Hallo zusammen! Vielen Dank für eure lieben Kommentare. Leider hatte ich im letzten Monat ziemlich viel Stress mit Prüfungen und Klausuren und bin deshalb nicht dazu gekommen, das neue Kapitel hochzuladen. Ich hab zwar immer noch keine Ruhe, aber wenigstens ein klein wenig mehr Zeit.

Hier ist also das letzte Kapitel dieser Story. Viel Spaß beim Lesen und scheut euch nicht, mir eure Meinung zu sagen ;-)

Eure Fellfie

Teil 3/3

Silberfalke

Harry verschlief die Hälfte des Tages, der auf jene Nacht folgte. Trotzdem fühlte er sich wie gerädert, als ihn Tipsy am frühen Abend weckte. Missmutig stand er auf, streckte sich so ausgiebig, dass es ein lautes Knacken in seiner Wirbelsäule gab, und tappte dann müde ins Bad, wo er mit mäßigem Erfolg versuchte, seinen Körper durch Wechselduschen zu beleben.

Er stieg wieder aus der Dusche, trocknete sich rasch und oberflächlich ab und trat dann mit einem Handtuch um die Hüften wieder in sein Schlafgemach, um sich für das Abendessen anzukleiden.

„Du gehst mir aus dem Weg, seit du hier angekommen bist. Warum?"

Harry fuhr zusammen, als die Stimme so plötzlich hinter ihm erklang, und seine Hand fuhr automatisch zu seiner Hüfte, um nach dem Zauberstab zu greifen, der im Moment allerdings nutzlos auf dem Nachttisch lag. Doch er entspannte sich ein wenig, als er die Stimme erkannte.

Er drehte sich halb zu Draco um, während er in seine Sachen schlüpfte. „Das tue ich nicht."

Draco, der an der Wand neben der geschlossenen Tür lehnte, zog eine Augenbraue hoch und Harry wusste, er glaubte ihm nicht.

„Das tue ich nicht", wiederholte er nachdrücklich. Und unwirsch, irritiert darüber, dass er das Bedürfnis verspürte, sich zu rechtfertigen, setzte er noch hinzu: „Ich esse mit dir zusammen und in der Zeit, in der wir uns nicht sehen, braue ich diesen Trank oder schlafe. Das kann man ja wohl kaum als ‚aus dem Weg gehen' bezeichnen."

Und gleichzeitig wusste er, dass er nicht die Wahrheit sagte. Tatsächlich hielt er sich wirklich mehr bei dem Kessel oder in seinen Gemächern auf, als notwendig gewesen wäre. Er ging Draco aus dem Weg und wusste nicht einmal wieso. Vielleicht, weil Draco ihm so nahe war und er sich distanzieren wollte. Weil er tief in seinem Herzen wusste, dass der blonde Slytherin der Einzige war, der ihn von seinem Plan abhalten konnte. Der Einzige, der ihm den gewählten Weg zu seinem Frieden verstellen konnte. Und er wollte keine Hindernisse. Er wollte sich nicht mit Fragen quälen, ob das, was er tun wollte, wirklich das Richtige war. Das hatte er in der Vergangenheit oft genug getan und er war es leid.

Draco schwieg noch immer und schließlich sagte Harry ärgerlich: „Du warst es, der heute Nacht so plötzlich gegangen ist. Nicht ich!" Und kaum hatte er es gesagt, fühlte er sich schlecht. Es war unfair gewesen und seine Worte hatten Draco erneut verletzt. Das hatte er nicht gewollt... manchmal erschreckten ihn die grausamen Züge, die er in seinem Charakter fand.

Dracos Augen glitzerten kühl, als er sich von der Wand abstieß. „Du bist ein Idiot! Du belügst uns beide und gefällst dir dabei auch noch." Dann wandte er Harry den Rücken zu und schickte sich an, den Raum zu verlassen.

„Nein, warte!", hörte sich Harry sagen, bevor er darüber nachdenken konnte. Dracos Worte hatten gesessen. „Ich... Draco, ich..." Oh, Harry hasste es zu stottern, aber die richtigen Worte wollten einfach nicht kommen. Draco hatte sich wieder zu ihm umgewandt, das Gesicht nichtssagend, und wartete.

Der junge Schwarzhaarige nahm einen tiefen Atemzug. „Es tut mir leid. Was ich eben gesagt habe und was ich gestern gesagt habe. Es... ich weiß nicht... es ist so schwer für mich, die richtigen Worte zu finden, Draco. Aber es tut mir wirklich leid, dass ich dich verletzt habe. Das habe ich nie gewollt."

