Kapitel 2
Hermine

Ihre Mutter hatte Hermine einmal gesagt, daß sie eines Tages noch ein Magengeschwür bekommen würde, wenn sie sich weiterhin so viele Sorgen machte. Aber das war ein Teil von ihr, sie konnte nichts dagegen tun. Es war so, als würde man einem Hund sagen, er solle aufhören zu bellen und in seiner Freizeit lieber etwas anderes tun.

„Danke, Severus", murmelte sie ein paar Tage nach den UTZs vor sich hin. Das Abschiedsessen war nur noch wenige Tage entfernt, und die Vorstellung, sich zu versprechen, hatte sie so in Angst versetzt, daß sie angefangen hatte zu üben, Professor Snapes Namen zu sagen.

In Wahrheit hatte sie die Namen all ihrer Lehrer geübt, und sie war recht zuversichtlich bezüglich Minerva und Albus. Es waren eine ganze Menge Nachforschungen notwendig gewesen, bis sie endlich die Vornamen von Professor Vektor und Professor Sinistra herausgefunden hatte, aber sie war bereit. Bereit für jeden, außer Snape.

„Führst du wieder Selbstgespräche, Hermine?" fragte Ron und sah sie besorgt an.

„Ich weiß, wir beschweren uns immer, daß du zu viel redest", sagte Harry.

„Und über langweiligen Kram", unterbrach Ron.

„Aber es würde uns nichts ausmachen zuzuhören, wenn du wirklich jemanden zum Reden brauchst", versicherte Harry und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

Wie nett von den beiden, sie daran zu erinnern, daß sie sich gewöhnlich nicht die Mühe machten, ihr zuzuhören, wenn sie über Arithmantik oder Verwandlung sprach, aber auf der anderen Seite langweilte sie sich damit manchmal sogar selbst.

„Es ist nichts, wirklich. Ich bin nur etwas nervös, weil ich die Schule verlassen werde, das ist alles." Sie schüttelten zustimmend die Köpfe, gingen aber schnell zum nächsten Thema über. Sie seufzte leise, bevor sie sich in die Feinheiten der Chancen der Chudley Cannons auf einen Sieg im Bezirksfinale vertiefte. Sie waren Jungen, sie redeten nicht über ihre Gefühle, und ehrlich gesagt war ihr auch nicht danach zu erklären, weshalb sie wegen des Abschiedsessens nervös war. Je mehr sie sich damit beschäftigte, desto wahrscheinlich wurde es, daß sie einen Fehler machte, schloß sie.

Das Abschiedsessen kam wesentlich schneller, als ihr lieb gewesen wäre. Sie aß nicht sonderlich viel, sie war zu nervös wegen dem, was noch kommen würde. Nachdem die jüngeren Schüler den Raum verlassen hatten, reihten sich die Lehrer, angeführt von Professor Dumbledore, an einer Seite auf, während die Siebtkläßler es ihnen auf der anderen nachtaten. Langsam vermischten sich die beiden Reihen, und Gratulationen und Dank wurden ausgetauscht.

„Ah, mein lieber Junge", hörte sie den Direktor dem Schüler vor sich zurufen. „Ich gratuliere, Neville."

„Danke, Albus", erwiderte Neville schüchtern, bevor er die Reihe weiter abschritt. Sie war die Nächste. Mit einem tiefen Atemzug trat sie nach vorn und hielt das kleine Geschenk vor sich, das sie früher in dieser Woche in Hogsmeade gekauft hatte.

„Die sind für Sie, Prof..."

„Hermine", sagte Dumbledore mit einem strengen Blick - streng, aber voller Übermut.

„Ich meine, Albus. Tut mir leid, Sir." Sie reichte ihm das Päckchen.

„Was ist das?" fragte er neugierig, während er die Plastiktüte voll mit leuchtend orangen Klumpen untersuchte.

„Circus Peanuts. Das sind Muggel-Süßigkeiten. Ich persönliche finde sie widerlich, daher wußte ich, daß sie genau nach ihrem Geschmack sein würden." Er lächelte sie an.

„Danke, Kind", sagte er. Plötzlich und ohne Vorwarnung schlang sie ihre Arme um ihn. Sie konnte nicht anders. Sie konnte nicht glauben, daß sie tatsächlich gehen würde.

„Aber, aber", sagte er tröstend und tätschelte ihr den Rücken. „Die meisten Leute schenken mir Bücher, aber ich kann's nicht erwarten, die hier auszuprobieren." Er löste sich aus ihrer Umarmung, öffnete die kleine Tüte mit Süßigkeiten, griff hinein und warf sich ein Teil in den Mund. Sie beobachtete ihn erwartungsvoll.

„Abscheulich! Ich liebe sie!" rief er mit einem Funkeln in den Augen.

Hermine schritt die Reihe ab. Tränen brannten in ihren Augen, als sie ihre Lehrer umarmte. Der letzte war allerdings derjenige, vor dem sie sich am meisten gefürchtet hatte. Sie wischte sich die Augen und näherte sich ihm erhobenen Hauptes.

