Kapital 2 – Die falsche Hausaufgabe

Es war bereits Abend und der Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste saß über den Hausaufgaben der Schüler. Er nahm das nächste Blatt in die Hand. Es war die Zeichnung eines Drachen. Sie war wirklich großartig, aber leider war die Hausaufgabe gewesen verschiedene Abwehrsprüche gegen Angriffe von Drachen aufzuzählen und zu vergleichen. Diese Aufzählung fehle komplett. Kopfschüttelnd schrieb er ein paar Zeilen unter das Bild und nahm sich die nächste Arbeit. Bereits bei der Überschrift runzelte Harry die Stirn ‚Elixier gegen Drachenbisse' Hatte da noch ein Schüler seine Aufgabenanweisung etwas freimütiger ausgelegt? Er überflog den Text und stellte fest, dass dieser eindeutig zu viele Formeln enthielt, um für sein Fach geschrieben worden zu sein. Als er beim Ende ankam, war er überzeugt, dass der arme Roth Pleesen, dem das Pergament gehörte, ihm die Hausaufgabe für Zaubertränke eingereicht haben musste. Harry konnte sich bildhaft vorstellen, wie Snape den Gryffindorschüler vor der gesamten Klasse demütigen würde. Entschlossen stand er auf. Mit der Rolle in der Hand machte er sich schnellen Schrittes auf den Weg zum Kerker.

Er hatte den richtigen Gang ohne Schwierigkeiten gefunden. Der Weg war ihm aus seiner Schulzeit noch vertraut. Vor einer massiven Holztür blieb Harry stehen. Eine leichte Gänsehaut bedeckte seine Arme. Vermutlich lag es nur an der kühlen Temperatur hier unten oder an der düsteren Atmosphäre des Kerkers. Trotzdem dauerte es fast eine Minute, eher er anklopfte.

„Herein.", erklang die unverkennbare Stimme von Professor Snape hinter der Tür. Die erneute Gänsehaut ignorierend betrat der junge Mann das Büro seines ehemaligen Lehrers.

Severus Snape stand mit dem Rücken zu ihm vor einem Regal. Er stellte ein Buch mit goldenem Einband weg und drehte sich dann erst um. Einen Bruchteil der Sekunde sah er verwirrt aus, dann blicke er kühl in die smaragdfarbenen Augen seines Besuchers. „Wie kann ich Ihnen helfen, Professor Potter?" Der Ton seiner Stimme war distanziert und im Gegensatz zu den gesprochenen Worten ließen sie keine Hilfsbereitschaft erkennen.

Harry lächelte dennoch. Er konnte sich an seinen Titel bisher noch nicht gewöhnen, obwohl er diesen sich über Jahre hatte hart erarbeiten müssen. „Ich habe etwas, was für Sie bestimmt ist, Professor Snape." Er merkte, dass es ihm gar nicht behagte den Tränkemeister mit ‚Professor‚ anzusprechen. Zu sehr fühlte er sich wie der Schüler von einst, der auf seine Strafarbeit wartet.

Der Vorschlag kam aus seinem Mund, ohne dass er vorher darüber richtig nachgedacht hatte: „Können wir uns nicht duzen? Jetzt wo wir praktisch zusammenwohnen. Also nicht richtig zusammen, nur in einem Schloss. Aber das dauerhaft…"

„Bitte ja, ich bin einverstanden, wenn es Sie, Dich, dazu bringt wieder aus meinem Büro zu verschwinden.", unterbrach der Tränkemeister ihn genervt.

Verunsichert stand Harry da und starrte auf seine Schuhe. Was war nur in ihn gefahren? So selten wie er Snape begegnete, hätten sie auch beim ‚Professor' bleiben können.

Sein Blick fiel auf die Rolle Pergament in seiner Hand und nun wusste er wieder, warum er hier war. Seine Unsicherheit verflog. Mit festen Schritten kam er auf den anderen Mann zu, der zu seiner eigenen Überraschung versuchte zurückzuweichen, als fürchtete er, Harry wolle ihm an die Wäsche gehen. Doch Dank seinem Tisch, der direkt hinter ihm stand, kam er gar nicht so weit, dass der ungeladene Gast diese Bewegung hätte bemerken können.

Harry reichte das Pergament. „Sieht für mich so aus, als könntest Du damit mehr anfangen als ich."

