Kapitel 4 – Das Mittagessen und der Trank

Als die Glocke Mittag verkündete, war Harry bereits auf dem Gang. Zielstrebig ging er die Stufen herunter, durchquerte Korridore, bog mal nach recht mal nach links ab, stieg weitere Stufen abwärts bis er endlich, genau wie gestern, vor der Holztür im Kerker stand. Unsicher klopfte er an.

„Herein." Wie am Vortag klang die Stimme des Tränkemeisters kühl. Doch dieses Mal wurde Harry davon nicht irritieren. Im Gegenteil, er betrat den Raum mit einem Lächeln auf den Lippen.

„Ich wollte Dich zum Essen abholen.", verkündete Harry, kaum war er über die Türschwelle getreten.

Severus stand hinter seinem Tisch mit einem Flakon in der Hand und arbeitete offensichtlich an einem Zaubertrank. Als er Harrys Stimme erkannte, schaute er auf. „Ich habe zu tun.", gab der Lehre schorf als Antwort zurück.

„Dafür hast Du nach dem Unterricht noch Zeit.", erwiderte der andere. „Außerdem musst Du etwas essen."

„Ich werde mir von den Elfen etwas bringen lassen." Professor Snape unternahm einen weiteren Versuch seinen beharrlichen Besucher abzuwimmeln.

Doch dieser ließ nicht so leicht locker: „Das fehlte noch, dass Du die armen Hauselfen für Dich schuften lässt." Harry musste über sich selber schmunzeln, weil er sich so sehr nach Hermine anhörte, die bis heute Hauselfen in Schutz nahm, wo sich ihr die Gelegenheit bot. „Lass uns gehen, bevor ich auch noch meinen B.Elfe.R- Anstecker heraushole."

Severus Snape sah so aus, als wollte er noch ein Mal widersprechen, doch dann schüttelte er mit dem Kopf, stellte das Flakon mit der roten Flüssigkeit auf den Tisch und schritt an Harry vorbei zur Tür.

„B.Elfe.R?", fragte der Tränkemeister, als beide gerade den ersten Gang hinter sich gelassen hatten.

„Das ist eine alte Geschichte, aber wenn Du darauf bestehst, werde ich sie Dir eben erzählen." Und der junge Mann begann mit der Erzählung eher der andere protestieren konnte. Unterdessen nährten sie sich zielstrebig der Großen Halle.

„Severus, schön dass Du heute Zeit gefunden hast mit uns zu speisen.", begrüßte der Schulleiter den Zaubertranklehrer, als dieser neben Harry seinen Platz einnahm.

„Ich muss darauf warten, dass die Krötenhaut sich zerkocht, dass wird noch einige Stunden dauern und dann..."

„Ohne Einzelheiten, bitte!", unterbrach ihn Madam Hooch im vorwurfvollem Ton. „Ich möchte das Mittagessen gerne bei mir behalten, Severus."

Ohne eine Antwort darauf zu geben, wandte sich der Tränkemeister seinem Essen zu, aber nicht lange, denn nun sprach ihn Harry an: „Vielleicht hast Du nachher Lust mir Deinen Versuch zu erläutern. Es würde mich wirklich interessieren, was Dich seit Wochen davon abhält uns beim Essen mit Deiner Gesellschaft zu beehren."

„Ich bezweifle, dass Du es verstehen würdest.", erwiderte der ältere Professor knapp ohne seinen Kollegen anzusehen.

Dieser reagierte beleidigt auf die Äußerung: „Höre man Snape, ich bin gar nicht so schlecht in Zaubertrankkunde, auch wenn du immer bemüht warst mich dumm dastehen zu lassen. Wir wissen beide, dass meine schlechten Noten in deinem Fach nichts mit meiner Leistung zu tun hatten!"

„Ich weiß nicht wovon Du sprichst." Severus war klar, dass er log und dass auch Harry es wusste, doch ihm blieb keine andere Wahl, denn nun hatten sie die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich gezogen. Um das unangenehme Gesprächsthema abzuschließen schlug er seinem ehemaligen Schüler vor: „Du kannst heute Abend nach dem Unterricht Dir meinen Versuch ansehen."

„Das werde ich.", erwiderte sein Nachbar, der immer noch verstimmt war, aber es gleichzeitig bereute so die Beherrschung verloren zu haben.

