2. Die Ankunft
‚Die Koffer kommen auf einem Laufband an', hatte Charlies Vater ihr erzählt. Jetzt stand sie davor und wartete darauf, dass ihrer durch die Öffnung kam. Fasziniert sah sie zu, wie Koffer um Koffer ohne Magie durch die Öffnung fuhr, bis ihr auffiel, dass sie ihren anstarrte. Sie holte ihn vom Laufband und ging in Richtung Ausgang.
Vor diesem Augenblick hatte sie lange Angst gehabt. Sie war das erste Mal alleine in der Muggelwelt und musste sich zurechtfinden. Und dann auch noch in einer fremden Stadt, in einem fremden Land.
Charlie wusste, dass hinter der Zollkontrolle jemand auf sie wartete, der sie zu ihrem Studentenzimmer bringen sollte. Der oder die erste Muggel, mit der sie alleine längere Zeit verbringen würde.
Während sie durch den Zoll ging, sah sie ihren Namen auf einem Schild stehen. Sie ging langsam darauf zu und schaute sich den Besitzer des Schildes genau an. ‚Er sieht nett aus' dachte Charlie erleichtert. Ohne Probleme ließ sie die Zollkontrolle hinter sich und ging auf ihn zu.
„Guten Tag, mein Name ist Charlotte Howland", begrüßte sie ihn. Er antwortete lächelnd „Tag", nahm ihr ohne ein weiteres Wort das Gepäck ab und ging Richtung Ausgang. Verdutzt und etwas verunsichert, folgte Charlie ihm. Immer noch wortlos erreichten sie ein Auto und stiegen ein.
Während der Fahrt versuchte Charlie ein paar Mal ihren Fahrer in ein Gespräch zu verwickeln, aber außer dass er James hieß – Sie wusste noch nicht mal ob mit Vor- oder Nachnamen – und als Bote beziehungsweise Fahrer für die Uni arbeitete, bekam sie nichts aus ihm heraus.
Endlich nach langem Schweigen, hielt James vor einem Wohnheim in Oxford. Er lud das Gepäck aus und verabschiedete sich mit einem knappen „Tschüss". Charlie war froh ihn los zu sein. Ein noch längeres Schweigen hätte sie nicht ausgehalten.
Langsam drehte sie sich um und ging hinein. Vor einer Tür im ersten Stock blieb sie stehen. Es war ihre eigene Zimmertür. Gespannt schloss sie auf, schließlich wusste sie noch nicht, wie ihre „Bude" aussah.
Die Tür ging auf und sie stand in ihrem Zimmer. Es waren eindeutig ihre eigenen Möbel, aber das Zimmer war größer als ihr altes und so wirkte die Einrichtung ganz anders. Sie blickte sich um und fühlte sich auf Anhieb ganz zuhause. Nach dem sie ihr Gepäck abgestellt hatte, legte sie sich auf ihr Bett und merkte, dass sie langsam müde wurde.
In New York war sie um neun Uhr los gefahren. Hier in England war es jetzt zwei Uhr morgens, was bedeutete, dass sie seit zwölf Stunden auf den Beinen war. In den nächsten Tagen würde sie sich auf die neue Zeit umstellen müssen. Auf einmal fünf Stunden geschenkt zu bekommen ist auch nicht so vorteilhaft, wie man sich das vorstellte.
Charlie raffte sich hoch und schrieb schnell einen Brief an ihre Eltern, in dem nur stand, dass sie gut angekommen war. Dann packte sie die nötigsten Sachen aus und begab sich auf Entdeckungsreise nach dem Waschraum.
Sie öffnete die erste Tür, die so aussah, als ob hinter ihr kein bewohntes Zimmer lag. Soweit Charlie im Halbdunkeln erkennen konnte - sie hatte das helle Flurlicht noch nicht gefunden, so dass nur die Notbeleuchtung leuchtete - war es die Küche. Hinter der nächsten Tür, die sie öffnete, lag eine Art Gemeinschaftsraum. Bei dem dritten Raum, den sie betrat, hatte sie dann endlich Glück und stand im Badezimmer.
