Time
By
Krisa-chan
Kapitel 1: Hölle
Ich schrie, doch kein Laut kam über meine Lippen.
Ich blinzelte, versuchte etwas zu erkennen, doch da war nur Schwärze.
Ich fiel, doch ich kam niemals auf.
Erst nach Stunden, so schien es, begann ich die Umgebung um mich herum wahrzunehmen.
Ich war verwirrt. Wie war ich hierhergekommen? Und wo genau war „hier"?
Ich befand mich auf einer weiten grauen Ebene, dominiert von einigen scharf aufragenden spitzen Felsen und vereinzelten knorrigen, beinahe blattlosen Bäumen,in deren Schatten einige gelb-grüne Grashalme die einzig nennenswerte Abwechslung vom tristen Grau der Landschaft boten. In der Ferne ließ sich eine Kette hoch aufragender Berge ausmachen, doch so weit ich auch blickte, nirgendwo fand ich einen Hinweis auf menschliche Besiedlung oder auch nur tierischen Lebens. Eine dunkle Sonne schwebte bedrohlich am Horizont und tauchte alles in ein unheimliches rötliches Licht.
Ich kniete mich hin und nahm eine Handvoll des staubtrockenen Bodens auf. Der feine Sand rieselte zwischen meinen Fingern hindurch und prasselte zurück auf den Boden, gab mir aber keinerlei Hinweis darauf, wo ich war. Ich wusste nur, dass mir diese Art von Erde, diese Kombination aus dürrer karger Landschaft und verkümmerter Vegetation nie zuvor auf meinen Reisen begegnet war. An eine solche Felswüste, hätte ich mich mit großer Sicherheit erinnert.
Einige Sandkörner rutschten in den dünnen Spalt zwischen meiner rechten Hand und dem Handschuh, der diese bedeckte, und scheuerte bei jeder Bewegung schmerzhaft gegen die empfindliche Haut.
Leise fluchend fuhr ich mit dem Zeigefinger meiner Linken unter den dunkelvioletten Stoff, um den Handschuh zu lockern und den Sand hinauszubefördern, doch als meine Hand das weiche Gewebe streift, brach eine Flut von Erinnerungen über mich hinein.
Schmerz in meiner Hand.
Stürmischer Wind, der um meinen Körper herumtobte und an mir zerrte.
Sango.
Sangos tränenüberströmtes Gesicht.
Sangos weiche Lippen, die sich verzweifelt gegen meine pressten.
Sangos Schreie in meinen Ohren.
Sangos flehentliches Bitten mit mir gehen zu dürfen.
Der Schmerz, sowohl körperlich als auch seelisch, raubte mir fast das Bewusstsein. Meine rechte Hand pochte und pulsierte und mein Herz raste, genau wie einige Stunden zuvor, als... Als was?
Ich dachte, ich würde sterben, doch war ich offensichtlich noch am Leben.
Ich empfand physischen Schmerz, fühlte Trauer über die Trennung von Sango, ich spürte die sengende Hitze der roten Sonne und das Prickeln der Sandkörner unter meinem Handschuh, ich konnte einfach nicht tot sein. Doch was dann?
Nun da ich darüber nachdachte, erinnerte ich mich deutlich daran ins Kazaana hineingesogen zu werden. Ich erinnerte mich daran zu fallen. Wenn der Tod also ausschloss, blieb im Umkehrschluss nur eine Möglichkeit, wo ich war.
Ich riss den Handschuh von meiner rechten Hand und starrte ungläubig zum ersten mal seit beinahe fünfzehn Jahren auf meine vollständige Handfläche.
Ich war im Kazaana.
