Hermine erhob sich langsam vom Boden, auf dem sie immer noch saß, und ging zu dem Stuhl. Zitternd schlang sie ihren Morgenmantel um sich.
Wenn du dir wegen dem Mist hier jetzt ne Erkältung einholst…
Snape kam mit einer alten Decke zurück und setzte sich, nachdem er ihr diese gegeben hatte, neben sie.
„Passiert Ihnen sowas öfter?" Sie schaute verdutzt. „Ich meine, dass Sie mitten in der Nacht vor irgendwelchen Türen auftauchen und es sich dort gemütlich machen zum schlafen." Seine Augen funkelten. Irgendwie hat er was…
Als es an der Tür klopfte, fuhr Hermine erschrocken zusammen. Doch Snape schien gelassen, öffnete mit einem kleinen Wink seines Zauberstabes die Tür und ein Hauself trat herein.
„Der Tee, Sir. Für zwei Personen."
„Hier abstellen!" deutete Snape auf den kleinen Tisch.
„Sir, jawohl, Sir. Haben Sie noch einen Wunsch, Sir?"
„Nein!"
Der Hauself verschwand wieder und eine unangenehme Ruhe kehrte ein.
Was soll ich denn jetzt sagen?
„Ähm, Professor Snape….!"
„Ja, meine Liebe?" seine Stimme war nur noch ein kleines Brummen als er sie mit undeutbarem Blick ansah. Meine Liebe, Oh Gott, er hat mich durchschaut…
„Es, … es tut mir leid, Professor, wenn ich Sie … gestört haben sollte."
„Nun, Miss Granger, in der Tat, dass haben Sie. Aber Sie werden sicherlich nicht ohne Grund bei mir gelandet sein." Ein Lächeln umspielte seine sonst so eisernen Züge.
„Sie sind mir nicht böse?" etwas Hoffnung keimte in ihr auf, dass dieser nächtliche Ausflug doch nicht ihr letzter Ausflug überhaupt sein würde.
„Miss Granger, es ist doch offensichtlich, dass Sie nicht absichtlich hier aufgetaucht sind, aber gegen ihr Schlafwandeln sollten sie etwas unternehmen. Nicht das man Sie eines Morgens unten auf dem Rasen entdeckt, nach einem nächtlichen – wohlgemerkt gescheiterten - Versuch, ohne Besen zu fliegen. Möchten Sie Tee?"
Warum bist du nur so nett? Hermine versuchte ihre Frage in seinen Kopf zu pflanzen, denn sie traute sich nicht, diese Laut zu stellen.
Warum bist du nur so nett? hörte Snape sie fragen. Die Traut sich was…
„Ich wüsste nicht, dass ich Ihnen das DU angeboten habe." begann er nun doch Ihre Frage zu beantworten „Aber, Miss Granger, auch Lehrer haben ein Privatleben und sollte ich immer so … streng … sein, wäre ich sicherlich schon an einem Herzinfarkt gestorben."
Laut scheppernd ging ihre Tasse zu Boden als er geendet hatte.
„Nun schauen Sie nicht so verdattert!" wieder ohne Worte seinerseits schwebten die Tassensplitter zu einer Form zurück und landeten auf dem Tisch, gefüllt mit frischem Tee.
„Professor? Ich habe diese Frage eben nicht laut gestellt. Zugegeben, ich habe sie … gedacht … aber nicht geäußert." sie schien ihre Fassung zurück gewonnen zu haben.
„Haben Sie nicht?" Nun war er es, der verwirrt blickte.
„Nein…"
Wieder herrschte Stille.
Aber ich habe sie doch gerade eben deutlich gehört. Oder nicht? … Severus, reiss dich zusammen und denk nach.
„Gut, da scheinen wir ja ein kleines, na sagen wir, Problem zu haben." begann er endlich. Er stand auf und begann im Raum hin und her zu schreiten. Plötzlich blieb er abrupt stehen, drehte sich zu ihr um und sagte: „Lassen Sie uns das testen. Ich werde mich in das Nebenzimmer begeben und Sie… denken einfach mal an irgendetwas!"
Du machst dich hier zum Affen, Severus.
Er will WAS testen? Doch schon war Snape verschwunden.
An etwas denken, ich soll an etwas denken… Aber das tu ich doch gerade. Das ist doch lächerlich. Trotzig stand sie von ihrem Stuhl auf und schritt nun ebenfalls durch den Raum.
Zitronenbonbons
nein, das ist…
Abschlussprüfungen
auch nicht…
Plötzlich stand er wieder im Raum.
„Miss Granger, so geht das nicht. Ich habe, zugegeben, schon von solchen … Phänomenen … gelesen."
Er ging an seinen Bücherregalen entlang und schien nach einem bestimmten Buch zu suchen.
„Hier ist es."
Hermine ging vorsichtig zu ihm rüber um den Titel des Buches zu lesen.
Wenn die Seelen sich binden oder Seelentreffen
Snape blätterte nun konzentriert durch ein paar Seiten und blieb dann bei einer Stelle hängen. Er begann leise daraus vorzulesen:
… durch Umstände, die mir noch nicht weiter bekannt sind, kann es natürlich auch vorkommen, dass Seelen sich verlaufen. Ich vermute, dies kann durch Stress, durch den Tod eines geliebten Menschen oder komatöse Zustände auftreten. Aber auch das sind nur Vermutungen. Verirrte Seelen, sozusagen, wirren aber immer noch in der Nähe ihres Körpers umher und können sich mit weiteren Seelen treffen um nicht zu vereinsamen. Dieser Zustand kann dann von den betreffenden Personen manchmal als Gedankenlesen vernommen werden, was es aber in dem Sinne nicht ist, denn Seelen haben keine Gedanken, nur Empfindungen. Besonders starke Emotionen werden vernommen, wie zum Beispiel: Angst, Lieb, Hass oder Erregung und Aufregung.
Zumeist „halten" die betroffenen Seelen einander „fest", wie man diese Bindung lösen kann lesen Sie dann in Kapitel 12 „Seelentrennung" …
Snape hatte aufgehört zu lesen und war in stilles Grübeln übergegangen. Als er sich umdrehte, stand Hermine direkt vor ihm. „Sie müssen jetzt versuchen, an etwas sehr intensives zu denken. Stellen Sie sich Ihren schlimmsten Albtraum vor oder ähnliches. Versuchen wir es noch einmal." Und schon war er wieder verschwunden.
Mein schlimmster Albtraum… wieder begann Hermine zu überlegen und umher zu wandern. Dann kam ihr ein Gedanke, der ihr die Röte ins Gesicht trieb.
Ich war gestern bei dir!
Ich war gestern bei dir!
Ich war gestern bei dir!
Immer und immer wieder wiederholte sie den Gedanken, ihre Schritte wurden schneller.
