Kapitel Neunundvierzig
Die Wärme des Wasser hatte ihr gut getan, ihre Nackenschmerzen waren verschwunden, ihr Gedanken hatten sich entspannt. Und auf ihren Lippen lag immer noch der Geschmack von Ron. Hermine seufzte. Sie hasste Gefühlschaos. Wenn sich Draco doch wenigstens melden würde, nur einmal, sagen würde, dass es ihm gut ging, dass er noch lebte. Doch sie konnte natürlich auch die Gefahr verstehen, die es bedeuten würde, Kontakt zu ihr aufzunehmen.
Vielleicht hatte er ja doch nur mit ihr gespielt...
Nein, solche Gedanken durfte sie nicht zulassen. Ihr Blick fiel auf den Ring an ihrem Finger und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Warum tat er das? Diese Frage hatte sie sich in den letzten Tagen so oft gestellt und doch nie eine Antwort erhalten. Es schmerzte sie und die Erkenntnis, dass Liebe einem solche Qualen zufügen konnte, war unbegreiflich. Auf der einen Seite war sie lindernd, schön, beruhigend und auf der anderen Seite war sie kalt, hässlich und sie zerriss einem das Herz in der Brust. Hermine schluchzte auf. Nur ein Wort, nur ein Satz. Die Versicherung, dass er lebte und liebte.
„Ruhe bitte", die Stimme von Professor Dumbledore schallte durch die Große Halle. Vier Wochen, das Zeitlimit, welches man Draco gesetzt hatte, es war vorbei. Nun würde ein neuer Schulsprecher ernannt werden und der Ausdruck auf Seamus Gesicht zeigte deutlich, dass er sich sehr sicher wähnte. Hermine räusperte sich, achtete nicht auf den Kloß in ihrem Hals. Hieß diese Wahl nicht, dass Professor Dumbledore und die anderen Draco aufgegeben hatten?
„Ich möchte folgendes bekannt geben", die Stille, die sich über die Halle gesenkt hatte, wirkte beinahe unwirklich, „da unser alter Schulsprecher, Mr. Malfoy aus, uns unerfindlichen Gründen die Schule hinter sich gelassen hat, sehen wir uns dazu verpflichtet der jetzigen Schulsprecherin, Miss Granger eine neue Kraft zur Seite zu stellen. Die vorstehenden Professoren der Häuser haben mich dadurch unterstützt, indem sie mit ihren Schützlingen gesprochen haben. Leider, wie ich sagen muss, hat sich nur einer klar für das Amt ausgesprochen, womit unsere Entscheidung nun auch feststeht." Er machte eine verheißungsvolle Pause und Hermine warf einen Blick auf die Decke. „Ich freue mich bekannt geben zu dürfen, dass sich Seamus Finnigan aus Gryffindor bereit erklärt hat, das Amt des Schulsprechers zu übernehmen. Ich möchte ihn und Miss Granger bitten, nach dem Essen zu mir in die kleine Stube hinter dem Lehrertisch zu kommen. Und nun wünsche ich guten Appetit." Beifall brandete auf, nachdem sich der Schulleiter niedergelassen hatte. Niemand schien Draco zu vermissen und Hermine fragte sich, ob es überhaupt welchen aufgefallen war, dass er nicht mehr in der Schule weilte.
Harry, Ginny und Ron, der ihr einen leichten Kuss auf die Wange gab, schenkten ihr aufmunternde Lächeln. Sie konnte nicht verstehen, dass sie litt, wie auch? Schließlich hatten sie ihn immer gehasst. Vielleicht verstand Ron sie, ein Trost, ein großer Trost...