„Ich weiß", antwortete Draco leise und als Harry überrascht aufsah, merkte er, dass die Distanz aus Dracos Gesicht und seiner Haltung gewichen war. „Aber ich musste es noch einmal aus deinem Mund hören, um sicher zu sein. Ich weiß natürlich, dass du bist, wie du bist, Harry. Du sagst oft Dinge, die du nicht überdacht hast."

Der Jüngere lächelte vorsichtig. „Ja, von uns beiden warst schon immer du der Denker."

Nun lächelte Draco auch. „Wie wahr. Nun lass uns etwas essen." Und Harry folgte ihm nach unten.

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Langsam und lautlos wanderte Harry durch die Gänge von Malfoy Manor. Er hatte den Heiltrank für Dracos Augen kurz zuvor vom Feuer genommen und ließ diesen nun erst einmal vier Stunden ziehen. Er wiederholte leise für sich die nächsten Arbeitsschritte, um sicher zu gehen, dass er nichts vergessen würde, doch schon bald schweiften seine Gedanken ab und er blieb vor einem der großen Fenster stehen, um in die Nacht hinauszuschauen.

Es schneite. Große, weiße Flocken tanzten vom Himmel hinab zur Erde und Harry erinnerte sich, dass er Schnee immer gemocht hatte. Damals, als er noch Schüler in Hogwarts gewesen war. Als er noch ein Ziel vor Augen hatte. Manchmal, wenn er nicht hatte schlafen können, hatte er die halbe Nacht am Fenster des Jungenschlafsaales gesessen und den Schneeflocken beim Fallen zugesehen.

Und er hatte es immer faszinierend gefunden, wie das von ihnen reflektierte Mond- und Sternenlicht die Nacht erhellte. Wie etwas so Kleines und Unscheinbares Licht in die Dunkelheit bringen konnte.

Heute... heute erschien es ihm so, als hätte sich über das ganze Land ein weißes Leichentuch ausgebreitet, das alles Leben darunter erstickte. Natürlich stimmte es nicht. Die Schneedecke bewahrte die Pflanzensamen, die in der Erde schlummerten und auf den nächsten Frühling warteten, davor, zu erfrieren. Der Einzige, der hier erstickte, war er.

„Es schneit wieder, nicht wahr?"

Harry fuhr erschrocken zusammen, als Dracos Stimme so plötzlich neben ihm erklang. Der Ältere konnte sich anscheinend immer noch genauso gut anschleichen wie früher, nur seine, Harrys, Wachsamkeit hatte nachgelassen. Vielleicht, weil es ihn nicht mehr kümmerte, ob er lebte oder starb.

„Ja. Woher weißt du das?"

„Weil du nur bei Schnee so andächtig am Fenster stehst."

Einen Augenblick lang wurde Harry warm ums Herz. Ja, Draco kannte ihn wirklich gut. Und er schien sich um ihn zu sorgen. Warum sonst war er nicht in seinem Bett, sondern hatte ihn- erneut- gesucht? Und er hatte das Gefühl, dass der blonde Ex-Slytherin versuchte, ihn zu verstehen. Dass er der Einzige war, dem es vielleicht sogar gelingen konnte, schließlich war Draco ihm näher als irgendein anderer Mensch.

Eine Weile standen sie schweigend nebeneinander am Fenster und Harry merkte, dass er es mochte, nicht mehr allein zu sein. „Ich wollte nie der Auserwählte sein. Ich habe es immer gehasst", sagte er plötzlich und Draco wandte ihm das Gesicht zu.

Das schwache Licht, dass der Schnee durch die Fenster warf, ließ seine Haut völlig weiß aussehen und umgab ihn mit einem milden bläulichen Schimmer, der ihn nur noch schöner erscheinen ließ. „Ich weiß. Aber du hattest keine Wahl. Helden können ihr Schicksal nicht bestimmen- das Schicksal bestimmt sie."

Es klang reichlich pathetisch und doch so wahr. Zunächst hatte Harry sich noch gegen seine Bestimmung gewehrt und doch hatte er einsehen müssen, dass es sinnlos war und hatte sich widerwillig in das Unvermeidliche gefügt.

„Wäre es dir lieber gewesen, jemand anderes wäre an deiner Stelle gewesen?", fragte Draco nach einer langen Pause.

