Die folgenden Tage verliefen mehr oder minder ereignislos. Der Schulalltag wurde fortgeführt, als wäre nie etwas passiert.
Nur für 2 Personen schien der Alltag nicht ganz normal.
Dumbledore hatte ihnen verraten, dass es schwer werden würde, längere Zeit voneinander Abstand zu halten. Und längere Zeit bedeutet in diesem Fall mehr als etwa 2 Stunden.
Sollten Hermine und Snape absichtlich den Kontakt meiden, könnte dies schwere seelische Störungen auslösen. Zeitweilig verspürte Hermine sogar körperlichen Schmerz.
Dieser ging jedoch nie über leichte Magenschmerzen hinaus.
Und so hatte sie nach wenigen Tagen die Vorkommnisse verdrängt und folgte ihrem Schulalltag.
Frühstück – Unterricht – Mittagessen – Unterricht – Bibliothek – Abendessen – Bibliothek – Schlaf.
Ihr entging jedoch nicht, dass sie nicht das Bedürfnis hatte, ihren Professor zu sehen. So kam sie zu einer nur logischen Schlussfolgerung.
Sonnabend Morgen hatte Hermine den Entschluss gefasst, sich zu bedanken. Noch verschlafen setzte sie sich an ihren Schreibtisch und das leichte kratzen der Feder auf Pergament füllte den Raum. Nach nur kurzer Zeit war das Werk vollendet. Als Hermine sich den Brief noch einmal durchgelesen hatte, überlegte sie, wie sie diesen an den Empfänger bringen könnte.
Eine Eule für dieses kurze Stück wäre lächerlich…
Also warf sie sich ihren Morgenmantel über und huschte durch den kalten Kellerflur zu Snapes Privaträumen.
Dann war es Zeit für Frühstück.
OoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoO
Ah, endlich Wochenende.
Severus Snape saß schon seit dem Morgengrauen hinter seinem Schreibtisch. Er war nie ein Langschläfer. Der Kaffee dampfte wohlriechend vor sich hin und der Zaubertränkelehrer konzentrierte sich auf seine Arbeit: Aufsätze Korrekturlesen.
Ein leises Geräusch lies ihn aufblicken.
Was war das?
Sein Blick streifte durch sein Wohnzimmer und blieb an einem grauen Umschlag hängen, der wohl eben unter der Tür durchgeschoben wurde.
Langsam erhob er sich und ging leisen Schrittes auf die morgendliche Post zu.
Wer? Warum?
Mit dem Umschlag in der Hand machte er kehrt und ging, den Brief abschätzend (zu leicht für einen versteckten Fluch), zurück zu seinem Stuhl.
Bevor er das Schreiben öffnete, trank er noch einen großen Schluck von seinem Kaffee (AN: oder lutschte dran, denn Kaffee für Snape ist sicherlich eher Sirup, oder?).
Mit einem beherzten Reisen öffnete er den Umschlag und dieser segelte zu Boden. Snape entfaltete das Pergament und zu Tage kam eine kleine, filigrane Handschrift, die er erst vor wenigen Nächten genauer studieren konnte.
Was könnte Hermine nur von mir wollen? Er schüttelte den Kopf. Eine sinnfreie Frage, wo er doch die Antwort in den Händen hielt.
Also begann er zu lesen.
Sehr geehrter Professor Snape,
ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, in der Hoffnung, Sie nicht gestört zu haben.
Es erschien mir wenig Sinn zu machen, eine Eule zu beauftragen Ihnen meinen Brief zukommen zu lassen. So habe ich ihn, wie Sie sicherlich bemerkt haben, unter Ihrer Tür hindurch geschoben. Ich hoffe, dass macht für Sie keine Umstände.
Nun zu meinem Anliegen.
Ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Dafür, dass Sie es geschafft haben, immer unauffällig in meiner Nähe zu sein und mir somit einen recht angenehmen Alltag beschert haben. Gesehen habe ich Sie nie, Professor, aber anders kann ich mir das Ausbleiben meiner seelischen Zerstörung nicht erklären.
Aber ich kann nicht von Ihnen verlangen, dass Sie ständig Ihre Freizeit für mich in der Bibliothek opfern, deshalb habe ich beschlossen, meine Besuche dort bis auf weiteres auszusetzen. Jedenfalls so lang, bis ich eine Lösung für das Problem gefunden habe.
Ich wünsche Ihnen ein ruhiges Wochenende und verbleibe mit
bestem Dank
Hermine Granger
PS: Ich hoffe, Sie verzeihen mir meinen kleinen Scherz über die Zerstörung meines Seelenswohls, denn ich habe bemerkt, dass die Situation mit Humor leichter zu bewerkstelligen ist. Hermine
Snape hatte nicht bemerkt, wie ein kleines Lächeln über sein Gesicht gehuscht ist.
Dieses Mädchen ist einfach bemerkenswert.
Ohne Zögern griff er nun selbst zu Pergament und Feder, um eine Antwort zu verfassen.
OoOoOoOoOoOoOoOoOoOoO
Hermine war gerade vom Frühstück zurück in ihr Zimmer gekehrt um ein wenig zu lesen. In die Bibliothek wäre sie gern gegangen, aber nach spätestens 2 Stunden hätten die Schmerzen begonnen oder aber der Professor hätte seinen Sonnabend in einer dunklen Ecke der Bibliothek verbracht. Beides war keine Lösung.
Also stöberte sie durch „Hogwarts – Eine Geschichte". Dieses Buch kannte sie zwar schon auswendig, aber es machte immer wieder Spaß.
Durch ihr aufmerksames Lesen hätte sie fast die Ankunft der Antwort auf ihren Brief verpasst.
Sie tapste leise zur Tür, um ihre Anwesenheit nicht zu verraten.
Ein weißer Umschlag mit der Aufschrift Miss Hermine Granger.
Diese Handschrift.
Langsam lies sie sich zurück in ihren Sessel sinken um in Ruhe diesen Brief zu lesen.
Sehr geehrte Miss Granger,
Ihnen ebenfalls einen guten Morgen und nein, Sie haben mich nicht gestört.
Ich bin immerwieder erstaunt über Ihre Auffassungsgabe, Miss Granger.
Aber um auf den Punkt zu kommen: es ist natürlich keine Lösung auf Dauer. Deshalb möchte ich Ihnen folgenden Vorschlag unterbreiten:
Sie können statt der Bibliothek im dritten Stock meine Privatbibliothek nutzen. Sie steht, solang Sie gewissenhaft mit meinem Eigentum umgehen, jederzeit (08.00 bis 21.00) für sie offen.
Ich bitte Sie jedoch, dass Sie mir vorher kurz bescheid geben. Mit einer Ausnahme: heute können Sie gern ohne vorherige Ankündigung kommen, da die Zeit eine solche Maßnahme nicht zulässt.
Gruß, Professor Severus S. Snape
Post Scriptum: Ich werde Ihnen Ihren Anflug von unangebrachtem Humor verzeihen, da Humor eine gute Lösung ist.
Hermine entwich ein lauter Freudenschrei.
Vor ihrer Tür schüttelte ein gänzlich schwarz gekleideter Mann den Kopf und ging lächelnd in seine Räume zurück.