Zögernd entrollte Professor Snape die Hausaufgabe. Während er sie überflog, hellte sich sein Gesicht immer mehr auf. Das war die Arbeit eines Drittklässlers, die er bereits vermisst hatte. Zaubertrankformel, damit kannte er sich bestens aus. Und schon hatte er den ersten Fehler entdeckt. Schweigend ging er um seinen Tisch herum, setze sich hin, nahm eine Feder in die Hand und begann auf dem Pergament kurze Zeichen zu setzen.

Harry Potter stand noch immer da, wo Snape ihn hat stehen lassen. Zwei Schritte vom Tisch entfernt. Scheinbar hatte der andere ihn komplett vergessen. Er hätte vermutlich gehen könne, ohne dass es ihm aufgefallen wäre. Doch aus irgendeinem Grund war dem jungen Lehrer nicht danach wortlos zu gehen. Vielleicht weil er den Großteil der Hausaufgaben bereits durchgesehen hatte und weiter nichts vorhatte, außer vielleicht mal wieder Hagrid zu besuchen. So blieb Harry also stehen und sah zu dem Mann hinter dem Tisch. Es war das erste Mal seit seiner Ankunft in Hogwarts, dass er Snape in Ruhe anschauen konnte. /Nein, Severus., ermahnte er sich. /Ich wollte ihn duzen, dann sollte ich mich langsam daran gewöhnen./ Severus war äußerlich in den 8 Jahren nicht älter geworden, obwohl er auf seinen 50-ten Geburtstag zusteuerte. /Der Vorteil, wenn man ein Zauberer ist und sowieso 150 wird. Mit 50 ist man ja im besten Alter. Vergleichbar mit einem 30-jährigen Muggel. Nur viel weiser. Besonders wenn man Severus Snape ist./ Gerade fragte Harry sich, wieso dieser gutgewachsene, schwarzhaarige, recht attraktive Zauberer nie eine Frau an seiner Seite gehabt hatte, solange Harry ihn kannte, was immerhin schon seit 14 Jahre der Fall war, als dieser, offensichtlich fertig mit der Korrektur der Hausarbeit, zu ihm aufsah. „Immer noch hier? Ich hatte gehofft, Du würdest die Tür alleine finden können."

/Ach ja, es ist wegen seiner charmanten Art., kam Harry in Gedanken die Antwort auf seine zuvor gestellte Frage. Laut erwiderte er: „Ich bin aus Neugier geblieben. Bist Du mit Roths Arbeit zufrieden?" Es entsprach nicht den Tatsachen, doch es war besser als die Wahrheit zu sagen.

„Zufrieden? Hast Du es Dir nicht angesehen, bevor Du es hierher gebracht hast? Mit einem Zaubertrank nach dieser Rezeptur hätte er es geschafft sich die Haut von der eingesalbten Stelle wegzuätzen."

„Nun ja, immerhin auch eine Art einen Drachenbiss verschwinden zu lassen.", gab Harry zurück.

„Witzig. Sollten die Schüler das nächste Mal nach Deinem Unterricht mit Drachenverletzungen zu mir in den Unterricht kommen, werde ich Mr. Pleesen einen Wundheiltrank brauen lassen. Dann werden wir sehen, ob er Dich auch so witzig findet." Die Antwort klang so kalt und abweisend, wie Harry es erwartet hatte und doch schwang ein Unterton mit, den er nicht recht zuzuordnen wusste.

„Ich konnte nicht ahnen, dass der Irrwicht sich in einen Feuer speienden Drachen verwandeln würde. Der Redikulus-Fluch traf ihn sofort. Doch die halbe Sekunde reichte bereits aus, um Magg's Arm zu verletzen. Das war ein Unfall.", verteidigte sich Harry.

„Wenn der große Harry Potter das sagt. Und da es bei Drittklässlern so großartig lief, übst Du nun mit Erstklässlern?" Die ironische Frage war eher ein Vorwurf und Harry stellte fest, dass er sich erneut rechtfertigen musste.

