Die Tage gleiten nur so vorbei, und McKay ist viel zu beschäftigt um viel Nachzudenken- frieren, jagen, hungern, üben, mit dem Bogen und den Messern umzugehen und dabei Kolya NICHT umbringen- und er findet einfach nicht genug Zeit, um sich wirklich zu ängstigen.
Es ist ein bisschen so, als liefe er auf einem schmalen Pfad an einem sehr tiefen Abgrund entlang, oder balancierte auf einem im Wind schwankenden Seil. Solange er nicht bemerkt, was er tut, ist alles gut.
Gewöhnlich wacht er früh morgens auf, kalt und zusammengerollt wie ein Tier seinem Bau. Das Feuer ist längst nicht mehr am brennen, hat die Nacht nur noch als Glut überlebt.
Er streckt seinen protestierenden Körper, und versucht wieder Leben in seine Glieder zu reiben.
Kolya ist schon aufgestanden, ohne auch nur das Gesicht angesichts der morgendlichen Kühle zu verziehen, und entzündet das Feuer wieder, legt einige Hölzer nach und setzt schließlich den- so nennt ihn McKay in Ermangelung eines besseren Wortes- Morgentee auf.
McKay trinkt, noch schweigend, und genießt die Wärme.
Und dann suchen sie Nahrung.
Merkwürdig, wie etwas, dass McKay einmal als so selbstverständlich, so simpel erachtet hat ( wenn auch nicht unbedingt als unwichtig...), so wichtig werden kann.
Doch jedes mal, sobald er aufgestanden ist, hat ihn die Tagesroutine gefangen genommen, so dass er nicht nachdenkt.
Und dann, als es zum ersten Mal mit dem Bogen funktioniert hat, als Kolya einen toten Hasen in der Hand hält, und McKay in einem improvisierten Beutel mehrere (laut Kolya ungefährliche) Pilze trägt, als sie zu essen haben und Zeit und als Kolya McKay allein lässt, um sich zu waschen, das ist es schon zu spät.
Zu spät, um sich daran zu erinnern, nicht nachzudenken.
Das Eis bricht, und kaltes Wasser schlägt über ihm zusammen und er kann nicht atmen.
Oh Gott, er hat vergessen. Er hat vergessen-
Taumelnd kommt McKay auf die Füße und schluchzt auf, als ihm plötzlich seine Situation mit unbarmherziger Endgültigkeit bewusst wird.
Er hat vergessen, welcher Tag heute ist.
Er weiß noch nicht mal, wie lange er schon hier ist, verdammt noch mal!
Er weiß gar nichts, und ohne Kolya hätte er nicht mal die erste Woche überlebt-
Oh.
Er weiß doch etwas.
Er weiß, dass sie ihn nie finden werden. Dass sie ihn schlicht und einfach nicht finden können- Sheppard kann ruhig versuchen, die Dorfbewohner auszuquetschen, der einzige, der die Symbole dieses Planeten kannte, ist tot- ritueller Selbstmord, so nennt man es wahrscheinlich. Vage erinnert sich McKay daran, dass der Mann einen Nachfolger bestimmt hat, der als einziger auch die Symbole kennt, der nun die nächsten zehn Jahre durch die verschiedensten Welten wandern wird, um schließlich- was für ein freudiger Anlass- zu seiner Welt zurück zukehren und das nächste Opfer zu diesem Planeten zu schicken. Danach wird er sich höchstwahrscheinlich die Kehle durchschneiden, wie sein Vorgänger, und wenn McKay jetzt noch klar denken könnte, würde er wahrscheinlich mitleidig-verständnislos den Kopf schütteln.
Doch alle Vernunft hat McKay verlassen, Panik verdunkelt seinen Geist, als er aus der Höhle taumelt.
Er wird NIE gefunden werden oh mein Gott er wird hier sterben-
Er achtet nicht darauf, wohin er läuft. Er hört nichts anderes als das Rauschen in seinen Ohren und das Dröhnen seines Herzschlags.
Sein restliches Leben muss er hier verbringen er wird nie mehr Atlantis sehen die Erde- seine Schwester.
Oh Gott, er ist hier lebendig begraben.
Beine, die plötzlich nicht mehr das Gewicht des Körpers tragen wollen, knicken ein, und lassen McKay als hilfloses, schluchzendes Bündel auf dem Boden zurück.
Er weint und ringt nach Atem und schluchzt und flucht, und langsam weicht der Nebel, und er findet sich in seinem Körper wieder, auf feuchten Blättern liegend, mitten im Wald.
Er hat Durst, seine geschwollenen Augen schmerzen, und sein Kopf pocht, doch das Selbstmitleid und die Verzweifelung sind weitgehend verschwunden, und McKay kann wieder denken.
Er nimmt ein paar tiefe, zitternde Atemzüge.
Idiotisch.
McKay fährt sich ein paar mal mit dem Handrücken übers Gesicht und schämt sich auf einmal, besonders, als er sich Kolyas Gesicht vorstellt, wenn der Genii merkt, dass McKay geweint hat.
Dann fällt ihm der Grund seines... Aussetzers wieder ein, und er schluckt, und schluckt noch einmal und redet sich verzweifelt ein, dass es nichts macht, dass es unwichtig ist, ob er weiß, welcher Tag heute ist, und dass es zu früh ist, um schon alle Hoffnung aufzugeben.
...(Und wenn es ganz unerträglich wird- irgendwie hier wird es bestimmt eine schöne hohe Klippe finden)
McKay steht auf- und friert mitten in der Bewegung ein, als ihm plötzlich die Folgen seines Handels klar werden.
Er hat nicht die geringste Ahnung, wo er ist.
Nicht die leiseste.
Er dreht sich auf der Stelle. Um ihn herum ist nichts als kühler, feuchter, eintöniger Wald.
Die Sonne verschwindet hinter einer Wolkenbank, und die vorher so glitzernden Spinnennetze, die an vielen Büschen hängen, werden fahl.
Die Luft steht, und obwohl es noch viel zu früh dafür ist, könnte McKay auf einmal schwören, dass die Schatten immer länger werden.
Er weicht unwillkürlich zurück, bis ihm einfällt, dass es nichts gibt, wohin er zurückweichen könnte.
Etwas raschelt.
McKay dreht sich um, sucht mit den Augen den schattigen Wald ab.
Nichts.
Er versucht sich zu beruhigen, überkreuzt die Arme, wartet darauf, dass sein rasender Herzschlag langsamer wird-
Die Arme fallen herab.
Er weiß. Noch bevor er dass Knacken des Astes hört, noch bevor er herumwirbelt, weiß er-
Die Pupillen der Raubkatze verengen sich, als ihr Blick McKays trifft. Schwarz-silbernes Fell spannt sich über Muskeln, lange silberne Schnurrhaare zittern andeutungsweise, als das Raubtier atmet, keine zwei Meter von McKay entfernt, Schwanz ganz leicht von einer Seite zur anderen peitschend.
Hallo.