Schweigen. Der Schnee fiel lautlos und unaufhörlich. Überzog das Land in dieser bitterkalten Nacht mit einer neuen, dicken Schicht. Dann: „Nein. So etwas wünsche ich niemandem. Trotzdem frage ich mich manchmal, warum diese Last ausgerechnet auf meine Schultern gelegt wurde." Er machte eine kurze Pause, überlegte und fuhr dann fort: „Und jetzt ist Voldemort fort und die Bürde wird trotzdem nicht leichter. Sie hat sich verändert, aber sie ist immer noch genauso schwer. Verrückt, oder?" Er lachte auf und es klang wie das Lachen eines Menschen, der kurz davor war, den Verstand zu verlieren.

„Ich meine, was bleibt mir denn jetzt noch?" Verzweifelte grüne Augen suchten helle, graue und Draco spürte die Hoffnungslosigkeit seines Gegenübers sehr genau. Für einige Sekunden legte sich eine kalte Hand auf sein Herz. ‚Ich verliere ihn', schoss es ihm durch den Kopf.

Er trat einen Schritt auf Harry zu und streckte die Hand aus. Seine Finger berührten Harrys Schulter und wanderten tastend über den Hals nach oben, bis sich seine Handfläche warm und zärtlich an die Wange des ehemaligen Gryffindors schmiegte. „Das kann ich dir nicht sagen. Das musst du für dich selbst entscheiden."

Und doch hatte er mit dieser Geste alles gesagt, was es zu sagen gab. Es war genau dieser Augenblick, in dem Harry in den Sinn kam, dass es vielleicht noch einen anderen Weg gab, um Frieden zu finden. Einen, der schwieriger zu gehen war, der am Ende aber vielleicht mehr Glück für ihn bereit hielt. Es war ein gewisses Risiko dabei, aber...

Sein Gedankengang wurde unterbrochen, als Draco wieder zurücktrat. „Es ist spät und ich werde nun ins Bett gehen. Gute Nacht, Harry."

Dieser konnte nur benommen nickte und Draco nachschauen, wie er ging. Und just bevor er um die nächste Ecke verschwand, hielt er noch einmal inne und drehte sich mit einem Lächeln zu Harry um. „Frohe Weihnachten, Harry."

Dann war er verschwunden und die Augen des Jüngeren richteten sich nach einem kurzen Augenblick wieder nachdenklich auf das Fenster, hinter dem der Schnee nach wie vor weich und lautlos fiel.

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Der Schneefall dauerte an. In der folgenden Nacht lag Harry mit offenen Augen schlaflos in der Dunkelheit seines Zimmers zur starrte zur Decke empor, die er in der Dunkelheit nicht erkennen konnte.

Den Zaubertrank wusste er sicher und schockgefroren unten im Wohnzimmer, darauf wartend, in 12 Stunden wieder aufgekocht zu werden für die letzten Zutaten. Und er war froh, im Moment keinen Gedanken daran verschwenden zu müssen, denn ihm gingen zu viele andere Dinge seit letzter Nacht im Kopf herum.

Ihre kurze Begegnung gestern Nacht hatte etwas in ihm berührt. Hatte eine Saite zum Schwingen gebracht, von der er geglaubt hatte, sie wäre vor langer Zeit gerissen. Diese zärtliche, warme Berührung vor dem Hintergrund des kalten Schneesturms hatte in seinem fast erfrorenen Herzen eine winzige Flamme der Hoffnung entzündet. Klein, kaum greifbar, aber dennoch zu machtvoll, um sie zu ignorieren.

Hoffnung... wie lange war es her, seit er das letzte Mal gewagt hatte, zu hoffen? Er konnte sich kaum erinnern. Doch konnte er es wagen, sich diesem Gefühl zu ergeben? Harry wusste, wie heftig diese Empfindung sein konnte. Im Krieg war sie eine der wenigen Dinge gewesen, die ihn am Leben und bei Verstand gehalten hatten. Und sie war nicht umsonst gewesen. Voldemort war gefallen. Harry hatte mehr dafür opfern müssen, als er bereit gewesen war, doch letztendlich hatte er gesiegt.

Und trotzdem hatte ihm der Triumph nicht geholfen, als die Leere drohte, ihn zu verschlingen. Kein bisschen. Deshalb war er jetzt hier. An diesem Punkt seinen Lebens, an dem er allem ein Ende setzen wollte. An dem er zu müde war, um weiterzugehen.

