Ihr Lieben,
es gibt einen Grund dafür, dass Emilia Tränke unterrichtet und nicht Vorhersehung. Ich kann kochen, aber ich kann nicht, und gelte es mein Leben, von zwölf Uhr bis zum Mittagsläuten vorher sehen, geschweige denn die endgültige Länge eines Textes. Deshalb ist dies schon wieder das vorletzte Kapitel, und ihr dürft gerne über mich lachen. Mal sehen, wie viele vorletzte noch kommen werden. (Merlin! Das KÖNNEN doch gar nicht mehr so viele werden?)
In diesem Kapitel geht einiges zu Bruch und eine Mülltonne in Flammen auf, und ein paar Leute bekommen, was sie verdienen. Habt Spaß. Ich hatte welchen.
Soundtrack: Etwas von den Weird Sisters, wenn Ihr es bekommen könnt. Alternativ taugt Midnight Oil, Beds are Burning, und zur Mülltonnen-Szene passt Cyndi Lauper, Girls just want to have Fun, wie Tonks für mich eigentlich immer von Cyndi begleitet ist :o)
Falls gegen Ende der Einsdruck entsteht, ich hätte bisschen viel Slytherene gelesen: kann sein.
Disclaimer: siehe Kapitel eins.
ZWÖLFTES KAPITEL: DER MÖRDER UND DAS MONSTER
„Emilia" sagte Tonks. „Setz dich."
„Ich kann nicht" sagte ich hilflos. „Ich bin viel zu nervös."
„Du kostest uns alle den letzten Nerv" sagte sie in ihrer liebenswürdigen Deutlichkeit. „Hör mit dem Rumgerenne auf, die Zeit vergeht dadurch nicht schneller."
Ich seufzte und lehnte mich gegen die Spüle. Ich musste der Versuchung widerstehen, an meinem Verband herum zu fingern: Ich hatte ständigen Juckreiz, seit meine Schusswunde heilte.
„Kaugummi?" sagte Tonks, die heute langes, schweres, lavendelfarbenes Haar trug, und hielt mir ein rosa Päckchen unter die Nase. Ich nahm einen und steckte ihn mir in den Mund. Erdbeer. Ich seufzte.
„Nimm's nicht persönlich, Emilia" sagte Moody, der am Küchentisch saß und sein magisches Auge polierte, „aber ich bin mir nicht sicher, ob es klug ist, dich mit zu nehmen. Erstens, du bist noch verletzt. Zweitens, du bist ein Nervenbündel, wenn es zu einer Stresssituation kommt."
„Sagt wer?" warf Severus ein, unüberhörbar genervt. „Der mit dem Verfolgungswahn und dem Holzbein?"
„Ich kann mit Krisen umgehen, Holzbein hin oder her, mein Junge" sagte Moody ungerührt. „Ich hab' schon Verbrecher zur Strecke gebracht, als du noch Spinat gegen die Wand gespuckt hast."
Ich legte die Hand vor den Mund. Tonks prustete ungeniert. Severus stieß in einem langen, lautlosen Seufzen die Luft aus und umgab sich mit dem Gestus eines ultimativ gequälten Mannes.
„Ich wiederhole gerne den Kern meiner Aussage, damit auch die älteren Herrschaften am Tisch mir folgen können" sagte er. „Der Kern meiner Aussage ist, dass ich es für unangebracht halte, eine Diskussion aufzuwärmen, die zur Genüge, ich möchte fast sagen, zur Erschöpfung, geführt wurde. Emilia wird mitkommen, es sei denn, jemand findet neue Gründe, die dagegen sprechen."
„Ich falle tot um, bevor ich hier bleibe" sagte ich finster und blies eine Kaugummiblase. Sie platzte und blieb an meinen Brillengläsern kleben.
„Sie kann sich nicht mal verteidigen" warf Moody ein.
„Ich diskutiere nicht mehr" sagte Severus, wandte sich mit bauschigen Roben zum Fenster und starrte hinaus in den dunklen Hinterhof.
„Echt nicht?" sagte Tonks zu mir, während ich meine Brille abnahm und mit dem Fingernagel in der rosa Masse kratze, die mir die Sicht verklebte. „Nicht mal einen Fulminantus? Einen Electrificus? Colaphus?"
„Nein" sagte ich. „Nichts dergleichen."
„Hm" sagte sie.
„Meine Mutter sagt immer, mein Mundwerk sei schärfer als ein Satz Küchenmesser" bot ich an.
„Das rettet dich nicht, im Zweifelsfall" sagte sie. „Komm mal mit. Wir haben ja noch ein bisschen Zeit."
„Wohin denn?" fragte ich und suchte nach meinem Stab, um die Reinigungsprozedur meiner Brille abzukürzen.
„Raus auf den Hof" sagte Tonks und kletterte über Moody von der Eckbank.
„He!" sagte Moody. „Vorsicht..."
Klonk.
„Oh" sagte Tonks. „'Schuldigung."
„Macht nichts" knurrte Moody und bückte sich unter den Tisch. „Ich schau mir ja gerne die Wollmäuse unter der Bank an. Mit meinem frisch polierten Auge."
„Ich hol's" bot Tonks an.
„Nein!" sagte Moody wild. „Finger weg von meinem Auge!"
Während Moody unter der Bank herum fischte, fand ich meinen Stab und säuberte meine Brille. Dann folgte ich Tonks hinaus in den dunklen Hof.
„Okay" sagte sie, hob ihren kurzen, hellen Stab und zeigte auf eine der Mülltonnen. „Der Spruch lautet Missile magicum. Er produziert einen blauen Energieblitz, manchmal, wenn ich richtig sauer bin, auch mehrere. Die Geste geht so." Sie zeigte mir etwas, das aussah, als wollte sie unsichtbare Spaghetti aufrollen. Ich machte es nach. Es fühlte sich nicht besonders an.
„Angriffszauber sind eine Sache für sich" erklärte Tonks. „Du musst die arkanen Bahnen nicht nur um dich zusammen ziehen, du musst sie auch mit Schwung von dir weg stoßen. Es fühlt sich ungefähr wie ein Protego an, nur genau umgekehrt."
„Aha" sagte ich. „Ungefähr genauso, nur umgekehrt."
„Ja" sagte sie und lächelte entwaffnend. „Versuch's mal."
„Missile magicum" sagte ich und rollte in Richtung der Mülltonnen Spaghetti auf. Nichts passierte.
„Mehr Wut" sagte sie. „Missile magicum!"Ihr Stab schoss wirbelnd nach vorne, und aus seiner Spitze löste sich ein dicker, blauer Energiepfeil, der in die Mülltonne einschlug und ein faustgroßes, rauchendes Loch hinterließ.
„Wow" sagte ich.
„Noch mal" sagte sie.
„Missile magicum" sagte ich, rollte Spaghetti auf und wunderte mich nicht, als nichts passierte.
„Na ja" sagte sie und blies eine Kaugummiblase. „Noch nicht ganz."
Ich versuchte es weiter, doch an meinen Ergebnissen hätten wir uns nicht einmal eine Zigarette anzünden können.
„Oh, Mann" sagte ich seufzend. „Ich bin vielleicht einfach nicht so der wütende Typ."
„Du hast einfach den Bogen noch nicht raus" sagte sie tröstend. „Du musst an etwas denken, das dich wirklich wütend macht. Ich denke zum Beispiel immer an meinen Exfreund. Der wollte nur mit mir schlafen, wenn ich blond war und Doppel-D-Titten hatte. Er sagte, bei der normalen Tonks würde er keinen hoch kriegen. Ich kriege zu viel, wenn ich nur dran denke."
Ich seufzte. Ich dachte an Martin, und wie ihm nach dreieinhalb Jahren aufgefallen war, dass eine muggelstämmige Küchenhexe nicht so ganz die passende Partie für einen reinblütigen Magieraristokraten war.
„Missile magicum" sagte ich und rollte Spaghetti auf. Ein müdes blaues Flämmchen zuckte an der Spitze meines Stabes und erstarb, kaum dass es sein eigenes Licht erblickt hatte.
„Hm" sagte Tonks. „Immer nur nette Exfreunde gehabt, was?"
„Ich werfe mich einfach in Deckung und lasse mich von euch anderen beschützen, wenn's gefährlich wird" sagte ich frustriert.
„Versuch's noch mal" sagte sie. „Es muss doch etwas geben, das dich wütend macht."
Ich seufzte. Ein silberner Käfig erschien vor meinem inneren Auge, eine grölende Zuschauermenge, die Blut sehen wollte. Eine Registraturbehörde, in der man Werwölfe tätowierte und ihnen den letzten Rest Menschenwürde vom Leib riss, wie man einem toten Wildtier das Fell über die Ohren zieht.