„Ah, da sind Sie ja", begrüßte sie Professor McGonagall, die, wie unschwer zu erkennen war, sichtlich stolz auf ihrer beiden Schützlinge war. Seamus stand am Kamin, die Flammen fielen auf sein Gesicht und brachten seine grünen Augen zum Leuchten. Auch Professor Snape war anwesend, doch Hermine konnte sich nicht vorstellen, dass es ihm Spaß machte zu sehen, wie der Posten seines besten Schülers erneut besetzt wurde. „Ich kann sicherlich davon ausgehen, dass Sie Mr. Finnigan helfen, sich gut in das neue Amt einzuleben. Es kommt sehr selten vor, dass wir mitten im Schuljahr einen neuen Schulsprecher wählen müssen, aber in Zeiten wie diesen--", sie verstummte und warf einen Blick in die Richtung von Professor Snape. Die Tür wurde erneut geöffnet, die Portraits an den Wänden lächelten, als sie den Schulleiter erkannten, der kauend das Zimmer betrat.
„Mr. Finnigan, Miss Granger. Ich denke, sie beide werden ein ebenso gutes Team sein, wie Mr. Malfoy und Miss Granger zuvor."
„Ich werde mein bestes tun, Professor Dumbledore", sagte Seamus leise und lächelte versonnen.
„Ich denke, davon darf ich ausgehen. Miss Granger, es mag zwar eine schwere Situation für sie sein, doch ich bin mir sicher, dass sie es meistern werden. Irgendwo findet man immer Linderung." Er zwinkerte ihr zu und sprach dann weiter:
„Ihre nächste große Aufgabe wird es sein, den Abschlussball so vorzubereiten, dass in jedem Gemeinschaftsraum Zettel aushängen und die Anmeldungen zu eben jenem Ball spätestens zwei Wochen vorher bei mir auf dem Tisch zu legen. Die Planung an sich wird von Professor McGonagall in die Hand genommen." Hermine nickte, achtete nicht auf Seamus, sondern fragte:
„Wird Seamus in das Zimmer von ... von Mr. Malfoy ziehen?" Professor Dumbledore lächelte.
„Wo soll er denn sonst wohnen, meine Liebe?", fragte er und Röte schlich sich auf Hermines Wangen. „Nun denn, ich denke, Mr. Finnigan, Sie wollen so schnell wie möglich Ihr neues Quartier beziehen, Sie sind dann hiermit entlassen, Miss Granger wird Ihnen alles weitere erklären." Mit einem letzten Blick auf die beiden verließ Professor Dumbledore den kleinen Raum, McGonagall zögerte kurz, doch dann folgte sie ihm. Snape blieb in der dunklen Ecke stehen und Seamus räusperte sich.
„Wollen wir dann?", fragte er lächelnd und Hermine hob die Augenbraue. So freundlich? So falsch? Sie zuckte mit den Schultern und ging auf die Tür zu. Ehe sie allerdings einen Fuß in die Große Halle setzen konnte, schoss der Arm von Professor Snape vor und umklammerte ihr Handgelenk. Für einen Moment schockiert über die rohe Behandlung ihres Lehrers, keuchte Hermine auf.
„Professor?" Sie sah ihn fragend an, doch Snape schnarrte nur in Richtung Seamus:
„Gehen Sie doch schon einmal vor, Mr. Finnigan. Miss Granger wird Ihnen in wenigen Minuten folgen." Seamus verließ den Raum und Snape knallte die Tür hinter ihm ins Schloss.
„Ich weiß, dass ich mich dafür noch lange hassen werde, aber --", er verstummte und drückte Hermine etwas in die Hand. Sie runzelte die Stirn, doch ein Blick auf den Umschlag ließ ihr Herz höher schlagen.
„Woher?"
„Das geht Sie nichts an, Granger. Lesen Sie ihn und verbrennen Sie ihn danach, ansonsten kann ich Ihnen für nichts garantieren. Ich habe ihm gesagt, dass es eine Dummheit ist, aber er wollte nicht hören. Ach und noch etwas, hängen Sie es nicht an die große Glocke, niemand in der Schule muss es erfahren."
„Wo ist er, Professor, wo?"
„Miss Granger", knurrte Snape warnend und Hermine verstand.
„Ich danke Ihnen", flüsterte sie mit erstickter Stimme und bemühte sich die Tränen hinunter zu schlucken.