Eine Weile aßen sie still weiter. Nach etwa 5 Minuten hatte sich Harry jedoch beruhig und da Hagrid heute wegen einem Einhorn unterwegs war, nahm er das Gespräch mit Severus wieder auf.

Der Rest des Mittagessens verlief ohne besondere Vorkommnisse. Severus verabschiedete sich als erster. Mit der Begründung ‚Er habe noch viel bis heute Abend zu erledigen' verließ er die Halle, eher der Nachtisch verteilt wurde.

Tatsächlich eilte der Tränkemeister nach dem Mittagtisch in seine Räume. Doch als er den Kerkerraum betrat, ging er an seinem Arbeitstisch auf dem sein Versuch noch immer ausgebreitet war vorbei in sein Schlafzimmer. Mit einem vollen Weinglas ließ er sich dort in einen großen Sessel fallen.

„Harry, denkst du oft an die alten Tage? Hoffentlich kannst Du es mir eines Tages verzeihen.", flüsterte der Tränkemeister und nahm einen Schluck vom roten Wein. Fast eine halbe Stunde saß er nachdenklich im Sessel. Das Glas war längst geleert. Als Severus Snape sich schließlich erhob und an die Arbeit ging, konnte man an seinem Blick erkennen, dass er seine Träume aufgegeben hatte.

Es war schnell Abend geworden. Harry hatte noch die Hausaufgaben der Fünftklässler nachgeguckt eher er sich umzog und dann zu seiner Verabredung im Kerker eilte.

Die Tür zu Severus Privaträumen stand dieses mal weit auf, also trat der 25jährige ohne Anzuklopfen über die Türschwelle.

„Da bist Du ja.", wurde er schorf begrüßt.

„Tut mir leid, wenn Du bereits auf mich gewartet hast. Ich wollte andere Arbeiten erledigt haben, bevor ich her kam. Weiß ja nicht, wie lange wir an dem Versuch arbeiten werden.", erwiderte Harry.

„Du bist wirklich interessiert an dem Versuch." Es war eine Feststellung, keine Frage. Trotzdem bekam Severus eine Antwort.

„Ja. Das bin ich. Das habe ich doch bereits beim Mittagessen gesagt."

„Dann lass uns direkt damit beginnen." Professor Snape konnte es tatsächlich kaum erwarten mit dem Zaubertrank weiterzuarbeiten. Nicht nur, weil er kurz vor dem Durchbruch stand, sondern weil die Arbeit ihn von anderen Gedanken ablenkte.

Harry beugte sich über den Kessel, in dem der Trank langsam vor sich hin köchelte. „Was wird es, wenn es fertig ist?", fragte er neugierig.

„Ein Anti-Veritas-Serum. Ein Gegentrank zu dem Wahrheitsserum.", erklärte Snape. „Nur noch wenige Zutaten und dann sollte es soweit sein." Mit diesen Worten nährte der Tränkemeister sich dem Kessel, um eine grün-gelbe Flüssigkeit zu der kochenden Masse hinzuzufügen.
"Du brauchst doch jemanden, an dem Du die Wirkung testen kannst. Wie wäre es mit mir?" Harry wollte noch hinzufügen, dass er nichts zu verheimlichen hätte, aber soweit kam er nicht, denn als er den Vorschlag aussprach, ließ Severus das kleine Fläschchen in den Kessel fallen. Mit einem leisen Platsch versank es in dem Trank. Eine Fontäne der gräulichen Flüssigkeit schoss hervor und bespritze alles um sich herum, inklusive dem Tränkemeister, der wie angewurzelt vor der Kochstelle stand und noch immer die Hand über dem Kessel hielt.

„Ohh nein. Wie ist den passiert?" rief Harry aufgeregt und versuchte Snape wegzuziehen. Als dieser die Berührung auf seiner Schulter spürte, drehte er sich um, und eilte davon. „Ich muss mich umziehen" brummte er, eher die Tür zu seinem Schlafgemach hinter ihm zuknallte.