„Der Irrwicht wird vom Schulplan her bereits im zweiten Schuljahr durchgenommen. Ja, ich habe den Stundenplan verändert, aber die Idee habe ich im Prinzip von Dir. Vielleicht kannst Du Dich noch daran erinnern, wie Du mit meiner Klasse damals die Werwölfe durchgenommen hast? Ich weiß, es war wegen Remus. Dennoch waren wir zu früh mit dem Thema dran. Dagegen haben wir den Irrwicht zu spät durchgenommen. Es gab bekanntlich gewisse Probleme mit meinen Vorgängern. Und was war? Lupin musste einen Dementor mir vom Hals schaffen. Die Drittklässler von heute sind nicht viel besser. Drachen waren fast das kleinere Übel. In der Stunde standen die Schüler und dann vor einer tickenden Bombe und auch vor zwei Vampiren. Ich bin zu dem Schluss gekommen, desto größer die Kinder, desto größer die Gefahren, vor denen sie Angst haben. Und sie sind schlechter darin ihre Ängste zu überwinden, als Siebenjährige, die noch an den leichten Sieg des Guten gegen das Böse glauben. Vielleicht auch weil die Erstklässler einen Sack voll schöner Gedanken dabeihaben, wenn sie vor der Kiste des Irrwichs stehen. Drittklässler empfinden den letzen Geburtstag oder den Besuch im Zoo nicht mehr als eine Offenbarung des Glücks, ihre kleinen Geschwister dagegen schon.", schloss Harry seine kleine Rede. Gegen Ende fühlte er sich nicht mehr wie auf der Anklagebank. Severus hatte einige male zustimmend oder verstehend genickt und ihm so das Gefühl gegeben mit Interesse zu zuhören.

Und seine ersten Worte bestätigten Harrys Annahme: „Du magst Recht haben.", sagte Professor Snape, doch gleich darauf machte er klar, dass er dem jungen Lehrer noch lange nicht blind vertraute: „Aber die Zeit wird es zeigen."

„Aber immerhin ist keiner der Erstklässler in meinem Unterricht verletzt worden.", stellte Harry trotzig fest.

„Vermutlich nur eine Glücksträhne.", konterte der Ältere.

Diesmal nahm Harry die Stichelei mit Humor: „Mag sein, aber wie Du bereits sagtest, die Zeit wird es zeigen.' Mit diesen Worten ging er zur Tür. „Ich werde Dich nun nicht weiter von der Arbeit abhalten. Ich habe außerdem auch noch einiges, was ich für morgen vorbereiten muss."

Als Antwort bekam er nur ein Nicken. Mit einem letzten Blick auf den Mann, der nachdenklich hinter seinem Tisch saß, verließ der Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste den Kerkerraum (und überließ Severus seinen Gedanken

/Er scheint nichts gemerkt zu haben. Obwohl ich mich wie ein pubertierender Bengel aufgeführt habe! Oder wie ein alter Narr! Harry ist dagegen ein ganzer Mann. Voller Verantwortung für die Schüler. Er ist ein guter Lehrer Natürlich ist er nicht fehlerfrei doch er bemüht sich, ruht sich nicht einfach auf seinem Namen aus.

Warum habe ich versucht ihn zu provozieren? Er ist nun mal der GROßE Harry Potter. Er ist derjenige, der Voldemort besiegt hat. Nicht durch einen Zauber, dass ihn als Kleinkind beschütze, nein, mit der eigenen Stärke, mit dem eigenen Mut. Mit der Macht, die in ihm steckt. Die Zeit, in der er es hasste, wenn ich ihn so nannte liegt lange hinter uns. Solange, wie der Hass, den ich einst für ihn empfand.

Hat er ebenfalls aufgehört mich zu hassen? Kaum vorstellbar. Doch in seinem Verhalten lag keine Abneigung. Er ist geblieben, obwohl ich ihn ignorierte. Was ist passiert? Noch bei seiner Ankunft vor vier Monaten konnte ich deutlich spüren, dass er kaum erwarten konnte, bis ich aus seinem Blickfeld verschwand. Doch nun hat er mir sogar das DU angeboten. Spürt er vielleicht etwas? Ich habe in den letzen Monaten und auch heute Abend sicher nichts gemacht, was ihn genötigt hätte freundlich zu mir zu sein. Severus, Du bist wirklich ein Narr. Fängst Du gerade an darauf zu hoffen, dass Potter, nein HARRY mehr für Dich empfinden könnte? Du solltest nicht mal auf eine Freundschaft unter Kollegen hoffen. So wirst Du zumindest nicht enttäuscht.

Und denke nicht einmal daran, morgen zum Frühstück zu gehen. Das würde nichts ändern. Du wärst immer noch ein alter Narr und mit ein wenig Pech wird er das auch merken. Das wird nicht passieren. Solange ich einen Funken Würde habe, werde ich nicht zulassen, dass Harry Potter sich lustig über mich machen kann./