„Missile magicum!" schrie ich und wirbelte meinen Stab. Ein armdicker Energiestrahl schoss aus der Stabspitze und schlug krachend in die Mülltonne ein, die daraufhin eine mannshohe Stichflamme produzierte, bevor sie kräftig und gleichmäßig zu brennen begann. Der Gestank von brennendem Müll und geschmolzenem Plastik machte sich breit.
„Ja!" schrie Tonks und reckte die Faust. „Mach ihn fertig, den Mistkerl! Prima! Gleich noch mal!"
„Ähm" sagte ich. „Danke, Tonks, aber ich finde, wir sollten eine Tonne übrig behalten."
„Puh" sagte Sirius hinter uns. „Haben wir die Müllabfuhr verpasst, oder was ist los?"
Tonks nahm die Faust runter und tanzte herum, dass ihre lila Mähne flog.
„Hallo, Si" sagte sie strahlend. „Ihr seid schon zurück?"
„Hallo, T" sagte er, und ich fragte mich, woraus eigentlich die Notwendigkeit entstanden war, etwas Kurzes wie Tonks noch weiter abzukürzen. Sie tauschten ein Küsschen im flackernden Licht der Mülltonne, bevor Sirius besorgt zu seiner zweiten großen Liebe hinüber ging, um sicher zu stellen, dass Chrom, Leder und Karosserie durch unsere Übungsstunde keinen Schaden genommen hatten. Ich sah mich nach meiner Hälfte des Duos um und quiekte überrascht, als plötzlich unsichtbare Hände mich von hinten umfassten, unter mein Shirt schlüpften und dort sehr private Orte aufsuchten. Gleichzeitig rieb sich eine unsichtbare, aber spürbar unrasierte Wange an meiner.
„Hallo, E" sagte eine körperlose Stimme an meinem Ohr. „Was hast du mit der armen Mülltonne gemacht?"
„Sie war eine böse, unartige Mülltonne" sagte ich etwas atemlos. „Ich habe sie gebraten. Hallo, R. Was, was machst du da mit deinen Händen?"
„Ich sehe keine Hände" sagte er unschuldig.
„Ich…oh…mmmmh" sagte ich.
„Sprich ganz deutlich" murmelte er an meinem Ohr.
„Jemand sollte die Mülltonne löschen" sagte ich schwach. Er lachte und biss mich zart in den Nacken, dann verschwanden seine Hände von meinem Körper, und mit einem Flimmern und lautlosen Schwirren der Luft neben mir erschien er, in den Händen den langen, silbrig-leichten Mantel.
„Wunderbares Stück Magie" sagte er begeistert. „Bietet so viele Möglichkeiten."
„Schwerenöter" sagte ich. „Wart ihr eigentlich erfolgreich?"
„Aber sicher doch" sagte er. „Lass uns rein gehen. Ich bin sicher, M und S wollen ebenfalls in den Genuss der Geschichte kommen."
„Macht euch nur lustig" sagte Sirius, der seine Inspektion der schönen Lady abgeschlossen hatte.
„Aber Siiii" sagte Remus. „Nichts läge mir ferner, das weißt du."
„Pack dich, bevor ich die Mülltonne mit dir lösche" sagte Sirius. „Wir kommen gleich nach."
Wir gingen nach drinnen und beobachteten durchs Fenster, wie Sirius und Tonks sich im mülltonnenerhellten Hinterhof küssten.
„Abstoßend" sagte Severus und verzog das Gesicht.
„Man nennt es Liebe" sagte ich. „Nicht mal Sie können das abstoßend finden."
„Ich spreche nicht von der zweifellos fehl geleiteten Neigung, die Miss Tonks für ihren nach den Maßstäben des guten Geschmacks viel zu nahen Verwandten entwickelt hat" sagte Severus, „sondern von den unzähligen giftigen Stoffen, die durch das Verbrennen einer Mülltonne in die Umwelt entweichen und derzeit von beiden eingeatmet werden. Dioxine. Furane. Nitrose Gase. Abstoßend. Und ein Beweis dafür, dass Liebe offensichtlich nicht nur blind macht, sondern auch den Geruchssinn hemmt."
„Danke für den Hinweis, S" sagte Remus grinsend. „Ich geh' mal löschen."
Während Remus draußen den Brand mit einem Zauber erstickte, traf Mundungus ein und brachte den Geruch nach billiger Kneipe mit sich.
„Da bist du ja" sagte Moody. „Ich dachte schon, dir wäre ein besser bezahlter Job dazwischen gekommen."
„Aber Moody" sagte Mundungus und ließ sich auf die Eckbank fallen. „Alter Freund. Du weißt doch, dass ich für meine Beteiligung an der guten Sache keine Bezahlung nehme. Falls du mir aber einen Gefallen tun willst, ein Geschäftspartner von mir hat Schwierigkeiten mit dem Ministerium, und so lange er die hat, verdiene ich nichts an ihm. Ich könnte jemanden gebrauchen, der seinen Einfluss geltend macht."
„Vergiss es" knurrte Moody.
„Dachte ich mir" sagte Mundungus. „Du warst schon immer schrecklich verbohrt in diesen Dingen." Er zog geräuschvoll die Nase hoch, griff über den Tisch und schnappte sich den Umhang, den Remus über einen Stuhl gehängt hatte.
„Ist es das, wofür ich es halte?" sagte er und ließ das leichte, fast transparente Material durch die schmutzigen Finger gleiten. „Schönes Stöffchen."
„Ich glaube nicht, dass er käuflich ist" sagte ich. „Er ist nur geliehen."
Dann ging hinter mir die Tür auf, und mit den dreien aus dem Hinterhof kam ein scharfer Geruch von draußen herein.
„Dioxine" sagte Severus und hielt sich den Ärmel vor die Nase. „Tür zu!"
„Ich mach dir einen guten Preis" sagte Mundungus zu Sirius und hielt ihm den Mantel entgegen.
„Er gehört Harry" sagte Sirius empört und riss den Mantel an sich. „Mach auch nur einen Fleck rein, und du kannst was erleben!"
„Spirare" sagte Remus, wedelte mit seinem Stab und der scharfe Geruch verschwand. „So" sagte er dann und sah sich um. „Alle da? Prima. Können wir?"
„Schnell" sagte Severus gequält, „bevor es wieder jemandem einfällt, sich zu entfernen. Das hier ist schlimmer als ein Pausenhof voller Erstklässler."
Ich sah, wie Sirius Luft holte, aber Remus schlug ihm kurzerhand selbige vor den Mund.
„Wir wissen, wo sie wohnt" sagte er. „Es war überraschend einfach. Wir mussten nicht mal den Parspertoto einsetzen. Wir konnten ihr einfach folgen, sie ging zu Fuß."
„Das wird Arthur freuen" sagte Tonks grinsend. „Wo er doch tagelange Planung darauf verwendet hat, uns diesen Knopf von ihrer Robe zu besorgen. Man hätte meinen können, er plante, die Bank von England zu überfallen."
„Das ist immer noch mein Plan" sagte Remus.
„Pfffg dfff üü nng frrrfnngdnn fbrrgng bnn" sagte Sirius hinter Remus' Hand.
„Ja" sagte Remus. „Und Pads ist ein ganz hervorragender Spürhund. Er zieht eine zweite Karriere als Lawinensuchhund in Erwägung. Schade nur, dass Lawinen in England so selten sind."
„Grrrrgnn" sagte Sirius und hob den Zeigefinger.
„Bah" sagte Remus und nahm die Hand weg. „Du hast eine feuchte Aussprache, mein Freund."
„Drogen" sagte Sirius. „Ein Drogenspürhund. Das ist noch viel cooler."
„Der Hund darf aber die Drogen, die er findet, nicht behalten" sagte Remus.
„Das mindert die Attraktivität des Jobs" sagte Sirius betrübt.
„Gibt es jemanden in diesem Haus, mit dem sich auf professioneller Ebene verkehren lässt?" fragte Severus mit Leidensmiene.
„Ganz recht" sagte Moody. „Bleiben wir beim Thema, bitte. Wie wohnt sie? Haus? Wohnung? Wie kommen wir da hinein?"
„Haus" sagte Remus. „Am Ende der Tangential Street. Kleiner Garten drum herum, mit einer Hecke. Wenn wir einmal auf dem Grundstück sind, kann man uns von der Straße aus nicht mehr sehen."
„Sicherheitsvorkehrungen?"
