Kapitel Fünf
Hermine war früh aufgestanden und schnell aus ihren gemeinsamen Räumlichkeiten mit Draco geflüchtet. Sie vertraute der freundlichen Stimmung von der Nacht nicht und irgendwo wusste sie, dass es nur ein Ausrutscher gewesen war. Allerdings konnte sie auch keine Erklärung finden, warum er sich so verhalten hatte. Am besten sie strich diese Erinnerung aus ihrem Gedächtnis, es würde sich sicherlich als richtig erweisen. Wie Recht sie hatte, sollte sie erst am Abend erfahren.
Hermine wartete auf Ron am Fuße der Marmortreppe und nahm ihn sogleich in Beschlag, als er in ihre Nähe kam. Sie zog ihn in Richtung Schlossportal, mit der Begründung, dass sie mit ihm reden müsse. Ron folgte ihr ein wenig perplex. Unter der Tanne am See hielten sie an und ließen sich auf die Bank sinken.
„Ron, ich möchte mich für mein Verhalten entschuldigen, es war ... unfair dir gegenüber. Ich hätte dich nicht so zur Schnecke machen sollen. Es war einfach ein schlechter Tag für mich, ich will nur, dass du weißt, dass es mir nichts ausmachst, wenn du meinen Beschützer spielst, sobald du nicht, wenn ich eine Sekunde über die Zeit bin, die halbe Schule auf den Kopf stellst. Ich bin siebzehn Jahre alt, da kann man gut auf sich selber aufpassen."
„Ist gut, Hermine, ich hab schon verstanden. Komm aber nicht zu mir und beschwer dich, wenn ich mich nicht mehr darum schere, wo du warst, was du gemacht hast und ob es dir gut geht. Ich habe auch keine Lust, ständig als hyperempfindlicher Kerl dargestellt zu werden. Du entschuldigst, ich möchte Essen gehen."
„Ron --", sagte Hermine, doch er unterbrach sie:
„Lass es gut sein, Hermine." Ron stand auf und verschwand in Richtung Schloss, ließ eine sehr überraschte und traurige Hermine hinter sich.
So habe ich das doch gar nicht gemeint, dachte sie betrübt, stand auf und ging ihrem besten Freund hinterher. Im Moment schien aber auch alles schief zu laufen. Sie betrat die große Halle und ließ sich neben Ginny auf die Bank fallen.
„Was ist los?", fragte diese sogleich, als sie den Gesichtsausdruck ihrer besten Freundin bemerkte.
„Nichts", log Hermine, achtete nicht auf den ungläubigen Blick, den Ginny ihr zu warf.
„Du weißt, dass du zu mir kommen und mit mir über alles reden kannst, Mine?" Hermine lächelte und nickte.
„Natürlich." Sie aßen schweigend und Hermine verließ die große Halle, sobald der letzte Bissen von ihrem Toast heruntergeschluckt war. Ihr Weg führte sie in die Bibliothek, wo sie sich ein Buch aus dem Regal zog und sich darin vertiefte. Die Ruhe sollte aber nicht lange sein, denn Harry kam, ließ sich ihr gegenüber auf einen Stuhl fallen und starrte sie an. Entnervt hob Hermine den Kopf und warf ihm einen fragenden Blick zu.
„Habt ihr euch gestritten?"
„Wen meinst du?"
„Dich und Ron. Er hat so einen komischen Gesichtsausdruck gehabt, den man zwischen Traurigkeit und Unzufriedenheit, deuten konnte", erklärte er und Hermines Gesicht verdunkelte sich.
„Nein, haben wir uns nicht, ich habe mich bei ihm entschuldigt und ihm gesagt, dass er von mir aus weiterhin den tapferen Ritter spielen soll, nur nicht so übertrieben. Er meinte aber, dass er es schon verstanden hätte und dass er keine Lust hat, von mir ständig als hyperempfindlicher Kerl dargestellt zu werden und dann ... dann ist er gegangen."
„Einfach so?", fragte Harry ein wenig überrascht und Hermine nickte.