„Bloß nicht sentimental werden", zischte ihr Zaubertranklehrer und rauschte aus dem Raum. Hermine folgte ihm, sobald sie sich sicher war, dass ihr die Verwirrung nicht auf dem Gesicht geschrieben stand und Seamus keine Angriffsfläche hatte.
„Hermine? Alles in Ordnung?", fragte er leise und beugte sich zu ihr hinunter. Er war anderthalb Köpfe größer als sie und die blondroten Haare fielen ihm in die Augen.
„Natürlich ist alles in Ordnung", sagte sie mit emotionsloser Stimme, blickte ihn fragend an und suchte sich dann ihren Weg hinaus aus der großen Halle.
Ich weiß, dass du es mir vielleicht nicht verzeihen kannst, aber ich dachte, die Wut, die du empfindest, würde dir helfen zu vergessen. Hier, wo ich jetzt bin ist kein Platz mehr für Liebe oder Erinnerungen an die Wärme, die du mir gegeben hast. Dies ist ein Abschiedsbrief, My Lady, und du kannst dagegen nichts tun. Ich hatte Gründe, dich einfach so zu verlassen, ohne ein Wort, ohne Abschied. Hätte ich es mit einem getan, ich weiß nicht, ob ich es gekonnt hätte. Severus war so nett und vermittelt diesen Brief an dich weiter. Er hat ihn nicht gelesen, er vertraut mir und ich vertraue ihm. My Lady, es wäre einfacher, viel einfacher gewesen, wenn sich zwischen uns beiden keine Liebe entwickelt hätte. Niemand hätte mich zögern lassen, aber du hast mir die Augen für eine Welt ohne Hass geöffnet, ohne Brutalität, die es hier nur umso mehr gibt. Deswegen bitte ich dich in diesem Brief inständig darum, mich zu vergessen, unsere Zeit, die wir zusammen verbracht haben so weit wie möglich verschwinden zu lassen. Niemand soll dich daran hindern, dich zu erinnern, doch tu es, wenn du dir sicher bist, ungestört zu sein...
Pass auf dich auf...
D.M.
Tränen glitzerten in ihren Augen, sie tropften auf das Pergament und ließen die Tinte vor ihren Augen verschwimmen, lösten sie von dem Pergament und ließen die Tinte verlaufen. Dies war also das Ende? Nein. Sie würde ihn nicht vergessen können, niemals. Ebenso wenig die Zeit, die sie zusammen verbracht hatten. Was er verlangte war unvorstellbar. Zorn wallte in ihr auf, ihre Hände krallten sich um den Brief, waren kurz davor ihn ins Feuer zu werfen.
„Denkst du denn wirklich, ich würde dich hassen oder sauer auf dich sein? Wie sollte ich das können?", flüsterte sie leise in die glühende Asche des Feuers und wischte sich mit einer Hand über die Wange.
Hermine stand auf und warf sich einen Umhang um die Schultern, verließ den Gemeinschaftsraum und fand ihren Weg hinaus auf die Ländereien.
Es war Vollmond, das Licht glitzerte auf der spiegelglatten Oberfläche des Sees. Etwas schoss aus dem Wasser, verschwand beinahe sofort wieder und von der Stelle, wo es wieder ins Wasser getaucht war, breitete sich ein Wellenring aus, der das Spiegelbild des Mondes verschwimmen ließ. Eine leichte Brise wehte, welche nach Frühling roch. Normalerweise hätte sie glücklich sein sollen, aber sie konnte es nicht.
Die Prüfungen würden Ende Juni anfangen und ihre ganze Konzentration fordern. Wieso konnte Draco nicht einfach jetzt ganz plötzlich hinter ihr stehen, seine Arme um ihre Hüfte schlingen und ihr versichern, dass alles in Ordnung war? Hatte sie nicht schon immer gewusst, dass ihre Beziehung keinen Sinn hatte? Warum unternahm sie nicht etwas, etwas, was ihn zurück brachte.