„Die üblichen der reichen Leute. Ein Familiaris an der Gartenpforte, und etwas wie ein Expello an der Haustür. Nichts, was ein geübtes Mitglied der Unterwelt abhalten könnte."
„Ich bin kein Mitglied der Unterwelt" sagte Mundungus verletzt. „Ich bin nur offen für neue Geschäftsideen."
„Seltsam dann, dass du dich gleich angesprochen fühlst, mit einem entflohenen Azkaban-Insassen und einer Dunklen Kreatur in einem Raum" sagte Remus grinsend.
„Sie hat sich da in einer guten Gegend niedergelassen" sagte Sirius. „Die ganze High Society der Zauberei hat dort ihre hübschen kleinen Villen."
„Was aber wiederum heißt, dass viel privater Sicherheitsdienst auf der Straße ist" sagte Moody. „Wir sollten nicht leichtsinnig vorgehen."
„Es gibt einen offiziellen Apparierpunkt schräg gegenüber" sagte Remus.
„Den wir nicht benutzen werden" sagte Moody. „Wir apparieren wild, das macht es schwieriger, unsere Spuren zurück zu verfolgen."
„Auch gut" sagte Remus. „Tangential Ecke Symmetric, schlage ich vor. Da sollte nichts los sein, um diese Uhrzeit."
„Gut" sagte Moody und erhob sich. „Alles hört auf mein Kommando, klar? Hier sind Handschuhe für alle. Niemand hinterlässt irgendwelche Fingerabdrücke, verstanden?"
„Aye, Sir" sagte ich, während plötzliche Nervosität meinen Magen zusammen ballte. Ich sah hinüber zu Remus, er wirkte beschwingt, als ginge es zu einer Landpartie.
„Remus?" sagte Moody. „Umhang?"
„Hier" sagte Remus und hielt selbigen hoch.
„Gut. Sirius, geh in den Hund."
Sirius grinste, machte das Victoryzeichen und ließ sich auf alle Viere nieder.
„Severus? Umhang und Maske? Du weißt, dass man dich von allen am wenigsten erkennen darf."
„Ich darf dich erinnern, dass der Plan unter meiner maßgeblichen Federführung entstanden ist" sagte Severus samtig, „aber du scheinst immer noch nicht begriffen zu haben, dass ein Obliviate einem eventuellen Wiedererkennen den Boden entzieht."
„Trotzdem" sagte Moody. „Nur um sicher zu gehen."
Severus warf ihm einen wortlosen, aber sehr vielsagenden Blick zu, und nahm ein dunkles Bündel von der Eckbank. Er entrollte es zu einem schwarz samtenen Umhang, entnahm den üppigen Falten eine venezianische Federmaske und streifte sie über.
„Wow" sagte ich, ehe ich mich halten konnte. Das Gefieder, das sein Gesicht vom Mund aufwärts verbarg, war schwarz, und ein grünlicher Schimmer wie von Rabengefieder irrlichterte über die leichte Struktur. Über der Nase lief die Maske zu einem scharfen, gebogenen Schnabel zu, der sich bis über die Oberlippe senkte. Unter dem Rabenschnabel verzog sich der dünne Mund zu einem spöttischen Lächeln.
„Nicht so überschwänglich" sagte er zu mir. „Lassen Sie Diskretion walten, so lange wir Zeugen haben."
„Was denn für ein Überschwang" sagte Remus. „Es wurde lediglich das Offensichtliche festgestellt: dass dein Äußeres umso mehr gewinnt, je weniger man davon sieht."
„Ich hab' nur wow gesagt" sagte ich beschämt.
„Hab' ich was verpasst?" fragte Tonks interessiert.
„Gehen wir" sagte Severus, dessen süffisantes Lächeln ihm immer noch in den Mundwinkeln hing, und legte sich den schweren Samtumhang um die Schultern. Er stellte den Kragen auf und zog sich die Kapuze über, er sah aus wie eine dunkle Märchengestalt, als er sich zur Tür bewegte. Neben mir flirrte die Luft, als Remus sich den Tarnmantel überwarf, dann war er verschwunden, und gleich darauf wurde ich von einer unsichtbaren Kraft gegen die Spüle gedrückt, Hände zogen mir den spinnenwebenleichten Stoff über den Kopf, und dann wurde ich geküsst, dass mir Hören und Sehen verging, es war hastig und ziemlich feucht, Zähne und Lippen und Zunge, und seine Bartstoppeln hinterließen ein unangenehmes Brennen auf meiner Oberlippe.
„Kinder" hörte ich Moodys missbilligende Stimme. „Also wirklich. Könnt ihr nicht mal eine Minute…"
„Was ist das?" fragte Tonks unschuldig. „Ein Tarnversuch für zwei? Funktioniert nicht, übrigens. Dein Hintern schaut raus, Emilia."
„Danke für den Hinweis" brachte ich heraus. „Ich… mmmmh."
„Das ist also die Speerspitze der freien Welt gegen die Dunkle Macht" hörte ich Severus' gifttriefende Stimme. „Ein konfuser Haufen, der bevorzugt über die eigenen Füße stolpert. Ich sollte vielleicht ein weiteres Mal die Fronten wechseln. Es sind wenigstens Profis, auf der anderen Seite."
„Schon fertig" sagte Remus atemlos, ließ von mir ab und entließ mich aus dem Umhang. „Entschuldigung, allerseits. Gehen wir." Ich hörte ihn förmlich grinsen, während ich mir verstohlen mit dem Ärmel über den Mund wischte und versuchte, mein hoch rotes Gesicht zu verbergen.
Snuffles voraus, bewegten wir uns durch das dunkle Haus hinüber in den Speiseraum im Seitenflügel, dem einzigen freien Apparierpunkt aus unserer Festung. Ich hielt mich hinten, bis mein Kopf wieder seine normale Farbe angenommen hatte. Remus' unsichtbare Hand war in meiner.
„Remus?" sagte Moody.
„Anwesend" sagte Remus.
„Es hätte genügt, wenn du dir den Mantel vor dem Apparieren umgelegt hättest" sagte Moody, immer noch grimmig.
„Verdirb mir nicht mein Wiedersehen mit diesem meinem alten Freund" sagte Remus unbeschwert. „Ich muss ihn früh genug wieder abgeben."
„Tangential Ecke Symmetric" knurrte Moody. "Gehen wir."
oooOOOooo
Der Abend war kalt und dunkel und still, als wir uns in den Schatten der Hecke drückten und durch die Zweige spähten, in denen Reste von Herbstlaub faulten und modrigen Geruch verströmten. Ein gerader, sauber geharkter Kiesweg führte zwischen herbstlich kahlen Rosenbeeten und makellosem englischem Rasen hinüber zur Haustür. Das Haus war hell verputzt, annähernd quadratisch und wies im Dachgeschoss eine Anzahl von Erkern auf, die ich bei weitem übertrieben fand. Ich spürte, wie Snuffles sich gegen meine Beine drückte, während er das feuchte Straßenpflaster beschnupperte.
„Gibt es einen Hintereingang?" fragte Severus und sah sich um. „Dieser Weg ist äußerst einsehbar."
„Wenn jemand da ist, um einzusehen" sagte Moody. „Mundungus, dein Einsatz. Mach die Gartenpforte klar. Remus, du gehst rein und holst uns nach, wenn es sicher ist. Remus?"
„Ich bin hier" sagte Remus' körperlose Stimme direkt hinter mir.
„Los dann" sagte Moody.
Mein Herz begann, hart zu klopfen, als ich Mundungus zusah, wie er murmelnd seinen Zauberstab schwenkte. Es dauerte ein wenig, dann lief ein kleiner silberner Schimmer das schmiedeeiserne Gestänge der Pforte entlang.
„Klar" meldete Mundungus. Ich spürte eine körperlose Hand an meinem Hals entlang streifen, dann blitzte ein Fleckchen seiner braunen Cordhose auf, als er über die Pforte kletterte. Kies raschelte, und dann standen wir an der verlassenen Straße und warteten.
Ich ballte die Fäuste in den Taschen und sah mich um. Zumindest Moody wirkte ähnlich angespannt, wie ich mich fühlte: er hatte seinen Stab im Anschlag und sah wachsam die Straße hinauf und hinunter. Tonks neben mir wirkte völlig ungerührt, sie blies Kaugummiblasen und kippelte in ihren geblümten Stiefeln von den Zehen auf die Hacken und zurück. Mundungus stand, als warte er auf den Bus, und dem Tränkemeister war hinter seiner Verkleidung ohnehin noch weniger anzumerken als sonst. Ich seufzte. Wenn ich mal meinen bisherigen Englandaufenthalt in seiner Gesamtheit betrachtete, würde ich mich an Aufregung gewöhnen oder das Handtuch werfen müssen.
