Kapitel 1 – Der zerbrochene Zauberstab

Entsetzt starrte Harry Potter auf seinen Zauberstab, der ihm schon so lange Zeit, seit seinem Kauf im Zauberstabladen in der Winkelgasse und durch so viele Abenteuer hindurch treu gedient hatte. Doch nun – nicht mehr. Er war zerbrochen!

Zum trauern jedoch blieb dem Jugendlichen keine Zeit, da die Ursache für diesen soeben erlittenen Verlust sich rein damit nicht zufrieden stellen lassen würde.

Hastig rollte er sich herum, die nun unnütz gewordenen Reste des Phönixzauberstabs in seiner rechten Hand bergend, als ob diese ihm noch irgendetwas bringen könnten. Doch zurücklassen, nein – das wollte er ihn auch wieder nicht.

Aufspringend, über graues und schwarzes, scharfkantiges und die fahlen Mondstrahlen über ihm reflektierendes, unter seinen Füßen wegrollendes Gestein stolpernd und schließlich die einzig ihm noch verbliebene Möglichkeit nutzend, wandte der junge Zaubererschüler sich zur Flucht.

Vorbei an den kalten steinernen Figuren, welche wie er hoffte, nur seiner überreizten Nerven wegen und damit nur seiner Einbildung nach damit begannen, sich zu regen und sich von ihren Sockeln herab zu bewegen. Ihre fahlweißen marmornen Gliedmaßen streckten sich ihm begierig entgegen, griffen, tasteten, schlugen nach ihm aus, mit Krallenbewehrten Pranken und zu Klauen geformten Fingern, Füßen und anderem, was immer auch dazu nötig schien, ihn auf- und ja, auch festhalten zu können.

Ihn festzuhalten, um ihm denjenigen auszuliefern, der seinen Zauberstab auf so erschreckend einfache Art und Weise zerbrochen hatte. Fast schien es, als hätte es Ihm keinerlei Mühe bereitet und auch den möglichen Folgen gegenüber, die es bei einem vom Feind auf solch gewaltsame Methode zerstörten magischen Gegenstandes zu befürchten galt, schienen seinen Gegner völlig gleichgültig zu sein. Beinahe so, als wüsste dieser, das er nichts zu befürchten hatte.

Tatsächlich hatte es auch keinerlei Folgen gegeben. Keine Explosion, oder andere magische Reaktionen, die in einem letzten aufwallen der aus dem Phönixzauberstab entweichenden Macht, seinem Zauberer gegenüber einen letzten, heldenhaften Dienst erwiesen, um diesem so die Gelegenheit zur Gegenwehr zu geben, oder auch zur Flucht. Oder aber, um den Kampf gänzlich zu Gunsten des ehemaligen Stabschwingers zu entscheiden.

Nichts dergleichen war geschehen und dennoch …, war es Harry gelungen sich umzudrehen und zu fliehen.

Sich abzuwenden von diesen die Kälte des Todes versprechenden, rot glühenden Augen.

Augen, die er zuvor noch nie gesehen hatte und die er, wenn es nach ihm ginge, auch niemals wieder zu sehen wünschte.

Ob seiner soeben gehegten Gedanken unachtsam geworden, gelang es Harry nicht mehr, einer nach ihm ausschlagenden steinernen Schwinge auszuweichen. Am rechten Schulterblatt getroffen, sank der junge Zaubererschüler zu Boden, sich dabei die nur unzureichend vom dünnen Mantel- und Hosenstoff geschützten Knie an den messerscharfen Gesteinsbrocken aufschlagend, welche den Boden, so weit er auch zu blicken vermochte, rings um ihn herum bedeckten.

Solcherart beiderlei getroffen, konnte Harry einen sich durch seine Kehle herauswindenden Schmerzensschrei nun nicht mehr unterdrücken, auch wenn er sich für diese Handlung zur gleichen Zeit verwünschte.

Sich hastig wieder aus seiner gestürzten Haltung vom Boden herauf aufrichtend, wandte er seinen Kopf gen von dunklen Wolken bedecktem nächtlichen Himmel, welcher nur ab und zu durch die sich zusammen dräuende Schicht aus finstersten Grau und Schwarz einen einzelnen Strahl des hoch über ihm scheinenden, vollends gerundeten Mondes hindurch ließ.

Dort!

Dunkle Schwingen, fledermausgleich, doch um so vieles größer, als die kleinen, pelzig geflügelten Mause, durchschnitten die Nacht, kreisten …. Unendlich langsam … sanken herab … immer weiter und weiter, dem Erdboden entgegen.

Ihm entgegen!

Ihm, der sich wie eine Maus erstarrt, vor dem suchenden Auge des Falken durch reine Willenskraft zur Regungslosigkeit zwingend, ersehnte und erhoffte, das er wider allen besseren Wissens doch nicht gesehen und als die gesuchte Beute erkannt worden war.