„Du solltest nicht hier draußen sein", sagte eine leise Stimme und Hermine wirbelte herum. Hinter ihr stand Blaise, der Mond schien auf sein Gesicht, seine Augen musterten sie.
„Was machst du hier?", fragte Hermine, während sie ihren Blick wieder auf den See richtet. Blaise stellte sich neben sie, richtete seinen Blick auch auf den See hinaus.
„Die gleiche Frage könnte ich dir stellen." Unweigerlich musste Hermine lächeln.
„Weißt du, wo er ist?"
„Nun, der ganze Slytheringemeinschaftsraum weiß wo er ist." Hermine blickte ihn von der Seite an und Blaise, der es bemerkte, lächelte.
„Aber du willst mir nicht sagen, wo er ist, habe ich recht?"
„Hast du." Sie seufzte.
„Warum bist du hier?"
„Du hast seinen Brief bekommen?" Hermine zog eine Augenbraue in die Höhe, nickte. „Du hast ihn gelesen?"
„Ist das ein Verhör oder was? Woher weiß ich ... woher weiß ich, ob du mir nicht irgendwelche Informationen abpressen willst?"
„Hermine", sagte er eindringlich, blickte sie an und schien seinen Blick in ihrem zu versenken. „Wenn du ihn gelesen hast, dann tu verdammt noch einmal, was er dir geschrieben hat. Es ist nur zu deinem besten. Meinst du ehrlich, er würde dir Sachen sagen, die er nicht ausdrücklich meint? Vergiss ihn und biete keine Angriffsfläche für den Dunklen Lord."
„Ich kann ihn nicht vergessen, es geht einfach nicht." Blaise schüttelte stöhnend den Kopf und drückte eine Hand gegen seine Stirn.
„Warum bist du so unglaublich stur?"
„Warum redest du mit mir?"
„Weil er gesagt hat, dass ich dir wenn nötig irgendetwas verabreichen soll, damit du ihn endlich vergisst."
„Liebt er mich denn gar nicht? Hat er etwa nur mit mir gespielt? Hm?", fragte sie fauchend und versuchte in seinen Augen zu lesen, doch sie schienen nur zwei tiefe, in der Dunkelheit schwarze Seen zu sein. Blaise zuckte mit den Schultern.
„Wenn du ihn nicht vergisst, bringst du dich selbst und ihn in Gefahr. Der Dunkle Lord hat überall seine Späher, er kann dir in deinen Kopf rein sehen."
„Dann besteht aber auch die Chance, dass er dich hier mit mir sieht und damit bringst du Draco auch in Gefahr."
„Nein, besteht nicht, denn ich bin so schlau und habe so etwas wie eine Glocke über uns gezogen. So etwas lernst du nicht in der Schule, Hermine."
„Du bist auch einer von denen?" Erneut zuckte er nur mit den Schultern, legte eine Hand auf ihre Schulter und schloss für einen kurzen Moment die Augen.
„Ich denke nicht, dass es dich etwas angeht. Aber er und ich wollen dich einfach nur aus dem Verkehr ziehen, verstehst du?", fragte er und seine Stimme nahm plötzlich etwas betörendes an sich, Hermine Augenlider wurden schwer, auch wenn sie sich mit aller Macht dagegen zu wehren schien.
„Du ... du kannst ... mir ... nichts ... antun", brachte sie noch mühsam hervor, doch dann überschlug sich eine Welle von Dunkelheit über ihr, nahm ihr die Sicht und den Atem.
A/N new chappy :) Dank an malibunlina, hdagdl, AlyshaNemesis, Bbabygirl90, Jenny90, Olivia Malfoy, Angel-chan-19 und slytheringirl12, hdal ... nur sieben Reviews, ihr ward auch schon einmal besser, meine Lieben...kleine Anmerkung: ich denke, wir werden uns langsam aber sicher den letzten Chaps. nähern. Aber keine BAnge, ich sag früh genug bescheid :) Und nun, da ihr wieder was zu lesen hattet, dürft ihr herzlichst Reviewen ;) R&R