Dann begann Snuffles, mit dem Schwanz zu wedeln. Überflüssigerweise sah ich mich um.
„Luft ist rein" meldete Remus' gedämpfte Stimme. „Sie ist allein, und auf dem Sofa eingeschlafen."
„Dann los" kommandierte Moody. „Runter von der Straße."
Mit einem geübten Alohomora hatte Mundungus die Pforte offen, und wir verschwanden in den schützenden Schatten der Hecke.
„Du bist sicher, dass du nichts übersehen hast? Irgendwelche großen, wütenden, hungrigen Wachhunde zum Beispiel?" fragte ich blind in die Luft. Ich erhielt keine Antwort, aber Snuffles drückte den Kopf in meine Hand und schüttelte die Ohren.
„Okay" sagte ich und vergrub die Hand in seinem Fell, es gab mir ein Gefühl der Sicherheit. Die Frage, wann ich eigentlich begonnen hatte, die Angst vor Sirius' Tiergestalt zu verlieren, verschob ich auf später.
Eilig brachten wir den Weg bis zur Haustür hinter uns. Mundungus war vorne und schon mit der Ausschaltung der Sicherungszauber beschäftigt, als ich eintraf (ich hatte für einige Sekunden versteinert einen Schatten unter den Bäumen angestarrt, bis ich sicher war, dass es sich tatsächlich um nichts als einen Schatten handelte). Mir war heiß, trotz der fast frostigen Nachtluft. In meiner fest bandagierten Schulter pochte leiser Schmerz. Ich fragte mich, ob die anderen nicht recht gehabt hatten und ich besser in Nummer Zwölf zurückgeblieben wäre, dann sprang die Tür mit einem leisen Klack auf, und Mundungus trat grinsend beiseite und machte eine einladende Handbewegung. Severus schob mich unsanft voran, und ich stolperte über die Schwelle in einen kleinen Windfang. Auf der linken Seite hing ein üppig mit geschnitzten Ranken verzierter Spiegel an der Wand, darunter stand ein Schirmständer, in der sich eine Anzahl rosa- und lilafarbener Regenschirme drängten. Rechts hingen farblich passende Überroben fein säuberlich an einer Garderobe aufgereiht. Eine schmale Tür führte nach rechts und eine breitere mit Glaseinsatz geradeaus. Hinter mir schloss Severus leise die Tür.
„Leise jetzt" flüsterte Moody. „Remus! Du gehst als erster rein."
„Dazu müsst ihr mich durchlassen" kam seine bedrängte Stimme von hinten. Die rosa Überroben raschelten, einige leere Kleiderbügel begannen wild zu schaukeln. Tonks machte einen hastigen Schritt zur Seite, woraufhin Snuffles ein lautstarkes Jaulen von sich gab.
„Oh" sagte Tonks betroffen und warf sich neben ihm auf die Knie. „Deine Pfote? Das tut mir so leid. Tut's sehr weh?"
„Schschscht!" machte Moody wild, während Tonks den leise wimmernden Snuffles herzte, der anklagend eine Vorderpfote in die Luft hielt. Dann sah ich, wie die Türklinke vor mir sich senkte. Die Tür öffnete sich, und ich warf einen Blick in einen halb dunklen Flur. Rechts führte eine geschwungene Holztreppe ins Obergeschoss, und mehrere Türen führten in angrenzende Räume. Eine zu meiner Linken war angelehnt und öffnete sich gerade von selbst. Die Wände waren voll gestellt mit Tischchen und Kommödchen, auf denen kleine Porzellantierchen herum tollten, und mir gegenüber gab es tatsächlich ein Gemälde, auf dem ein kapitaler Hirsch lautlos in einen Sonnenauf- oder -untergang röhrte.
„Alle gütigen Geister" murmelte Tonks, die neben mir einen Blick auf die Örtlichkeiten geworfen hatte, und blies eine Kaugummiblase. „Wir sind in der Hölle des guten Geschmacks."
„Vorhölle, höchstens" hörte ich Remus' leise Stimme. „Wartet, bis ihr das Wohnzimmer gesehen habt. Kommt rein, sie schläft."
Ich spürte, wie er meine Hand nahm und mich vorwärts zog. Ich betrat ein fremdes Wohnzimmer. Ich brach ein. Verschaffte mir Zutritt. Schon zum zweiten Mal, seit ich mich in England aufhielt. Ich hörte meinen Atem, der stoßweise ging. Das aufregende englische Leben war nichts für mich, ich wollte nichts als nach Hause in meine beruhigende deutsche Kleinstadt, in der niemals auch nur das geringste Unvorhergesehene passierte. Dann drang eine Umgebung auf mich ein, die in ihrer Scheußlichkeit geradewegs einem Horrorfilm zu entstammen schien, und meine Kleinstadtidylle war vergessen.
Wir waren ins Herz des Grauens vorgedrungen.
Es war ein Ansturm von Pink, Rüschen. Plüsch, Herzen, tollenden (oder tollwütigen) Kätzchen, Sammeltassen, blinkenden Gondeln auf dem Kaminsims, pausbäckigen Engelchen, Porzellanpuppen mit Korkenzieherlocken und pseudogriechischen Pseudo-Marmorjünglingen.
„Du meine Güte" murmelte ich.
„Wow" murmelte Tonks und änderte spontan ihre Haarfarbe zu schrillem Grün.
Inmitten der übelkeitserregenden Scheußlichkeit lag auf einem Sofa mit rosa Überwurf die Hausherrin, gekleidet in ein rosa Rüschending, an ihren Füßen hingen kleine plüschige Pantöffelchen, sie schlief, den Daily Prophet auf der Leibesfülle ausgebreitet, und sah aus wie ein gestrandeter Wal, für den jede Hilfe zu spät kommt.
„Lasst euch nicht irritieren" sagte Moody mit schwankender Stimme, er war klar aus der Fassung gebracht. „Haltet euch an den Plan. Severus? Bereit?"
„Ich bevorzuge in diesem Fall die Anwendung des Veritaserum" sagte Severus mit einer Kälte, aus der ich die Verzweiflung heraus hörte, und förderte ein Fläschchen aus den Falten seines Umhanges zutage. „Ich weigere mich, diesem Monster nahe zu kommen. Womöglich ist es ansteckend."
„Der Obliviate wird sich aber nicht vermeiden lassen" sagte Moody.
„Und ich wünschte, ich könnte, ihn auf mich selbst anwenden" sagte Severus gequält.
„Du weißt nicht, wie recht du hast" sagte Sirius grinsend.
„Pads!" sagte eine gedämpfte, aber scharfe Stimme. „In den Hund! Sofort!"
„Nö" sagte Sirius beschwingt. „Ihr kriegt das doch gar nicht richtig hin, ohne mich."
„Hund!"
„Obliviate, Moonylein. Und jetzt lehn dich zurück und genieße die Show."
Der rosa Wal bewegte sich auf dem Sofa und schürzte die Lippen. Ein Pantöffelchen rutschte zu Boden, und wir waren dem Anblick eines fetten Fußes mit rosa lackierten Nägeln ausgesetzt.
„Los geht's" sagte Tonks gedämpft. Sie kramte in ihrer Jackentasche und zog etwas heraus, das aussah wie ein miniaturisierter Ghettoblaster. Während sie etwas an den Einstellungen überprüfte, schwenkte Sirius seinen Zauberstab, murmelte „Nebula fluidens" und produzierte dicken, weißen Nebel, der über den Boden wirbelte wie das Trockeneiszeug in Muggeldiskotheken.
„Was macht ihr?" zischte Moody. „Das gehört nicht zum Plan!"
Sirius und Tonks warfen sich einen Blick zu und grinsten.
„Special effects" sagte Sirius. „Keine Sorge, ihr seid gleich dran."
Tonks ging hinüber zu der rosa Werfröschin und platzierte den Mini-Ghettoblaster mit spitzen Fingern direkt neben ihrem Ohr auf dem rosa Sofakissen. Sie prüfte die Regler, dann nickte sie Sirius zu. Der Nebel wallte um unsere Beine. Die Werfröschin bewegte sich vage, als wollte sie eine Fliege verscheuchen.
„Jetzt" sagte Sirius. Tonks drückte den Knopf.
Die Weird Sisters gaben alles. Wir duckten uns und schlugen die Hände über die Ohren.
