-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------

4. Im Gewächshaus

Ich habe die Schnauze gestrichen voll, jawohl! Bei Merlin, ich bin jetzt seit zehn Jahren Professorin für Arithmantik. Ich unterrichte an einer der bedeutendsten Schulen für Hexerei und Zauberei. Und ich habe heute beim Verlassen des Klassenraumes – Murphy und meinen verräterischen Hormonen sei Dank – nicht den blassesten Schimmer, was ich meinen Schülern in den letzen Stunden vermittelt habe!

Vermutlich würde ich mir darüber nicht einmal Gedanken machen, weil mein Gehirn sich schon wieder mit diesem ... diesem MANN beschäftigen würde, wäre da nicht dieser Blick gewesen, den Hermine Granger mir eben beim Verlassen des Klassenraumes zugeworfen hat. Ich kenne diesen Blick – habe ihn selbst schon benutzt, wenn jemand mich über einen längeren Zeitraum mit absolutem Schwachsinn vollgesülzt hat ... Verdammter Mist! Und dabei habe ich so gehofft, diesen Unterrichtstag mit Anstand hinter mich gebracht zu haben.

Ich brauche Prozac!

Oder besser noch – Valium!

Und was nun? Zurück in mein Zimmer und mich unter der Bettdecke verstecken? Ein sehr verlockender Gedanke, aber ich bin viel zu angespannt und deprimiert, um mich auch nur entspannt hinzusetzen. Hinlegen ist in diesem Zustand völlig illusorisch ... Stattdessen nehme ich Krummbein auf den Arm, der gerade um meine Knöchel streicht. Die Annahme, bei ihm etwas Trost zu finden ist zwar gewagt, aber trotzdem drücke ich mein Kinn gegen seinen Kopf. Er duldet die Liebkosung ein paar Sekunden – schließlich ist sie nicht das, was wirklich gut kommt, nämlich Ohrenkraulen und ein gut gefüllter Fressnapf – dann windet er sich aus meinen Armen und hüpft elegant zu Boden.

Soviel dazu.

Bleiben mir also nur die Gewächshäuser. Meine Therapie für wirklich schlimme Tage. Nicht, dass ich jemals so schlimme Tage hatte, wie in der letzten Zeit...

Meine Eltern waren – wie ich sicher schon erwähnt habe – Muggel. Und sie betrieben – und das habe ich sicher noch nicht erwähnt – eine Gärtnerei. Und immer, wenn ich wirklich richtig mies drauf bin, verspüre ich das unstillbare Bedürfnis, meine Hände bis zu den Ellbogen in feuchter, dunkler, fruchtbarer Erde zu vergraben. Und zum Teufel mit dreckigen Fingernägeln!

Professor Sprout hat Verständnis dafür, dass ich gelegentlich einfach mal ein wenig im Dreck wühlen muss, darum brauche ich mir also keine Gedanken zu machen. Also schlüpfe ich in ein paar alte Jeans und ein knappes dunkelrotes T-Shirt, binde mein Haar zu etwas zusammen, das meine Mutter als Pebbles-Pferdeschwanz bezeichnet hätte, ziehe alte Turnschuhe an und zische ab in Richtung erdiger Entspannung.

Und ich finde bereits im ersten Gewächshaus etwas zu tun. Weil der Boden, in den laut Lehrplan morgen früh die Alraunen gesetzt werden sollen nämlich noch furztrocken ist. Also her mit dem Schlauch, Alex. Leise vor mich hinsummend beginne ich, das Beet zu wässern. Und genieße es, meine Gedanken einfach nur wandern zu lassen ... Bis sie mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit gleich darauf wieder bei Remus Lupin landen.

Oh verdammt!

„Hey."

„Scheiße!", kreische ich auf, mache vor Schreck einen Luftsprung und lasse beinahe den Schlauch fallen. Mein Herz droht mir den Brustkorb zu sprengen. Unwillkürlich verstärke ich den Griff um den Schlauch und wirble herum.