„Habe ich irgendetwas falsches getan?", fragte Hermine ihn und Harry runzelte die Stirn.
„Nein, aber Hermine, du musst verstehen, dass wir uns einfach Sorgen um dich machen. Du hast dich verändert, in den letzten zwei Jahren. Vielleicht ist es dir nicht aufgefallen, uns schon. Wir kennen dich, Mine und wollen dich nicht verlieren. Wenn wir uns so aufspielen, wie du es nennst, dann machen wir das, weil wir nicht wollen, dass dir etwas passiert. Und diese Befürchtungen dürfen wir ja wohl haben, wenn du alleine mit dem Frettchen in gemeinsamen Räumlichkeiten sein musst, glaub mir, weder Ron noch ich möchten mit dir Tauschen!" Hermine hatte den Mund gehalten und ihm zu gehört. Schlechtes Gewissen hatte sich bei ihr eingeschlichen und nagte in ihren Gedanken.
„Aber Ron hat es so kalt gesagt, so als würde es ihn nicht interessieren, ob er mich damit verletzt oder nicht."
„Ron ist auch nur ein Mensch, der es einfach nicht mehr ertragen kann, wenn man ihn die ganze Zeit auf seine Fehler hinweißt. Und um ehrlich zu sein, Hermine, mir gehen euere ständigen Sticheleien auch auf den Geist. Wieso schafft ihr es nicht, wenigstens eine Woche normal miteinander zu reden? Wir schaffen das doch auch und zwischen mir und Ron besteht kein großer Unterschied."
„Zwischen euch liegen Welten", murmelte Hermine. Harry zog eine Augenbraue in die Höhe, erhob sich dann und meinte:
„Ich wollte dir das nur sagen, damit du weißt, wieso wir das machen. Wir lieben dich, wie als wärst du unsere Schwester, Hermine. Denk darüber nach und versuch einfach, normal mit Ron zu reden." Er lächelte sie an und ehe er gehen konnte, hatte sich Hermine mit einem geflüsterten: „Oh Harry!", in seine Arme geschmissen und ihr Gesicht gegen sein T-Shirt gedrückt. Harry hielt sie fest und Hermine genoss einfach das Gefühl, von jemandem festgehalten zu werden, auch wenn es rein freundschaftlich war.
„Ich liebe euch doch auch, ihr Dummköpfe", murmelte sie und löste sich Lächelnd von ihm.
„Das wissen wir, Hermine", erwiderte Harry grinsend. Schritte näherten sich von hinten und sie hörten Rons Stimme:
„Ach hier bist du, Harry." Doch ehe Harry antworten konnte, war Hermine an ihm vorbei getreten und hatte sich vor Ron gestellt.
„Ron, lass uns das Gespräch am See vergessen, ja, sei wieder normal, bitte." Ron sah mit gerunzelter Stirn auf sie hinab und wandte sich dann mit einem fragenden Blick an Harry.
„Was hast du mit ihr gemacht?"
„Nichts", antwortete Harry ihm grinsend.
„Er hat mich nur aufgeklärt und jetzt spiel nicht den Beleidigten, Ron", sagte Hermine und boxte ihm freundschaftlich auf den Arm.
„Ey", grummelte Ron, „Hermine, dass kannst du doch nicht machen." Sie grinste.
„Wenn du wüsstest."
Hermine hatte sich nach dem Abendessen von ihnen verabschiedet, mit der Begründung, sie wolle noch Duschen und früh Schlafen gehen, damit sie ausgeruht für den morgigen Tag war. Sie hatte drei Bücher im Arm, als sie den Gemeinschaftsraum betrat. Sie erblickte Draco und Parkinson auf einem Sessel, sie saß ihm auf dem Schoß und murmelte ihm etwas ins Ohr. Hermine konnte das leise Knurren von Draco hören, schluckte und räusperte sich.
„Das Schlammblut", zischte Parkinson und warf ihr einen angeekelten Blick zu, den Hermine nur erwiderte.
„Ist was, Granger?", schnarrte Malfoy fragend, doch sie beachtete ihn nicht, focht sie doch einen stummen Kampf mit Parkinson aus.