Die Werfröschin schoss kreischend auf ihrem Sofa in die Höhe, zumindest nahm ich an, dass sie kreischte, es ging im Ansturm der schrillen Töne vollständig unter, aber ihr rosa bemalter Mund war aufgerissen, und die Augen quollen ihr aus den Höhlen. Tonks und Sirius wechselten einen Blick, dann verringerte sie die Lautstärker der Musik mit einem Wink ihres Stabes. Sirius sprang mit einem Satz aufs Sofa und blieb wie ein zu groß geratener Affe auf der Lehne zu ihren Füßen hocken, während der Nebel ihn strudelnd umwallte.
„Hi" sagte er. „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?"
Dolores stellte das Kreischen nur ein, um Luft zu holen.
„Oh Gott!" schrie sie. „Oh Gott! Hilfe! Der Mörder!"
„Hallo, Schätzchen" sagte Sirius mit etwas, das einem wahnsinnigen Grinsen sehr nahe kam. Sein schönes Gesicht war eigentümlich verzerrt, und er hatte die Augen bedrohlich aufgerissen. „Black ist zurück. Und er hat mal wieder Lust, eine Straße in die Luft zu jagen. Und du, Schätzchen, kannst live dabei sein!"
Der Daily Prophet segelte zu Boden, als Dolores auf ihrem Sofa in Richtung Kopfende zu rutschen begann. Sie schien den Rest ihres Überraschungsbesuches noch gar nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Tonks stellte die Musik lauter, als Dolores ihr Kreischen wieder aufnahm, und steigerte die Lautstärke weiter, bis ich dachte, allein der Schalldruck müsse die Sammelteller endlich von der Wand fegen. Als sie die Weird Sisters wieder auf ein gesundheitsverträgliches Maß dämpfte, schepperten mir die Ohren, und Dolores auf ihrem Sofa gab ein entsetztes Wimmern von sich.
„Ich freu mich auch, dich zu sehen" sagte Sirius, immer noch mit diesem irren Grinsen. „Und ich hab' dir noch jemanden mitgebracht. Moony?"
„Miss Umbridge" sagte Remus freundlich und völlig gleichmäßig, während er mit Schwung den Tarnmantel ablegte. „Ach, das ist ja eine Freude. Ich bin's, Ihr zuständiger Werwolf." Etwas blitzte in seinen Augen, ein Sinn für Unsinn, der ihn plötzlich viel jünger wirken ließ, er schien sich für Sirius' Gedanken schnell erwärmt zu haben.
„Lupin" flüsterte die Werfröschin fassungslos.
„Wie schön, dass Sie sich erinnern" sagte er freundlich. „Wo Sie doch bei mir einen so bleibenden Eindruck hinterlassen haben."
„Weißt du" sagte Sirius zu ihm, „wenn ich du wäre, ich hätte vielleicht Lust, einen bleibenden Eindruck bei ihr zu hinterlassen. Mit meinen Zähnen auf ihrem Hals."
„Ich bin kein Vampir" sagte Remus. „Die Körperstelle ist wirklich völlig unerheblich."
„Dann nimm ihr Bein, oder meinetwegen ihren Arsch. Hauptsache, du hast deinen Spaß."
„Sirius" sagte Remus und schüttelte tadelnd den Kopf. „Du vergisst deine Kinderstube, wirklich."
„Es ist nicht Vollmond" sagte die Werfröschin mit schriller Stimme. „Und Bisse in menschlicher Form sind nicht infektiös."
„Danke für den Hinweis" sagte Remus. „Für diesen Fall haben sich ein paar kluge Köpfe nämlich einen Zauber ausgedacht. Ich kann am hellichten Tag in die Wolfsform gehen, wussten Sie das? Wann immer es mir beliebt. Sirius? Bist du so freundlich?"
„Aber selbstverständlich, mein Lieber" sagte Sirius höflich und hob den Stab. Die Werfröschin kreischte entsetzt.
„Moment noch" sagte Remus. „Stellen wir ihr doch zuvor noch ein paar Fragen. Könnte sein, dass sie sehr abgelenkt ist, wenn sie erst mal gebissen ist."
„Wie du möchtest" sagte Sirius grinsend.
Die Werfröschin hatte den Weg von ihrem Sofa herunter gefunden. Sie landete auf allen Vieren auf dem Boden, rappelte sich auf und floh zur Tür., zwei oder drei Schritte, bis eine hohe, dunkle, maskierte Gestalt aus dem Nebel trat und ihr den Weg versperrte. Im Hintergrund zertrümmerte eine der Weird Sisters ihre E-Gitarre. Die Werfröschin prallte zurück und schrie. Die dunkle Gestalt streckte einen Arm aus und wies mit blassem Zeigefinger auf das Sofa. Die Werfröschin wich zurück, die Augen wässrig, ihr Doppelkinn zitterte. Der Zeigefinger deutete nach unten. Die Werfröschin klappte zusammen wie mit einem Zauber belegt, verfehlte das Sofa und sank auf den Couchtisch, wobei sie ein putziges Porzellankätzchen abräumte, das auf dem polierten Parkett in Scherben ging.
„Okay, Schätzchen" sagte Sirius. „Gevatter Tod hier wird dir jetzt was zu trinken anbieten, und du solltest nicht ablehnen, wenn dir dein Arsch etwas wert ist."
Die Werfröschin wimmerte. Severus streckte die Hand mit dem Veritaserum aus. Remus nahm es ihm ab, entkorkte das zierliche Fläschchen und drückte es ihr in die Hand.
„Lupin" sagte sie und starrte ihn von unten an. „Das hätte ich nie von Ihnen gedacht. Sie und… und…"
„Tja" sagte er lächelnd. „Der Mörder und das Monster. Ein unschlagbares Team. Und jetzt, schön austrinken."
Die Werfröschin starrte auf das Fläschchen in ihren dicken, kurzen Wurstfingern. Dann klirrte es, und sie zuckte herum.
„Oooh" sagte Tonks, die an einer Kommode stand, Scherben zu ihren Füßen, und einen Kätzchen-Sammelteller in den Händen drehte. Dann ließ sie los, und der Teller zersprang auf dem Parkett. „Ich bin ja sooo ungeschickt" sagte sie und klimperte mit ihren Wimpern. Sie nahm den nächsten Teller. Klirr.
„Nicht!" schrie die Werfröschin. „Nein! Bitte nicht!"
Tonks lümmelte sich auf die Kommode, wobei sie eine Sammlung von Kätzchen und Welpen in den Tod schickte. Die Werfröschin kreischte auf.
„Böse Tonks" sagte Tonks sanft. „Muss immer alles kaputt machen."
„Oh Gott" schluchzte die Werfröschin und führte das Fläschchen zum Mund. Tonks griff nach einem goldverzierten Porzellanteddy. Die Werfröschin quietschte verzweifelt und stürzte den Inhalt des Fläschchens auf einmal hinunter.
„Brav" sagte Tonks und stellte den Teddy zurück.
„Was" stammelte die Werfröschin, „waswas… ist das denn für ein Trank gewesen?"
„Gewürz" sagte Sirius grinsend. „Für deinen Arsch, Schätzchen. Du willst doch gut schmecken, wenn du gebissen wirst, oder?"
„Ogottogott" murmelte die Werfröschin, deren Gesicht mittlerweile unter einer dicken Schicht von Angstschweiß glänzte.
„Wirkt er schon?" fragte Remus Severus, der kurz nickte.
„Prima" sagte Remus. „Moody?"
„Hattet ihr euren Spaß?" knurrte Moody und trat aus dem Nebel. Die Werfröschin kreischte entsetzt. Tonks hielt den Porzellanteddy am ausgestreckten Arm, und der breite, lippenlose Mund der Werfröschin schnappte zu.
„Schön" sagte Moody. „Kommen wir dann endlich zum Geschäftlichen." Er baute sich vor seinem rosa Opfer auf, das am ganzen Leib zitterte, und starrte auf seine irritierende Art auf es hinunter.
„Miss Umbridge" sagte er. „Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie von der Veranstaltung regelrechter Wolfskämpfe wussten?"
„Nnn" sagte sie. „Nnnja."
„Seit wann wussten Sie davon?"
„Seit… seit zwei Monaten etwa."
„Und ich gehe recht in der Annahme, dass Sie diese Veranstaltungen gegen die Entrichtung einer – nennen wir es Gebühr – in regelmäßiger Folge geduldet haben?"
„Nnnja."
„Cool" sagte Sirius. „Ein Bestechungsskandal. Oh, dein Arsch wird brennen, Schätzchen."
