsuchen und Bericht erstatten."

Ich lief hinter ihm her, als er durch die Tür verschwand. Ich warf einen letzten Blick auf meinen Wolf, der sich vor dem Kamin zusammen gerollte hatte, dann beeilte ich mich, Severus einzuholen. Ich erreichte ihn auf der Treppe.

„Sie werden mir schon noch ein bisschen was zu dem Thema sagen" sagte ich zu seinem Rücken.

„Werde ich das?" sagte er und drehte sich nicht mal zu mir um. Seine Roben glitten über die Stufen wie die eines Geistes. Ich widerstand der Versuchung, ihn zu schubsen.

„Ja" sagte ich. „Ich finde schon, dass Sie das tun sollten."

„Er hat eine Erinnerung gesehen" sagte Severus. „Welchen Unterschied macht es, von wem sie geschickt wurde? Falls er sie überhaupt erinnert, und das ist noch dahin gestellt."

„Es macht einen Unterschied" sagte ich. „Für mich macht es einen."

„Sie wollen die Antwort nur von mir, weil Sie zu feige sind, sie bei sich selbst zu suchen" sagte er, schwenkte wie ein Schatten um die Ecke bei dem Troll-Schirmständer und verschwand auf den Steinstufen zur Küche.

Ich blieb stehen.

„Ich hasse Sie" sagte ich aus tiefster Seele, und dann trat ich mit aller Kraft gegen den Schirmständer.