„Ich hoffe, Sie erwarten von mir nicht auch so eine alberne, sentimentale Verabschiedung", spottete er.

„Selbstverständlich nicht."

„Die Wahrheit ist nämlich, daß ich diesen Tag die vergangenen sieben Jahre sehnsüchtig erwartet habe."

„Das überrascht mich nicht, nachdem sie mich so gräßlich behandelt haben", erwiderte sie.

„Nur weil ich Sie nicht verhätschelt habe..."

„Ungeachtet der Tatsache, daß ich die Zaubertränkestunden die letzten sieben Jahre gefürchtet habe, habe ich nebenbei ein paar Dinge gelernt, und dafür wollte ich nur „danke" sagen", unterbrach sie. Er starrte sie eine Weile ungläubig an, bevor er die ihm dargebotene Hand nahm.

„Ich gratuliere, Hermine", sagte er. Sie hätte nie gedacht, daß sich ihr Name so anhören könnte, wie geschmolzene Schokolade oder Samt. Der übliche Hohn fehlte, obwohl der unterschwellige Sarkasmus noch immer da war. Sie wußte, daß er gönnerhaft und herablassend war, aber es klang trotzdem gut.

„Danke, Sevie", antwortete sie, ohne nachzudenken. Der Effekt, den es gehabt hatte, ihren Vornamen aus seinem Mund zu hören, hatte ihr bizarre Vorstellungen von dieser Hütte eingegeben, von der Parvati und Lavender erzählt hatten. Ihre Vorstellung war gerade bei den vier Kindern und dem Prozeß des Kinderkriegen angelangt, als ihr bewußt wurde, was sie getan hatte.

„Wie haben Sie mich gerade genannt?" zischte er und drückte dabei ihre Hand so fest, daß sie dachte, die Knochen könnten brechen. All das Üben, und sie hatte die eine Sache getan, die sie gefürchtet hatte. Wie sollte sie das erklären? Würde er eine Erklärung überhaupt akzeptieren? Gab es eine?

„Danke, Severus. Ich meine, Sir. Danke, Sir", stammelte sie. Er starrte sie mit kalten, schwarzen Augen wütend an. Er mochte den kleinen Spitznamen nicht, wie sie es sich gedacht hatte.

„Sie haben Glück, daß ich nicht länger Hauspunkte abziehen kann, Ms Granger", sagte er mit einem finsteren Blick, hielt aber immer noch ihre Hand fest. Wäre er in der Position gewesen, Punkte abzuziehen, wären sie natürlich erst gar nicht in dieser lächerlichen Situation gewesen. Sie brannte darauf, ihn darauf hinzuweisen, aber sie hatte sich bereits in Schwierigkeiten gebracht, sie wollte es nicht noch schlimmer machen, indem sie unverschämt war.

„Es tut mir leid, aber lassen Sie uns die Vergangenheit ruhen lassen, in Ordnung? Wir sind schließlich beide erwachsen, nicht wahr?" sagte sie mit ihrer erwachsensten Stimme. (Das hatte sie ebenfalls geübt.)

„Wie überaus reif von ihnen", lächelte er affektiert, zog sie dann aber näher zu sich heran, so daß nur sie hören konnte, was er als nächstes sagte. „Aber wenn ich noch einmal höre, wie Ihnen dieser Name über die Lippen kommt, wird Ihnen das sehr leid tun. Verstehen wir uns da?"

Sie wurde blaß und riß ihre Hand von ihm los. Sie rieb die Stelle, an der er sie so fest gepackt hatte, stählte sich und begegnete seinem harten Blick.

„Wenn auch sonst nichts, so haben mich doch sieben Jahre gelehrt, daß Sie zwar bellen, aber nicht beißen, Sevie", sagte sie und ging dann davon - schnell.

Als sie die Treppe erreichte, sprintete sie sie hinauf und eilte zum Portrait der Fetten Dame, so schnell ihre Beine sie tragen konnten. Ihr Gryffindor-Mut hatte ihr ihre Abschiedsworte an Snape ermöglicht. Stolz hatte sie daran gehindert, über die Schulter zurückzusehen, als sie davongehastet war, wenngleich ihre Ohren gespitzt waren und nach Geräuschen lauschten, die nach verärgerten Männern mittleren Alters mit Zauberstäben klangen, aber Umsicht sagte ihr, daß sie so schnell wie möglich verschwinden sollte.

Nachdem sie sich auf ihr Bett geworfen hatte, brauchte sie einen Moment, um Luft zu holen und zu verarbeiten, was sie gerade getan hatte. Das Gute daran, daß sie ging, war, daß sie ihn wenigstens nicht wiedersehen mußte - nie wieder. Na ja, abgesehen von den Versammlungen des Ordens, und wenn sie das Praktikum bei Minerva annahm, und die Zauberergemeinschaft war nicht so riesig. Sie würde ihm garantiert irgendwann über den Weg laufen. Oh Gott, was sollte sie tun?