Beim Verlassen der großen Halle folgten fragende Blicke dem seltsamen Quartett. Nun, an sich war es ja nicht seltsam, denn Lehrer sah man oft zusammen, aber dass Hermine dabei war schien vielen Schülern ein Rätsel zu sein.
Auf dem Weg in Dumbledores Büro sprach keiner ein Wort, aber Hermine gingen viele seltsame Gedanken durch den Kopf.
Wie, in Merlins Namen, ist mein Zimmer verschwunden und warum? Oh Gott, was wäre gewesen, wenn ich noch da drin gewesen wäre? Wär ich mit verschwunden oder nur zu Boden gefallen?
Als der Direktor dem Wasserspeier das Passwort zumurmelte, wurde Hermine aus den Gedanken gerissen. Vielleicht könnte Dumbledore ihr ja erklären, was geschehen war.
Er deutete still auf die Stühle vor seinem Schreibtisch und nahm dann in seinem Sessel platz. Lange Zeit herrschte beklommenes Schweigen, denn alle schienen den Vorfall erst einmal verarbeiten zu müssen.
Nach schier endloser Stille, so kam es Hermine zumindest vor, begann Dumbledore zu sprechen.
„Ich muss zugeben, ich war vorhin nicht ganz ehrlich zu euch. Als Hagrid in mein Büro gestürzt kam und mir erzählte, was er gesehen hatte, beziehungsweise eben nicht mehr gesehen hatte, war mir sofort klar, was passiert war."
Professor McGonagall unterbrach ihn: „Warum hast du das denn nicht gleich gesagt, Albus?"
„Ich wollte, dass nicht all zu viele Menschen mit einbezogen werden, aber vor allem wollte ich den Schülern keine Angst machen."
Hermine wurde immer ungeduldiger und rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her. Dies schien der Direktor zu bemerken, denn er sagte dann zu Hermine gewandt: „Haben Sie keine Angst, mein Kind. Ihnen wäre nicht viel passiert. Wir haben seit einem kleinen Zwischenfall vor ein paar Jahren einen Schutz auf dem Schloss, sodass niemand vom Schloss springen oder Fallen kann. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie nicht mit verschwunden wären."
„Was macht dich da so sicher?" Wieder war es McGonagall.
„Nun, Minerva, ich kenne diesen Zauber und ich bin in gewisser Weise auch für dieses Unglück verantwortlich."
„WAS?" Hermine und Professor McGonagall sprachen fast im Chor.
„Nun, das ist eine etwas längere Geschichte, aber ich versuch mich kurz zu fassen." Wieder an Hermine gewandt: „Sie können sich doch sicherlich an das Hauptquartier des Ordens erinnern, nicht wahr Miss Granger?"
Sie nickte.
„Dieses wurde durch einen Zauberspruch so behandelt, dass man es durch Magie für die Augen Unwissender verschwinden lassen kann und man kann es ebenso durch Magie wieder erscheinen lassen." Er räusperte sich, fuhr dann aber fort: „Diesen Zauberspruch haben wir bei der Gründung des Ordens vor vielen Jahren entwickelt. Leider hat er jedoch zwei kleine Haken."
„Und die wären?" Snape erschrak über sich selbst, dass er so neugierig war und lehnte sich zurück in seine Lehne, als hätte er nichts gesagt.
„Ja, mein lieber Severus, zum einen funktioniert dieser Spruch nicht richtig bei Vollmond…" er zeigte zu einem Fenster, an dem ein klarer und voller Mond zu sehen war, „… denn da verschwinden die Gebäude, oder wie in unserem Fall Gebäudeteile, vollständig. Und zum anderen…" Dumbledore holte tief Luft. „habe ich diesen Zauberspruch damals Tom Riddle beigebracht."
„Sie haben was?" Diesmal sprachen alle drei.
„Sie denken also Vol… äh, der-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf ist dafür verantwortlich?" Jegliche Farbe war aus Professor McGonagalls Gesicht verschwunden, als Sie die Tragweite des gerade Gehörtem begriff.
„Wir müssen es zumindest annehmen, denn ich vermute nicht, dass ein Anhänger des Ordens seine Späßchen mit uns treibt."
„Und warum gerade Miss Grangers Zimmer, und mit dem den ganzen Turm?" Die Hauslehrerin von Gryffindor schien sich wieder gefasst zu haben.
„Auch das kann ich nur mutmaßen, Minerva. Aber die Vermutung liegt Nahe, dass Riddle versucht, Mr Potter, sagen wir, weh zu tun. Und das tut er in dem er Mr Potter nahe stehenden Personen Schaden zufügt." Der Professor schmunzelte.
„Was, Albus, findest du daran so lustig?"
„Ich weiß etwas, was Riddle vermutlich nicht weiß: Dieser Spruch betrifft tatsächlich nur das Gebäude, nicht die Personen, die sich darin befinden. Mir war damals klar, welchen Schaden man so anrichten könnte, also habe ich ihn so konzipiert, dass jegliches Leben davon nicht betroffen sein wird. Wenn wir also zum Turm fliegen würden, nun eher zu seinem ursprünglichen Platz, fänden wir dort sicherlich noch ein paar Insekten, die hilflos in der Luft rumschwirren."
