Kapitel 2
"Glaube mir, ich weiß was geschehen wird." Elronds Stimme klang dunkel und doch warm. Er schwenkte sein Weinglas in der Sonne leicht hin und her. Leuchtend rot schimmerte der Wein. "Ich weiß, ihr besitzt die Gabe der Voraussicht...doch bitte hört mich..."Er verbesserte sich schnell..."uns erst einmal an. Es ist anders als bei anderen...wir." Elrond drehte sich gebieterisch um, gab ihm zu verstehen, dass er nun das Wort habe, wartete nicht länger und beendete Glorfindels Satz. "Ihr liebt euch...wolltest du das sagen?" Ernst blickte er in Glorfindels Gesicht, ja er konnte seine Gedanken lesen, er wusste, was dieser Jüngling dachte. Ja, für ihn war er ein Jüngling, wenn er so sprach, ohne nachzudenken. Noch bevor Glorfindel etwas erwidern konnte, sprach er weiter. "Glaubst du wirklich, es ist mir entgangen, was in meinen eigenen Haus geschieht?" Sein Lachen erklang schallend in der Stille - und verschwand ebenso schnell wieder. "Denkst du, ich nehme den Geruch eurer Leidenschaft nicht wahr?" Elrond ging weiter auf Glorfindel zu, hauchte diese Worte gefährlich nah in sein Ohr. Glorfindel wagte es nicht, sich zu rühren, wagte es nicht zu atmen, seinen Blick stur geradeaus gerichtet, versuchte er Elronds Prüfung zu bestehen. Eine Prüfung? Dies sollte seine Prüfung sein? Niemals! wies er sich selbst im Stillen an, als er plötzlich Elronds Lippen an seiner empfindlichen Ohrspitze fühlte. Sofort spürte er ein leichtes Kribbeln, tief in seinem Innern. Dort hatte ihn auch Erestor berührt...ja, Erestor seine große Liebe.
"Such dir einen anderen, vergiss Erestor!" Elronds Stimme klang ruhig, doch Glorfindel trafen diese Worte wie ein Messer, das ihn quer über den gesamten Körper aufschlitzte. "Nein! Niemals! Das kann ich nicht!" kam es unbedacht aus seinen Lippen. Er wollte fortgehen, doch Elrond packte ihn hart an der Schulter und zwang ihn, sich umzudrehen. "Falsch, du kannst es... wenn du nur willst", korrigierte er seinen treuen Freund. Der Druck auf seine Schulter ließ nach, nun ruhte Elronds Hand nur noch freundschaftlich darauf. Elrond lächelte ihn an. "Mein treuer Freund und Berater, auf dich warten viele andere Aufgaben, du wirst ihn schnell vergessen." Glorfindel schluckte, doch seine Lippen bewegten sich nicht. Er konnte sein Lächeln nicht erwidern. Natürlich wusste er um seine Pflichten hier. Doch hatte das eine nichts mit dem anderen zu tun.
"Ich sehe es in deinem Gesicht, du missbilligst meine Worte..." Elrond wandte sich ab von ihm und lief langsam durch den Raum auf und ab. "Nun ich sage dir nicht, dass du sie auch befolgen sollst, mein Freund, es ist lediglich ein guter Rat, den ich dir gebe." Seinen Blick fern zu den Wasserfällen gerichtet, sprach er weiter. "Ich will dich davor bewahren, dich in ein Unglück zu stürzen." Glorfindel stand regungslos da. "Jetzt mag dir alles schön und großartig vorkommen...doch was wird später sein? Es kommen jeden Frühsommer neue Elben hierher, glaubst du wirklich, eure Liebe wird jedem neuen, jungen Geschöpf standhalten?" fragte er Glorfindel. Dieser öffnete seine Lippen, doch fand er keine Worte, die er auszusprechen vermochte. Er verstand nun, was Elrond meinte, und nickte, er wollte sich nun vollends abwenden, doch Elrond hielt ihn erneut auf.