Obwohl Harry sich nicht erklären konnte, wie er an diesem Unfall Schuld sein sollte, hatte er ein schlechtes Gewissen. Sicherlich hatte er Snape irgendwie abgelenkt. Ob durch ihn nun die Arbeit der letzten Wochen umsonst war? Musste der Trank vom Neuen angesetzt werden? Er schaute sich nach Severus' Aufzeichnungen um. Irgendwo musste der Versuchsaufbau doch notiert sein. Auf dem Tisch konnte er nichts außer weiteren Zutaten finden. Er besah sich den Bücherschrank. Ihm fiel sofort das Buch mit dem goldenen Einband auf, das er neulich schon einmal in den Händen seines ehemaligen Lehrers gesehen hatte. Das musste es sein. Harry nahm das Buch aus dem Schrank heraus. Er schlug die ersten Seiten auf. Auf den ersten Blick schien es das zu sein, was er suchte, den die Seiten des Buches waren von Hand beschrieben. Schnell blätterte Harry bis an das Ende der Aufzeichnungen und las den letzten Absatz.

Ich sehe keinen Sinn in meinem Bleiben. Ich kann Harry hier nicht aus dem Weg gehen. Es wäre das Beste meine Stelle in Hogwarts aufzugeben. In Durmstrang wird gerade ein fähiger Lehrer für Verteidigung gegen die Dunkeln Künste gesucht. Welche Ironie. Vielleicht ist das aber auch ein Zeichen. Ich werde morgen mit Dumbledore über meine Entlassung reden.

Fast hätte er das Buch fallen lassen. Das Herz klopfte laut in seiner Brust. Snape wollte weg? Warum? Was hatte das mit ihm zu tun? Er nahm an, dass sie endlich gut mit einander auskamen und nun das? Konnte er es noch verhindern? Wenn Harry Severus nur verstehen würde.

In diesem Moment hörte er Schritte im Zimmer nebenan. Geistgegenwärtig schon er das Tagebuch (den das war es ganz offensichtlich) in seine Robe. Er schaffte es gerade noch zurück zum Schreibtisch, als der Tränkemeister in einer sauberen Kleidung durch die Tür hereinkam und sich erneut neben den Kessel stellte.

Harry hatte das Bedürfnis irgendetwas zu sagen. „Ich habe nach Deinen Aufzeichnungen gesucht. Wollte nachlesen, ob man noch etwas retten kann."

„Ich habe die Formel in der Tasche gehabt." Zum Beweis zog Severus ein Stück zusammengefaltetes Pergament aus der Robe. „Die Menge war richtig, aber es musste nach und nach hinzugefügt werden. Nun wird es die ganze Nacht dauern bis sich alle Klümpchen wieder zerkochen. Es wird wohl besser sein, wenn Du schlafen gehst. Hier kannst Du nicht mehr viel machen."

„Es tut mir leid" der ehemalige Gryffindor wusste nicht genau, wofür er sich entschuldigte. Dafür, dass er immer noch das Gefühl hatte an dem Unfall Schuld zu sein, oder dafür, weil er im Begriff war, das Tagebuch zu stehlen.

„Es war mein Versehen. Du kannst nichts dafür. Ich war unachtsam." Sagte Snape und ließ dabei keinen Raum für Widerworte. „Vermutlich fehlt mir Schlaf. Ich träume in letzter Zeit schlecht."

Harry verstand es als eine endgültige Aufforderung zu gehen und schritt zur Tür. Als er dort ankam blieb er stehen und drehte sich doch noch ein Mal um. „Hast Du schon mal das Denkarium gegen die schlechten Träume versucht?"

„Es hat nicht geholfen." Severus Stimme klang matt. Es war die Wahrheit, er hatte das Denkarium ausprobiert, aber das kann nur Gedanken speichern, keine Gefühle.

„Sehen wir uns morgen?" Diese Frage mochte nebensächlich in Snapes Ohren klingen, aber die Antwort war für Harry von immenser Bedeutung. Er wusste nicht, wann der Tränkemeister vorhatte seine Koffer zu packen. Vielleicht ja schon vor dem Mittagessen.

„Natürlich. Ich muss doch das Experiment fertig stellen."

Als der 25jährige die Stufen aus dem Kerker hochstieg, dachte er darüber nach, dass nur der Trank Severus dazu brachte einen Tag länger in Hogwarts zu bleiben. Und dieser Gedanke stimmte Harry unerwartet traurig.

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Ich beeile mich mit dem Schreiben. Wenn ihr bis dahin nichts Besseres zu tun habt, könntet ihr mich gerne in meiner Yahoo-Group besuchen. HaRrYDrAcOSeVeRuS