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Die Sonne sank tiefer und tiefer und mit dem Licht verschwand auch der letzte Rest Wärme. Es wurde eisig kalt und mein Überlebenswille riet mir dringend dazu mir ein Feuer zu machen. So sammelte ich einige Zweige und Äste des Baumes, unter dem ich die letzten Stunden verbracht und über mein Schicksal nachgedacht hatte, ein und schichtete sie aufeinander. In Gedanken dankte ich Kagome-sama für die „Streichhölzer" –kleine Holzstöckchen, mit denen man Feuer entfachen kann, wenn man die roten Köpfchen an der Packung entlang streicht-, die sie mir gegeben hatte und welche ich nun in einer Innentasche meiner Kesa mit mir herumtrug, so dass ich nicht Stunden damit verbringen musste, das Holz aneinanderzureiben und so lang in die entstehende Glut zu pusten bis ein Feuer loderte
Das leise Prasseln des Feuers und die Wärme, die es ausstrahlte, beruhigten meine angespannten Nerven ein wenig. Ich legte einen weiteren Scheit in das knisternde Feuer und lehnte mich wieder gegen meine Baum, die Kesa fest um mich gewickelt, um mich vor der beißenden Kälte zu schützen. Ich musste kurz eingedöst, dann ich schreckte auf, als ich das leise Rascheln von leichten Schritten auf Laub vernahm. Ich gewann meine Fassung schnell wieder und versuchte möglichst bewegungslos zu bleiben, um meinen eventuellen Gast nicht zu vertreiben. Vorsichtig öffnete ich ein Auge, doch alles was ich erkennen konnte, war die Bewegung einer weißen Gestalt auf der anderen Seite meines Feuers. Sie huschte, offenbar von der Wärme und der Helligkeit, die es abgab, beeindruckt, hin und her und gab leise glucksende Geräusche von sich. Schließlich beschloss mein Besucher, mir die Ehre zu erweisen, sich in meine direktes Gesichtsfeld zu begeben. Mein Magen ließ ein lautes Knurren vernehmen, als ich mich Auge in Auge mit einer mageren, weißen Henne sah.
Genüßlich leckte ich meine vor Fett triefenden Finger ab. Die Henne war alles andere als ein Festmahl gewesen, alt und mager wie sie war, dennoch hatte ich kräftig zugelangt und außer einiger abgenagter Knochen, einigen Innereien und einem Haufen Federn war nichts von ihr übrig geblieben.
Es hatte ja auch lange genug gedauert, bis ich das Mistvieh endlich eingefangen, ihm den Hals umgedreht und es gerupft und ausgenommen hatte. Anschließend hatte ich sie in ein Stück meiner Kesa gewickelt und unter der Glut meines Feuers vergraben. Es hatte mehrere Stunden gedauert, bis sie essbar war, doch weder der fade Geschmack- schließlich hatte ich weder Salz noch Kräuter oder Gewürze bei mir- noch die Zähigkeit des Fleisches hatten meinen Appetit gebremst. Wenigstens hatte das Essen mich für einige Zeit mein Schicksal vergessen lassen. Jetzt hieß es erstmal überleben –und, wenn möglich einen Weg nach Hause und vor allem zu Sango zu finden-. Einen Blick auf den Knochenhaufen einige Schritte von mir entfernt werfend, überlegt ich, ob es nicht besser gewesen wäre, etwas von der Henne übrigzulassen, immerhin waren die Gelegenheiten, in denen ich irgendwelche essbaren Tiere in mein Kazaana eingesogen hatte, dünn gesät. Und selbst wenn ich hunderte von Tieren eingesogen hätte, so hätten sie in dieser unwirtlichen Gegend wohl kaum überlebt. Dennoch war die Henne ein Beweis dafür, dass es möglich war hier zu überleben. Ich überschlug im Kopf, wie lang es wohl her war, dass ich das Kazaana in oder in der Nähe eines Dorfes eingesetzt hatte, so dass die Henne mit hineingezogen wurde. Ich kam auf nicht weniger als zwei Monate. Es musste hier also irgendeine Art von Nahrung geben, genauso wie Wasser, dessen Mangel mir langsam aber sicher schmerzlich bewusst wurde. Ich hatte einen widerlichen, pelzigen Geschmack im Moment und meine Lippen waren gespannt und drohten aufzuplatzen. Nichtsdestotrotz beschloss ich, mich erst am nächsten Morgen auf die Suche danach zu machen, denn nachdem ich die halbe Nacht damit verbracht hatte meine Henne zuzubereiten, konnte ich mich kaum noch auf den Beinen halten. Also wickelte ich mich erneut in meine, inzwischen zerrissene, Kesa und fiel in einen leichten Schlaf.
Doch auch diesmal sollte meine Nachtruhe nicht besonders lange währen. Wieder vernahm ich Schritte, doch diesmal laut und dröhnend. Der Boden erzitterte bei jedem Tritt und eine Unzahl verdorrter Blätter regnete auf mein Haupt hernieder. Diesmal war es definitiv kein Huhn. Mit einem Satz war ich auf den Beinen und wollte nach meinem Shakujou greifen, zu spät bemerkte ich, dass ich ihn nicht auf meine kleine Reise in die Hölle mitgenommen hatte. Die Schritte kamen näher und näher, wahrscheinlich wurde das Ungetüm, das da auf mich zuraste von dem hellen Schein des Feuers, der sich, obwohl es schon fast heruntergebrannt war, deutlich gegen den immer noch dunklen Nachthimmel abzeichnete und demGeruch meines Mahles angelockt. Mit einem Mal stoppten die Schritte und ich konnte aufhören, mich verzweifelt an dem Baum festzuklammern, um nicht den Halt zu verlieren.