Er war mit dem festen Vorsatz hierher gekommen, seinen Schulden zu begleichen und dann diese Welt voller Schmerz für immer hinter sich zu lassen. Er hatte vergessen gehabt, wie gut es sich anfühlte, wenn man Hoffnung hatte. Wenn er diesem Gefühl jetzt nachgab... wenn er der Flamme Nahrung gab und ihr erlaubte, zu wachsen... wohin würde ihn das führen? Würde das die Zukunft ändern? Konnte das die Vergangenheit auslöschen?

Wenn es umsonst war, das wusste Harry, dann würde er daran endgültig zerbrechen.

Langsam setzte er sich auf. Verwirrt, unentschlossen.

Das Nächste, was er bewusst wahrnahm, war, dass er in Dracos Zimmer stand. Neben seinem Bett. Er konnte sich nicht erinnern, wie er hierher gekommen war, doch er wusste, warum er hier war. Er wollte mit Draco reden. Über was, war ihm nicht ganz klar, aber dieses Gespräch war wichtig.

Seine Augen glitten über die schlafende Gestalt des Hausherren. Was hatte er erwartet? Dass Draco wach lag und nur darauf wartete, dass er bereit war zu reden? Nein, auch der ehemalige Slytherin brauchte Schlaf.

Harry zögerte. Er könnte Draco wecken... doch er wagte es nicht. Sein Partner sah so friedlich aus. Das blasse Mondlicht, das in das Zimmer fiel, brachte seinen blonden Haare zum Leuchten und warf einige wenige Schatten auf das feingeschnittene Gesicht.

Sein Herz zog sich zusammen. Draco war immer noch genauso schön wie vor 5 Jahren, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Die Zeit und der Schmerz, mit dem er hatte fertig werden müssen, hatten ihn kein bisschen verändert. Bewundernswert.

Die Gestalt auf dem Bett regte sich und Harry wich erschrocken einen Schritt zurück. Sein Blick flog zur Tür und einen Moment lang erwog er, zu fliehen. Einfach den Rücktritt anzutreten und zu seinem ursprünglichen Plan zurückzukehren. Und hätte Draco weiter geschlafen, so hätte er es wahrscheinlich getan.

Doch stattdessen setzte er sich auf, rieb sich verschlafen über die Augen und wisperte: „Harry?"

Und als wäre sein Name ein Zauberbann, blieb der Angesprochene wie angewurzelt stehen und hauchte: „Ja."

Draco nickte, als habe er nichts anderes erwartet. „Du bist spät dran." Und Harry Herz machte einen merkwürdigen Satz. Er hatte ihn also doch erwartet? Hatte er geahnt, dass Harry heute zu ihm kommen würde? War er wirklich so hellsichtig?

Als kein Laut über seine Lippen kam, ergriff Draco erneut das Wort. „Warum bist du hier?" Harry setzte bereits dazu an, zu antworten, als ihm klar wurde, dass viel mehr hinter dieser Frage steckte. Nicht einfach: Warum bist du hier in meinem Zimmer? Es war vielmehr die Frage danach, warum er überhaupt hierher gekommen war. Nach Malfoy Manor, zu diesem Zeitpunkt, mitten im tiefsten Winter.

„Um meine Schuld zu begleichen und dir dein Augenlicht zurückzugeben", war die spontane und ehrlich Antwort. Und doch etwas störte Harry an seinen Worten. Etwas war falsch. Nein... nicht falsch... unvollständig.

Und als hätte Draco seine Gedanken gelesen, erwiderte er: „Nur deswegen also?" Und Harry schwieg erneut. Es wäre leicht gewesen ‚Ja' zu sagen, aber das wäre eine Lüge gewesen. Da war mehr. Aber er wusste nicht, was genau dieses ‚mehr' war.

Er schluckte nervös, als Draco neben sich auf das Bett klopfte. „Komm her." Harry gehorchte sofort. Selbst wenn er es gewollt hätte- diesem sanften Befehl hätte er sich nicht widersetzen können. Vorsichtig und scheu ließ er sich neben Draco nieder. Sie hatten früher schon in einem Bett geschlafen, wenn es nicht anders ging, aber das schien so unendlich lange her. Und die Situation heute war vollkommen anders.

Ein überraschter Laut entkam Harry Lippen, als Draco ohne Vorwarnung den Arm um seine Schulter legte, ihn an sich zog und sich mit ihm zusammen zurück in die Kissen sinken ließ. Einen Moment war Harry wie erstarrt. Sein Herz schien still zu stehen und diesen Augenblick lang vergaß er für sogar das Atmen. Nie zuvor waren sie einander so nahe gewesen. Nicht in ihrer menschlichen Form. Nie zuvor hatte er an Dracos Seite geschmiegt gelegen und die weiche Haut seiner Schulter an seiner eigenen Wange gespürt.