"Warte noch, er müsste gleich kommen." Glorfindel verstand nicht, doch dann wusste er, wen er meinte. Erestor... er hatte auch nach Erestor geschickt! Was sollte er nur machen! Er konnte ihm nicht erneut in die Augen sehen. In diese grünen Augen, die immer dunkler wurden wenn er...er schluckte und spürte, wie sein Körper auf diese Gedanken reagierte. Das konnte doch nicht sein! Er dachte doch nur daran! Wie sollte er jemals Abstand gewinnnen, wenn er nicht mal an ihn denken könnte? Ja er sehnte sich nach seinen Händen, die ihn dort berührten, wo es am Liebsten hatte. Ohja, wie sehr sehnte er sich nach seiner Zunge, seinen sinnlichen Lippen... dieses Lächeln, das er ihn schenkte, wenn er mit ihm allein sein wollte. Es sagte mehr als alle Worte der Welt.
Er fuhr sich etwas nervös durchs Haar. Obwohl Elrond mit dem Rücken zu ihm stand wusste er, dass er ihn beobachtete. Ja er wusste ganz genau, wie er sich jetzt fühlte. Doch plötzlich war alles vergessen als er diese Worte hörte.
"Ihr habt nach mir verlangt, mein Herr." Erestor verneigte sich höflich vor Elrond, dieser bot ihm einen Sitzplatz an, doch Erestor lehnte dankend ab. Sein Blick ruhte zu lange, viel zu lange bei Glorfindel. Elrond bemerkte ihre sehnsuchtsvollen Blicke, ihre stummen Worte. Ja, er konnte sie sogar hören! Er zog eine Augenbraue in die Höhe und schenkte Erestor und Glorfindel jeweils einen Becher Wein ein. Doch keiner der beiden nahm einen Schluck. Elrond hingegen trank bereits sein zweites Glas, während sein Blick prüfend auf den beiden ruhte.
"Wie ich sehe, habt ihr euch viel zu sagen" erklärte Elrond ironisch, als er beide musterte, dann setzte er sich auf seinen Stuhl. Ruhig lagen seine Arme auf den Lehnen, als er weiter sprach. "Ich möchte euch um etwas bitten..." Seinen Blick ließ er scharf von einem zum anderen wandern "...es ist kein Gefallen, keine Pflicht, kein Befehl... nein, es ist nur eine Bitte. Würdet ihr sie mir erweisen?"
Glorfindel und Erestor tauschten ihre Blicke aus, traten etwas näher zu Elrond und nickten. "Mae... mein Lord Elrond, das tun wir." Elrond lächelte zufrieden und nahme jeweils einen ihrer Hände. "Schwört mir nun, dies ist meine Bitte, dass ihr euch nie mehr so nahe kommt wie es noch vor wenigen Stunden der Fall war, ihr seid meine Berater, ich wünsche, dass sich meine Beraten respektieren, nicht lieben. Denn so etwas führt auf Dauer nur zu Streit, und ich vermag es nicht, auch nur auf einen von euch zu verzichten. Und dies müsste ich, wenn ihr nicht auf Abstand bleiben könnt." Er drückte ihre Hände fest und schaute jedem einzeln lange tief in die Augen. "Denkt an die Zukunft, denkt an eure Bestimmung...sie liegt nicht darin, dass ihr zusammen seid, das wisst ihr", sagte er eindringlich.
Lange herrschte Schweigen, doch dann gab Glorfindel nach und sagte. "Mae...ich schwöre es." Elrond ließ seine Hand los, hielt ihn auch nicht zurück, als er den Raum still schweigend verließ. Erestor wagte es nicht, sich umzublicken, war der Schmerz doch zu groß, den er spürte. Nun ist es also vorbei, dachte er. "Glaube mir es ist besser für euch...für uns alle", erklang Elronds Stimme zufrieden neben ihm. Erestor ließ seine Hand los und wich ein paar Schritte zurück. "Wenn ihr es wünscht, Mylord, schwöre auch ich, dass ich Glorfindel nicht mehr anrühren werde, außer er ist verletzt und benötigt meine Hilfe." Dann verschwand auch er. Und Elrond blieb zurück. In dem Glauben, dass ein Schwur stärker ist als ein Verlangen.
