Disclaimer wie immer im 1. Kapitel..


5. Die erste Vorlesung

Am Sonntag Abend lag Charlie in ihrem Bett und konnte nicht einschlafen. Sie konnte ihr Herz pochen hören. So aufgeregt war sie lange nicht mehr gewesen. Hermine hatte ihr versprochen, morgen nicht ohne sie loszugehen. Dafür war Charlie ihr dankbar gewesen, denn sie hatte an ihrem ersten Schultag verschlafen und das sollte ihr nicht noch einmal passieren.

Sie ließ die letzten Tage noch mal an sich vorbei ziehen. Nach und nach hatte sie alle ihre Mitbewohner kennen gelernt. Sie schienen sehr nett zu sein. Nur Anna kam Charlie etwas komisch vor. Sie machte kaum etwas mit den anderen. Auch Hermine setzte sich öfter ab, aber sie tat es wohl immer um zu lernen.

Charlie war sich im Laufe der letzten Tage immer sicherer geworden, dass sie Hermine mochte. Auch wenn diese manchmal etwas zu vernarrt in ihre Bücher war. Aber immerhin konnte Hermine ihr dann helfen, falls sie mal nicht so gut war.

Am nächsten Morgen erwachte Charlie von einem dumpfen Pochen an der Tür. Hatte sie etwa verschlafen? Wieder klopfte es. Ach ja, sie hatte Hermine ja gebeten, dass sie sie abholt. Ihr Blick wanderte zur Uhr. Der Wecker musste vor einer Viertelstunde geklingelt haben. Plötzlich war sie hellwach. Sie sprang aus dem Bett und rannte zur Tür.

Hermine stand grinsend davor. „Du hast doch nicht wirklich verschlafen, oder?"

Charlie war überrumpelt, woher wusste Hermine das? Dann fiel ihr ein, dass sie ziemlich verschlafen aussehen musste und noch nicht angezogen war. „Doch habe ich und das bestimmt nicht mit Absicht", antwortete sie etwas mürrisch.

„Och komm, das schaffst du schon noch!" beschwichtigte Hermine, „Wir haben ja noch ein bisschen Zeit."

Charlie beruhigte sich langsam. Wenn sie sich beeilte, würde sie schon noch rechtzeitig fertig werden. Und wenn nicht, könnte sie ja immer noch ein paar Zaubersprüche zur Hilfe nehmen. Dafür musste aber erst Hermine von hier verschwinden. Leider machte diese nicht den Eindruck, dass sie sich noch mal wegschicken lassen würde. Also hieß es sich auf Muggelart zu beeilen.

Sie schaffte es sogar ziemlich pünktlich fertig zu werden. Hermine begutachtete noch mal ihre Tasche um zu überprüfen, ob auch alles da war und los ging es.

Auf dem Unigelände angekommen, meinte Hermine: „So, dann zeig mir doch mal, was du von der Führung letztens behalten hast und führe uns zum Hörsaal. Schließlich sollst du den auch alleine finden können."

Überrascht schaute Charlie auf, sie hatte fest damit gerechnet einfach nur hinter Hermine hergehen zu müssen. Aber so wie sie Hermine kennen gelernt hatte, wäre es eigentlich nicht schwer gewesen, so was von ihr zu vermuten. Sie sah sich suchend um. Ah ja, den Weg kannte sie, da ging es zur Bibliothek, ach nein, sie wollte sich ja ‚Bücherei' angewöhnen. Also da lang ging es zur Bücherei. Dann musste sie einfach die Strasse links davon nehmen und würde direkt auf den Hörsaal zukommen. Sie setzte sich in Bewegung.

Hermine ging ihr hinterher, meinte dann aber grinsend: „Nur mal so nebenbei: Wo willst du eigentlich hin? Zum Hörsaal III geht es hier nicht lang."

„Och man Hermine, es ist schon so spät, ich will noch einen vernünftigen Platz haben, kannst du nicht ne Ausnahme machen, und mir sagen, wo es längs geht?" fragte Charlie, nach dem sie sich alle Wege noch mal angesehen hatte.

Hermine nickte und zog sie in die Strasse rechts von ihnen. Kurze Zeit später kamen sie an und bekamen gerade noch zwei Plätze nebeneinander.

Dann passierte allerdings erstmal gar nichts. Kein Professor kam. Nach ein paar Minuten wurde es laut im Hörsaal. Alles plapperte durcheinander. Charlie guckte Hermine verunsichert an. „Ist irgendwas passiert? In meiner Schule kamen die Lehrer nie zu spät. Die Schüler bekamen immer Punkte abge… ähm.. Ärger, wenn sie zu spät kamen."