„Houshi", zischte eine Stimme, die mir auf seltsame Weise vertraut vorkam, „endlich sehen wir uns wieder. Ich habe lange auf diesen Moment gewartet. Nun ist die Zeit gekommen Rache zu nehmen!"
Die Kälte und Berechnung, die in dieser Stimme lag, jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ich wagte es nun endlich meine fest zusammengepressten Augen zu öffnen und wich bei dem Anblick, der sich mir bot, unwillkürlich einen Schritt zurück. Nur wenige Schritte von mir entfernt stand eine gigantische Gottesanbeterin, eben jene Gottesanbeterin die mir damals, als ich erst kurze Zeit mit Inuyasha und den anderen reiste und Sango gerade erst zu uns gestoßen war, eine gefährliche Verletzung am Kazaana beigebracht hatte, die mich fast das Leben gekostet hätte. Und jetzt stand ich dem Vieh erneut gegenüber, vollkommen unbewaffnet bis auf meine Ofudas. Ganz große Klasse.
Ohne weiter Warnung stürzte sich das Biest plötzlich auf mich und schlug mit seinem Vorderbein nach mir. Ich fühlte die blitzschnelle Bewegung der Gottesanbeterin mehr, als dass ich sie sah, und ließ mich gerade noch rechtzeitig auf den Boden fallen. Statt mir traf die Gottesanbeterin den Baum hinter mir und blieb mit ihrem Bein darin stecken. Ich nutzte die Gelegenheit mich auf den Rücken zu drehen und griff in die Innentasche meiner Kesa, um meine Ofudas herauszuholen und mit dem Monstrum kurzen Prozess zu machen. Doch dummerweise befreite der youkai sich wesentlich schneller als erwartet. Das Holz zersplitterte krachend, als sie ihr Bein mit einem kräftigen Ruck herauszog und nun bedrohlich über mir stand. „Das ist dein Ende, Houshi", raunte sie heiser und erhob ihr sensenartiges Bein für den letzten Angriff. Ich presste die Augen zu und wartete. Einen Moment lang geschah nichts, dann wirbelte etwas durch die Luft und ich vernahm den gequälten Schrei der Gottesanbeterin, als sie getroffen wurde. Dann klappte das riesige Ungetüm über mir zusammen und begrub mich unter seinem Körper. Ich glaubte aus der Ferne ein unterdrücktes „Oh, verdammte Scheiße, was hast du denn jetzt schon wieder gemacht?" zu hören, dann umhüllte mich wieder die abgrundtiefe Schwärze, die mich in dieser Welt willkommengeheißen hatte.
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So, ich hatte also die Wahl mein Kunstreferat zu schreiben oder ein neues Kapitel von irgendwas. Und da ich gerade in Stimmung für Time war... Tadaaaa
Wer diese andere Person ist, die Miroku so mehr oder weniger vor der Gottesanbeterin gerettet hat und auch was genau es mit dieser Welt, in der er sich gerade befindet, auf sich hat, wird im nächsten Kapitel herauskommen.
Nebenbei bemerkt, ich habe in meinem Leben noch nie ein Feuer gemacht, geschweige denn ein Huhn gerupft, ausgenommen und zubereitet. Sämtliche Beschreibungen entstammen meinem Gedächtnis, was ich vor einigen Wochen in den ersten 3 Bänden der "Ayla"-Reihe von Jean M. Auel gelesen habe (abgesehen von der Streichhölzern). Ich vermute einfach mal, dass man Hühner und Wachteln auf dieselbe Weise zubereitet, denn das einzige was ich kochen kann, sind Nudeln und Tiefkühlpizza ;-)
Zum Schluss noch vielen Dank für die lieben Reviews. Ich hoffe ihr werdet die FF weiterverfolgen, obwohl ich mich in den nächsten Kapiteln eher auf Miroku konzentrieren werde und die Handlung dementsprechend weniger äh, rührselig wird als der Prolog. Aber am Schluss gibt's wieder Kitsch, versprochen