„Schau an, schau an, sie hat sich wieder Bücher geholt, will wahrscheinlich wieder Lernen, damit sie bloß wieder der Liebling der Lehrer sein kann. Oder aber sie hat keinen anderen als die Bücher."
„Halt die Klappe, Parkinson."
„Du hast ihr nicht den Mund zu verbieten, Schlammblut", zischte Draco und es war wieder seine alte, hasserfüllte Stimme.
„Ich verbiete jedem den Mund, der, wenn er ihn aufmacht, nur Scheiß erzählt. Aber wie konnte ich das vergessen, man braucht ja kein Gehirn um sich an jeden Jungen ranzuschmeißen, der einem in den Weg kommt. Wie viele waren es denn schon, Parkinson."
„Das geht dich nichts an, mich will man wenigstens, dich schaut doch keiner außer Wiesel oder Potter mit dem Arsch an."
„Du magst vielleicht für eine Nacht gut sein, aber in Wahrheit will dich keiner." Parkinson war aufgesprungen und die beiden starrten sich an.
„Verpiss dich, Granger", knurrte Draco, der ebenfalls aufgestanden war.
„Ich kann bleiben wo ich will, dass ist auch MEIN Raum, wenn ich dich höflich darauf hinweisen darf und ich habe keine Lust, dass du dich hier mit irgendeinem Lustmädchen vergnügst. Dazu ist hier drin alles viel zu Schade."
„Granger, ich warne dich", flüsterte Malfoy warnend.
„Was willst du machen? Zu deinem Daddy rennen und ihn um Hilfe bitten? Das ist arm, Malfoy, ärmer geht es beinahe nicht mehr."
„Du willst nicht wissen, was ich mit dir mache", sagte er und seine Stimme war kalt, gefüllt von Hass und Wut. Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus.
„Verpiss dich, Parkinson, ich will dich hier in meiner Anwesenheit nicht mehr sehen", wandte sie sich zischend an das Mädchen, was sich demonstrativ nah zu Draco hingestellt hatte.
„Meinst du wirklich, dass ich von einem Schlammblut wie dir Befehle entgegen nehmen, pah, so weit kommt es noch."
„Geh, Pansy, wir sehen uns morgen." Hermine feixte bei dem Gesichtsausdruck, der sich auf ihr Gesicht gelegt hatte.
„Aber, Draco --", er unterbrach sie kalt:
„Ich habe gesagt, du sollst gehen." Grummelnd nahm Parkinson ihrer Tasche und verließ mit einem hasserfüllten Blick auf Hermine den Raum. Das breite Grinsen auf ihrem Gesicht verschwand, als Draco auf sie zu ging. In seinen Augen loderte etwas Ungewisses. Sie wich zurück, so weit es ging, stieß dann jedoch gegen den Tisch und er war schon so nah, dass sie nicht mehr zur Seite hin ausweichen konnte. Angsterfüllt starrte sie hoch in seine grauen Augen. Draco stützte sich mit beiden Händen auf der Tischplatte ab, Hermine beugte sich zurück.
„Wage es nicht noch einmal, etwas gegen meine Besuche zu sagen, hast du verstanden? Wenn du es dennoch machst, dann garantiere ich für nichts und dann kann dir kein Potter, kein Weasley und kein Dumbledore mehr helfen." Obwohl seine Stimme so leise war, dass man sie kaum verstand, brannten sich die Wörter in ihr Gedächtnis. Draco stieß sich vom Tisch ab und ging mit einem vernichtenden Blick die Treppen hinauf in sein Zimmer. Hermine sackte in sich zusammen und beruhigte sich nur langsam. Sie hatte Angst gehabt, wirklich Angst, noch nie war ihr Draco so bedrohlich vorgekommen.
A/N Wieder herzlichen Dank an Jannilein und alle, die meine Story lesen ... ich hoffe, ich hab den Ausrutscher vom letzten Chap. wieder einigermaßen hinbekommen...wenn da kein Hass in Dracos Stimme war, dann weiß ich auch nicht mehr weiter ;) R&R