Eine Hoffnung, die wie Harry nur Sekunden später mit Schreckensbleichem Gesicht erkennen musste, vergebens gewesen war, denn die sich ihm nun bis auf wenige Flügelspannen hin genäherte Gestalt, ließ keinerlei Zweifel, auch nicht den Geringsten dabei aufkommen, was ihr anvisiertes Ziel sein sollte.

In Gedanken fluchend raffte der junge Hogwarts-Schüler sich erneut auf, dabei einen weiteren Schmerzenslaut nur mühsam unterdrücken könnend, als bei seiner überhasteten Bewegung ein brennendes Stechen durch sein linkes Knie fuhr. Er musste sich das Gelenk bei seinem Sturz wohl doch ärger als bisher angenommen verletzt haben. Doch blieb für weitere diesbezügliche Betrachtungen keine Zeit – nicht wenn es darum ging, demjenigen davonzulaufen, der ihn seines Zauberstabs und damit dem Großteil seiner ihm zur Verfügung stehenden Magie beraubt hatte.

Sicher – die Macht selbst ruhte weiter in seinem Innersten. Harry konnte sie regelrecht durch seine Adern pulsieren und in seinen Schläfen pochen fühlen. Ja – er konnte die Magie sogar schmecken, so sehr lagen ihm diverse Defensiv- und Bannzauber, sowie einige weit über sein Alter hinaus gehende Gegenflüche regelrecht auf der Zunge.

Doch nützten sie ihm nichts. Nicht mehr, nachdem er seinen Phönixzauberstab an seinen Gegner verloren hatte.

Einem Gegner, der wie ihm siedend heiß wieder zu Bewusstsein kam, sich gerade dazu anschickte, vom Himmel herab zu ihm hinunter auf den kargen, kalten grau- und schwarzen Steinboden zu gleiten, um …

Ja … um was zu tun?

Ihn zu töten?

Vielleicht. Harry war sich dessen nach den zuletzt erlebten Ereignissen nicht mehr so sicher. Wäre dies der Wunsch seines Gegenspielers gewesen, so hätte dieser sein Werk sicherlich schon mehr als einmal ausführen können.

Ihn zu quälen? Zu foppen? Mit falscher Zuversicht und fehlschlagenden Hoffnungen zu erfüllen?

Vielleicht – er wusste es schlichtweg einfach nicht.

Und spielte es denn überhaupt eine Rolle, was sein Gegner von – und mit ihm wollte?

Nicht wirklich – nicht soweit es jedenfalls ihn, Harry Potter betraf. Nicht wenn es schlichtweg darum ging, seinen ureigenen Hals wieder aus der Schlinge zu ziehen, in welcher er sich, Narr der er war, freiwillig begeben hatte.

Sein Ziel in der vom Mondlicht kaum erhellten Dunkelheit nur schwer erkennen könnend, taumelte der noch nicht gänzlich zum Mann gewordene, aber auch kein Kind mehr seiende Zaubererschüler weiter, dabei der kargen Landschaft um sich herum nur so viel Aufmerksamkeit wie unbedingt nötig schenkend.

Zu sehr hatte er auf Anderes zu achten. Auf weiter auf ihn eindringen wollende, marmor- und fahlweiße, lebendig gewordene Statuen zum Beispiel und nicht zu vergessen dem, was ihm am Himmel über ihm verfolgte und was ihm schon so nah – zu nah nach Harry's Geschmack – gekommen war.

Wie nahe dieser ihm bereits gekommen war, das wurde Harry erst so richtig bewusst, als er das flappende Flügelschlagen über sich hinwegrauschen hörte. Über sich hinweg – und dann plötzlich, ebenso schnell wie es gekommen – wieder verstummt war.

Leises schaben von Klauen auf Stein, knirschend, zermalmend, was nicht derart leicht hätte sein dürfen, da bisher nichts Harry bekanntes auch nur einen Splitter aus den am Boden liegenden, nein diesen selbst bildenden Untergrund herauszubrechen vermocht hatte.

Nicht Magie, noch Stahl, noch sonstige Maßnahmen, welche sowohl der Zaubererwelt, als auch der Welt der Muggel bekannt waren.

Sie hatten es versucht – damals, wie heute und ebenso wie vor beinahe zwanzig Jahren, war es keinem gelungen, auch nur einen Kratzer in einen der grauen- oder schwarzen Gesteinsbrocken hineinzubekommen, ganz gleich, was sie alles unternahmen.

Harry's Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf das Geräusch direkt vor ihm. Etwas, das er bereits zuvor gehört hatte, kurz bevor sein Phönixzauberstab zerbrochen worden war und so musste er sich regelrecht dazu zwingen, seinen Blick vom Boden weg etwas höher hinauf zu richten, wohl wissend, was er zu sehen bekommen würde.

Eine Gestalt, in Finsternis gehüllt und vom Dunkel der Nacht kaum zu unterscheiden, mit mondbleichem Gesicht und fahlweißen Händen stand nur wenige Schritte entfernt direkt vor ihm. Augen so rot wie Blut ließen ihn zur völligen Bewegungslosigkeit erstarren, nicht fähig, auch nur einen einzigen Muskel in seinem Körper zu regen.