Hermine sah sie nachdenklich an und meinte flüsternd und etwas unsicher: „Hm, bei mir waren die auch nie zu spät, aber hier scheint das normal zu sein, so wie die anderen sich unterhalten."

Charlie wunderte sich, was Hermine mit ‚hier' meinte, schließlich war sie doch in England zur Schule gegangen. Aber wahrscheinlich meinte sie einfach nur hier in der Uni. Hermine stupste sie an: „Der Professor kommt. Meinst du, wir sollten den anderen Bescheid sagen? Die müssen doch leise werden!" Leicht panisch sah sie zur Tür.

Warum war Hermine so panisch, dachte Charlie, solange der Professor noch nichts sagen wollte, war es doch okay zu reden. Jedenfalls war es bei ihr so gewesen. Vielleicht ist das in England anders, schließlich trug man hier auch noch Schuluniformen, aber dann würden die anderen doch auch Bescheid wissen. Irgendwie kam ihr das komisch vor.

Der Professor war an seinem Platz angekommen und begrüßte sie alle freundlich: „Guten Morgen meine Damen und Herren! Herzlich Willkommen in ihrem ersten Semester. Ich hoffe wir werden alle gut zusammenarbeiten." Schusselig blickte er umher. „ähm, ja, womit fangen wir an? Ach ja, würden..", er blickte durch die Reihen, „..sie bitte einmal die Tafel putzen Miss?" Er sah Charlie direkt in die Augen.

„Ähm…" sie wusste nicht was sie sagen sollte. Tafel putzen? Das hatte sie noch nie gemacht! Aber ihr blieb wohl nichts anderes übrig. Sie stand auf und ging nach vorne. Hätte sie jetzt wenigstens ihren Zauberstab dabei, dann könnte sie immer den Teil, den sie mit ihrem Körper bedeckte säubern, aber er lag zuhause in ihrem Nachtschrank, damit sie nichts Dummes damit tun konnte.

„Ja..", meinte der Professor, „Ich fang dann in der Zwischenzeit schon mal an. Mein Name ist Professor John Dowd. Sie können sich gerne mit Ihren Problemen an mich wenden. Mein Büro liegt… ach, fragen sie einfach jemanden, der wird's schon wissen."

Wie wischte man bloß eine Tafel? Charlie hörte ihm nur halb zu, während sie überlegte. Trotzdem hörte sie jemanden „der weiß doch selber nicht wo sein Büro liegt" flüstern. Ihre Augen wanderten umher. Da lag ein Schwamm, wird der benutzt? Sie nahm ihn unsicher in die Hand, er war noch ein bisschen nass. Wahrscheinlich brauchte man Wasser. Sie sah sich um, ja, da war ein Wasserhahn.

Während sie verzweifelt versuchte die Tafel wenigstens halbwegs sauber zu bekommen, ohne das auffiel, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben eine Tafel wischte, redete Professor Dowd immer weiter: „ja, wo hab ich denn die Übersicht schon wieder… ach, da ist sie ja! Also wir werden uns nach der Einführung um die elementaren Kenntnisse der Medizin kümmern.Hierzu werde ich Ihnen demnächst Referatsthemen wie zum Beispiel Anatomie, Physiologie, Biochemie oder Genetik verteilen."

Nachdem sie die Tafel mehr schlecht als recht geputzt hatte, setzte sich Charlie wieder neben Hermine. Diese sah den Prof mit großen Augen an und schrieb alles fein säuberlich mit. „Den Anfang kannst du nachher von mir abschreiben", zischte sie Charlie zu.

„….kommen wir zur Übersicht diagnostischer und therapeutischer Verfahren in der Medizin. Und damit wird das erste Semester wahrscheinlich schon wieder vorbei sein. Und das war es auch schon mit unserer ersten Vorlesung. Denn getreu dem Motto ‚prima lectio brevis est' ist die erste Lektion kurz!"

Charlie schaute verdutzt auf. Das sollte es für heute gewesen sein? Sie hatte doch nichts mitbekommen! Nach der Tafelwischaktion war sie so erleichtert gewesen, das alles gut gegangen war, dass sie nicht mehr aufgepasst hatte. Sie sah zu Hermine.

Diese sah immer noch ganz enttäuscht aus. „Das kann doch noch nicht alles gewesen sein! So was hätte es bei uns auf der Schule nicht gegeben, einfach eine Stunde zu kürzen." Ihr Gesicht erhellte sich. „Na ja, egal. Ich wollte mich heute mit ein paar Freunden von früher treffen, die kommen mich aus London besuchen. Hast du Lust mitzukommen? Die dürften schon im Nelson sitzen."

Charlie überlegte nicht lange. „Klar komme ich mit! Wenn ich euch nicht störe."

„Tust du nicht", antwortete Hermine und zog sie aus dem Hörsaal.