Dann schlug sein Herz weiter und mit einem lautlosen Splittern zerbrach der letzte Rest des Eispanzers, der sich in den Jahren nach dem Krieg darum gelegt hatte. In wenigen Sekunden durchlebte Harry noch einmal all den Schrecken, den Schmerz und die Trauer des Krieges. Sein Körper begann unkontrolliert zu zittern und seine Hand wanderte hinauf zu Dracos anderer Schulter um sich dort festzuhalten.

Der blonde Slytherin strich im beruhigend durch das Haar, doch das schien das Beben nur noch zu verstärken. „Das solltest du nicht tun, Draco", flüsterte Harry und seine Stimme war von mühsam unterdrückten Tränen heiser. „Du solltest mich nicht so halten."

„Wieso nicht?"

„Hast du es denn immer noch nicht bemerkt? Ich... ich werde allmählich wie er. Zauberer fürchten mich. Wenn das Gespräch auf mich kommt, senken sie ihre Stimmen und wenn mich einer von ihnen erkennt, versucht er so schnell wie möglich zu verschwinden. Und was am schlimmsten ist... ich verletze die Menschen, die mir am meisten bedeuten."

„Natürlich fürchten sie dich. Der Letzte Kampf war schließlich auch furcherregend. Du hast dich wie ein Racheengel durch die Reihen der Todesser gekämpft. Du hast Voldemort gegenübergestanden in einem Duell Mann gegen Mann. Und du warst es, der am Ende das Schlachtfeld lebend verließ."

„Wie ein Racheengel?", murmelte Harry. „Also fing ich damals schon an, ihm ähnlicher zu werden..." Er wollte sich hochdrücken, fort von Draco, doch der Blondschopf hielt ihn unnachgiebig fest.

„Nein, Harry. Ganz und gar nicht. Du kannst dich noch so sehr bemühen, aber du wirst niemals wie der Dunkle Lord werden." Harry hob langsam seinen Kopf, um Dracos Gesichtsausdruck zu studieren. Unsicher, was er von seinen Worten halten sollte. „Du hast gekämpft, ja. Und du hast getötet. Aber aus völlig anderen Motiven. Du wolltest die schützen, die du liebst und die, die ihre Hoffnungen in dich setzen. Und anders als Voldemort würdest du nie versuchen, deine Ziele über Blut und Tränen zu erreichen. Schon alleine, dass du gegen jede Regung ankämpfst, die ihm auch nur ähnelt, zeigt, dass ihr grundverschieden seid."

„Draco...", flüsterte Harry und silbergraue Augen richteten sich auf ihn.

„Du bist zu hart zu dir selbst. Jeder Mensch hat eine dunkle Seite. Akzeptiere sie als einen Teil von dir, Harry. Du kannst nicht nur der strahlende Held sein... Und zu deiner Angst, die Menschen zu verletzen, die dir am meisten bedeuten... auch das ist etwas Natürliches. Wann immer Menschen zusammenkommen und sich einander öffnen, werden sie einander auch verletzen. Aber das ist in Ordnung. Schließlich gibt es sehr viel mehr schöne Momente, die solche wieder wett machen."

Er lächelte und Harry spürte heiße Tränen seine Wangen hinabfließen. Die ersten seit vielen Jahren. Er vergrub sein Gesicht in Dracos Schulter und dieser drehte sich zu ihm herum, so dass sie nun beide auf der Seite lagen, und schloss ihn fest und beschützend in die Arme.

Er ließ Harry genügend Zeit, damit all der Schmerz mit seinen Tränen aus seinem Körper fließen konnte und schließlich hob der Schwarzhaarige den Kopf, noch immer Tränen in den Augen und auf den Wangen. „Wie hast du das Leben nur ertragen, Draco? Hast du nie daran gedacht, einfach Schluss zu machen?"

„Doch, oft", erwiderte Draco leise und lehnte sich ein wenig vor, sodass Harry schließlich auf dem Rücken lag und er über ihm war. „Aber der Gedanke an dich hat mich weiterleben lassen. Der Gedanke, dass du irgendwo dort draußen bist, und die Hoffnung, dass wir uns wiedersehen würden."

„Draco...", wisperte Harry mit erstickter Stimme und der Blondschopf beugte sich vor, ihre Nasen berührten sich sanft und dann fühlte Harry, wie eine warme, nasse Zunge, die Tränen von seiner Wange leckte.