Hilflos seinem Gegenüber ausgeliefert starrte Harry zu dem ihn um gut einen Kopf überragenden Wesen auf. Seine in ihm pulsierende Angst kaum mehr beherrschen könnend und dennoch zur Untätigkeit verdammt, da allein die unmittelbare Gegenwart genügte ihn seiner Kraft, seines Willens, ja selbst seines zuvor noch gehegten Fluchtwunsches zu berauben.

Vollständig und Unwiderruflich ausgeliefert.

Selbst als das Wesen erst einen, dann einen weiteren Schritt, von unter seinen klauenartigen Füßen mit deutlichen Kratzspuren darauf wegrollendem Gestein tat, gelang es dem jungen Zaubererschüler nicht, sich zu mehr überwinden zu können, als das er seinen ihm nun nutzlos gewordenen Phönixzauberstab nur umso fester mit seiner rechten Hand umklammerte.

Langsam öffnete sich das, was Harry zuvor für einen dunklen, der schwärze der Nacht nachempfundenen Umhang gehalten hatte und mit Schrecken erkannte er, das es nichts auch nur annähernd derart einfaches war.

Dünne, die Nacht selbst mit ihrer eigenen Dunkelheit fast verschlingende Flügel entfalteten sich, deren dünne Membran trotz aller in ihr wohnenden Finsternis auf eine fast schon widernatürliche Art und Weise zu pulsieren schienen.

Das stets immer weiter in ihm anwachsende Gefühl von verzweifelter Hilflosigkeit verstärkte sich mit dem stetigen und unaufhaltbar scheinendem näher kommen seines Gegenübers bis zu einem Punkt, an welchem es Harry nicht mehr zu ertragen können glaubte. Er spürte wie der durch seine Flucht zuvor rasende Schlag seines Herzens immer langsamer und ja, auch unregelmäßiger wurde. Das stetig wachsende rauschen in seinen Ohren wurde immer lauter. Dazu ein Gefühl, als presse ihm etwas den letzten ihm noch verbliebenen Atem aus seinen brennenden, nach frischem Sauerstoff ringenden Lungen heraus und erlaube ihm nicht mehr, neuen und ihm am Leben erhaltenden einzuatmen.

Das alles führte dazu, das er nicht einmal mehr die Kraft hatte, auf seinen ohnehin schon durch seinen vergeblichen Fluchtversuch geschundenen Füßen zu stehen vermochte und so überraschte, oder erschreckte es ihn nicht wirklich mehr, als seine Beine unter ihm nachgaben und er vornüber in die Knie sank.

Doch erreichten seine blutenden Gelenke den Boden nicht.

Er wurde aufgefangen – fest gehalten – und in widernatürliche, pulsierende Wärme gehüllt, als sich die Fledermausschwingen um ihn schlossen und ihn fest, so unglaublich fest an den noch viel wärmeren, sich unglaublich lebendig anfühlenden Körper des Wesens drückten, das ihn schon zuvor aus dem Schutz der Dunkelheit heraus besiegt hatte, indem es seinen Zauberstab so spielend einfach zerbrach und das mit nicht mehr, als einem einzelnen Wort, das zwar nicht hör- dafür aber umso deutlicher spürbar gewesen war und das selbst wenn er es zu hören vermocht hätte, ihm dennoch vollends fremd geblieben wäre, da es nichts auch nur annähernd glich, was er in den letzten Jahren über Magie und Zauberei gelernt hatte.

Während ein Gefühl unendlicher Kälte langsam und stetig immer weiter durch seinen Körper kroch und auch den letzten Funken an Hoffnung in ihm ersterben ließ, konnte Harry spüren, wie das, was immer ihn hielt, in gleichem Maße erstarkte. Wie es wärmer und … um so vieles lebendiger wurde, als alles, an was er sich zu erinnern vermochte.

Doch auch dieses Gefühl verging letztendlich. Erstarb unter dem stetig zunehmendem Druck, der Atemlosigkeit, der schwindenden Fähigkeit selbst die einfachsten Gedanken zu formen und festzuhalten.

Dunkelheit, tiefer als alles, was er jemals zuvor erfahren hatte, bemächtigte sich seiner. Ein letztes zucken seines nutzlos gewordenen Körpers durchlief ihn, kroch durch den Boden seine Beine, sein Rückrat und schließlich seine Arme entlang, bis hinein in seine unkontrolliert zuckenden Hände …

… und die Welt um ihn herum verging.

TBC

Bitte denkt an den Knopf unten! Auch nicht Angemeldete können hier und bei meinen anderen Storys ihre Meinung zu hinterlassen. Wie oft ich ein weiteres Chap poste, kann ich leider nicht sagen. Hängt viel auch von EUREN Meinungen zu den einzelnen Chaps / FFs ab, welche ich zuerst weiter schreibe.

Hoffe das euch die Story bisher gefallen hat!
Morti