Nachdem sie wieder in ihr Zimmer zurückgekehrt war, lag sie noch lange wach und grübelte darüber nach, wie viele Zimmernachbarn es in dieser Wohngemeinschaft wohl gab und hoffte, dass sie mit allen gut zurechtkommen würde.
Als Charlie am nächsten Morgen aufwachte, hatte sie nicht das Gefühl lange geschlafen zu haben. Sie überlegte, warum sie wach geworden war, wurde aber gleich aufgeklärt, da sich direkt vor ihrer Tür lautstark unterhalten wurde.
Mit einem Blick auf die Uhr fiel ihr auf, dass sie höchstens sechs Stunden geschlafen haben konnte. Es war neun Uhr. Charlie rollte sich müde in ihrem Bett hin und her, aber da der Lärm draußen nicht leiser wurde und sie langsam neugierig auf ihre Mitbewohner wurde, beschloss sie aufzustehen.
Sie zog sich schnell etwas über und öffnete die Tür. Zwei Augenpaare starrten sie erschrocken an und die dazugehörigen Mädchen plapperten gleich los. „Oh, Entschuldigung, wir haben nicht…." – „ähm, wir wollten nicht…" – beide sahen sich an und schwiegen.
Charlie grinste: „Also erstmal: Hallo, ich bin Charlotte Howland, ich bin die Neue aus Amerika. Und wenn ihr beide gleichzeitig redet, kann ich euch nicht verstehen."
„Ach ja, du solltest ja heute ankommen. Ich hätte nicht gedacht, dass du schon da bist…" fiel die Rechte gleich wieder in ihren Redeschwall zurück.
Diesmal wurde sie aber von der anderen unterbrochen, die meinte: „Sara, jetzt stell dich doch erstmal vor, du hast schon noch genug Zeit, um die Neue zuzuquasseln!"
Sie wandte sich an Charlie „Also, Hallo erstmal, ich heiße Samantha, werde aber nur Sam genannt, und das hier ist Sara. Und du heißt Charlotte?"
Charlie nickte. „Ja schon, aber ich werde eigentlich nur Charlie genannt".
Sam grinste und antwortete „Toll, noch eine, die mit einem Jungennamen abgekürzt wird."
Jetzt mischte sich auch Sara wieder in das Gespräch ein. „Haben wir dich geweckt?" fragte sie und meinte dann „komm, wir stellen dir die anderen Leute auf unserem Flur vor. Die werden auch wach geworden sein." Sie grinste und fuhr fort „du musst jetzt aber nicht denken, dass wir uns jeden Morgen auf den Flur stellen, um alle anderen aufzuwecken, das passiert nur alle drei Tage mal," sie lachte, „Nein, das war jetzt nicht so ganz ernst gemeint."
Sam bremste Sara wieder aus, drehte den Kopf Richtung Charlie und sagte „Du darfst Sara nicht allzu ernst nehmen. Sie ist nun mal unsere Quasseltante, aber du hast doch bestimmt tausende von Fragen, die du loswerden willst, oder?"
Erleichtert gleich auf zwei nette Mädchen getroffen zu sein, antwortete Charlie „Ja, aber vor allem brauch ich so was wie eine Stadtführung. Und wenn ihr mir sagen könntet, wer hier noch alles so wohnt, wäre das auch Klasse."
Sara sprudelte gleich los „also ich wohne ganz am Ende des Flurs auf der rechten Seite, Sam wohnt gegenüber. Neben mir das Zimmer gehört Jim Downey und daneben wohnt David McGinty, dann kommt Lauren Richards' Reich. Im nächsten Zimmer wohnt Jonathan Davis nebenan liegt deins."
„Ja, und neben mir lebt Benjamin Graham", führte Sam weiter, „Dann Nicholas Fisher und daneben wohnt Anna Jones. Neben Anna kommt das Zimmer von Jeremy Brown und bei dir gegenüber wohnt Hermine Granger."