Remus – der verflixte Kerl, dem es offenbar nicht genügt, mich nur in meinen Gedanken zu quälen – macht einen Satz zurück, weil eiskaltes Wasser über sein Hosenbein sprüht. „Pass doch verdammt noch mal auf, wohin du spritzt!", fährt er mich an.

Das ist zuviel! Ich bin unverzüglich auf hundertachtzig. „Also gut", erkläre ich liebenswürdig und richte den Schlauch direkt auf sein Gesicht.

Er schnappt nach Luft und taucht seitlich weg. Breitbeinig dastehend und den Wasserschlauch in der Hand wiegend, schaue ich zu, wie er mit der Hand sein tropfnasses Gesicht trockenreibt. Die erste, zufällige Wasserattacke hat seine Hose von den Knien abwärts durchnässt. Die zweite hat seinen offenen Umhang und besonders sein Hemd durchweicht. Ach du Schreck, da habe ich mir ja mal wieder ein Eigentor geschossen... Bravo, Alex! Als hättest du nicht schon genug Sabberfantasien über diesen Kerl! Vorne ist seine Kleidung triefnass und klebt wie Gips auf seiner Haut. Ich versuche krampfhaft, nicht allzu auffällig auf die harten Muskeln seines Brustkorbes zu starren.

Wir stehen einander in drei Metern Abstand gegenüber, wie die Schüler in Professor Flitwicks Duellierclub, den er von diesem Angeber Lockhart übernommen hat. „Verdammt, bist du jetzt total durchgeknallt?", schnauzt Remus mich an. Seine Augen funkeln zornig.

Offenbar hat er noch immer nicht genug. Diesmal ziele ich ganz genau und jage ihn mit dem Wasserstrahl, als er sich wegduckt und seitlich auszuweichen versucht.

„Sag bloß nicht, ich sei durchgeknallt!", schreie ich ihn an, einen Finger über die Schlauchöffnung gepresst, um den Strahl kleiner und dadurch kräftiger zu machen. „Ich habe es so verdammt satt! Ich habe es satt, mich nachts schlaflos im Bett herumzuwälzen! Ich habe es satt, dass meine Schüler mich anzusehen beginnen, als wäre ich schwachsinnig! Ich habe es satt, verstanden? Und dich habe ich auch satt!"

Abrupt wechselt er die Taktik und geht von Flucht zum Angriff über. Wie ein Muggel-Footballspieler läuft er geduckt auf mich zu, ohne dem Wasserstrahl auszuweichen, den ich auf ihn gerichtet habe. Etwa eine halbe Sekunde zu spät versuche ich schließlich zur Seite zu springen. Seine Schulter kracht mir mit solcher Wucht gegen den Bauch, dass ich mit dem Rücken gegen eine der steinernen Säulen gepresst werde, die das Dach des Gewächshauses abstützen. Schnell wie eine Viper schnappt er mir den Schlauch aus der Hand. Ich will dem Schlauchende noch hinterher tauchen, doch er hat mich schon gepackt und drückt mich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Säule.

Beide atmen wir schwer. Er ist von Kopf bis Fuß so durchtränkt, dass das Wasser aus seinen Kleidern in meine sickert und ich beinahe genauso nass werde wie er. Wütend sehe ich zu ihm auf, wütend sieht er auf mich herab, und unsere Nasenspitzen sind nur Zentimeter voneinander entfernt.

An seinen Wimpern hängen glitzernde Tröpfchen. „Du hast mich nassgespritzt!", beschwert er sich, als könne er es nicht fassen, dass ich das gewagt habe.

„Du hast mir einen Schrecken eingejagt", werfe ich ihm im Gegenzug vor. „Es war ein Versehen."

„Vielleicht beim ersten Mal. Beim zweiten Mal war es Absicht!"

Ich nicke. Wozu soll ich etwas Offensichtliches abstreiten? „Aber Schuld bist du selbst!"

Das scheint über sein Begriffsvermögen hinauszugehen. „Ach, und wieso?"

