Die Zeit bleibt stehen.

Einen endlosen Moment lang bewegt sich weder die Katze, noch der Mensch, und blaue Augen starren in Grüne.

Und dann kehrt die Welt zurück, und McKay versucht einen Schritt nach hinten zu machen, gleitet auf den nassen Blättern aus, und fällt.

Er landet ungeschickt, und ein überwältigender Schmerz fährt durch seinen Rücken, presst ihm die Luft aus den Lungen. Er kann nicht atmen, und schwarze Pünktchen tanzen vor seinen Augen.

Ganz ruhig...

Langsam weicht der Schmerz in seinem Rücken. Die Katze hat sich nicht gerührt, starrt immer noch, nur das Zucken ihres Schwanzes ist intensiver geworden.

McKays Kopf ist merkwürdig leer.

(Sollte er nicht rennen?)

ruhig

Das Raubtier hebt langsam, fast spielerisch, eine prankenartige Pfote, und macht einen kleine Schritt nach vorn.

Ein Teil von McKay ist vor Angst gelähmt, stirbt vor Angst, wünscht sich zu sterben, weiß, dass es gleich zu Ende sein wird-

Ein anderer Teil starrt einfach nur zurück. Verliert sich in den grünen Augen, verliert den Kontakt zu dem nassen Waldboden, verliert jegliche Verbindung mit seinem Menschendasein.

Das Netz heißt ihn willkommen. Zieht ihn geradezu aus seinem Körper, bis er irgendwo dazwischen ist, beängstigend frei und richtungslos, mit einer vagen Ahnung von der Existenz der Anderen... und er sucht den einzigen sicheren Ort auf, den er fühlen kann, dessen Präsenz es verhindert, dass er zerfasert, sich auflöst, ein Ort, fest eingebunden im Netz, und doch für sich alleine...

Poch. Poch. Poch.

Zunächst ist er verwirrt, weiß nicht, was das rhythmische Stampfen zu bedeuten hat, dann begreift er: Herzschlag.

Er ist schnell, aufgeregt, und kommt von dem Wesen vor ihm, genau wie der süße, süße rote Geruch, und auch die Angst.

Er spürt Verwirrung, Gier, und, stärker, als alles andere, Neugier.

Das zweibeinige Wesen rührt sich nicht, und ein tiefes Einatmen übermittelt wieder verlockende Botschaften, Versprechen von süßem Fleisch und warmen Blut-

Doch die Verwirrung wird größer.

Etwas stimmt nicht. Das, was von McKay übrig ist, spürt die fremde Verwirrung, und versteht zunächst nicht, versucht tiefer in den sicheren Ort einzudringen, der so voll ist von Sinneseindrücken.

Die Verwirrung wird zu Angst, und die Angst zu Ärger.

Ein Fremder ist hier, er ist der Fremde, und Es fürchtet sich, Es rast vor Wut, denn der Fremde ist im Höchsteigenen, er ist tiefer eingedrungen, als je einem Anderen gestattet wird, und fremde Gedanken fressen sich durch ureigenstes Wesen-

Es kommt wie eine Explosion, schleudert McKay aus dem sicheren Ort, reißt ihn fast auseinander, und kurz bevor die letzte Verbindung abbricht, spürt er Schmerzen, und sieht einen Mann, der etwas in der Hand hält und eine Bewegung macht, und wieder folgen Schmerzen...

Töten töten verteidigen atmen leben leben leben...

Der sichere Ort verlischt. McKay ist allein. Das Netz um ihn herum zieht sich zurück, und lässt ihn zurück, allein, allein, allein, und NICHTS ist da, was ihn hält- er wird zerfasern wie eine Pusteblume im Wind-

Jemand ruft ihn.

Das hält ihn zusammen. McKay lauscht und wartet und hofft, und das Rufen wiederholt sich.

Doch er kann keine Worte erkennen, und langsam werden die vorher noch so dringlich klingenden Laute leiser und leiser und unbedeutender.

Es wird dunkel, langsam, und mit dem letzten Rest seines Seins fühlt er, wie er sinkt...

Und dann explodiert die Welt ein zweites mal, explodiert in Schmerz und Licht und Farbe, und McKays Kopf fliegt zur Seite.

„Uff"

„Doktor? Doktor? McKay?"

Jemand schüttelt ihn, und ein Gesicht spricht, laut und aufgeregt.

„Hm...?", presst McKay hervor, und das Schütteln lässt ein wenig nach.

„Doktor?"

„Was...?" Ihm ist schwindelig.

Das Gesicht ist rot und aufgeregt, und es ist alles zu viel, er will nicht-

Diesmal spürt er die Ohrfeige. Sein Kopf fliegt ein zweites mal herum, und dann packt ihn Kolya am Kinn und zwingt ihn, ihm ins Gesicht zu sehen.

„Sind Sie in Ordnung?"

„Was ist passiert?", fragt McKay zurück, denn er könnte jetzt eine Erklärung gut gebrauchen, für den Fall, dass wirklich alles in Ordnung sein soll.

„Die Raubkatze hat Sie angegriffen", sagt Kolya und verzieht seinen Mund zu etwas, das wohl ein Lächeln sein soll. „Sie ziehen diese Dinger wirklich an..."

„Oh-", sagt McKay. „Ist- ist sie- ?"

„Tot, ja", antwortet Kolya.

Er hilft McKay, dessen Körper zittert, auf die Beine.

Die große Katze liegt zusammen gesunken einige Meter von ihm entfernt, die vorher leuchtenden Augen einen Spalt weit offen, blass und ausdruckslos.

Eine Sekunde lang wartet McKay auf das Heben und Senken des Körpers, das Atmung zeigen würde, dass erkennt er die Pfeile, die im Körper des Tieres stecken, beinahe wie Nadeln in einem großen, schwarzen, unförmigen Nadelkissen.

„Oh", sagte er leise.

Es ist beinahe unnatürlich still, als sie zurück zur Höhle gehen. McKay ist froh, dass seine Wange schmerzt, denn das gibt ihm eine Art Halt, und er ist auf eine merkwürdige Art auch darüber froh, dass Kolya, jetzt, wo die unmittelbare Sorge um den Doktor vorüber ist, praktisch kocht vor Wut.

Denn wenn er ganz still ist und lauscht, glaubt er immer noch das Netz fühlen zu können.