„Was hast du nur immer mit ihrem Du-weißt-schon" sagte Remus kopfschüttelnd. „Ich finde, du bist ein bisschen sehr fixiert."
„Nicht fixiert" sagte Sirius und legte wieder sein irres Grinsen auf. „Fasziniert höchstens. Von so viel Hässlichkeit. Oh ja, das macht mich echt an."
„Wer hat Mister Lupin entführt?" fragte Moody.
„Ich weiß es nicht" jammerte Dolores. „Die Entführung ging nicht von mir aus."
„Aber Sie wussten davon?"
„Ja."
„Durch wen?"
„Durch… einen guten Freund."
„Nennen Sie den Namen."
„Llll… Mmmm…. Malfoy" brachte sie keuchend heraus.
„Aha" sagte Moody. „Beschreiben Sie mal Mister Malfoys Rolle in der ganzen Angelegenheit."
„Ich weiß nicht genau" sagte sie hilflos. „Wir kennen uns gut. Wir vertreten ähnliche Ansichten. Er wusste von den Kämpfen."
„Woher?" hakte Moody ein.
„Ich weiß es nicht" wimmerte sie. „Aber wir entwickelten gemeinsam… diese Idee…"
„Dumbledore in Verruf zu bringen, indem man einen ehemaligen Hogwarts-Lehrer zum Killer macht" sagte Moody. Die Werfröschin nickte, dass ihr Doppelkinn Wellen schlug.
Klirr.
„Aber ich rede doch" kreischte die Werfröschin.
„Strafe muss sein" sagte Tonks und sah auf die Teddyscherben hinunter. „Das ist ja wohl das Letzte."
„Wie lautete der Plan im Einzelnen?" fragte Moody.
„Lupin sollte an den Kämpfen teilnehmen" sagte die Werfröschin schwach. „Malfoy versprach, einem meiner Mitarbeiter einen Hinweis zukommen zu lassen. Auf diese Weise hätte ich selbst gar nicht in Erscheinung treten müssen. Higgins bekam den Hinweis und wurde zu der Veranstaltung mitgenommen. Er versprach sich eine Beförderung durch die Aufdeckung der Angelegenheit…. Nicht werfen!" kreischte sie. „Ich rede schon! Ich rede!"
„Ich schau's doch nur an" sagte Tonks verletzt und stellte einen bemalten Hirsch auf seinen Platz zurück.
„Lupins Gedächtnis sollte gelöscht werden" fuhr Dolores hastig fort. „Sein Name sollte in Higgins' Bericht auftauchen. Man hätte dann die neue Gesetzgebung auf ihn angewendet, und auf seine Bürgin, die ja auch in Hogwarts arbeitet – was für ein Glücksfall…"
„Missile magicum" sagte ich und ließ den Kopf einer dicken, pausbäckigen Babypuppe explodieren. Die Werfröschin kreischte und warf sich unter den Sofatisch. Ich pustete imaginären Rauch von meiner Stabspitze.
„Lassen Sie sich nicht beirren" sagte Moody und bückte sich zu der Werfröschin, die sich unter dem Sofatisch zusammen kauerte. „Was wollten Sie sagen?"
„Der Vorfall hätte gereicht, um Dumbledore abzulösen" schluchzte die Werfröschin. „Er ist dem Ministerium schon lange ein Dorn im Auge. Er folgt den Weisungen nicht. Er kocht viel zu sehr sein eigenes Süppchen da oben in Schottland."
„Dumbledore" sagte Sirius. „Guter Mann, wirklich."
„Deshalb haben wir uns auch so beeilt mit der Registratur" sagte die Werfröschin mit kaum mehr vernehmbarer Stimme. „Wir wollten den Plan verwirklichen, bevor der Kampfring möglicherweise von anderer Seite auffliegt oder sich auflöst. Es war eine so gute Gelegenheit, und Organisationen wie diese haben üblicherweise keine allzu lange Lebensdauer."
„Und die Auroren, die Sie nach Hogwarts schickten" warf Remus ein, „hatten Sie zuvor schon abkommandiert."
„Ja" flüsterte Dolores.
„Und dass der Plan meine Hinrichtung und Emilias Verbringung nach Azkaban beinhaltete, hat Sie nicht weiter gestört?"
„Nein" flüsterte Dolores.
„Schließlich bin ich nur ein verdammtes Monster" sagte Remus.
„Ja" flüsterte es unter dem Tisch.
„Eine Dunkle Kreatur. Ein Halbmensch."
„Ja."
„Den man ausrotten oder zumindest für immer wegsperren müsste."
„Ja."
„Gab es diesbezüglich Pläne, alle Werwölfe betreffend? Ein Kasernierungsgesetz oder ähnliches?"
„So weit waren wir noch nicht" flüsterte es unter dem Tisch.
„Aha" sagte Remus, der ganz weiß im Gesicht war. „Aha. So so."
Er ging zum Kamin, und nahm eine Engelsfigur vom Sims, die träge mit glitzernden Flügeln schlug. Er holte damit aus und schleuderte sie mit solcher Gewalt gegen die Wand, dass von ihr kaum mehr blieb als Porzellanmehl.
„Tatsächlich" sagte er, machte einen Schritt rückwärts und wischte sich Haarsträhnen aus den Augen. „Das ist wirklich außerordentlich befreiend."
„Kinder" sagte Moody. „Wir sind hier nicht, um eine Gewaltorgie abzuhalten."
„Und ob" sagte Sirius. „Ihr werdet alle schön Platz machen, wenn Moony sich ein bisschen ausleben möchte. Er hat jedes Recht dazu."
„Danke" sagte Remus. „Es geht schon wieder."
„Du solltest lernen, mehr aus dir heraus zu gehen" sagte Sirius grinsend. „Du bist immer so zurück haltend." Er zeigte mit seinem Stab auf den Sofatisch, und mit einem fröhlich geschmetterten „Destructivus!" zersprang die gläserne Tischplatte und schickte einen nadelspitzen Scherbenregen auf die Werfröschin hinunter, die kreischend ihren Kopf umklammerte.
„Kinder!" fauchte Moody. „Genug Spaß gehabt jetzt. Gibt es noch Fragen?"
„Ein paar Namen" sagte Remus. „Von den Veranstaltern. Vielleicht eine Adresse und das Datum des nächsten Kampfes."
„Sie haben den Mann gehört" sagte Moody zu Dolores, die noch immer in den Scherben ihres Sofatisches kauerte.
„Die Organisation läuft über Dillon Billings" wimmerte sie. „Er ist Barkeeper im Black Widow. Bis zu… dem Zwischenfall… liefen dort auch die Veranstaltungen… aber als Higgins seinen Bericht abgeschickt hat, erging eine Warnung an die Organisatoren, und sie werden wohl in der Zwischenzeit ihren Standort verändert haben."
„Eine Warnung von Ihnen?" fragte Remus.
„Ja" flüsterte Dolores und zitterte so sehr, dass Scherben von ihrem rosa Rücken klingelnd auf den Parkettboden fielen.
„Dann nehme ich an, Sie lassen sich Ihre Mitwisserschaft weiterhin bezahlen?" fragte Remus. Dolores nickte.
„Name Ihres Kontaktmannes?" fragte Moody.
„Robin Biggs" flüsterte sie. „Er arbeitet als Bote für verschiedene Händler in Knockturn Alley."
„Das dürfte genügen, oder" sagte Remus. „Nicht nur, um sie aus ihrer bequemen Position zu entfernen. Sie soll sich außerdem vor einem Gericht verantworten."
„Dafür brauchen wir Beweise" sagte Moody finster. „Etwas, das die Ermittler auf ihre Spur bringt. Wir können ja kaum zu Protokoll geben, dass wir hier eingedrungen sind und sie unter Veritaserum gesetzt haben."
Ich zuckte, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Eine schwarz gefiederte Maske beugte sich zu mir, und der Tränkemeister schüttelte den Kopf.
„Moment" sagte ich. „Es gibt Einwände."
„Was?" fauchte Sirius. „Wir reißen ihr den Arsch auf, Fixierung hin oder her!"
Kopfschütteln.
„Nein" sagte ich. „Wir… äh… Sie meinen, sie soll im Amt bleiben?"
Nicken.
„Aber wieso?" fragte ich verwirrt.
Der Tränkemeister warf einen langen Blick hinüber zu dem rosa Häufchen Elend, seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln von genüsslicher Boshaftigkeit.
„Ich verstehe" sagte ich erstaunt. „Wir lassen sie, wo sie ist, aber wir lassen ihr das Wissen, dass es jemanden gibt, der über ihre Machenschaften Bescheid weiß. Das heißt, sie wird völlig erpressbar sein."