„Du hast mir absichtlich einen Schrecken eingejagt, daran ist nicht zu rütteln. Deshalb war die erste Dusche ganz allein deine Schuld." Ich zapple probehalber, um mich unter seinem erdrückenden Gewicht hervorzuwinden. Verdammt ist der Mann schwer – und genauso unnachgiebig wie die steinerne Säule an meinem Rücken.

Er vereitelt meinen Fluchtversuch bereits im Ansatz, indem er sich noch enger an mich presst. Wasser trieft aus seinen Kleidern auf meine Beine.

„Und was ist mit dem zweiten Mal?"

„Da hast du mich so wütend gemacht, dass ich mich nicht beherrschen konnte", erkläre ich in beleidigtem Tonfall. „Du hast sogar geflucht!"

Ich hätte nicht gedacht, dass er mir die Nummer abkauft, aber seine Wangenknochen röten sich unwillkürlich. Trotzdem gibt er nicht klein bei. Es wäre wohl auch zu schön gewesen... „Wenn wir schon bei Schuldzuweisungen sind – ich hätte bestimmt nicht geflucht, wenn du mich nicht nassgespritzt hättest."

„Und ich hätte dich nicht nassgespritzt, wenn du mich nicht erschreckt hättest. Siehst du, es ist alles allein deine Schuld!", triumphiere ich mit trotzig erhobenem Kinn und schiebe meine Unterlippe schmollend vor. Wenn ich will, habe ich die Masche „Blondes Dummchen" perfekt drauf.

Er atmet tief ein. Seine Rippen pressen beim Ausdehnen meine Brüste noch flacher, als sie ohnehin schon sind, wobei ich unvermittelt meine Brustwarzen spüre. Und meine Brustwarzen spüren ihn, und zwar nur allzu deutlich. Erschrocken reiße ich die Augen auf. Offenbar ist es nicht immer nur eine Masche...

Er sieht mich mit nicht zu deutender Miene an.

„Lass mich los." Meine Stimme hört sich nervöser an, als mir lieb sein kann.

„Nein."

„Nein?", wiederhole ich fassungslos. „Du kannst nicht einfach nein sagen. Es ist bestimmt gegen das Gesetz, mich gegen meinen Willen festzuhalten." Genau! Aber wo ist ein Auror, wenn man mal einen braucht?

„Ich halte dich nicht gegen deinen Willen fest; ich halte dich gegen eine Säule."

Jetzt kommt er mir auch noch mit Spitzfindigkeiten! Weiß der Mann nicht, dass er dabei in meinem Territorium wildert? „Aber mit Gewalt!", betone ich schmollend.

Das gesteht er achselzuckend zu, rührt sich aber keinen Millimeter.

„Lass mich los", wiederhole ich, leiser diesmal. Atemloser.

„Das kann ich nicht."

Ich fixiere ihn misstrauisch. „Wieso nicht?" Im Grunde meines Herzens befürchte ich zu wissen, wieso nicht. „Wieso nicht" drückt nämlich schon seit geraumer Zeit gegen seine nasse Hose und damit gegen meinen Bauch. Ich tue mein Allerbestes, um das sinnliche Pochen zu ignorieren, und von der Taille an aufwärts gelingt mir das – bis auf die rebellischen Brustwarzen – ganz gut. Von der Taille an abwärts hingegen versage ich vollkommen.

„Weil ich gleich etwas tue, was ich bestimmt bereuen werde." Er schüttelt den Kopf, als würde er sich selbst nicht verstehen. „Ich habe noch immer keine Peitsche und keinen Stuhl dabei, aber was soll's, ich werde es trotzdem riskieren."

„Nicht!", quieke ich, aber es ist zu spät.

Sein dunkler Kopf senkt sich hinab.

Der Spätnachmittag kreiselt davon.

Und mein letzter klarer Gedanke, bevor Murphy, meine Hormone und Remus Lupin mit vereinten Kräften mein Gehirn kurzschließen und meine Hände sich verselbständigen und in sein dichtes Haar wühlen ist, dass er noch immer fantastisch küsst.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Kommentar meiner Beta-Leserin BineBlack: Da könnte man glatt neidisch werden … Ach, was heißt hier ‚könnte' - ich BIN neidisch!