„Ich dachte immer... Ich habe immer befürchtet, dass ich dir nie sagen kann, wie sehr ich dich liebe", flüsterte der Jüngere und legte seine Arme vorsichtig, beinahe ehrfurchtvoll um Dracos Hals. „Während des Krieges..."

„Ja, ich weiß", nickte Draco, als sein Partner abbrach. „Während des Krieges war nicht der passende Zeitpunkt. Wir wussten nicht, wer den Morgen erlebt und wer nicht. Hätten wir uns damals schon aneinander gebunden, wäre es zu schmerzhaft gewesen, wenn es einer von uns nicht geschafft hätte. Aber Harry... der Krieg ist vorbei. Du hast ihn beendet. Denkst du nicht, dass unsere Zeit jetzt gekommen ist?"

Eine weitere Träne rollte über Harrys Wange, doch dieses Mal lächelte er. „Ja... das ist sie wohl." Und weiche Lippen fanden seine und als die Zunge, die eben schon seine Tränen fortgeleckt hatte, um Einlass bat, gewährte er ihn sofort und ergab sich den Berührungen des anderen vollkommen.

Der Kuss war voller Leidenschaft und Hingabe, erzählte von der Verzweiflung der letzten Jahre, von ihrer Angst, den anderen zu verlieren und von ihrer Liebe, die nun endlich die Chance bekam zu erblühen.

Schlanke Hände wanderten geschickt über seinen Körper, erkundeten, streichelten und erregten ihn. Kamen der Forderung seines Körpers augenblicklich nach, als er sich ihnen verlangend entgegenbog. Weiche Lippen wanderten über seinen Körper und eine talentierte Zunge trieb ihn in nie gekannte Höhen hinauf.

Als sich ihre Körper vereinigten war es, als hätten sie nie etwas anderes getan, als einander zu lieben. Die schrecklichen Jahre von Voldemorts Herrschaft waren für einige Minuten einfach ausgelöscht und nichts zählte mehr. Außer ihnen. Außer diesem Moment.

Und draußen tanzten große, unschuldig weiße Schneeflocken zu Boden.

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Als Harry verschlafen die Augen öffnete, war es bereits wieder hell. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er noch ein paar Stunden Zeit hatte, bevor er den Zaubertrank wieder aufkochen musste.

Auf der Seite liegend und auf einen Ellenbogen gestützt betrachtete er den jungen Mann an seiner Seite. Er sah genauso friedlich aus, wie wenige Stunden zuvor, als Harry zu ihm gekommen war. Mit dem Unterschied, dass jetzt ein kleines Lächeln seine weich geschwungenen Lippen umspielte.

Und in diesem Moment wusste Harry auch die Antwort auf die Frage, die Draco ihm in dieser Nacht gestellt hatte. Er wusste, warum er hier war; ausgerechnet jetzt, wo es bitterkalt war und überall Schnee lag. Warum er nicht gewartet hatte, bis es wieder wärmer wurde.

Ein kleiner Teil seiner Kämpfernatur war immer noch am Leben gewesen, tief verschüttet und schlafend, aber nicht verloren. Und als sie spürte, dass er aufgab, dass er das nächste Frühjahr nicht mehr erleben würde, hatte sie sich geregt. Hatte ihn daran erinnert, dass er Draco unbedingt noch sehen musste.

Ja, er war hierher gekommen, um seine Schuld zu begleichen. Aber auch, weil er wusste, dass Draco der einzige Mensch war, der ihn jetzt noch retten konnte. Und ganz tief in seinem Herzen hatte er leben wollen. Aber es hatte jemanden gebraucht, der ihm einen Grund dazu gab.

Mit einem leisen Seufzen schmiegte er sich wieder an Draco. Der Tod war letztendlich nicht die optimale Lösung. Wenn nicht mit Draco, mit wem sollte er dann Frieden finden?

Wenn nicht hier, wo dann?

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Und wenn nicht so, wie dann?

Als er den Blick von silbergrauen Augen auf sich spürte, und sich für einen zärtlichen Guten-Morgen-Kuss hinauflehnte, wusste Harry, dass er seine Entscheidung goldrichtig war.

Ende

"Nimm dir die Zeit zum Trauern, aber schließe nie zu lange die Augen im Schmerz, sonst kannst du nicht sehen, wofür es sich erneut zu leben lohnt." (Autorenname vergessen +sweatdrop+)

Für Max, Jita und Kakori