Der Tränkemeister nickte, und Vergnügen mischte sich in sein Lächeln, als er mir mit blassen Fingern auf die Schulter klopfte. „Oh, Merlin" sagte ich seufzend. „Ich glaube, Ihre Art zu denken färbt allmählich auf mich ab."
Nicken, und ein vergnügtes Blitzen der perlschwarzen Augen hinter der Maske, wie ich es noch nie gesehen hatte.
„Ist das nicht gefährlich?" fragte Remus und blickte zweifelnd auf sein rosa Opfer hinunter.
Der Tränkemeister schüttelte den Kopf und machte eine beruhigende Handbewegung.
„Wir wissen nicht, was wir an ihrer Stelle kriegen" sagte ich. „Es gibt ja wohl eine ganze Strömung im Ministerium, die allem Normabweichenden gegenüber, sagen wir, kritisch eingestellt ist. Wer weiß, welche Ideen ein möglicher Nachfolger entwickelt."
„Hm" sagte Remus.
„Deine Entscheidung" sagte Moody zu ihm. Remus drehte sich und sah zu uns hinüber.
„Lass uns Beweise mitnehmen und aufheben" sagte ich. „Wenn es uns zu riskant wird, können wir sie immer noch hochgehen lassen."
„Gut" sagte er. „Scheint mir vernünftig. Machen wir es so."
„Vernünftig" schnaubte Sirius und schlug seine Faust in ein rosa Kopfkissen.
„Stehen Sie auf" sagte Remus zu Dolores. „Sie werden mir noch ein Schreiben aufsetzen, ehe wir Ihr Gedächtnis löschen. Haben Sie Pergament und Feder?"
Die Werfröschin kam auf die Knie und zeigte mit zitterndem Finger auf die Kommode, an der Tonks lehnte und Kaugummiblasen blies.
Wenig später hatten wir uns aufgeteilt und durchsuchten das Haus nach Beweisstücken, während Remus im Wohnzimmer auf und ab ging und der schluchzenden Dolores seine vollständige Freistellung von allen ministerialen Bestimmungen diktierte.
„Warum lässt du sie nicht gleich alle Bestimmungen aufheben?" hörte ich Tonks fragen, während ich ein Schränkchen im Flur durchwühlte. „Leb dich aus. Verpass jedem Werwolf eine monatliche Rente von hundert Galleonen, oder was immer du willst."
„Lass mich nur" sagte Remus beschwingt. „Ich plane bereits."
Sein Plan fiel schließlich relativ bescheiden aus, wie Sirius und Tonks einstimmig bemängelten.
„Erfüllbare Sicherheitsbestimmungen, schön und gut" sagte Sirius mit einem Gähnen. „Reiseverbot aufheben. Fördergelder für die Wolfsbannforschung. Prima. Aber was ist mit den großen Ideen? Du weißt schon: Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr."
„Spatz in der Hand, Pads" sagte Remus. „Ein Prinzip, das dir fremd ist, wie ich weiß. Aber ich will niemanden misstrauisch machen. Sie soll sich ja nicht plötzlich völlig untypisch gebärden."
Sirius seufzte erstickt, es klang, als drückte er sich eines der rosa Sofakissen ins Gesicht.
Kurz darauf trafen wir uns im Flur.
„Nichts" sagte Moody.
„Nö" sagte Tonks.
„Leider" sagte ich. „Wer hätte gedacht, dass sie so professionell ist. Mist."
„Dann löschen wir sie vielleicht doch vollständig" sagte Remus zweifelnd. „Warum das Risiko eingehen, wenn wir ohnehin keine Beweise haben."
„Keine Beweise" sagte Severus gedämpft und warf einen vorsichtigen Blick durch den Türspalt ins Wohnzimmer, wo Sirius den Wachhund spielte und sein rosa Opfer mit Grimassen erschreckte. „Aber es sollte nicht schwer sein, einige Kronzeugen zu bekommen. Wir müssen lediglich den Mann finden, der sie bezahlt hat."
„Sie reden immer, als wäre all das ein Spaziergang" sagte ich.
„Intelligenz ist eine Waffe, über die kaum jemand wirklich verfügt" sagte Severus kühl. „Und Pöbel, der Wolfskämpfe organisiert, schon gar nicht."
„Okay" sagte ich. „Wenn Sie meinen, dass Sie das hinkriegen, will ich Ihnen glauben."
„Wo ist eigentlich Mundungus?" fragte Remus. „Ich habe ihn nicht gesehen, seit er uns rein gelassen hat."
„Ich bin hier" sagte Mundungus und trug ein verräterisch unschuldiges Lächeln unter seiner dicken Knollennase, als er aus dem Schatten auf der Treppe kam. Seine Taschen beulten sich merkwürdig nach außen, und diverse eckige Gegenstände zeichneten sich unter seinem Mantel ab.
„Ich will nichts bemerkt haben" knurrte Moody.
„Von mir aus können wir gehen" sagte Mundungus unschuldig.
„Also" sagte Moody. „Severus? Walte deines Amtes."
Der Tränkemeister ließ einen schaurigen Blick seinen Rabenschnabel entlang auf Moody hinunter tropfen, dann zirkelte er sich mit einer schwarz wirbelnden Bewegung unter die Wohnzimmertür. Dolores kreischte auf. Severus sah zu Sirius und zeigte zur Tür.
„Okay, Schätzchen" sagte Sirius, kam vom Sofa und streckte sich gähnend. „Danke für den Quickie. Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder, aber rechne nicht damit, dass ich dich anrufe." Er ging auf alle Viere, und dann schüttelte Snuffles sein struppiges Fell und tappte gemächlich zur Tür, wobei seine Krallen ein hässliches Geräusch auf dem polierten Parkett verursachten. Dolores schluchzte. Kurz vor der Tür hielt Snuffles inne, beschnupperte angelegentlich eine Gipssäule mit einer möchtegerngriechischen Statue drauf, und hob lässig das Bein.
„Pads" sagte Remus in einem vollständig fruchtlosen Versuch, ernst zu bleiben. „Also, wirklich. Böser Hund."
Snuffles machte Sitz und schaute mit großen, feuchten Hundeaugen zu seinem Herrchen hinauf. Remus verbarg sein Grinsen hinter der Hand, ging in die Knie und kraulte ihm die Ohren, was Snuffles mit euphorischem Winseln und einem Schwanzwedeln belohnte, das den ganzen Hund erschütterte.
Ich warf einstweilen einen vorsichtigen Blick durch die Wohnzimmertür. Ich wusste, Dolores durfte mich nicht zu Gesicht bekommen, sobald ihr Gedächtnis gelöscht war, aber meine Neugier war stärker.
Dolores kroch auf allen Vieren durch die Scherben, ich sah Blut auf dem Parkett. Severus ragte über ihr auf wie der Tod persönlich. Er hatte seine Stimme magisch verändert, sie klang hohl und tief wie Wind, der durch ein altes Gemäuer streicht.
„Obliviate" murmelte er und zog einen langen, silbrigen Gedankenfaden direkt aus der Stirn der Werfröschin. Träge löste sich der Faden von der Spitze seines Stabes wie Rauch von einer Zigarette, kräuselte sich und löste sich in Nichts auf.
„Was ist passiert?" kreischte die Werfröschin. „Oh mein Gott! Hilfe! Überfall!"
Ich sah, wie Severus den mittlerweile behandschuhten Finger an die Lippen legte. Seinen Stab hatte er in kaum merklicher Bewegung im Ärmel verschwinden lassen. Der Mund der Werfröschin schnappte zu wie der einer Erstklässlerin.
„Leise" sagte Severus mit dieser seltsam verfremdeten Stimme, die mir einen Schauer über den Rücken jagte. „Es sind ohnehin nur Sie und ich hier. Niemand hört Ihr Schreien."
„Wer sind Sie" flüsterte die Werfröschin.
„Ich bin der, dem Sie gehorchen werden" flüsterte Severus. „Ich bin der, der Ihre Geheimnisse kennt. Ich bin der, der alles weiß."
Die Werfröschin schluckte und starrte zu Severus hinauf.
„Sie waren nicht klug in der Auswahl Ihrer Feinde" flüsterte Severus. „Aber Sie werden aus Ihren Fehlern lernen, nicht wahr?"
Die Werfröschin nickte. Ihr rosa Kinn zitterte.
„Was wollen Sie von mir?" wimmerte sie.
„Nur ein paar Modifikationen Ihrer Werwolfpolitik" flüsterte Severus. „Kleine, unauffällige Modifikationen. Nichts Spektakuläres; wir wollen doch kein Aufsehen erregen."