Hermine sackte innerlich zusammen, als sie begriff, dass das Verschwinden ihres Turms tatsächlich kein Zufall war und dass dieser Angriff ihr gegolten hatte. Sie begann zu zittern. Und langsam erkannte sie die Folgen…
Meine ganzen Sachen… Mein Tagebuch, die Fotos, oh großer Merlin, all meine Unterlagen sind weg…
Sie begann still zu weinen.
„Und… und." schluchzte Hermine leise. Erst jetzt bemerkten die Lehrer ihren Gefühlszustand. „Und wo sind meine ganzen Sachen? Mein ganzes Leben war in dem Turm." Immer heftiger traf sie der Schmerz des Verlustes, denn sie erlitten hatte und immer stärker wurden ihre Tränen. Professor McGonagall stand auf und nahm ihre Schülerin in den Arm. „Ach meine Liebe, das wird sich schon alles wieder finden, nicht wahr?" Diese Frage war direkt an Dumbledore gerichtet. „Ja, sobald wir Ihren Turm ausfindig machen konnten, werden wir auch Ihre Sachen wieder finden. Nur kann ich Ihnen keine all zu großen Hoffnungen machen, dass das sehr schnell passieren wird. Severus, weißt du wann das nächste Treffen mit Riddle angesetzt ist?"
Snape erschrak, als er angesprochen wurde, denn er hatte sich dem Gedanken hingegeben mit dieser kleinen Granger Mitleid zu haben. Schnell versteckte er seine „Emotion" um seinem Gesicht den üblichen Ausdruck zu geben: kalt, abweisend und voller Desinteresse für andere.
„Nein." antwortete er wahrheitsgemäß. Er war schon lange nicht mehr zu den Treffen der Todesser gerufen worden, doch er war irgendwie froh darüber. Den Ekel Voldemorts gegenüber konnte er nicht lange und auch nicht oft verbergen. Das alles hatte er Lucius Malfoy zu verdanken, denn der versuchte ihn, den treuen Todesser, beim Lord in Misskredit zu ziehen. Einerseits war er Malfoy dankbar, andererseits wusste Snape nicht wirklich, was das genau zu bedeuten hatte. Aber er fasste einen Entschluss.
„Ich werde noch heute zu Malfoy gehen und ihn zur Rede stellen. Natürlich auf meine Art." fügte er leise hinzu, denn er müsste sich mit Malfoy über die Idee des Lords freuen und über das Versagen des Ausführers trauern oder schimpfen. Wie ich das alles hasse!
„Vielleicht bekomme ich auch heraus, was der dunkle Lord wollte, aber ich darf nicht all zu neugierig wirken, dass lenkt zu sehr SEINE Aufmerksamkeit auf mich." fügte er seinen Gedanken hinzu, nun aber gesprochen zu Dumbledore.
„Nein, es ist besser du wartest noch ein paar Tage. Ich denke das wäre besser. Es ist sonst zu auffällig."
„Aber…"
„Nein, Severus, dass ist mein letztes Wort. Wir werden uns noch ausführlicher unterhalten müssen."
Snape musste sich gestehen, dass es kein Sinn hatte, mit dem Direktor zu „disputieren". Für seinen Geschmack war der Alte aber viel zu geduldig.
„Minerva, ich denke, wir müssen heute Nacht eine andere Unterkunft für Miss Granger suchen. Die große Halle ist wohl etwas zu „überfüllt" heute Nacht. Und morgen bei Sonnenaufgang ist die Gefahr gebannt und wir suchen eine längere Lösung. Und du, mein Kind, mach dir bitte nicht all zu viele Sorgen. Es wird alles wieder gut."
„Ich werde sie heute Nacht mit zu mir nehmen, Albus."
„Nein, Minerva, auch wir werden heut Nacht in keinem der Türme verweilen. Noch ist die Gefahr nicht gebannt. Wir wissen ja nicht, ob nicht noch andere Gebäudeteile verschwinden. Ich denke, der Keller ist momentan der sicherste Ort im Schloss." Dabei wandte er sich an Snape, der noch nicht zu begreifen schien.
„Severus?"
„Professor?"
„Konnten Sie meinen Gedanken folgen?"
„Nein." Oh Merlin, nein… Es machte „klick". Noch einmal wiederholte er die Worte des Direktors in seinem Kopf… „der Keller ist wohl der sicherste Ort"… Nein, dass mache ich nicht mit, dass kann mir der Verrückte nicht aufschwatzen. DAS LASSE ICH NICHT ZU!
„Severus, ist es in Ordnung für dich, wenn Miss Granger ihr Nachtlager heute Nacht in deinem Wohnzimmer aufschlägt?"
Nein, nein, nein und nochmals nein!
„Ich denke schon." antwortet Snape knapp. Hast du den Verstand verloren? Hast du überhaupt zugehört Severus? Jetzt hast du die Granger am Hals. Was geht hier nur vor?
Dumbledore nickte. „Ich denke es wird jetzt auch Zeit. Minerva, begleite mich bitte wieder runter in die große Halle. Wir sollten nicht all zu lang hier verweilen, um keine Spekulationen aufkeimen zu lassen." Damit war er von seinem Sessel aufgestanden und begleitete alle aus seinem Büro.
Hermine war noch zu aufgewühlt um mitzubekommen, was gerade entschieden wurde.
