McKay watet aus dem See. Die Kälte, die in seine Beine gekrochen ist, lässt ihn zittern.
Was zur Hölle ist in Kolya gefahren?
Seine nassen Schuhe machen leise, quietschende Geräusche, während er geht. Er merkt nicht, dass er seine Schritte zur Hütte gelenkt hat, bis er vor dem baufälligen Häuschen steht.
Rauchgeruch liegt in der Luft. McKay zögert plötzlich, der Gedanke, jetzt auf Kolya zu treffen, behagt ihm nicht. Unschlüssig bleibt er stehen, während sein Magen hungrig grollt, und sein kalten Zehen schmerzen.
Dann fasst er sich ein Herz und bückt sich unter der niedrigen Türöffnung durch.
Kolya sitzt am Feuer, hebt aber kaum den Kopf, als McKay hereinkommt. Wortlos reicht er ihm ein Stück Tuch (ehemals ein Teil des Futters seines Mantels), als Rodney sich die Schuhe auszieht, und versucht, Leben in seine Füße zurück zu reiben.
McKay braucht an diesem Abend lange, um einzuschlafen, und er ist beinahe sicher, dass Kolya auch wach liegt, obwohl der Atem des Genii gleichmäßig ist.
XXX
Eine Woche muss es jetzt her sein, denkt McKay. Er hat sich mittlerweile daran gewöhnt, allein zu sein, wenn er aufwacht, und auch den größten Teil des Tages über.
Kolyas Jagderfolge sind nicht mehr so zufriedenstellend, wie sie einmal waren, und wenn McKay an die Wut des Mannes denkt, findet er das eigentlich nicht verwunderlich- wie will ein so wütender Mann die nötige Geduld und Ruhe für eine Jagd aufbringen?
Nun gut, er muss zugeben, er selbst ist auch nicht besser. Doch in letzter Zeit geht er oft jagen, und hat schon mehrere Tiere getötet- Hasen, Kaninchen, mausgraue plumpe Vögel, die ein wenig an hässliche Hühner erinnerten...
Ohne Eile geht er das Seeufer entlang. Die scheinbar unendliche Wasserfläche des Sees verliert sich am Horizont zu einem unbestimmten Stahlblau. Es ist schon lange her, dass er so wenig- nichts- vom anderen Ufer erkennen konnte.
Er hatte nie zuvor eine Schwäche für die Schönheit der Natur gehabt, aber hier, auf diesem tristen Planeten, lernte er die wenigen bemerkenswerten Anblicke wirklich zu schätzen. Unzählige Sterne, am schwärzesten Himmel, den McKay je gesehen hatte, kein einziges Störlicht. Sonnenaufgänge, die den kleinen Berg hinter ihnen zum Erglühen brachten. Sonnenuntergänge, die den See entzündeten.
Der Wiesengürtel, der um den See liegt, wird langsam schmaler. McKay ist schon ein ganzes Stück von der Hütte entfernt. Vielleicht sollte er bald einmal das Ufer verlassen, und sehen, ob er Gebrauch von seinem Bogen machen kann...
Eine Muschelschale zerspringt unter seinem Fuß mit einem hellen Knacken, als er das Seeufer verlässt.
Zehn weitere Schritte bringen ihn an den Waldrand.
XXX
Der tote Vogel schlägt gegen McKays Oberschenkel, wenn er geht.
Es ist ziemlich viel Zeit vergangen, er hat wenig Glück gehabt. Das Tier ist zu klein, um eine sättigende Mahlzeit für einen, geschweige denn für zwei Männer zu sein.
Der Wald hat schon besonders viel Dunkelheit geschluckt, und die Schatten zwischen den Bäumen wachsen lang und grau, und plötzlich merkt McKay, dass er eine Gänsehaut hat. Verwirrt fährt er sich über die Oberarme, geht dann schneller.
Als er aus dem Wald tritt, ist der Himmel eisengrau. Der See hat sich in Dunst gehüllt, die Wasserfläche hat jegliches Blau verloren.
Ein Schaudern überläuft McKay. Er friert.
Bloß schnell zurück zur Hütte, denkt er, dreht sich schon um.
Seine Nackenhaare stellen sich plötzlich auf, und er lässt den armseligen Vogel fallen. Aus den Augenwinkeln hat er eine Bewegung gesehen, am Waldrand-
Und eine Sekunde später kommt er sich lächerlich vor. Alle Bäume und Büsche bewegen sich, denn ein Wind kommt auf.
„Guter Plan, zurück zur Hütte", murmelt McKay, und hastet dann am Seeufer entlang.
XXX
Der Wind ist jetzt peitschend. Obwohl McKay schon das Splittern von Ästen gehört hat, und Angst hat, vom einem getroffen zu werden, ist er auf den schmalen Wiesenstreifen zwischen Seeufer und Waldrand ausgewichen, denn der See ist keineswegs mehr eine Fläche. Jetzt sieht er aus wie ein Meer, und eiskalten Wellen schwappen über das Ufer.
Die Bäume stöhnen. Es ist sehr schnell dunkel geworden, McKay kann nicht mehr als zehn, fünfzehn Meter voraussehen.
Etwas Kaltes trifft McKay auf der Wange, und als er seine Hand dahin hebt, spürt er Nässe.
Na großartig. Auch das noch.
Er richtet wieder seinen Blick auf den Boden, und bemüht sich, noch schneller zu gehen.
Es beginnt nicht als Wolkenbruch, doch das leichte Nieseln ist genug, um McKay noch stärker zittern zu lassen, was gefährlich ist, denn jetzt ist der Weg rutschig.
Für Sekunden ist es hell, und McKay, der den Blick zum Ufer gerichtet hat, hält inne. Geht dann näher heran. Spürt, wie sein Magen sich plötzlich in einem Klumpen Eis verwandelt... das sieht aus wie... aber das... das
„Oh nein", flüstert McKay.
Krachend spaltet das Geräusch des Donners den Lärm des Windes, und eine Sekunde sieht es tatsächlich so aus, als würde das Wasser in dem großen, vierzehigen Pfotenabdruck bei dem Grollen erzittern.