„Ja" wimmerte die Werfröschin. „Tun Sie mir nichts, bitte!"
„Ihr Gejammer ekelt mich" zischte es hinter der Maske. „Stellen Sie es ein, oder ich modifiziere meine Pläne."
Die Werfröschin nickte und verschlang ihre Unterlippe in etwas wie einem verzweifelten Versuch, jedes Geräusch zu unterdrücken.
„Einstweilen lassen Sie die Sicherheitsbestimmungen für Werwölfe überarbeiten" sagte Severus. „Reduzieren Sie die Anforderungen auf ein erfüllbares Maß. Kein Werwolf soll gezwungen sein, die ministeriale Sicherheitseinrichtung zu benutzen, wenn er es nicht wünscht."
Remus hinter mir stellte das Kraulen ein und lehnte sich nach vorne, plötzlich wachsam.
„Und stellen Sie Mitarbeiter und Mittel bereit, um die Werwölfe bei der Installation zu unterstützen" sagte Severus.
„Wolfsbann" soufflierte Remus hinter mir, doch allein durch die Kraft seiner Gedanken schien er Severus nicht erreichen zu können, und sein Flüstern war viel zu leise.
„Ja" sagte Dolores einstweilen zitternd. „Noch etwas?"
„Wolfsbann! Wolfs-bann!"
„Nein" sagte Severus. „Nicht für heute."
„W-o-l-f-s…"
„Die Werwölfe schicken Sie, nicht wahr?" sagte Dolores.
„Irrtum Nummer Eins" sagte Severus. „Wie kommen Sie zu dem Schluss, jemand wie ich würde sich von wem auch immer schicken lassen. Irrtum Nummer Zwei: Wie kommen Sie zu dem Schluss, jemand wie Sie befände sich in der Position, um Fragen zu stellen?"
„Verzeihen Sie" flüsterte Dolores.
„Diesmal noch" sagte Severus und bewegte sich mit einem Rauschen seiner Roben rückwärts zur Tür. Dolores blieb keuchend und schluchzend auf allen Vieren inmitten der Reste ihres Tisches.
„Eines noch" sagte Severus, als er die Tür erreicht hatte. „Sie brechen den Kontakt zu Lucius Malfoy ab. Sie betrachten ihn nicht länger als nützliche Bekanntschaft. Ich bin nicht erfreut, wenn Sie weiter Umgang mit ihm pflegen."
„Wer sind Sie?" flüsterte Dolores, die offenbar all ihren Mut zusammen nahm.
„Ich bin der Rabenkönig" sagte Severus. „Sie hören von mir."
oooOOOooo
Wir sprachen alle durcheinander wie eine aufgeregte Schulklasse, als wir nach einigen Apparitions-Umwegen, die Moody für notwendig hielt, um unsere Spuren zu verwischen, wieder in Nummer Zwölf anlangten.
„Wooooooow!" schrie Tonks. „Das war soooo geeeeil! Severus, du bist ein Schätzchen!"
„Wie tief bin ich gesunken" murmelte Severus gequält und nahm die Maske ab.
„Das war absolut großartig" sagte ich. „Sie waren einzigartig. Ich hatte solche Angst vor Ihnen!"
„Es gehört nicht viel dazu, Sie einzuschüchtern" sagte er zu mir, eine Spur freundlicher.
„Ihr habt euch nicht an den Plan gehalten" sagte Moody finster.
„Dein Plan war Bullshit" teilte Sirius ihm mit. „Total öde. Wir haben ihn bloß ein bisschen aufgemotzt."
„Warum hast du nichts vom Wolfsbann gesagt?" fragte Remus. „Du weißt, dass man Wolfsbann-Wölfe von der Regelung ganz ausnehmen könnte."
„Und du weißt, dass du derzeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der einzige Londoner Wolfsbann-Wolf bist" gab Severus zurück. „Wie offensichtlich hätte ich die Angelegenheit denn gestalten sollen? Aus diesem Grund ist auch dies hier hinfällig. Wie schade. Du hast dir solche Mühe damit gegeben."
Er zog ein Pergament aus den Falten seines Umhanges. Ich erkannte Dolores' Schrift.
„Schade, schade" sagte er sanft und zerriss das Pergament langsam, fast genüsslich, zwischen seinen langen, behandschuhten Fingern.
„He" sagte Remus empört. „Meine Bestimmungen! Die wollten wir in Umlauf bringen, ich dachte, Arthur könnte…"
„Denken ist gut" sagte Severus. „Zu Ende denken ist besser. Da haben wir also eine halbe Seite Sonderregelung für einen namentlich erwähnten Remus J. Lupin. Und wir haben den rätselhaften Besuch eines maskierten Fremden, nahezu zeitgleich. Was glaubst du, wie lange Dolores braucht, um in ihrem Froschkopf zwei und zwei zusammen zu zählen?"
„Ich dachte, wir erpressen sie" sagte Remus wütend. „Was ist denn der Sinn einer Erpressung, wenn nichts dabei heraus springt?"
„Tut es doch" sagte ich vorsichtig. „Wir können den Kampfring hoch nehmen. Und das mit den Sicherheitsvorkehrungen ist doch auch gut, oder nicht?"
„Das andere wäre besser gewesen" sagte Remus finster, schnappte Severus das zerrissene Pergament aus der Hand und knüllte es zu einem kleinen Ball.
„Sie wird bemerken, dass sie eine Gedächtnislücke hat" sagte Severus. „Und mein Ruf als exzellenter Legilimens ist weit verbreitet. Unglücklicherweise ist meine Bekanntschaft mit einem gewissen R. J. Lupin ebenfalls kein Geheimnis. Der Rabenkönig darf keinesfalls mit Lupin in Verbindung gebracht werden, denn von Lupin zu mir ist es nur ein geringer Schritt."
Remus starrte Severus an und knetete den Pergamentball.
„Hättet ihr euch mal alle an den Plan gehalten, wäre das nicht passiert" sagte Moody.
„Komm schon, Moony" sagte Sirius, schlang die Arme um Remus und zauste ihm auf offenbar nicht ganz schmerzfreie Art den Schopf. „Ich sag's nicht gern, aber der alte Giftmischer hat Recht. Wir machen es stückweise. Warte nur. In einem halben Jahr bist du Zaubereiminister."
„Als ob ich das jemals angestrebt hätte" sagte Remus, verzog das Gesicht und unternahm einen halbherzigen Versuch, aus Sirius' Zugriff zu flüchten.
„Sollen wir euch beide allein lassen?" fragte Tonks giftig.
„Tonksielein" sagte Sirius und grinste. „Sei großzügig. Es ist genug Sirius für alle da."
Remus stöhnte gequält.
„Ähm" sagte ich. „Haltet mich vielleicht für schwer von Begriff, aber ich muss noch ein paar Sachen erklärt bekommen. Zum Beispiel, was uns eine erpressbare Person im Ministerium nützt, wenn wir sie nicht erpressen, weil wir ja dabei in Erscheinung treten müssen?"
„Und für einen Augenblick dachte ich, Sie hätten begonnen, auf meinem Niveau zu denken" sagte Severus. „Selbstverständlich werden wir einen Vorteil aus unserem Wissen ziehen. Aber wir werden nicht dumm sein."
„Aha" sagte ich.
„Dolores wird unschwer erkennen können, dass der Rabenkönig zu Gunsten der Werwölfe handelt" sagte er. „Ein Minimum an Tarnung muss ich mir aufrecht erhalten, indem ich wenigstens keinen Hinweis darüber streue, dass ich mit einem bestimmten Werwolf fraternisiere."
„Hätten Sie ihr Gedächtnis einfach komplett gelöscht, bräuchten Sie gar keine Tarnung" sagte ich. „Moodys Plan, Sie erinnern sich?"
„Selbstverständlich" sagte er mit einer Stimme wie Schokoladeneis. „Aber welche Verschwendung einer hervorragenden Gelegenheit, oder nicht?"
„Vor allem für Sie selbst" sagte ich und wunderte mich, warum er sich so amüsierte. „Was war das eigentlich am Schluss? Das mit Malfoy?"
Ein Lächeln kräuselte seine Mundwinkel.
„Das, meine Liebe" sagte er, „tut hier nicht das Geringste zur Sache."
„Aha" sagte ich.
„Sie entschuldigen mich" sagte er. „Der Rabenkönig wird anderweitig erwartet."
„Schönen Abend noch, Majestät" sagte ich. Er nickte mir zu und war verschwunden.
Der Abend schien gut gelaufen für den Tränkemeister.
